Sex im Mittelalter

Schade; trotzdem besten Dank für die Rückmeldung :fs:



Wie ich damit umgehe, ist zunächst irrelevant.
Eigene Interpretationen verlangen jedoch stets eine Begründung - alles andere können wir uns schenken: "A sagt Meinung 1, B sagt Meinung 2" ist nicht nur langweilig, sondern zudem auch keine ernsthafte Diskussion. Wichtig und v.a. interessant ist doch, welche Argumentation hinter einer Meinung bzw. einem Standpunkt steckt.

Ich begründe meine Einwände einmal ausnahmsweise zuerst:
1. Daß der Gast wieder einkehren würde, wenn ihm die angesprochene Dienstleistung gefallen hat, kann ich wie geschrieben einigermaßen nachvollziehen, denn wenn man von der Betreuung von Gästen lebt, so ist man natürlich bestrebt, Gäste nicht unbedingt zu vergraulen.
Anm.: Näher zu beleuchten wäre dabei jedoch der Kontext der Gastlichkeit während des Mittelalters bzw. sogar in bestimmten Subepochen. Die Vorstellung im wiedergegebenen Text erscheinen mir nämlich etwas modern - vgl. dazu bspw. auch http://www.geschichtsforum.de/f51/gastlichkeit-im-hochmittelalter-sp-tmittelalter-18320/

2. Eine Bewerbung für eine Stelle "bei Hofe" ist - wie auch Repo bereits andeutete - dabei nur wenig wahrscheinlich: selbst die Geliebte (und das ist noch eine andere Qualität als eine Prostituierte) eines Hochadligen wurde nicht unbedingt und zwangsläufig in ihrem Stand erhoben. Dieser Fall konnte genaugenommen nur dann eintreten, wenn die legitime Frau eines Adligen gestorben war oder der Adlige sich - auf welchem Wege auch immer - von seiner eigentlichen Frau trennte. Und - um es nochmals zu unterstreichen - da sprechen wir noch nicht einmal von einer Prostituierten, deren Ansehen weitaus niedriger war als das einer Frau, welche "lediglich" die Geliebte eines Herrn war.
Absicherung konnte übrigens auch keineswegs so angenommen werden; und auch hier möchte ich dies anhand des Beispiels der - wie erwähnt - höher anzusehenden Geliebten erklären: Kinder aus solchen Verbindungen - sog. Bastarde - hatten erbteilmäßig o. dgl. grundsätzlich gar nichts zu erwarten. Zeigte sich der (hoch-)adlige Vater erkenntlich, so sorgte er - in der Mehrheit der bekannten Fälle - für eine besondere Bildung (d.h., das Kind kam in den geistlichen Stand) oder aber - in eher wenigen überlieferten Einzelfällen - für eine Begüterung, welche dem niederadligen Stand entsprach. Grundsätzlich auf Absicherung kalkulieren konnte man da aber dennoch nicht...

3. Die Sache mit der eventuellen Schwangerschaft und der daraus folgenden großzügigen Zahlung o.ä. deckt sich weitgehend mit den soeben unter 2. von mir genannten Punkten.

Jut, bin noch frisch hier und muß mich da den Erfordernissen erst ein wenig anpassen. Sonst schreibe ich in anderen Foren nicht so detailliert, weil 80 Prozent der Leser es entweder erst garnicht verstehen, oder alles verdreht wird. Hier ist es ein wenig anders. Verständlicherweise.

Vorweg, es ging nicht um geplante Prostitution, sonder um Gefälligkeiten. Geld spielte dabei keine Rolle, sondern Gastfreundschaft. Sicher tat das auch nicht jeder, aber es soll weit verbreitet gewesen sein - laut diesem Artikel.( weit verbreitet ist heute auch das Saufen im Park, obwohl es nur ein Bruchteil der Bevölkerung so handhabt) Form und Umfang waren sicher unterschiedlich. Man tat es sicher auch nicht mit jedem x-beliebigen Unbekannten. Aber Ursache war wohl auch, daß es oft das Wenige in den unteren Schichten war, was diese ihrem Gast bieten konnten. Es betraf daher die unteren und kleinbürgerlichen Schichten. Ich wollte nicht den Anschein erwecken, daß man dies im Hochadel ebenso hielt.
Zeitlich war das Spätmittelalter gemeint.

