Ich habe mal von ein paar Jahren über eine Parallele zwischen Sklavenhaltung im antiken Rom und Sklavenhaltung in den USA-Südstaaten gelesen:
Solche Überlegungen mögen auf den ersten Blick interessant erscheinen, ergeben aber auf den 2. meist wenig Sinn.
In beiden Fällen betrug das numerische Verhältnis von Freien zu Sklaven 2/3 zu 1/3.
Auf zwei Freie kam also ein Sklave.
Das halte ich für eine steile These, schon allein, weil mir im Fall Rom völlig schleierhaft ist, wie man das abschätzen sollte.
Es gibt ja nicht einmal für die Stadt Rom zu ihrer antiken Blütezeit gesicherte Angaben zu ihrer Einwohnerzahl, schon da stößt man je nachdem, welche Literatur man zu rate zieht auf verschiedene Postulate, irgendwo zwischen 0,8 und um die 2 Millionen Einwohner.
Wie möchte man bei solchen Schwankungsbreiten, was die Angaben betrifft präzise etwas über das Verhältnis von freien Einwohnern zu Sklaven aussagen?
Das Problem lässt sich in der Breite auch für das gesamte Reich aufgreifen, da dürften bestenfalls recht unsichere Schätzungen möglich sein, was Gesamtzahlen anngeht.
Regional wird man da vielleicht aussagekräftige Nachweise bringen können, ob sich das aber für das gesamte Reich generalisieren lässt, wäre zu bezweifeln.
Auch im Falle der Südstaaten in den USA (warum eigentlich nur der Südstaaten? Missouri, Kenntucky und Maryland waren auf dem Papier auch Sklavenstaaten) ergibt eine solche globale Angabe wenig Sinn, weil der Bedarf an Sklaven sehr stark davon abhing, welche landwirtschaftlichen Produkte angebaut wurden.
Der Baumwoll-Boom, der für den tiefen Süden das Geschäftsmodell darstellte, beförderte sehr große Sklavenpopulationen, aber außerhalb der hauptsächlichen Anpflanzungsregionen für Baumwolle, sah das bereits innerhalb der Südstaaten anders aus.
Einzelne Staaten im Süden, wie Missisippi und South Carolina scheinen Tatsächlich Sklavenpopulationen mit einem Anteil von um die 60% der Gesamtbevölkerung gehabt zu haben, in North Carolina und Virgina, wo die Baumwolle als wirtschaftlich interessante dominante Kulturpflanze allmählich durch Tabak abgelöst wurde, wäre man bei ungefähr einem Drittel, in Tennessie schon deutlich darunter, und in den drei Sklavenstaaten, die sich dannn gegen Lincolns Versprechen die Sklaverei dort nicht anzutasten nicht abspalteten (die schon erwähnten Grenzstaaten Missouri, Kentucky und Maryland), war Sklaverei zwar bis in den amerikanischen Bürgerkrieg hinein zulässig, wurde aber in weit geringerem Maße praktiziert, weil es überhaupt nicht rentabel war.
Der Sklavenanteil an der Gesamtbevölkerung hier, lag wohl bei irgendwas zwischen 10% und 20%.*
Das sind auch innerhalb der Sklavenstaaten in den USA ganz erhebliche Schwankbreiten, die sehr stark im Zusammenhang damit standen, wie gut sich die Region eignete um Baumwolle zu kultivieren.
Man sollte auch nicht übersehen, dass insofern in den USA und im römischen Reich völlig verschiedene Modelle vorlagen, als dass im römischen Reich Sklaven tatsächlich für der Versorgung der heimischen Märkte produzierten, während die Sklaven in den USA, wohl hauptsächlich in der Baumwoll- und auch in der Tabakproduktion (das aber in geringerem Maße) eingesetzt wurden, die beide zu großem Teilen für den Exportsektor arbeiteten.
Baumwolle als Massenrohstoff für die aufstrebende Industrie, vor allem in Großbritannien, die die Nachfrage oben hielt, Tabak als Genussmittel mit guten Gewinnspannen beim Export.
Das ist auch ein vollkommen anderes Modell.
Auch bei der Sklavenhaltung sehe ich ein Gleichgewicht:
Auf der einen Seite der Balkenwaage wollen die Freien möglichst viele Sklaven.
Auf der anderen Seite der Balkenwaage wächst mit der Anzahl der Sklaven auch die Angst vor einem Aufstand.
Was die Vorstellung betrifft, dass die Freien Mitglieder einer Gesellschaft immer möglichst viele Sklaven wollen, da lässt sich leicht belegen, dass das nicht zutrifft.
Schaut man sich die z.B. die Vereinigten Staaten in ihrer frühen Geschichte nach der Unabhängigkeit an, ist Sklavrei dort auch in den meisten Nordstaaten zunächst mal legal, wird aber im Norden bis in die 1820er-1830er Jahre nach und nach abgeschafft.
Wenn freie Mitglider einer Gesellschaft immer möglichst viele Sklaven haben wollten, hätte es diese Abschaffung, die ganz sicher nicht Folge einer exremen Angst vor Aufständen war (denn es gab im Norden nie große Sklavenpopulationen) ja nicht geben dürfen.
