Schlechte Kaiser?

tela

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Hi

Hab mal 'ne Frage zu den schlechten Kaisern. Nicht unbedingt, ob sie nun wirklich so schlecht waren, wie sie manchmal dargestellt werden.
Das steht für mich eigentlich außer Frage. Sie waren sicherlich keine Engel, aber man konnte recht gute Politik machen und wurde trotzdem zu einem schlechten Kaiser. Das Hauptkriterium meiner Meinung nach ist das Verhältnis zum Senat.
Wenn ich die Liste der schlechten Kaiser richtig überblicke, dann sind alle schlechten Kaiser Roms relativ sehr jung,
Caligula (25 Jahre)
Nero (17)
Domitian (30)
Commodus (19)
Caracalla (23)
Elagabal (14)

während die richtig guten oder ziemlich guten alle ein gutes Stück älter waren:
Tiberius (55)
Claudius (51)
Vespasian (60)
Nerva (66)
Trajan (45)
Hadrian (41)
Antoninus Pius (52)
Marc Aurel (40)

Da meiner Meinung nach das wichtigste eben das Verhältnis zum Senat war, dieses aber nicht so einfach war- Winterling, Caligula nennt dies ganze 'doppelbödige Kommunikation', die so funktioniert: "Die Senatoren hatten so zu handeln, als besäßen sie eine Macht, die sie nicht mehr hatten. Der Kaiser hatte seine Macht so auszuüben, dass es schien, als ob er sie nicht besitze." (S. 16)
Waren die guten Kaiser einfach fähig, dieses Spiel zu spielen, während die schlechten Kaiser an dieser Aufgabe scheiterten, vielleicht weil sie der Versuchung der Macht nicht widerstehen konnten?
War es einfach nur eine Frage des Charakters und der politischen Erfahrung?
 
Da du mit "schlecht" nicht auf die Darstellungen der Kaiser, sondern ihre Leistungen abzielen willst, würde ich Domitian nicht unbedingt, Caracalla aber gar nicht dazu zählen. Trotz seines üblen Rufs war die von letzterem erlassene "Constitutio Antoniniana" einer der bedeutendsten Erlässe des Reiches, der sehr weit greifende gesellschaftliche Folgen hatte.
Das nur mal nebenbei. Ansonsten finde ich deine Grundidee nicht schlecht, es gilt aber auch zu bedenken, dass mit Konstantin (26 Jahre alt) z.B ein sehr bedeutender und erfolgreicher "junger" Kaiser fehlt. Die "alten" Kaiser hatten m.E. auf jeden Fall den Vorteil, dass sie in ihrer Laufbahn oft schon sehr hohe Positionen in Verwaltung und Militär übernommen hatten, bevor sie Kaiser wurden - sei es als Legaten, Konsuln oder Prokonsuln. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen, wie etwa Claudius, der eigentlich nicht für den Kaisertitel "vorgesehen" war.
 
Ashigaru schrieb:
Da du mit "schlecht" nicht auf die Darstellungen der Kaiser, sondern ihre Leistungen abzielen willst, würde ich Domitian nicht unbedingt, Caracalla aber gar nicht dazu zählen. Trotz seines üblen Rufs war die von letzterem erlassene "Constitutio Antoniniana" einer der bedeutendsten Erlässe des Reiches, der sehr weit greifende gesellschaftliche Folgen hatte.
Das nur mal nebenbei. Ansonsten finde ich deine Grundidee nicht schlecht, es gilt aber auch zu bedenken, dass mit Konstantin (26 Jahre alt) z.B ein sehr bedeutender und erfolgreicher "junger" Kaiser fehlt. Die "alten" Kaiser hatten m.E. auf jeden Fall den Vorteil, dass sie in ihrer Laufbahn oft schon sehr hohe Positionen in Verwaltung und Militär übernommen hatten, bevor sie Kaiser wurden - sei es als Legaten, Konsuln oder Prokonsuln. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen, wie etwa Claudius, der eigentlich nicht für den Kaisertitel "vorgesehen" war.