zu 1. Ist klar
zu 2. ..Eine Bewerbung für eine Stelle "bei Hofe" .. Ist etwas blöde ausgedrückt und ich hatte daher "bei Hofe" schon in Anführungszeichen geschrieben. Wollte auf unterschiedliche Ränge hinweisen. Was am Ende möglich war, ist dabei vollkommen unwichtig. Wichtig ist die Erwartungshaltung b.z.w. die Hoffnung auf einen etwas besser begüterten Mann zu treffen. Daß es nicht der "Graf" persönlich sein würde, dürfte jedem klar sein.
zu 3. Da der Mann der aktive Verhüter war (die Frau verhütet ja erst aktiv seit der Pille, Spirale oder das andere Dingsda/Diafragma, dürfte aber einen Extra-thread wert sein), spielte die wahrscheinliche Zeugung eines Kindes in den Augen des Mannes sicher eine untergeordnete Rolle. Aber die Spekulation Seitens der Gastgeber darauf (siehe Erwartungshaltung zu Punkt 2) ist doch möglich. Und im Suff haben die Leut wohl damals nicht anders reagiert als heute.

Hätte gerne ausführlicher geschrieben, muß mich aber jetzt auf die Championsleague vorbereiten.
 
Gastfreundschaft ... Saufen im Park ... die unteren und kleinbürgerlichen Schichten ... Und im Suff haben die Leut...

Der neuerlich entfesselte Sex im Spätmittelalter kann einstweilen nicht befriedigen.

Grundsätzlich bin ich ja bereit, alles zu glauben, was übers mittelalterliche Prekariat erzählt wird, bezweifle allerdings, dass es sich um ein ausschließlich schichtenspezifisches Phänomen handelt und dass typischerweise Familienmitglieder involviert waren.

Richtig ist (nach Lexikon des Mittelalters, Bd. IV, Sp. 1132), dass
bis ins 12. Jh. die archaische Gastlichkeit (Gastfreundschaft) für Fremde weit verbreitet war. [...] Die großzügige, ja gelegentlich verschwenderische Gastfreundschaft mit Verpflegung, Geschenken und Zurverfügungstellung einer [sic] Frau an den Gast (Gastprostitution) scheint sich auf vornehme, reiche Gastgeber sowie auf verkehrsarme [sic] Randgebiete beschränkt zu haben.
Siehe z. B. auch http://www.med9.com/lexikon-5/g/Gastfreundschaft.htm und die Diskussion in Gastprostitution - Forum politik.de - Community für Politik, politische Diskussion und Kommunikation.

Für das Spätmittelalter kann angenommen werden, dass sich bei größerer Verbreitung von Hospizen, Kaufmannshöfen und Tavernen jene Variante der intensiveren Gastfreundschaft "allmählich aufzulösen" begann, insbesondere z. B. auch "die mit ihr verbundene Pflicht der Blutrache des Gastgebers für den Gast und das Erbrecht des Gastgebers am Gut des Gastes". - Und im Zeitalter der Championsleague ist sowieso alles anders.
 
JSchmidt hat sich dankenswerterweise bereits der wichtigsten Dinge angenommen; deswegen möchte ich an der Stelle nur noch auf einen Punkt verweisen:
... die Frau verhütet ja erst aktiv seit der Pille, Spirale oder... Diafragma...

Das stimmt so eben auch nicht ganz: http://www.geschichtsforum.de/f77/verh-tung-im-ma-17874/

... dürfte aber einen Extra-thread wert sein...

Den gibt es schon - siehe Verlinkung :fs:
 
Die mittelalterlichen Epen sind wunderbare Quellen für mittelalterliche Wertvorstellungen.
Nehmen wir den Parzival. Parzivals Vater und seine Brüder sind in Ausübung des Rittertums gestorben, Herzeloyde, Parzivals Mutter zieht mit ihrem Sohn in den Wald, auf dass er fern der höfischen Welt aufwachse und eben kein Ritter würde. Aber dem Schicksal kann man nicht entfliehen und so kommen eines Tages Ritter in den Wald und Parzival - im wahrsten Sinne des Wortes - geblendet von den glänzenden Rüstungen beschließt, auch Ritter zu werden. Da er aber die höfische Welt nicht kennt, benimmt er sich wie ein Narr (sinnfälligerweise gibt seine Mutter ihm auch das Narrengewand, um zu verhindern, dass er Ritter wird). Parzival erweist sich bald als geschickter Kämpfer, aber seine Manieren bleiben zunächst die des Narren. So dringt er in Verkennung der wahren Natur des Minnedienstes in das Zelt der Jeschute ein und wird dabei von ihrem Ehemann, Orilus, dem Bruder des roten Ither, dessen Waffen er nach einem Zweikampf an sich genommen hat, erwischt. Viel später begegnet er beiden wieder. Jeschute sitzt auf einem Klepper in Lumpen und folgt ihrem Ehemann Orilus, der sie ignoriert. Sie folgt ihm, um ihm ihre Treue zu beweisen. Als Orilus bemerkt, dass Parzival, der seine Frau "geschändet" hat, sich mit Jeschute unterhält, fühlt er sich bestätigt (eine Bestätigung die er nicht wirklich braucht, wie man an der öffentlichen Demütigung Jeschutes (Klepper, Lumpen) sieht) und greift Parzival an, um seine Ehre wiederherzustellen. Parzival siegt, Jeschute aber bittet ihn um das Leben ihres Ehemannes, den sie liebt. Parzival ist zwar gerade erst am Hof des Gralskönigs gescheitert, hat aber inzwischen seine Lehren gezogen und weiß sich nun ritterlich zu verhalten. Er klärt das Missverständnis auf und rehabilitiert damit Jeschute vor ihrem Ehemann: Jeschute war von Anfang an das Opfer, zunächst von Parzival, dann von ihrem Ehemann. Parzival drang in ihr Zelt ein und versuchte sie zu küssen, weil er unerfahren war und ihm die höfische Erziehung fehlte, Jeschute machte sich keines Fehlverhaltens schuldig, Orilus hat die Situation falsch interpretiert.

