Spanisches Namensrecht

Hattest du das ellenlange Namensungetüm aus der spanischen Wikipedia zitiert?
Ja.
Ich wusste bis gestern auch nur Manuel de Falla. ich würde seine Musik auch nicht erkennen. Erstmals ist er mir bei meinem ersten Cádiz-Aufenthalt 1999 begegnet, später dann auch noch mal in Granada. Als Teil der Generación del 27, obwohl er eigentlich zu alt für diese Generation war. Naja, er hatte ja wohl offensichtlich die Rolle eines "Musiklehrers" für die Generación del 27 (das ist sow etwas, wie in der deutschen Kunstszene die Gruppe 47, die 27er lernten sich halt alle in der Residencia de Estudiantes in Madrid kennen).
 
@Sepiola bei der diskriminierenden Namenszuweisung in preuss. Verwaltungsgebieten um 1800 wird es wohl bleiben

Ich halte auch das für eine Legende. Von Namenszuweisungen im Rahmen der Verpflichtung zur Führung eines Familiennamens ist mir nichts bekannt, und eine Diskriminierung war hierbei nicht beabsichtigt - im Gegenteil:

"Wichtiger Bestandteil des Edikts war, daß die Staatsbürgerschaft mit der Verpflichtung verknüpft wurde, einen fest bestimmten Familiennamen zu führen, wobei die Annahme und das Führen eines festen Familiennamens gerade nicht aus- und absondemde Wirkung haben sollte, sondern im Gegenteil: diejenigen (Juden), die noch keinen festen Familiennamen hatten, sollten ununterscheidbar werden von den anderen Preußen. Ziel war der Abbau von jeglichen Signifikanzen, auch im Bereich der Namen und Benennungen."
Rezension zu: I. A. Diekmann (Hrsg.): Emanzipationsedikt 1812

Paragraph § 3 des Edikts lautete:
"Binnen sechs Monaten, [...], muß ein jeder geschützte oder konzessionirte Jude vor der Obrigkeit seines Wohnorts sich erklären, welchen Familien-Namen er beständig führen will. Mit diesem Namen ist er, sowohl in öffentlichen Verhandlungen und Ausfertigungen, als im gemeinen Leben, gleich einem jeden andern Staatbürger, zu benennen."

Ok, das klärt meine Frage: die Namen wurden nicht durch eine Behörde amtlich vorgeschrieben und dabei willkürlich ausgeteilt (wie zeitweilig in u.a. Preussen)
Auch in Preußen wurden keine konkreten Namen amtlich vorgeschrieben.
 
Ich halte auch das für eine Legende.
ich weiß es nicht, ob das eine Legende ist (und wenn, dann eine sehr hartnäckige) - aus dem verlinkten Vortrag:
Daran, dass Hoffmann bei der Erfüllung des Königlichen Erlasses vom 17. April 1797, Basis des sogenannten Judenreglements, seine hurtigen Finger mit ihm Spiel hatte, lassen weder Fuks noch Zambrzycki noch andere Autorinnen und Autoren irgendwelche Zweifel. Von alledem weiß man im benachbarten Deutschland und bei den zahlreichen Hoffmann-Forschern so gut wie gar nichts. Als ich am Donnerstag den angesehenen deutschen Hoffmann-Biographen Rüdiger Safranski fragte, ob er je etwas von dieser Warschauer Legende gehört habe, verneinte er es und sah mich dabei leicht stirnrunzelnd an.
allerdings muss ich zugeben, dass ich Erlass vom 17.4.1797 nicht gelesen habe...
Auffallend bleibt, dass im deutschsprachigen Raum nicht wenige jüdische Nachnamen wie Spottnamen wirken. Was für die Namen der spanischen Xuentas offenbar nicht zutrifft.
 
allerdings muss ich zugeben, dass ich Erlass vom 17.4.1797 nicht gelesen habe...