Du hast mich falsch verstanden. Ein Kaiser kann geniale Politik in unserem heutigen Sinn machen, wird aber in der antiken Literatur trotzdem als schlecht dargestellt. Und deswegen zähle ich Domitian und Caracalla hinzu.
Und zu Konstantin vielleicht noch ein Nachtrag: Gibt es schlechte Kaiser nach Elagabal? Mir ist keiner bekannt. Hängt das vielleicht damit zusammen, dass die Rolle und die Bedeutung des Senats ab den Severern klar zurück ging? Spielte dieses Wechselspiel zwischen Senat und Kaiser ab den Severern noch eine Rolle?
 
@ Tela: da war ich aber verwundet, weshalb du unter den guten Kaisern Tiberius und Claudius aufgeführt hast, die in der antiken Literatur sehr schlecht wegkamen.

Gibt es schlechte Kaiser nach Elagabal?
Dazu müssten wir mehr über die Soldatenkaiser wissen. Als Kaiser von schwacher Autorität gilt Severus Alexander (ebenfalls ein sehr junger Kaiser). In der Forschung sehr umstritten ist die Rolle des Aurelian - die einen sehen ihn als Einer und Retter des Reiches, für die anderen hat er es durch seine ständigen Feldzüge in eine prekäre Lage gebracht, die erst Probus und Diokletian lösen konnten. Na ja, und dann wären noch die weitgehend einflusslosen weströmischen Kaiser des 5. Jhs. zu nennen wie Honorius oder Valentinian III. Was die Geschichtsschreibung betrifft, hat sich etwas verändert, weil diese Kaiser ab dem 3. Jahrhundert mehr unter den Gesichtspunkten Christ - Heide bewertet wurden.

Hängt das vielleicht damit zusammen, dass die Rolle und die Bedeutung des Senats ab den Severern klar zurück ging? Spielte dieses Wechselspiel zwischen Senat und Kaiser ab den Severern noch eine Rolle?
Nun ja, die letzte große politische Tat des Senats war wohl die (erfolglose) Einsetzung der Kaiser Pupienus und Balbinus im Jahr 238. Im übrigen blieb der Senat aber bis zum Ende des Reiches bestehen, und war in der Spätantike wahrscheinlich die wohlhabendste Schicht im Reich. Ich sehe den Konflikt oder auch das Wechselspiel zwischen Kaiser und Senat nicht so ganz bedeutsam an.
 
Um mal eine kleine Lanze für die Theodosius Söhne zu brechen:

Die Ausgangssituation für beide war nicht die, die die der Rest der aufgeführten Kaiser hatte. In wie weit ich 10 Jährige als "Unfähig" bezeichnen würde sei mal dahingestellt.

Generell sind Wertungen in "gute" bzw "schlechte" Kaiser recht subjektiv, denn entweder werden sie an heutigen Standarts gemessen( was noch lang nciht heisst das das damals als "gut" empfunden wurde) oder über die antike Literatur ( die meist sehr stark tendenziös war).
 
"Hauptkriterium" für gute oder schlechte Kaiser soll nach telas Meinung ihr "Verhältnis zum Senat" sein.

Das ist aber kein besonders wesentliches Kriterium, da andere Maßstäbe viel wichtiger sind. Ein römischer Kaiser muss sich wie jeder Herrscher an der Frage messen lassen, was er für sein Volk Positives bewirkt hat: im Hinblick auf eine erfolgreiche Machtpolitik ebenso wie im Hinblick auf eine geschickte Friedenspolitik, die Chaos, Anarchie und Niedergang vom Volk fern hält.

Unter dieser Prämisse werden einige Kaiser mit "positiver" literarischer Propaganda vielleicht durch den Rost fallen, während andere mit negativem Leumund sich als durchaus nützlich für die Bevölkerung erweisen könnten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Welche Kaiser sind denn Eurer Meinung nach in der Geschichtsschreibung
besonders als zu Unrecht negativ bewertet worden?
Ich denke mal, daß nicht alle Soldatenkaiser als negativ zu bewerten sind,
wie z.B. Philipp der Araber, Gallienus, Claudius Gothicus, Aurelian, Probus,
nach der Soldatenkaiserphase fällt mi Valentian I positiv auf.
Wenn ich mir die Bio von Valentian I. so durchlese, habe ich immer das
Gefühl, daß hier das römische Reich noch handlungsfähig und souverän
ist, es wird nicht nur von Defensiven geschrieben.
Wahrscheinlich war dies dann nach der Schlacht bei Adrianopolis schlagartig vorbei...
 