Langer Rede kurzer Sinn. Schon ein einfacher Kuss konnte im MA die Ehre einer Frau bzw. die Ehre ihres Mannes verletzen. Vor diesem Hintergrund ist es absolut nicht denkbar, dass in gehobenen Kreisen der vor- und außereheliche Beischlaf für Frauen in irgendeiner Form akzeptabel war, geschweige denn als "Training" wahrgenommen wurde.
 
Langer Rede kurzer Sinn. Schon ein einfacher Kuss konnte im MA die Ehre einer Frau bzw. die Ehre ihres Mannes verletzen. Vor diesem Hintergrund ist es absolut nicht denkbar, dass in gehobenen Kreisen der vor- und außereheliche Beischlaf für Frauen in irgendeiner Form akzeptabel war, geschweige denn als "Training" wahrgenommen wurde.

Hat das für die "gehobenen Kreise" jemand behauptet ? Hatte mich da, denke ich, in meinem zweiten Kommentar doch genauer ausgedrückt. Ob da in Wirklichkeit alles so edel und korrekt war, bezweifel ich sowieso. Das war vielleicht die öffentliche Etikette. Aber hintenrum ging teilweise garantiert die Post ab.
 
Hat das für die "gehobenen Kreise" jemand behauptet ? Hatte mich da, denke ich, in meinem zweiten Kommentar doch genauer ausgedrückt.

Ich verweise dazu nochmals auf den Beitrag http://www.geschichtsforum.de/374705-post63.html

Ob da in Wirklichkeit alles so edel und korrekt war, bezweifel ich sowieso. Das war vielleicht die öffentliche Etikette...

Sicherlich gibt es Ideal und Anspruch auf der einen Seite sowie Realität auf der anderen Seite.
Ich kann Dir sogar ein handfestes Beispiel nennen, wo dies sehr weit auseinanderdriftete: laut Regularien und Statuten der Ritterorden war es einem Ordensbruder bspw. ausdrücklich verboten, eine Frau auch nur zu berühren i.S.v. Umarmen u.ä. eigentlich aus heutiger Sicht recht unverfänglichen Gesten. Der Großmeister Foulques de Villaret jedoch hatte zeitlebens eheähnliche Beziehungen zu Frauen (wohlgemerkt jedoch nacheinander, nicht mehrere gleichzeitig) - und damit war er übrigens weder der einzige Großmeister noch der einzige Ordensritter, der sich solche Verfehlungen leistete.
Aber - und das sind die entscheidenden Punkte dabei - er unterhielt eben eine eheähnliche Beziehung (wie ein weltlicher Ritter); zudem machte ihn dies angreifbar und trug letztlich auch zu seiner Amtsenthebung bzw. Absetzung bei.

Um es an Begriffen festzumachen: Polygynie war verboten (weil "Vielweiberei" als Sitte der "Ungläubigen" galt; und von Polyandrie o. dgl. sprechen wir da einmal gar nicht) und wurde auch damals bereits juristisch geahndet; Promiskuität war zutiefst verwerflich und konnte entscheidend zu gesellschaftlicher Angreifbarkeit sowie sogar zu gesellschaftlicher Ächtung (dies nahezu zwangsläufig übrigens für Frauen) führen oder zumindest beitragen; Prostitution - in welcher Form auch immer - bedeutet unweigerlich Zugehörigkeit zu einer sozialen Randgruppe incl. Stigmatisierung (Stichwort: Kleiderordnung) und Leben außerhalb der Gesellschaft, d.h., Prostituierte waren von sonstigen Bürgerrechten ausgeschlossen (auch wenn sie in einigen Bereichen des Alltags sogar geschätzt wurden wie bspw. in Wien, wo sie an Empfängen hochgestellter Gäste teilnahmen).