Den Text gibt es hier:
General-Juden-Reglement für Süd- und Neu-Ostpreussen [...] = Generalne urządzenie Zydow w Prowincyach Prus Południowych i Nowo-wschodnich. W Berlinie. dn. 17. kwietnia roku 1797 - Silesian Digital Library

Steht da etwas über Namen drin?

Auffallend bleibt, dass im deutschsprachigen Raum nicht wenige jüdische Nachnamen wie Spottnamen wirken.

Ich weiß nicht, was Du an einem Namen wie Goldbaum Verächtliches findest.

Das ist doch kein Vergleich mit dem, was man sonst so an alten deutschen Familiennamen vor 1800 so findet, mir fallen da Namen wie Dünnebier, Schweinefleisch, Narr oder Kussmaul ein.
 
vermutlich ist das hierhttps://www.habsburger.net/de/kapitel/gestatten-sie-mein-name-ist keine seriöse Quelle für abwertende und in folge stigmatisierende Namen, also auch legendenhaft

Dass unter den Habsburgern Familiennamen von Amts wegen zugeteilt wurden, ist keine Legende.

Johannes Czakai hat das für Galizien und die Bukowina in einer Dissertation untersucht:
Nochems neue Namen - Die Juden Galiziens und der Bukowina und die Einführung deutscher Vor- und Familiennamen 1772-1820, Göttingen 2021.

Die Behauptung, die Namen hätten gekauft werden müssen, dürfte auf Fiktion beruhen.

"Die ersten Publikationen, die sich fast ein Jahrhundert nach den historischen Ereignissen der Namensannahme der galizischen Juden widmeten, waren literarischer Art. 1877 veröffentlichten die Schriftsteller Karl Emil Franzos (1847-1904) und Leopold von Sacher-Masoch (1836-1895) unabhängig voneinander Geschichten, in denen die galizisch-jüdische Namensannahme erstmals knapp erwähnt wurde. Sacher-Masoch baute dieses Motiv aus und veröffentlichte 1878 die Erzählung Der Handel um den Namen, die sich ganz um den Verkauf schöner Familiennamen an Juden in Galizien zur Zeit Josephs II. drehte. Zwei Jahre später publizierte auch Franzos einen Text mit dem Titel Namensstudien (1880), der jedoch im Gegensatz zu Sacher-Masochs Erzählung als Tatsachenbericht angelegt war. In ihm schildert Franzos, wie Joseph II. seinerzeit persönlich jenes Gesetz erlassen habe, das die Juden Galiziens zwang, deutsche Familiennamen anzunehmen. Diese hätten sich jedoch geweigert, weswegen ihnen von Militärs beleidigende Namen aufgezwungen oder verkauft wurden. [...] Bei den Namensstudien handelt es sich nicht um einen wissenschaftlichen Forschungsbeitrag, sondern um eine literarische Geschichtsfiktion, die jedoch so wirksam war, dass sie die Forschungslandschaft nachhaltig prägte. Der Text ist voller historischer Fehler und keiner der bei Franzos genannten grotesken Namen (wie etwa Kanalgeruch, Pulverbestandtheil und Temperaturwechsel) ist nachweisbar. Es ist offensichtlich, dass der Text mehr über Franzos und seine Zeit als über das 18. Jahrhundert verrät. Dennoch - oder gerade deswegen - war der Einfluss der Namensstudien immens und ist es bis heute." (Czakai S. 22f)

Dass Beamte (entgegen den staatlichen Vorgaben) beleidigende Namen vergeben haben, mag allenfalls in Einzelfällen vorgekommen sein, lässt sich jedoch nicht nachweisen. "Der Staat hatte kein Interesse daran, Juden mit absichtlich negativen Namen zu belegen. Die Vorgaben zur Benennung von 1785 zielten darauf ab, möglichst viele - neutrale - Wörter zu bilden, nicht Juden zu stigmatisieren." (Czakai S. 305)
 