Es ging mir bei der Klassifizierung als 'schlechter Kaiser' in erster Linie um das antike Urteil. Und soweit ich die Quellen überblicke, spielt für die Bewertung eines Kaisers kaum etwas eine so wichtige Rolle, wie die Frage, wie der Kaiser mit den Senatoren und dem Senat umgegangen ist. Popularität beim Volk, Innenpolitik oder außenpolitische Erfolge sind für die Bewertung nicht wichtig.
Heute sieht das ganze natürlich anders aus. Da werden die politischen Maßnahmen der Kaiser gesehen und all das, was du gesagt hast, wird wichtiger.

Allerdings war auch meine Liste der 'guten' Kaiser eher modern geprägt, denn nach antiken Maßstäben gehört wohl weder Tiberius noch Claudius wirklich zu den besseren Kaisern, zu denen ich sie unter objektiveren Maßstäben doch rechnen würde.

Dieter schrieb:
"Hauptkriterium" für gute oder schlechte Kaiser soll nach telas Meinung ihr "Verhältnis zum Senat" sein.

Das ist aber kein besonders wesentliches Kriterium, da andere Maßstäbe viel wichtiger sind. Ein römischer Kaiser muss sich wie jeder Herrscher an der Frage messen lassen, was er für sein Volk Positives bewirkt hat: im Hinblick auf eine erfolgreiche Machtpolitik ebenso wie im Hinblick auf eine geschickte Friedenspolitik, die Chaos, Anarchie und Niedergang vom Volk fern hält.

Unter dieser Prämisse werden einige Kaiser mit "positiver" literarischer Propaganda vielleicht durch den Rost fallen, während andere mit negativem Leumund sich als durchaus nützlich für die Bevölkerung erweisen könnten.
 
Da die meisten Geschichtsschreiber aus den senatorischen Rängen kamen, kommen natürlich die mit dem Senat überzwerch liegenden Kaiser fast grundsätzlich schlecht weg. Ich finde aber in der Liste einen anderen Maßstab: die Kaiser, die nicht "von klein auf zum Kaiser gedrillt" waren, entwickelten – vermutlich durch ihren breiteren Erfahrungshorizont und ihr Wissen um den Umgang mit Autorität – bessere Regierungskompetenz als die "geborenen".

Bezgl. der Soldatenkaiser: die hatten natürlich meistens nur Ahnung vom Krieg (die natürlich auch durch die Völkerwanderungen aufgedrückt wurde). Besondere Qualitäten waren also Ausnahmeerscheinungen.
 
Interesannt ist auch, dass die von der Geschichtschreibung( die hauptsächlich vom Senat ausging) als schlecht klassifizierten Kaiser alle ihre Herrschaftszeit in den Anfängen des Prinzipats hatten.
Das lässte sich meiner Meinung nach Teilweise damit erklären, dass die Senatoren verständlicherweise noch immer den Tagen der Republik nachtrauerten, in denen sie die Macht über den Staat hatten und nicht nur Marionettem des Ersten unter den Gleichen.
 
Vor allem in der Spätzeit des Römischen Reichs war wohl auch das Verhältnis des Kaisers zu seinen Soldaten wichtig. Ob er ihnen regelmäßig Sold zahlt, und so.
Septimius Severus soll seinen Söhnen Caracalla und Geta geraten haben:

"Seid einig, bereichert die Soldaten und verachtet den Rest"

Valentinian I. (364-375) zum Beispiel kommt bei dem Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus ziemlich schlecht weg: Er war ein krankhaft misstrauischer und grausamer Kaiser, der viele römische Bürger grundlos verdächtigte, foltern und hinrichten ließ.
Aber zu seinen Soldaten muss er freundlich und rücksichtsvoll gewesen sein. Er macht nämlich seinen Sohn Gratian nicht einfach selbstherrlich zum Mitkaiser, sondern bemüht sich in einer Rede um die Zustimmung seiner Soldaten, an die er sich nicht wie an niedere Befehlsempfänger wendet, die gefälligst zu schlucken haben, was er entscheidet, sondern wie an Männer, deren positive Einstellung zu ihm und seinem Sohn ihm teuer ist.

Für die Senatoren war er sicher ein schlechter Kaiser, für seine Soldaten wohl eher nicht.
 
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