Ach ja; und grundsätzlich galt dabei noch der Grundsatz "je tiefer der Stand, desto weniger war tolerabel"...



Aber hintenrum ging teilweise garantiert die Post ab.

Inwiefern "garantiert"? Was bringt Dich zu dieser Annahme? :grübel:
 
Ich verweise dazu nochmals auf den Beitrag http://www.geschichtsforum.de/374705-post63.html



Sicherlich gibt es Ideal und Anspruch auf der einen Seite sowie Realität auf der anderen Seite.
Ich kann Dir sogar ein handfestes Beispiel nennen, wo dies sehr weit auseinanderdriftete: laut Regularien und Statuten der Ritterorden war es einem Ordensbruder bspw. ausdrücklich verboten, eine Frau auch nur zu berühren i.S.v. Umarmen u.ä. eigentlich aus heutiger Sicht recht unverfänglichen Gesten. Der Großmeister Foulques de Villaret jedoch hatte zeitlebens eheähnliche Beziehungen zu Frauen (wohlgemerkt jedoch nacheinander, nicht mehrere gleichzeitig) - und damit war er übrigens weder der einzige Großmeister noch der einzige Ordensritter, der sich solche Verfehlungen leistete.
Aber - und das sind die entscheidenden Punkte dabei - er unterhielt eben eine eheähnliche Beziehung (wie ein weltlicher Ritter); zudem machte ihn dies angreifbar und trug letztlich auch zu seiner Amtsenthebung bzw. Absetzung bei.

Um es an Begriffen festzumachen: Polygynie war verboten (weil "Vielweiberei" als Sitte der "Ungläubigen" galt; und von Polyandrie o. dgl. sprechen wir da einmal gar nicht) und wurde auch damals bereits juristisch geahndet; Promiskuität war zutiefst verwerflich und konnte entscheidend zu gesellschaftlicher Angreifbarkeit sowie sogar zu gesellschaftlicher Ächtung (dies nahezu zwangsläufig übrigens für Frauen) führen oder zumindest beitragen; Prostitution - in welcher Form auch immer - bedeutet unweigerlich Zugehörigkeit zu einer sozialen Randgruppe incl. Stigmatisierung (Stichwort: Kleiderordnung) und Leben außerhalb der Gesellschaft, d.h., Prostituierte waren von sonstigen Bürgerrechten ausgeschlossen (auch wenn sie in einigen Bereichen des Alltags sogar geschätzt wurden wie bspw. in Wien, wo sie an Empfängen hochgestellter Gäste teilnahmen).

Ach ja; und grundsätzlich galt dabei noch der Grundsatz "je tiefer der Stand, desto weniger war tolerabel"...





Inwiefern "garantiert"? Was bringt Dich zu dieser Annahme? :grübel:


Mal wieder ein Kulturschock.
Mutter hats getan, Großmutter und Urgroßmutter und und und....
und Freude daran gehabt.....
und nicht nur den Männern "zu Willen" gewesen.

I know my dear, it´s terrible,
but make it like me with Edward
close your eys,
an think off England.:devil:

Grüße aus dem viktorianischen England.
 
Mal wieder ein Kulturschock.
Mutter hats getan, Großmutter und Urgroßmutter und und und....
und Freude daran gehabt.....
und nicht nur den Männern "zu Willen" gewesen.

I know my dear, it´s terrible,
but make it like me with Edward
close your eys,
an think off England.:devil:

Grüße aus dem viktorianischen England.

Vielen Dank, nur beantwortet das nicht die Frage.
Die Gegebenheiten im viktorianischen England stehen in diesem Thread nicht zur Debatte, und zudem ging es beim angesprochenen Punkt ums Voreheliche/Außereheliche/Promiskuitive...
:fs:
 
Zunächst zu diesen und anderen hier im Thread bereits aufgebrachten Punkten etwas zum Lesen:
1. Die Abhandlung auf den Seiten 22 und 23 in Unkeuschheit und Werk der Liebe ... - Google Buchsuche
2. Seite 259 in Laienfrömmigkeit im späten ... - Google Buchsuche



Dann wär die Menschheit vor 1000 Jahren bereits zivilisierter (Was besagt dieser Begriff eigentlich aus heutigem Verständnis?) als heute gewesen. Oder war man einfach disziplinierter als heute ?