Steht da etwas über Namen drin?
...ja, es ist immer ein Vergnügen, von @Sepiola examiniert zu werden :D
Was die Frage betrifft: mein Macbook hindert mich daran, den Link zu öffnen, es ordnet ihn als sehr unsicher ein (vorsichtig formuliert) - wie dem auch sei: du hättest einfach schreiben können, dass dergleichen nicht in diesem Erlass vorkommt.
Wenn diskriminierende Namenszuteilungen für jüdische Bürger seitens der Verwaltungsbehörden im späten 18. und im 19. Jh. eine Legende sind, bleibt zu fragen, warum es zu dieser hartnäckigen Legende gekommen ist. In Warschau hält man offenbar an dieser Legende fest, garniert sie Hoffmanns Beteiligung.
Ich fände es interessant, dem weiter auf den Grund zu gehen, aber sinnvoller in einem eigenen Faden, nicht hier im Zusammenhang mit spanischen Gepflogenheiten. Vielleicht findet @El Quijote einen passenden Platz und Titel und verschiebt die hier nicht so passenden Beiträge?
 
...ja, es ist immer ein Vergnügen, von @Sepiola examiniert zu werden :D
Was die Frage betrifft: mein Macbook hindert mich daran, den Link zu öffnen, es ordnet ihn als sehr unsicher ein (vorsichtig formuliert) - wie dem auch sei: du hättest einfach schreiben können, dass dergleichen nicht in diesem Erlass vorkommt.
Ich habe den 30-seitigen Text überflogen und auf die Schnelle nichts Relevantes gefunden. Es kann natürlich sein, dass ich etwas übersehen habe. Vielleicht hast Du ja Gelegenheit, selber mal ganz genau reinzuschauen.

Wenn diskriminierende Namenszuteilungen für jüdische Bürger seitens der Verwaltungsbehörden im späten 18. und im 19. Jh. eine Legende sind, bleibt zu fragen, warum es zu dieser hartnäckigen Legende gekommen ist.

Wie es zu dieser Legende gekommen ist, siehe hier:
Spanisches Namensrecht

Und wie sie immer wieder aufgewärmt wird, sieht man z. B. hier:
«Falscherhund», «Galgenstrick», «Hostienschlucker», «Temperaturwechsel», «Wanzenknicker»: Das ist keine Liste mit absurden Wörtern. Das sind Namen. Familiennamen, die die kaiserlich-königliche Verwaltung von Österreich-Ungarn der jüdischen Bevölkerung verpasste.
«Namensstudien»: Studie der Judendiskriminierung - DRS2aktuell - SRF
Das ist eine Liste erfundener absurder Namen, die sich offensichtlich der Schriftsteller Karl Emil Franzos anno 1880 aus dem Finger gesogen hat.

Eine Legende, einmal erfunden, kann leicht auf andere Orte und Personen übertragen werden. Und während zehnmal gezeigt wird, dass sie auf keinerlei Fakten basiert, wird sie gleichzeitig tausendmal weiterverbreitet. Und so werden wir auch noch in hundert Jahren lesen, dass die jüdischen Namen zum Zweck der Diskriminierung verordnet wurden, dass Galilei die Kugelgestalt der Erde gegen die Inquisition verteidigt habe und dass Donald Trump rechtmäßig die Wahl 2020 gewonnen habe.
 
Der Name als Stigma
(leider kann man in der Vorschau nicht alles lesen)

Was man lesen kann (siehe auch diesen Artikel: ZEIT ONLINE | Lesen Sie zeit.de mit Werbung oder im PUR-Abo. Sie haben die Wahl. ), bestätigt meine bisher vorgetragenen Thesen:

1. Die verpflichtende Einführung von Familiennamen hatte im aufgeklärten Absolutismus keine Diskriminierung zum Ziel, sondern das glatte Gegenteil:
"Sogar das erste Namengesetz für Juden hatte sich schon den Abbau der Signifikanzen zum Ziel gesetzt. Die Dekrete Josephs II. aus dem Jahre verboten Namen nach Orten und 'in jüdischer Sprache'."

