Sachsen und die Rheinbundreformen

Fineglin

Neues Mitglied
Hallo,

hätte eine Frage zur Umsetzung der Rheinbundreformen in Sachsen.
Soweit ich das verstanden habe, fand ja eine Mediatisierung und Säkularisation in Sachsen nicht statt, da dies bereits im 16. Jahrhundert durch die Reformation geschehen war - stimmt das soweit?

Wisst ihr wie es in anderen Bereichen mit Reformen aussah? (Staat und Verwaltung, Justiz, Finanz-/Wirtschaftsreformen, Adel-/Agrarreform, Grundrechte, Bildungsreformen)
habe dazu natürlich bereits viele Informationen gefunden, allerdings nicht speziell zu Sachsen. Bin mir daher nicht ganz sicher, ob dies alles nur in einzelnen/den süddeutschen Ländern durchgeführt wurde oder auch (bzw. nur teilweise?) in Sachsen.

Wäre sehr dankbar wenn mir da jemand weiterhelfen könnte.
 
@Fingelin

Das mit der Mediatisierung und der Säkularisation müßtest Du noch einmal überdenken, das sind ja zwei unterschiedliche Kategorien, die nur in einer bestimmten Kombination eine Schnittmenge aufweisen (Säkularisierung und Mediatisierung einer geistlichen Reichsstandschaft). Die Säkularisierung war in den albertinischen und ernestinischen Landesteilen wahrscheinlich im 16. Jh. abgeschlossen.

Was die Reformen in der Rheinbundzeit angeht, da würde ich Dich auf Uwe Schirmer verweisen wollen.

Uwe Schirmer ? Wikipedia

"Sachsen 1763 bis 1832. Zwischen Rétablissement und bürgerlichen Reformen. Sax-Verlag, Beucha 1996, ISBN 3-930-07623-3 (Schriften der Rudolf-Kötzschke-Gesellschaft. Band 3)."

Aus diesem Wiki-Artikel herauskopiert, sollte aber Deine Fragestellung einigermaßen treffen.

M.
 
Sachsen hatte zu Beginn des 19 Jhd. einen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, insbesondere zu Preussen nach seinen umfassenden Reformen, einen rückständigen und komplizierten Staatsaufbau. Es bestand aus vielen Landesteilen, die eigene Vertretungen, Behörden, Gesetze und Steuersysteme hatten. Besonders deutlich wurde das dann mit den Belastungen, die man nach 1806 als Rheinbundstaat an der Seite Napoleons zu tragen hatte. So entstand auch in Sachsen eine Reformbewegung, deren Ziel eine veränderte Staatsverfassung war. Dazu sollten u. A. die Landesteile vereinigt werden, die Landesverfassung überarbeitet und das Grundsteuersystem erneuert werden. Diese Vorschläge wurden vom Geheimen Konsilium ausgearbeitet und dem König, sowie dem Geheimen Kabinett vorgelegt, schließlich von diesen nach einem halben Jahr aber abgelehnt.