Das hat so niemand behauptet; außerdem beantwortet dies noch immer nicht meine diesbezügliche Frage :fs:

Anm.: Was "zivilisiert" bedeutet, wäre ein anderes Thema - und gehört mE nicht mehr in diese Diskussion...
 
Die Evolution des Menschen ist so kurz, daß es kaum Unterschiede zwischen dem Mittelalter und dem Heute geben kann. Moralische schon, körperlich kaum. Verstehst Du, worauf ich hinaus will ? Warum sollte der Mensch damals andere Bedürfnisse gehabt haben, als wir heute ? Der Körper bricht irgendwann mal aus der Moral aus.
 
Verstehst Du, worauf ich hinaus will ?

Ich denke schon, wiewohl dies mE etwas differenzierter auszuführen ist :fs:



Die Evolution des Menschen ist so kurz, daß es kaum Unterschiede zwischen dem Mittelalter und dem Heute geben kann. Moralische schon, körperlich kaum...

Ehe ich mit einem entsprechenden Literaturzitat loslege, noch einige Gedanken im Voraus dazu...

Ob die Menschen während des Mittelalters Geschlechtsverkehr praktizierten, brauchen wir wohl kaum zu diskutieren. Ansonsten gäbe es ja auch uns so nicht...
Daß den Menschen ebenso nicht erst in der Moderne urplötzlich bewußt geworden ist, daß es da neben dem Aspekt der Zeugung bspw. auch noch den der Lust gibt, halte ich ebenfalls für unbestritten - wiewohl da bereits die Sache mit der Moral im Kontext dieses Threads nicht unerheblich hineinspielt; denn der Verkehr aus Lust war (unabhängig davon, wie von verschiedenen Forschern die Akzente en detail gesetzt werden) auch in der allgemein anerkannten Form des ehelichen Verkehrs sündhaft belastet.

Wie stark übrigens dabei moralische Vorstellungen nachwirken können - und da wir zuletzt auch insbesondere über die Freizügigkeit bzw. Nichtfreizügigkeit für Frauen diskutiert hatten -, mag dabei sehr treffend der folgende Auszug aus einem modernen Liedtext illustrieren:
Christina Aguilera; Can't Hold Us Down schrieb:
...
If you look back in history, it's a common double standard of society
The guy gets all the glory the more he can score
While the girl can do the same and yet you call her a whore...
Anm.1: Es geht hierbei nicht darum, wer wieviel von dieser Interpretin bzw. ihrem Schaffen hält, sondern einzig und allein um die hierzu passende Textpassage!
Anm.2: Wer mit dem Text Verständnisprobleme hat, findet bei LEO Deutsch-Englisches Wörterbuch Hilfe...



Warum sollte der Mensch damals andere Bedürfnisse gehabt haben, als wir heute ? Der Körper bricht irgendwann mal aus der Moral aus.

Aus http://www.geschichtsforum.de/f178/europa-im-hochmittelalter-1050-1250-a-2571/
VORSICHT: Einige recht deutliche Termini!
Peter Dinzelbacher schrieb:
Im frühen Mittelalter blieb die Erwähnung sexueller Praktiken weitgehend auf eine Gattung des geistlichen Schrifttums beschränkt, die von den Priestern für die Beichte verwendeten Bußbücher... Nun aber (im Hochmittelalter - Anm. von mir) begannen auch unabhängig davon mehr und mehr Theologen sich, vom Thema so abgestoßen wie fasziniert, den Kopf darüber zu zerbrechen, was in puncto puncti den Laien zu gestatten und zu verbieten sei. Die unzählige Male wiederholte Faustregel war die, daß der Geschlechtsverkehr nur innerhalb der Ehe, nur in der 'Missionarshaltung' und nur mit der Absicht, Kinder zu zeugen, erlaubt sei... Paare, die aufgrund erotischer Anziehung heiraten würden, seien mit Hurern gleichzustellen. Selbst die von Paulus ja vorgeschriebene Leistung der ehelichen Pflichten galt vielen Theologen als läßliche Sünde. Anders als im Frühmittelalter wurde bestimmten Sexualtechniken jetzt vom kirchlichen Lehramt so viel Gewicht zugemessen, daß man ihnen sogar die sonst so hartnäckig verteidigte Unauflöslichkeit der Ehe nachordnete: Innozenz IV. und andere Kirchenrechtler erlaubten Frauen, sich von ihren Männern zu trennen, falls sie sie für Analverkehr gewinnen wollten.