In Preußen enthielt man sich solcher Regulierungen; die Juden konnten ihre Familiennamen frei wählen und entschieden sich in vielen Fällen auch für Namen wie Levi oder Kohn, deren jüdische Herkunft erkennbar war: "... es darf nicht verschwiegen werden, dass gerade er [der Geist der Liberalität] den Juden auch die Freiheit gab, 'signifikant' zu wählen, so daß die Aggressionen der Antisemiten an den Namen später [!] überhaupt einen Anhaltspunkt finden konnten."


2. Die "typischen Ekelnamen" wie "Kanalgeruch" oder "Goldgedärm" lassen sich in literarischen Fiktionen, Witzbüchern und Polemiken, jedoch nicht in der Realität nachweisen:

"Von jenen gemeinhin als judentypisch angesehenen 'Ekelnamen' finden sich beispielsweise in der (keineswegs antisemitischen) 144seitigen Witzsammlung von Alexander Moszkowski (1911) sechzehn verschiedene Exemplare, von Mendel 'Fensterglas' über Sally 'Goldgedärm' bis zu Josef 'Zierfisch'. Kein einziger dieser 16 kommt aber unter den zirka 50 000 Namen des 'Jüdischen Adreßbuchs für Groß-Berlin' (1929/30) wirklich vor, geschweige denn die ganz groben Exemplare aus Goebbels’ Angriff."
 
(auch wenn es mit Spanien und folglich spanischen Gepflogenheiten nichts zu tun hat) zum Thema behördlicher Namensregelungen Ende 18. und erste Hälfte 19. Jh., aber auch darüber hinaus, sehr interessant zu lesen:Der Name als Stigma
auf S.53 findet sich was zu Spottnamen ("gute" Namen gegen Zahlungen, häßliche kostenlos...) wobei angemerkt wird, dass das umstritten sei.
 
auf S.53 findet sich was zu Spottnamen ("gute" Namen gegen Zahlungen, häßliche kostenlos...) wobei angemerkt wird, dass das umstritten sei.

Ja, das wurde auch schon erwähnt. Es handelt sich um eine fiktive Story, die sich Leopold von Sacher-Masoch ausgedacht hat:
Sacher-Masoch baute dieses Motiv aus und veröffentlichte 1878 die Erzählung Der Handel um den Namen, die sich ganz um den Verkauf schöner Familiennamen an Juden in Galizien zur Zeit Josephs II. drehte.
Das Motiv wurde auch in Witzen variiert:
Als Itzig von der Namenkommission nach Hause kommt, fragt ihn seine Frau: „Sag, wie heißt denn unser neuer Name?“ – „Schweißloch“ antwortet Itzig. „Auwai, konntest du nicht zahlen für einen schöneren Namen?“ „Hab' ich doch. Allein das W hat mich hundert Taler gekostet.“
Jüdische Namenskunde ist stets eine Quelle des Staunens und manchmal auch der wehmütigen Heiterkeit -
Zu dieser Legende wird hier angemerkt, das sei ganz bestimmt wahr: "Es gilt als sicher...".

Sicher ist lediglich, dass nirgends auch nur der geringste Nachweis zu finden ist, dass derlei vorgekommen ist oder gar an der Tagesordnung war. Czakai hat sich sogar die Mühe gemacht, galizische Namen nach Stand und Steuerklasse zu untersuchen, und festgestellt:
"Aus den genannten Beispielen lassen sich keine schematischen Unterschiede feststellen. Die Legende vom bestechlichen Beamten, die armen Juden lächerliche Namen aufzuwangen und sich von den Reichen deren schönen Namen teuer bezahlen ließen, lässt sich daraus jedenfalls keinesfalls schlussfolgern - auch wenn das noch nicht bedeutet, dass es sie nicht mancherorts doch gegeben haben kann." (S. 308f)
 
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