Saudi-Arabien

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Leopold Bloom

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Saudi-Arabien - Am Scheideweg


Der größte Staat der arabischen Halbinsel gerät in die Schlagzeilen. Eines der "anachronistischsten" Systeme scheint ins Wanken zu geraten: Nirgends verläuft die Spanne zwischen Moderne und Mittelalter ähnlich extrem als in Saudi-Arabien. Prasserei und Verschwendung der Prinzen geht einher mit der Verarmung breiter Massen. Hightech und das Verbot für Frauen überhaupt Auto zu fahren....an dieser Stelle etwas mehr über die Hintergründe und die Geschichte:


Kurzgeschichte der Islamisierung bis zur Schaffung der saudi-arabischen Monarchie

Die Geschichte Saudi-Arabiens, respektive der arabischen Halbinsel, beginnt mit der Islamisierung durch Mohammed im 7.Jahrhundert an Bedeutung für den Rest der Welt zu gewinnen. Zuvor war es Durchgangsstation für den Weihrauch- und Sklavenhandel. Mit der Schaffung eines islamischen Reiches werden die Städte Mekka und Medina wichtige Zentren für die islamische Welt und sowohl politisch als auch spirituell bedeutsam.
Mit der Implementierung der Omayjaden- und der Abbasidendynastie und der Zentrierung der Macht gen Damaskus, bzw. Bagdad geht der politische Einfluss wieder zurück.
Später (16.JH) wird Saudi-Arabien durch die Osmanen unterworfen. Erst nach dem 1. Weltkrieg sollte der Staat entstehen, der heute als Saudi-Arabien bekannt ist.....


Saudi-Arabien und sein Herrscherhaus

Etwa 1760 gründet Abd al Wahhab in Arabien die Bewegung der Wahhabiten, eine fundamentalistische Auslegung des Islam, die sich als eine Art "back-to-the-roots"-Bewegung versteht.
Zur gleichen Zeit begründet Mohammed ibn Saud die Dynastie der Sauds in Arabien und verbündet sich mit al Wahhab. Die Sauds beginnen mit ihrer "arabischen Reconquista" der Halbinsel. Sie beanspruchen die Macht über Arabien und geraten schnell mit der osmanischen Oberherrschaft in Konflikt. Es gelingt ihnen zwar, den "wüsten" Teil Saudi-Arabiens (Zentralarabien) unter ihre Kontrolle zu bringen und Angriffe auf Nadschaf und Kerbela sowie Syrien zu starten, dennoch werden sie zurückgeschlagen. Auch gelingt ihnen die Einnahme des "Herzens" Arabiens des Hedschas und Mekka/ Medina nur kurzfristig. Sie werden von den Ägyptern besiegt und weichen zurück nach Riad. Sie müssen sich gar Ende des 19. Jahrhunderts ins kuwaitische Exil begeben.
Erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts unter Abd al-Aziz al Saud gelingt es den Sauds sich wieder Macht zu verschaffen. Ihnen gelingt die Rückeroberung Riads und einiger weiterer Provinzen. Die eigentliche Geburtsstunde erfolgt dann in den Jahren 1924-1932: Sie unterwerfen den Hedschas und werden von Großbritannien als Könige Arabiens anerkannt. 1932 erfolgt die Gründung der saudi-arabischen Monarchie durch Abd al-Aziz al Saud. Bereits zuvor hatte dieser zur Finanzierung seines Feldzugs Erdölkonzessionen für vermutete, aber noch nicht entdeckte, Vorkommen vergeben.
1938 werden in Saudi-Arabien die größten Erdölreserven der Erde gefunden. Durch die Förderung des Öls durch die USA als Monopolist wird die Familie Saud und mit ihr der Staat schlagartig zu einem wichtigen Land der Region, der Aufschwung beginnt. Die Familie Saud als Herrscher technisiert zwar das Land, hält aber als Hüter der heiligen Stätten von Mekka und Medina an ihrer rigiden Auslegung des Islam nach wahhabitischer Tradition fest. So wird z.B. erst 1963 die Sklaverei abgeschafft, Opposition ist verboten ebenso wie Gewerkschaften.
Es kommt immer wieder zu Grenzkonflikten mit den Nachbarn, v.a. mit Jemen. Aber auch die Grenze zu den V.A.E. ist nicht eindeutig definiert.