Wie weit die Laien diese Ausblendung oder Verteufelung eines zentralen Lebensbereiches ihrer Existenz mittrugen, läßt sich nicht pauschal beurteilen. Die Ausschweifungen zahlreicher Herrschender auf diesem Gebiet, die in die Chronistik eingegangen sind, sprechen eine andere Sprache...
...
Daß die an den Höfen ja öffentlich vorgetragene Liebesdichtung ebenso eine andere Sprache spricht als die kirchlichen Texte, wurde schon deutlich. Was den Sex selber betraf, bevorzugte man freilich im Allgemeinen Andeutungen und Metaphern wie 'Blumen brechen' oder Ähnliches und ging selten ins Konkrete. Am ehesten sprach die mittellateinische Vagantendichtung aus, was gemeint war, dann einige provencalische Autoren wie Cercamon. Aus dieser Region sind sogar einige wenige obszöne und skatologische Gedichte überliefert, wie das zur "Affaire de Cornilh" (12. Jh.)...

Einiges wenige läßt sich schon über die Praxis des sexuellen Zusammenseins sagen. Aller wahrscheinlichkeit nach verkehrten die meisten Paare in der vorgeschriebenen Missionarshaltung, und das mit schlechtem Gewissen. Andere Positionen, Anal- und Oralverkehr waren nicht unbekannt, werden aber fast nur in Kirchenrechtstexten als verboten erwähnt, ob aus wirklicher Aktualität oder nicht nur vor allem der Vollständigkeit halber, bleibe dahingestellt. Nur die Leisured Society in ihrer Ausprägung als höfische Gesellschaft sowie die als Vagantentum bekannte Welt der jungen Gelehrten hatten auch die Zeit, ein Verhalten wieder zu entwickeln, das nach dem Ende der Antike (wobei ich diesen zeitlichen Einschnitt persönlich mit einem leichten Fragezeichen versehe - Anm. von mir; vgl. dazu auch das andere Buch unten) wohl nur wenigen bekannt war, nämlich die Erotik.

Diese wird in den überlieferten Quellen, wie für eine so manichistische Gesellschaft wie die mittelalterliche auch nicht anders zu erwarten, fats nur aus männlicher Perspektive geschildert und zwar als visuelle oder taktile Stimulation. Dabei ist in der feinen Gesellschaft nicht von so direkten direkten Verhaltensweisen die Rede, wie sie der um 1140 von einem Kleriker verfaßte Pilgerführer im "Liber S. Jacobi" von den dem französischen Autor verhassten Navarresen berichtet: "Wenn sie in Hitze kommen wollen, zeigt der Mann der Frau sein Geschlecht und die Frau dem Mann ihres." Der Verfasser lehnt den optischen Reiz vor dem Geschlechtsverkehr ab und stellt ihn auf eine Stufe mit der Sodomie (in diesem Kontext betrachtet meint dies "widernatürlichen Verkehr" - Anm. von mir).

Anders südfranzösische Adelige und Ritter. Arnaut Daniel (Ende 12. Jh.) schreibt, "Gott gebe, daß ich ihren schönen Leib küssend und lächelnd entblöße, und daß ich ihn gegen das Licht der Lampe betrachte."
Original: "qe.l seu bel cors baisan rizen descobra, e qu.l remir contra.l lum de la lampa."

Der Reiz des schönen Körpers und des raffinierten Spiels von Entblößung und Bedeckung skizziert eine der wenigen Dichterinnen der Zeit um 1200, Marie de France, in ihrem Lai "Lanval", freilich auch ganz aus männlicher Perspektive. Eine Jungfrau(!) will einen Ritter verführen(!):
"Sie lag auf einem sehr schönen Bett
(die Bettücher waren eine Burg wert),
nur in ihrem Hemd.
Sie hatte einen sehr wohlgestalteten und anmutigen Leib.
Einen kostbaren Mantel aus weißem Hermelin, von alexandrinischem Purpur bedeckt,
hatte sie der Wärme wegen über sich geworfen.
Ganz entblößt waren die Seite,
das Antlitz, der Hals und die Brust -
weißer war sie als die Weißdornblüte."

Berührung wird z.B. im "Wolfdietrich B" (um 1225) thematisiert. Da versucht eine Heidenkönigin, den Helden zur Liebe (hier ist logischerweise "körperliche Liebe" gemeint - Anm. von mir) zu verleiten..., der sich jedoch nur Christinnen zugänglich zeigen will...
"do greif si also schiere nach siner wizen hant:
si leite in tugentlichen, da si ir brüstel vant.
Ir bein huop si uf hohe und leite ez über in."

