Die Frage ist vielleicht besser so gestellt: Warum hat sich im Donaubecken und nördlich des Schwarzen Meeres keine Hochkultur entwickelt?
Im Vergleich zu anderen Kerngebieten scheint mir das Verhältnis zu nomadischen Völkern in der weiteren Umgebung ein entscheidender Faktor zu sein. Es ist ja bemerkenswert, dass sich auch die griechisch-römische Kultur, insbesondere in ihrer urbanisierten Ausprägung nie über die Donau und Küstenbereiche ausgebreitet hat. Das Gebiet wurde regelmässig von innerasiatischen Reiternomaden in Besitz genommen, was vermuten lässt, dass auch die frühen indoeuropäischen Gruppen eine andere Lebensweise hatten, als die "alteuropäische" Gruppen, die dort ja durchaus grosse Siedlungen(Cucutenji-Tripolje-Kultur) bewohnten.
War das "Gold von Warna" also indoeuropäisch oder alteuropäisch? Es war glaube ich vornehmlich ein Nebeneinander, das langfristig auch Einfluss auf die Entwicklung im Bereich der Ägäis hatte. Durch die Anziehungskraft der orientalischen Hochkulturen und den damals schon weiträumigen Handel und Wanderung der beteiligten Gruppen wurde das Gebiet zur Periferie. Man könnte fast spekulieren dass die Besitzer jenes Goldes eine Frühform der Heldenkrieger waren, die später die Küsten der Ägäis unterwarfen. Der Autor H. Haarmann unterstreicht aber in diesem Zusammenhang, dass das "alteuropäische" Erbe für das klassische Griechenland kulturell und auch sprachlich von grosser Bedeutung gewesen sei.
Möglicherweise ist sogar der Trojanische Krieg eine Auseinandersetzung zwischen jenen indoeuropäischen und alteuropäischen Bevölkerungsteilen gewesen, wobei die Alteuropäer als Folge ihrer Niederlage als Thyrenner erst zu marginalisierten Seeräubern(oder Seevölkern)wurden, und schliesslich am Rand der griechischen Welt den Etruskern ihre Sprache gaben.
Es scheint jedenfalls ein ständiges Spiel mit Assimilation und Abgrenzung der beteiligten Kulturen, wobei die Lage von Flussoasen, wie Ägypten und Inseln wie Kreta einen besseren Schutz vor Land und Seenomaden bot, der an der Donau nicht bestand. Interessant wäre aber auch der Vergleich mit präkolumbianischen Kulturen am mittleren Mississippi, wo ebenfalls eine entwickelte Kultur mit der grossen Stadt Cahokia wieder in ein weniger zivilisiertes Stadium zurückfiel. Ein interessanter theoretischer Rahmen ist
Schismogenese.