Wenn die Chatten nach 213 nicht mehr erwähnt werden, wie kann man dann von ihrer Existenz im 4./5. Jh. ausgehen, zumal noch als eigenständiger Stammesverband, und schon gar noch von eine Beteiligung, bzw. Nichtbeteiligung an der Völkerwanderung.
Sie werden ja im 4./5. Jahrhundert noch erwähnt. Nur sind die Aussagen nicht von historischem Wert und erlauben keine Aussagen darüber, ob es tatsächlich noch Chatten gegeben hat, was immer darunter zu verstehen ist. Selbst wenn man 213 als letzte Erwähnung betrachtet, heißt das bei weitem nicht, dass es die Chatten nicht mehr gegeben haben muss. Immerhin ging wenige Jahrzehnte später das Dekumatland verloren und der Siedlungsbereich der Chatten geriet aus dem Blickfeld des römischen Reiches - warum sollten die stets romzentrischen Schreiber noch darüber berichten. Es sei mal als Vergleich an andere Stämme erinnert, die im Frühmittelalter wieder in den Quellen auftauchen, nachdem Jahrhunderte keine Nachrichten vorlagen (v.a. etwa die Brukterer).
Nach verschiedenen Ansichten, sind die Bevölkerungsteile (unklar welcher ethnischen Zuordnung) dieser Gegend in das Rhein-Main-Becken abgewandert und teilweise dort geblieben und mit neu hinzugewanderten Gruppen vermischt worden.
Wie gesagt, das kenne ich (und ich habe viele neuere Aufsätze zum Thema gelesen) anders. Gräberfelder des 5. Jhdts. im Rhein-Main-Gebiet wie Eschborn werden meist als alemannisch charakterisiert, wobei Autoren wie Steuer davon ausgehen, dass es elbgermanische Siedler waren, die sich als Alemannen überall im ehemaligen Dekumatland formierten. Für den angrenzenden westfälischen Raum wie auch für den hessischen Raum geht man angesichts einer gewissen Siedlungsausdünnung nach Westen zum Imperium hin aus.
Auf jeden Fall ergibt sich eine deutliche Kulturgrenze entlang des ehemaligen Limesbogens. Diese wird vor allem anhand der Grabbefunde und -sitten und dem hauptsächlichen Verbreitungsgebiet von -heim-Namen in Hessen festgemacht.
Und nochmal der Verweis auf die Siedlungen im Fritzlarer Becken: Eine fortlaufende Kontinuität, d.h. ununterbrochen, würde ich schon als Indiz dafür sehen, dass es sich auch um die Siedlung einer Sippe oder wie auch immer gerarteten Dorfverbandes handelt.
Auf jeden Fall sind die Gebiete östlich des Rheins unter thüringischen Einfluß gelangt.
Da merkt man, dass dich der Aufsatz von Grahn-Hoek sehr beeinflusst. Obwohl sie möglicherweise recht hat, was die Oberherrschaft über den nordhessisch-westfälischen Raum betrifft, sehe ich auch einige kritische Punkte, insbesondere die Identifikation der Warnen mit den Thüringern überzeugt mich nicht völlig. Ihr Aufsatz hat mich aber auch zur Frage hier (die leider immer noch nicht beantwortet ist :weinen
angeregt, wie die jew. Forscher zur Lokalisation der gennanten Gaue, Hessi, Wedrecii etc. kommen. Es ist letztlich sehr spekulativ, aber ich halte zumindest eine thüringische Herrschaft über die Wetterau und das Rhein-Main-Gebiet schwer möglich. Dafür gibt es keinerlei Indizien (wobei es die bei der Spanne von 40 - 50 Jahren auch nicht unbed. geben muss), zudem halte ich es angesichts der Stelle, in der Theuderichs Feldzug geschildert wird, für eher unwahrscheinlich, dass Thüringer westlich und südwestlich von Buchonien saßen.
Nach 531 kam die Gegend, wie ganz Thüringen überhaupt, unter fränkischen Einfluß.
Das ist eines der ganz großen Probleme. Auch hier muss man wieder zwischen Nord- und Mittelhessen (in der älteren Forschung mit dem freilich unhistorischen Begriff "Althessen bezeichnet) und Südhessen und der Wetterau unterscheiden.
Eines ist aber klar: im Rhein-Main-Gebiet herrschte von 400 - 700 eine sehr homogene Kultur, die durch die Übernahme der Reihengräber gekennzeichnet ist. Es gibt einiges Kopfzerbrechen, wie sich der Übergang von Alemannen und Franken etwa um 500 gestaltete oder ob die Kernbevölkerung dieser Gebiete nicht doch eher alemannisch war. Möglicherweise erhellt sich dieses Thema etwas, wenn die Befunde der Siedlungsgrabung Echzell-Mühlgraben publiziert werden.
In Nordhessen gibt es allgemein sehr wenig Befunde aus der Zeit vor 650/700, egal ob Gräber oder Siedlungsbefunde. Es lässt sich aber sagen, dass die Einflüsse in diesem Gebiet sehr heterogen waren, dass es aber keine Reihengräberfriedhöfe gab. Wirkliche fränkische Einflüsse im materiellen Fundgut oder durch Bautätigkeit lässt sich bisher m.e. nicht vor Mitte des 7. Jhdts. feststellen. Wahrscheinlich ist dagegen aber eine formale fränkische Oberherrschaft ab 531, wie sie vermutlich zum gleichen Zeitpunkt auch für die Sachsen galt.
P.S.: zu den "Hessi" - mangels Definition lässt sich m.e. nicht sagen, ob es sich nur um eine geografische Bezeichnung handelt oder dieser auch gentile Funktionen mit einschließt.