Doch Wolfdietrichs religiöse Überzeugung trägt auch in dieser verlockenden Situation den Sieg davon. Bemerkenswert ist einerseits die Aktivität der Heidin, andererseits die optisch reizvolle Position, die sie einzunehmen versucht, was offenbar nicht zu dem unter Christenmenschen Üblichen zählt.
...

Noch mehr zum Nachlesen dazu - insbesondere auch in Gegenüberstellung zu Peter Dinzelbacher: Menschen und Mentalitäten ... - Google Buchsuche
 
Vielen Dank, nur beantwortet das nicht die Frage.
Die Gegebenheiten im viktorianischen England stehen in diesem Thread nicht zur Debatte, und zudem ging es beim angesprochenen Punkt ums Voreheliche/Außereheliche/Promiskuitive...
:fs:


Doch dies beantwortet die Frage sehr wohl.

Das Bild das man sich vielfach vom "Sex im Mittelalter" usw. macht, ist geprägt von der Prüderie des viktorianischen Zeitalters.
Wogegen ein Blick zB in Werke Balzacs das eigentlich schon gerade rücken müsste.

Wenn dann noch, sehr TT, ein paar Zoten aus der "Zimmerischen Chronik" gelesen werden, oder wie wäre es mit ein paar Worten Luthers? müsste dieses Bild "I know my dear, its terrible..." sehr schnell verblassen.
 
Doch dies beantwortet die Frage sehr wohl.
Nochmals zum Verständnis; es ging um die folgende Fragestellung:
... hintenrum ging teilweise garantiert die Post ab.
Inwiefern "garantiert"? Was bringt Dich zu dieser Annahme? :grübel:



Das Bild das man sich vielfach vom "Sex im Mittelalter" usw. macht, ist geprägt von der Prüderie des viktorianischen Zeitalters.
Meines Wissens gibt es zwischen den beiden Polen "prüdes Zeitalter" ("I know it's terrible") und "Zeitalter uneingeschränkter Sinnlichkeit" ("da ging die Post ab") äußerst viele Zwischentöne.
Daß "das Bild das man sich vielfach vom "Sex im Mittelalter" usw. macht", "von der Prüderie des viktorianischen Zeitalters" nicht nur geprägt, sondern sogar verfälscht ist, bestreite ich keineswegs. Ich wüßte übrigens auch nicht, daß ich das Mittelalter diesbezüglich als besonders prüdes Zeitalter postuliert hätte; meine Literaturverweise und Zitate sollten dies eigentlich verdeutlicht haben.
Allerdings teile ich eben auch nicht die Sichtweise, welche diesem falschen Bild über das Mittelalter das genaue Gegenteil entgegensetzt...



Wogegen ein Blick zB in Werke Balzacs das eigentlich schon gerade rücken müsste.
Auch das bestreite ich nicht; wiewohl es sich trotz allem dabei um ein anderes Zeitalter als das Mittelalter handelt.



Wenn dann noch, sehr TT, ein paar Zoten aus der "Zimmerischen Chronik" gelesen werden, oder wie wäre es mit ein paar Worten Luthers? müsste dieses Bild "I know my dear, its terrible..." sehr schnell verblassen.
Das sind sicher sehr gute Quellen dazu, wiewohl ich auch bereits genügend Beispiele genannt hatte, welche dieses Bild - welches ich wie erwähnt hier nirgendwo vertreten habe - zumindest relativieren.
 
Nochmals zum Verständnis; es ging um die folgende Fragestellung:
.

Ebenfalls zum Verständnis; es ging um die Fragestellung:
Sex im Mittelalter

Wo dann nach diversen Beiträgen dieser Satz kam:

hintenrum ging teilweise garantiert die Post ab.
Meine Beiträge sind in diesem Kontext zu sehen.
Nicht als Antwort auf Deinen, was unglücklicherweise durch falsche "Zitierung" so verstanden werden konnte.

Sorry
 
Was mir besonders auffiel - die Menschen hatten bloß Einzelbetten - auch wenn sie bedeutend kleiner waren, bitte wo und wie hatten die Sex?
In den Betten nämlich offensichtlich nicht, das kann sich nie ausgegangen haben
Wer braucht für den Vollzug des Beischlafs ein Bett?
Schweinkram kann man hier... dort... und vielleicht auch wo ganz anders machen.
Wie war das bei ärmeren Schichten, wo die Familie notgedrungen in einem Zimmer schlief? Eine Horrorvorstellung wäre, die Schwiegereltern liegen gleich nebenan. Vielleicht auch nur Gewöhnungssache. Kinder kann man ja so lange rausschicken.
 