Als am 6.1.1811 in Dresden der erste Landtag des Königreiches stattfand, erhoffte man sich von diesem nicht nur in Sachsen, sondern auch in den anderen Rheinbundstaaten und in Frankreich, eine Fortführung und Durchsetzung der Reformen. In der Augsburger "Allgemeinen Zeitung" stand dazu am 9.12.1810: "Man erwartet große Veränderungen in der Organisation des Königreiches, Veränderungen, die dem Geist der Zeit und den in Frankreich und mehreren Staaten des Rheinbundes geltenden Einrichtungen angemessen sind." Allerdings brachte der Landtag nicht die erhofften Ergebnisse, da der König und sein Kabinett anstelle von Reformvorschlägen nur nach Steuerehöhungen verlangten, um den Rüstungsforderungen Napoleons nachkommen zu können. Unter dem Argument so die Staatsausgaben zu vermindern, wurde erneut eine den allgemeinen Verhältnissen angemessene Vereinigung aller Landesteile unter einer ungeteilten Verwaltung, mit einheitlichen Gesetzen und Steuern gefordert. Während das Kabinett über diese Forderungen geteilter Meinung war, sah der König eine Union als sinnvoll an und bestimmte deshalb die Fortführung entsprechender Ausarbeitungen. Bis zur Schließung des Landtages am 4.3.1811 kam es jedoch zu keinen Beschlüssen. Diese sollten durch Landtagsabgeordnete vorbereitet werden, die allerdings erst noch gewählt werden mussten. Und so kam der Krieg Napoleons gegen Russland dazwischen, der 1813 zurück nach Sachsen getragen wurde und jede weitere Verfassungsänderung verhinderte. Ende 1813 gab es unter dem Generalgouvernement noch einmal Reformbestrebungen. Diese wurden aber durch den Freiherrn vom Stein in Anbetracht einer gewünschten, vollständigen Eingliederung Sachsens nach Preussen, verhindert.

Insgesamt erschienen zwischen 1808 und 1815 43 Schriften zu den Reformbemühungen, davon 34 für grundlegende Änderungen und 9 dagegen. Unter anderem wurden auch Agrarreformen darin diskutiert. Es gab Forderungen nach einer Vertretung der Bauern im Landtag sowie einer Abschaffung der feudalrechtlichen Bindungen der Bauern als Voraussetzung einer Verfassungsreform.
Mit der Sächsischen Teilung 1815, bei dem ca. 2/3 des Staatsgebietes zu Preussen gingen, kamen aber letztendlich alle Reformbemühungen zum Erliegen. Sachsen blieb somit auf dem Entwicklungsstand des späten 18 Jhd. stehen und blieb im Vergleich zu anderen deutschen Groß- und Mittelstaaten für lange Zeit sehr rückständig.

Quellen:
Reiner Groß: Reformbestrebungen in Kursachsen während Napoleonischer Zeit, in: Geschichte Sachsens im Zeitalter Napoleons, Sächs. LZ. für pol. Bildung, 2008 (kann man da kostenlos bestellen)
Reiner Groß: Geschichte Sachsens, Edition Leipzig, 2007
 
Entschuldigt die späte Antwort, hatte durch die Schule soviel zu tun, dass das hier ganz in Vergessenheit geriet. Habe mich nochmal in den von euch empfohlenen Quellen informiert, und das ganze korrigiert. Danke dafür :)

aber da noch die Frage: Wieso wurden die Unionsvorschläge vom König und seinem Kabinett abgelehnt?
 
aber da noch die Frage: Wieso wurden die Unionsvorschläge vom König und seinem Kabinett abgelehnt?
Ich denke, dass lag an König Friedrich August I. Charakter. Er war ein sehr zurückhaltender, konservativer und die Beständigkeit liebender Herrscher, unflexibel und wenig im Stande auf sich ändernde Verhältnisse angemessen, und für Sachsen vorteilhaft, zu reagieren. Seine Regierungs- und Handlungsweise bestand im Großen und Ganzen darin, vorhandene und einmal bewährte Zustände zu verwalten und zu schützen. Für innovative Neuerungen war er einfach nicht der Mensch.
Das soll keine Bashing sein, vielmehr sehe ich hier eventuell eine sich selbst auferlegte Pflicht, Schaden durch unüberlegte, vorschnelle und offensive Innen- und Außenpolitik von seinem Reich abzuwenden. F.A. hatte immerhin nach dem 7-jährigen Krieg in Sachsen eine Menge "aufzuräumen".
Nunja. Bis 1806 war dieser Kurs aus meiner Sicht angebracht und nicht unvorteilhaft, mit fortlaufender Zeit aber überholt und schließlich, 1813, hat er Sachsen zum großen Verlierer gemacht.

Zum Weiterlesen: Die Herrscher Sachsens, Verlag C.H. Beck
 
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