Die Unterdrückung der Frau gibt es doch bis heute in vielen Gesellschaften. Insofern erstaunt die ganze Frage. Und auch die Nachfrage, auf welche Zeit du dich beziehst, hast du nur indirekt beantwortet, indem du auf die Lex Salica/Merowinger-Sache eingegangen bist.
Feministische Thesen, die abzulehnen sind, sind die, dass
1.) es in der Frühzeit ein Matriarchat und/oder Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gab.
2.) Frauen im Patriarchat immer nur die Opfer seien
3.) das Patriarchat wahlweise mit der Neolithisierung (Stoverock) oder mit der indoeuropäischen Einwanderung eingeführt worden sei (Gimbjutas)
Zu 1.) und 3.)
Da wir aus diesen Zeiten über keine schriftlichen, sondern lediglich über archäologische Zeugnisse verfügen, lassen sich Schlussfolgerungen über Geschlechterrollen nur auf archäologischem Befund basierend und dem, was wir aus der Verhaltensbiologie des Menschen wissen, herauskristallisieren.
Da sich unser verhaltensbiologisches Programm in den letzten 200.000 Jahren kaum geändert hat, können wir dieses zugrundlegen.
Pauschalisierungen jedoch, die über alle vorgeschichtlichen menschlichen Kulturen ein Urteil fällen, sind abzulehnen.
Es mag patriarchale, matriarchale und gleichberechtigte Gruppen im Paläo- und Mesolithikum gegeben haben. Es mag auch im Neolithikum, der Bronzezeit oder der älteren Eisenzeit patriarchal, matriarchal oder gleichberechtigt organisierte Kulturen gegeben haben. Das ist, wie gesagt, einzeln am archäologischen Befund zu ermessen.
Als Folie für Matriarchatsphantasien etc. bieten sich prähistorische Gesellschaften natürlich auch gerade deswegen an, weil wir ihre Gedankenwelten nicht überliefert haben und sich Geschlechterollen aus dem archäologischen Befund recht schwer lesen lassen.
Aber auch das gibt es. So hat man bei einem neolithischen oder bronzezeitlichen Massaker in Deutschland festgestellt, dass die massakrierten Frauen aus einer anderen Kultur stammten, als die massakrierten Männer und Kinder: sie waren laut Isotopennachweis in einer anderen Region aufgewachsen. Die Pfeilspitzen, die man in ihren Körpern fand, waren solche der Kultur, aus der die Frauen stammen mussten. Daraus hat man geschlussfolgert (ob diese Schlussfolgerung nun korrekt war oder nicht, sei dahingestellt), dass die Frauen irgendwann mal entführt worden seien und von den Angehörigen ihrer Herkunftskultur nicht mehr als solch erkannt oder anerkannt wurden.
Bei historischen Kulturen können wir feststellen, dass diese meist eher patriarchal organisiert waren.
Ob nun die Zapoteken den teules (den Spaniern) Frauen aufdrängten (um diese also wahrscheinlich sexuell zufrieden zu stellen [oder auch um sich dynastisch mit den mächtigen Eindringlingen zu verbünden]) wirft ein Licht auf das Frauenbild mesoamerikanischer Indianer um 1500.
Die griechische Bürgersfrau in Athen war in ihren oikos verbannt, die Prostituierte war ihr gegenüber wahrscheinlich freier - stand aber gesellschaftlich weit unter ihr. Der römische pater familias konnte ungestraft jedes Mitglied seines Haushalts töten, wenn er denn wollte, seine Sklaven sowieso, aber auch seine Frau und seine Kinder.
Im Qur'ân wird verboten, neugeborene Mädchen zu töten - es scheint also im vorislamischen Arabien ein Problem gegeben zu haben, dass insbesondere weibliche Säuglinge als unwert erachtet und getötet wurden.
In vielen Teilen Indiens und Pakistans werden religionsübergreifend Mädchen jung verheiratet, damit sie der Familie nicht zur Last fallen; die Familien müssen häufig eine hohe Mitgift aufbringen, ein Mädchen bedeutet für arme Familien eine finanziell kaum zu ertragende Last.
Die chinesische Ein-Kind-Politik hat dazu geführt, dass es heute in China einen Jungsüberschuss gibt, weil bis zur Aufhebung der Ein-Knd-Politik viele Menschen ihre Mädchen ausgesetzt haben und warteten, bis es ein Junge würde. Sie haben dabei natürlich nicht an ihre Söhne gedacht, die mal irgendwann Problem haben würden, eine Partnerin zu finden.
Zu 2.)
Zur Unterdrückung gehören immer zwei dazu. Ich will hier keine Täter-Opfer-Umkehr, kein blaming the victim betreiben, werde aber mit meinen Ausführungen nah daran kommen.
Mittlerweile sind ja auch die Feministinnen (meistens jedenfalls) deradikalisiert. Aber in früheren Jahrzehnten war Frauengeschichtsforschung häufig darauf konzentriert, in Frauen hauptsächlich Opfer (der Männer) zu sehen und eher weniger Täterinnen. Das hat sich geändert. Heute gibt es z.B. Thesen, dass die NSDAP die 1920er Jahre ohne ihre weiblichen Anhänger kaum überstanden habe. Das ändert nichts daran, dass die NSDAP im Prinzip eine sexistische Partei war, die Frauen die Rolle der Hausfrau und Mutter (und vor allem der Gebärerin künftiger Soldaten) zuwies. Aber Frauen spielten wichtige Rollen beim Schmuggel von Waffen und beim Flicken von Uniformen während der Straßenkämpfe 1925 - 1932. Frauen also pauschal zur ersten Opfergruppe der Nazis zu erklären, wie das vor 40 oder 50 Jahre noch vereinzelt von feministischen Autorinnen getan wurde, wird man heute kaum mehr zu lesen bekommen von Feministinnen.
Frauen spielen eine wichtig Rolle bei der Beschneidung von Frauen in den Ländern der Sahelzone. Es sind Frauen, die Beschneidungen vornehmen und es sind Frauen, die Druck auf die Mütter kleiner Mädchen ausüben, ihre Mädchen beschneiden zu lassen. Die Väter sind da meist außen vor. (Inwieweit ein Mann wirklich eine Frau nicht heiraten würde, die nicht beschnitten ist, spielt eine andere Rolle.)
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In jeder Gesellschaft gibt es Spielräume. So können auch in sexistisch organisierten Gesellschaften Frauen höchste Stellungen erreichen und Männerrollen einnehmen. Der gute Historiker findet solche Beispiele. Der bessere Historiker weiß sie ins große Ganze einzuordnen.