Wie war das bei ärmeren Schichten, wo die Familie notgedrungen in einem Zimmer schlief? Eine Horrorvorstellung wäre, die Schwiegereltern liegen gleich nebenan. Vielleicht auch nur Gewöhnungssache. Kinder kann man ja so lange rausschicken.
Einfach Gewöhnungssache - die Kinder wurden bestimmt nicht rausgeschickt.

Das ist m. W. eigentlich in fast allen Gesellschaften so gewesen, ist in vielen Gebieten der Welt immer noch so: Die Familie/Sippe schlafen in einem Raum, und da finden des Nachts auch Sex statt, und es ist normal, daß das alle mitkriegen.

Getrennte Schlafzimmer nur für die Ehepartner ist ein Wohlstandsphänomen, das gab es früher nur selten, und ist heute bei uns halt Standard.
 
Getrennte Schlafzimmer nur für die Ehepartner ist ein Wohlstandsphänomen, das gab es früher nur selten, und ist heute bei uns halt Standard.
Ganz so stimmt es ja nicht.
1. getrennte Schlafzimmer sind heute kein Standard, nicht dass ich wüßte :weinen:

2. Natürlich gab es getrennte Schlafzimmer nur in größeren Häusern, und also bei der betuchteren Bevölkerung, aber sie waren nicht selten, sprich rar. Zumal man eher dazu neigte die Frauen in einem Zimmer, also die Mütter mit den Töchtern, und in einem anderen Raum den Vater mit den Söhnen schlafen zu lassen. Selbst in den Texten, die vom Schlafen der Ritter und Gefolgsleute, Dienerschaft usw. in der Halle schreiben, also gemeinschaftlich, wird meines Wissens eine Trennung der Geschlechter erwähnt.

Andererseits ist es vermutlich müssig darüber zu spekulieren, wie und wo im allgmeinen genächtigt und/oder der Beischlaf vollzogen wurde, denn es gibt keine eindeutig verlässlichen Quellen, die darüber Auskunft geben können. Auch Historiker ziehen gern einzelne Beschreibungen heran, um sie zum großen Fakt zu stilisieren. Dabei darf man nicht vergessen, dass auch Augenzeugen gerne nach ihrer eigenen Moral und ihren Möglichkeiten beurteilen und stilisieren, demnach auch kristisieren.

Ich finde das gerade unter dem Aspekt gefährlich, als in jedem Zeitalter das "gemeine Volk" den Adel für unmoralisch hielt, wie die Aristokratie die unteren Schichten. Die Kirche widerum sprach davon, dass es alle trieben wie die Karnickel, sprich Tiere. Wer hat nun Recht? Alle, oder das Volk, der Adel? oder pickte man sich hier von jeder Seite nur die schwarzen Schafe heraus, um den Anderen madig zu machen, sich in dem Wohlgefühl zu wähnen, man sei besser und Gott wohlgefälliger?

Und wenn wir schon bei Gott, also der Kirche sind, ist die Beurteilung der Kirche zur allgemeinen Moral erst recht zum Lachen, zumindest wenn man sie wörtlich nimmt. Tiere treiben es, wie bekannt sein sollte, nicht aus Lust, sondern zur Erhaltung der Art, was ja die Kirche auch bei den Menschen gern gesehen hätte. Gerade die Tiere, die viele Feinde haben, produzieren mehr Nachkommen. Wie man weiss ,war die Sterberate früher sehr groß. Wer Lust hat, kann ja mal googeln, wieviele Titel in England von der Zeit des Eroberers bis 1800 ausgestorben sind oder in Ermangelung erbfähiger Nachkommen an andere Familien/Häuser weitergegeben wurden.
Sex aus Lust war zu jeder Zeit verpönt, zumindest seit es die großen Religionsgemeinschaften gab, und körperlicher Kontakt sollte (dabei war der Stand und Status egal) nur zwecks der Fortpflanzung erfolgen. Gerade die Vielweiberei und offener Sex anderer Völker brandmarkte sie doch in den Augen der Europäer als Heiden und Wilde, wodurch sich der Anspruch gründete sie zu unterjochen und sich indirekt das Recht ableitete, sich fremde Länder und Kontinente unter den Nagel zu reissen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Da muss ich gegenreden: Während das haushaltene Ehepaar in der Kammer schlief, waren Knechte, Mägde und Kinder in die Alkoven "verbannt". Das waren Schrankbetten, die meist über den Tierställen untergebracht waren (Tiere strahlen Wärme ab). Die Kammer war meist an der Rückwand des Ofens.
 
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