Aktuelle Problematik

Das islamistische, absolute System Saudi-Arabiens mit einer elitären Herrscherclique hat mittlerweile groteske Züge angenommen: Die 5000 Prinzen werden großzügig vom Staat mit Apanagen ausgestattet und erhalten auch darüber hinaus besondere Rechte. So jedenfalls muss es dem Volk vorkommen. Durch ein immens hohes Bevölkerungswachstum kam es in den letzten Jahren zur Verarmung des eigentlich reichen Landes. Symbolisiert wird das nicht zuletzt durch ein rasantes Absinken des Bruttoinlands- und -sozialprodukts. Die soziale Schere zwischen "normalem" und superreichem Herrscherhaus geht immer weiter auseinander.
Regelmäßig in den Schlagzeilen findet sich Saudi-Arabien auch angesichts seiner Menschenrechtsverletzungen. Die rigide Auslegung koranischen Rechts durch die Scharia, den "Spitzenplatz" was Hinrichtungen und Todesstrafe angeht, aber nicht zuletzt die Unterdrückung der Frauen. Von westlichen Saudis sarkastisch "BMO" (black moving objects) genannt, dürfen Frauen weder wählen noch Auto fahren, müssen sich an strenge Kleidervorschriften halten, dürfen nicht alleine ausgehen und sind damit im Alltagsleben/Öffentlichkeit nahezu rechtlos.
Die extrem strikte Auslegung des Koran wird auch in der anfänglichen Begeisterung des Regimes deutlich, die islamistischen und fundamentalistischen Bewegungen entgegengebracht werden: Saudi-Arabien ist einer von 3 Staaten, die die Taliban in Afghanistan nicht nur anerkennen sondern massiv finanziell unterstützen. Auch die Terrorbewegung Bin Ladens wird anfangs unterstützt und erst als dieser selbst für das Herrscherhaus zum Problem wird eingestellt (trotz aller Dementis: Bis heute sollen aber Teile des Herrscherhauses mit Bin Ladens alQaida sypathisieren und diesen auch unterstützen). In gleichem Maß werden Organisationen, die sich gegen Israel richten unterstützt. Die Sauds müssen sich vorwerfen lassen, Paten des Terrors zu sein. Von den 19 Attentätern des 11.September stammen 15 aus Saudi-Arabien. Mehr noch: Fast alle stammen aus einer Unruheprovinz des Südens.
Mit den Angriffen auf das World Trade Center schlägt das Herrscherhaus eine vorsichtig proamerikanische Linie ein. Zwar war die Linie auch bereits früher vorhanden und letztlich ist die Stationierung von GIs in Saudi-Arabien anläßlich des Golfkriegs 1991 der ideologische Mythos, den die islamistische Opposition immer wieder vorhält; nun aber beginnen die Sauds ihre inneren Probleme wahrzunehmen: Verarmung, große Diskrepanzen innerhalb der Gesellschaft, Radikalisierung einer Minderheit etc.... Dies heißt nun nicht gleichzeitig, dass wirkliche innere Reformen stattfänden oder gar eine Demokratisierung einhalten würde. Das Herrscherhaus geht anfangs mit brutalen Methoden gegen seine Dissidenten vor. Nach etlichen Angriffen auf westliche Ausländer fährt das Regime nun zweigleisig: Einerseits Angebot an die Terroristen einer Amnestie, andererseits gleichzeitig auch energisches Vorgehen.

Die großen inneren Probleme machen Saudi-Arabien weiter zu einem unsicheren Kantonisten auf der Weltbühne.




by Leopold Bloom
 
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