"Speer & Er" auf ARD

Was das Doku-Drama für meine Begriffe nur ungenügend zur Sprache brachte (allgemein fand ich den dritten Teil nahe an der Grenze zur Langweiligkeit) war die tatsächliche Verstrickung von Speer in die Verbrechen der Nazis. Dafür musste man schon die Doku um 23:00 abwarten. Die war dafür höchst aufschlußreich.

Joachim Fest persönlich hat bestätigt, dass er sich von Speer an der Nase herumgeführt vorgekommen ist, seit er 1982 die Doktorarbeit von ? gelesen hat. Darin wurde haarklein aufgeführt, das Speer persönlich die Deportation von zehntausenden Berliner Juden zu verantworten hatte und dass er auch die Baupläne von Auschwitz (incl. Krematorien und "Duschen") auf dem Schreibtisch hatte und genehmigt hat.

Wenn man alles das 1946 in Nürnberg gewusst hätte, wäre er wohl wie die anderen, zurecht, am Galgen gebaumelt.

Davor hat ihn wohl sowieso nur gerettet, dass er ein sympathischer, eloquent wirkender Mensch war, der wenigsten oberflächlich Reue zeigte und seine (damals bekannte) Hauptschuld auf Saukel abwälzen konnte.

Welche Frage mir der Film leider nicht beantworten konnte und die ich nicht verstehe, ist warum Heß bis zuletzt in Spandau sitzen musste. Die Vernichtung der Juden hat er ja wohl nur sehr wenig zu verantworten, er war ja schon 1941 in englischer Gefangenschaft. :confused:
 
Andronikos schrieb:
Welche Frage mir der Film leider nicht beantworten konnte und die ich nicht verstehe, ist warum Heß bis zuletzt in Spandau sitzen musste. Die Vernichtung der Juden hat er ja wohl nur sehr wenig zu verantworten, er war ja schon 1941 in englischer Gefangenschaft. :confused:

Nicht das er es nicht verdient haette, aber es war wohl auch ein Politikum, wenn ich mich recht entsinne. Die letzte noch von allen 4 Allierten gemeinsam im geteilten Berlin verwaltete EInrichtung, konnte halt nur bestehen bleiben, wenn sie mindestens einen Gefangen beherbergte. Waere das nicht so gewesen, waere er vielleicht freigekommen. Aber wie gesagt, seine Strafe hatte er doch wohl auch absolut verdient.
 
Andronikos schrieb:
Ob es ein über 90 jähriger wirklich noch verdient hat im Knast zu sitzen?

Das ist eine seltsame Frage... Es werden heute immer noch Nazischergen gesucht und es wird ihnen immer noch der Prozess gemacht, wenn man sie erwischt. Die sind inzwischen auch alle 85 und aelter, SS-Leute, KZ-AUfseher, usw... Und da haette man den Stellvertreter des Fuehrers einfach frei lassen sollen? Nur weil er alt war und einen auf Unzurechnungsfaehig machte?
 
Andronikos schrieb:
Ob es ein über 90 jähriger wirklich noch verdient hat im Knast zu sitzen?
verdient ja, er hat schließlich bis zu seinem "abflug" nach gb fleißig bei der installation und der machtausübung des nazi-terrorstaates mitgemacht. deine frage ging auch sicher in die richtung ob es sinnvoll ist einen 90jährigen, scheinbar verwirrten mann, so lange gefangen zu halten? in dem fall ist es sache der siegermächte gewesen und wenn sie es richtig fanden ihn festzuhalten, hatten sie alle rechte dazu, auch die moralischen.
 
Ohne Hess in die absurde Märtyrerrolle zu drängen, die ihm heutige Rechtsextreme zuschieben, halte ich seinen Fall für tragisch. Von den Kriegsverbrechern, die in Spandau einsaßen, hatte er zusammen mit Außenminister Constantin von Neurath wohl am wenigsten auf dem Kerbholz. Leute mit geringeren Strafen wie Speer, von Schirach oder Dönitz waren viel stärker in die Politik und die Verbrechen des dritten Reiches involviert. Er war im dritten Reich eine politisch unbedeutende Figur und sein Englandflug 1941 zeigte wie später seine Ansichten im Gefängnis, dass er wohl die Bezüge zur Realität verloren hatte. Seine Haft bis zu seinem Tod wäre wohl noch gerechtfertigt gewesen, wenn die Alliierten bei allen Angeklagten die gleiche Konsequenz gezeigt hatten. Doch die beiden anderen "lebenslangen" - Reichswirtschaftsminister Walter Funk und Admiral Erich Raeder - wurden aus gesundheitlichen Gründen schon in den 50er Jahren entlassen. Eine Rolle spielte wohl auch seine nominell hohe Position als "Stellvertreter des Führers".

Zur Doku: am interessantesten fand ich tatsächlich das "Nachspiel" am späten Abend, dass sich mit Speers Entlassung und der Taktik, mit der er seine Beteiligung an NS-Verbrechen verschleierte, befasste. Mir war zum Beispiel Wolters bis dato völlig unbekannt. Dieser Teil war für mich überhaupt der wichtigste von "Speer und Er", und ich fand es etwas verschenkt, dass er nicht wie die anderen Teile um 20.15 Uhr lief.
 