Der Grund, warum man im Norden die Sklaverei abschaffte, im Süden aber nicht, ist dass sich mit der aufstrebenden Industrie ein anderes Geschäftsmodell entwickelte, dass in Sachen Einstellungen und Entlassungenn wesentlich flexibler war (so seltsam das auf den ersten Blick klingt, aber gegebüber einem Sklaven gingen diejenigen, die ihn kauften weit stärkere Bindungen und Verpflichtungen ein, als gegenüber einem freien Lohnarbeiter, den sie einstellten) und weil sich die Einwanderung in die USA ab dem Beginn des 19. jahrhunderts zunehmend auf den Norden konzentrierte, was dafür sorgte, dass für die dortige Wirtschaft immer genügend billige Arbeitskräfte in Form von Wirtschaftsmigranten aus Europa vorhanden waren.
Für den Süden machte die Sklaverei vor allem deswegen weiter Sinn, weil durch die Entwicklug in der britischen Textilindustrie immer größere Mengenn verarbeitet werden konnten, es für Anbau und aberntung (im Gegensatz zur Entkernung) aber noch keine brauchbaren Maschinen gab und gleichzeitig freie Lohnarbeit sehr teuer war, weil es in denn Südstaaten mit ihrer weit geringeren Einwanderung im Gegensatz zum Norden keine so großen landlosen Unterschichten gab, für die Lohnarbeit dort (zumal Baumwollanbau mit den damaligen Mehtoden eine ziemliche Schinderei war) interessant gewesen wäre.
2:1 erscheint da als ein gutes Verhältnis, um eine stabile Balance zwischen Nutzen durch Sklavenhaltung und Gefahr durch Sklavenhaltung aufrecht zu halten.
Was das Balance-Modell angeht, würde ich darauf hinweisen wollen, dass Sklaverei nicht das einzige (wenn auch ein besonders hartes) Modell von Unfreiheit und unfreier Arbeit war, das wir aus der Geschichte kennen.
Das gilt ja grundsätzlich auch von der Leibeigenschaft, und die hielt sich in Europa teilweise bis ins 19. Jahrhundert und betraf weit mehr als ein Drittel der Bevölkerung.
Da gab es immer mal wieder Aufstände, weil bestimmte damit verbundene Lasten den Betroffenen als übermäßige Dranngsalen erschienen, bis zur französischen Revolution aber kaum größere Aufstände, die das System an und für sich infrage stellten.
Und das obwohl es bereits im 18. Jahrhundert reichlich kritische Stimmen gab, die Sinnhaftigkeit diess Systems infrage stellen, zum Teil wenniger wegen moralischer Skrupel, sondern einfach aus der durchaus richtigen Erkenntnis, dass Zwangsarbeit auf Grund der geringen Motivation der Arbeitenden, tendenziell ineffektiv ist.
Nun kann man die in Europa gängigen Formen der Leibeigeschaft sicherlich nicht völlig mit der Sklaverei in den USA gleichsetzen, weil Leibeigene (jedenfalls in der Regel, es scheint da durchaus auch Ausnahmen wie in Russland zu geben) z.B. nicht ohne weiteres verkauft werden konnten.
Aber Grund sich durch ihre Unfreiheit drangsaliert zu fühlen hatten auch die Leibeigenen hier. Sie standen aber nicht oder kaum gegen diese Verältnisse auf.
Ich denke das ganze Modell krankt an zwei Dingen:
1. Es unterstellt bei den Sklaven eine Art kollektives Klassenbwusstsein, das so möglicherweise nicht vorhanden war.
Dem steht schon entgegen, das Sklaven häufig aus verschiedenen Gegenden herangesschafft wurden und untereinander teilweise Schwierigkeitenn gehabt haben dürften, sich überhaupt zu verständigen, auch kam es sicher vor, dass Personen aus Gruppen, die sich in anderen Erdteilen selbst spinnefeind waren zusammen in die Sklaverei gerieten, was dazu geführt haben mag, dass innerhalb der Sklavenpopulation die Vorbehalte gegeneinander möglicherweise ähnlich groß waren, wie die gegenüber dem Sklavenhalter.
2. Es unterstellt, dass die Freiheit grundsätzlich bessere Bedingungen geboten hätte, als der Status als Sklave.
Das ist aber nicht immer der Fall, weil es sehr stark darauf ankommt, für was die Sklaven eingesetzt wurden.
Die Lebensbedingungen eines Sklaven auf einer Baumwoll- oder Zuckerplantage in den Südstaaten oder der Kraibik waren eine Katastrophe.
Schaut man sich demgegenüber die Sklaverei in Rom an, die eben nicht (oder nur selten) mehr oder weniger (proto) industriellen Zwecken diente, konnte das da schon ganz anders aussehen.
Sicherlich gab es auch da gefährliche Tätigkeiten, die die Gesundheit ruinieren konnten, z.B. in Steinbrüchen oder Bergwerken, Bauarbeiten an Großprojekten, ein großer Teil der Sklaven im alten Rom, wurde aber durchaus auch als häusliche Dienerschaft der römischen Oberschicht beschäftigt, einfach weil ein entsprechender Diener ein Statussymbol war (das man pflegte und gut versorgte um es zu erhalten), oder zu landwirtschaftlichen Arbeiten auf deren Landgütern (oder sogar als deren Verwalter) eingesetzt.
Ein Sklave der persönlicher Diener, Hausverwalter etc. einer wohlhabenden römischen Familie war, hatte aber mitunter ein materiell weit besser ausgestattetes leben, als er als freies aber mittelloses Mitglied der Gesellschaft gehabt hätte.
*Angaben beziehen sich auf das mittlere 19. Jahrhundert, also etwa die Zeitspanne 1840-1860.