Ashigaru schrieb:
Er war im dritten Reich eine politisch unbedeutende Figur und sein Englandflug 1941 zeigte wie später seine Ansichten im Gefängnis, dass er wohl die Bezüge zur Realität verloren hatte. Seine Haft bis zu seinem Tod wäre wohl noch gerechtfertigt gewesen, wenn die Alliierten bei allen Angeklagten die gleiche Konsequenz gezeigt hatten. . Eine Rolle spielte wohl auch seine nominell hohe Position als "Stellvertreter des Führers".

Lieber Ashingaru,
immerhin hat er mit Hitler zusammen in der Festungshaft das Buch "Mein Kampf" geschrieben. Zum Zeitpunkt der Nürnberger Prozesse hatte er Amnesie und konnte sich an nichts mehr erinnern.
Sicherlich ist seine Haft bis zu seinem Tod darauf zurück zu führen, dass er als letzter Gefangener die Intitution der Viermächteherrschaft über Deutschland symbolisierte. Der Kontrollrat für Deutschland trat meines Wissens seit der Blockade von Berlin nicht mehr zusammen. :rolleyes:
 
Tobias Moretti als Hitler-Darsteller? Ist das nicht der, der als erster Kommissar Rex-Herrchen war?
 
Ich finde insgesamt ist "Speer und Er" gut gelungen, ich fand z.B. die übergänge von gespielten Aufnahmen in Originalaufnahmen eine sehr gute Idee. Auch die Nachkommen mit einzubeziehen war eine gute Idee. Aber ich fand die Aussagen der Speers ncit immer glaubwürdig. Natürlich erinnert sich ein 6 Jähriger nicht an Alles, aber nach meiner Erfahrung kennt jeder zumindest Ausschnitte seines Lebens.
 
Andronikos schrieb:
Welche Frage mir der Film leider nicht beantworten konnte und die ich nicht verstehe, ist warum Heß bis zuletzt in Spandau sitzen musste. Die Vernichtung der Juden hat er ja wohl nur sehr wenig zu verantworten, er war ja schon 1941 in englischer Gefangenschaft. :confused:

Ja, aber hat er (Hess) sich nicht während des Prozesses durchaus positiv zu Hitler geäußert? Irgendetwas war da doch, was man quasi nur als mangelnde Reue auslegen konnte...
 
Kann ja alles sein. Meinetwegen können sie auch jetzt noch 90 jährige suchen und vor Gericht stellen.

Aber Heß hatte seinen Prozess, er hatte ein Urteil und er saß insgesamt 46 Jahre im Gefängnis - ich finde die Hälfte hätte es auch getan, alles andere hat nichts mehr mit meinem Rechtsverständnis zu tun.
 
KFdG schrieb:
Ich finde insgesamt ist "Speer und Er" gut gelungen, ich fand z.B. die übergänge von gespielten Aufnahmen in Originalaufnahmen eine sehr gute Idee. Auch die Nachkommen mit einzubeziehen war eine gute Idee. Aber ich fand die Aussagen der Speers ncit immer glaubwürdig. Natürlich erinnert sich ein 6 Jähriger nicht an Alles, aber nach meiner Erfahrung kennt jeder zumindest Ausschnitte seines Lebens.
Lieber KFdG, das ist auch meine Meinung. Ich kann mich an die Ereignisse ab 1945, damals war ich zwischen drei und vier Jahre alt, leider noch sehr gut erinnern. :(
 
Komisch, ein anderer Aspekt von Speer ist hier garnicht zur Sprache gekommen. Zwar war er eigentlich Architekt, aber unter Hitler zum Reichsminister für Rüstung aufgestiegen.
Und damit war er der entscheidende Organisator der Bewaffnung und der industriellen Herstellung von Rüstungsgütern während des Krieges. Und darin war er ein wahres Genie. Trotz totalem Bombenkrieg und gezielter Störung der Industrieproduktion in D durch die aliierten Bomberverbände gelang es ihm, die Rüstungsproduktion nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern sogar auf ein Vielfaches der Rate von 1939 zu steigern.
Das gelang nur durch konsequente Verbunkerung und Massen-Einsatz von Zwangsarbeitern.
Ohne Speers Organisationstalent wäre der Krieg wahrscheinlich schon 1942 zuende gewesen.
Auch in seiner Handlungsweise kurz vor dem Ende zeigt sich das Cleverle: Er zieht sich (absichtlich) die Ungnade des Führers zu, um aus dem engsten Kreis der Verantwortlichen ausgeschlossen zu werden.
Dann in Nürnberg war er nur noch der kleine Architekt, der zufällig....
 
Du hast Recht, Kleiner Kurfürst.
Ohne Ihn wäre sicherlich der Krieg garnicht weiter zu führen gewesen. Er konnte sich anscheind gut verkaufen und den anderen Menschen Sand in die Augen streuen. Man kann auch sagen, dass er ein Aparatschik war.:rolleyes:
 
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