Stratege Arminius und Hasenfuß Germanicus?

Ob "gallus" wirklich mit den Galliern in Verbindung steht, bin ich mir nicht ganz so sicher. Wortparallelen kommen vor. Das lateinische Wort "germanus"=Bruder hat ja auch nichts mit den Germanen zu tun. Zu "gallus" / "Gallus" verweise ich noch auf die Galli (also Singular auch gallus), die kastrierten Kybelepriester. In deren Fall stammt die lateinische Form vom griechischen "galloi", was nichts mit den Galliern (die von den Griechen "Galatai" genannt wurden) zu tun hat, sondern vermutlich eher mit dem phrygischen (wo ja auch Kybele ihren Sitz hatte) Fluss Gallos. Auch eine volksetymologische Angleichung des lateinischen Wortes für Huhn an die Gallier könnte ich mir vorstellen.
Da die Hühner für die altehrwürdigen Augurn wichtig waren, kann ich mir außerdem nicht so recht vorstellen, dass sie erst durch den Kontakt mit den Kelten in Italien bekannt wurden.
 
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Ich bin mal ganz vorsichtig:
Die Wasserwaage und die Schlauchwaage , so wie wir sie heute kennen, dürfte Römern und Germanen unbekannt gewesen sein. Um allerdings so ein schönes Langhaus oder auch einen Vierseithof zu bauen, braucht man beides nicht. Sowas geht auch mit ner Murmel und nem Brett oder einer gedrechselten Schale.

Wer braucht schon eine Wasserwaage, wenn er eine Lotwaage hat. Damit haben die Ägypter schon ihre Pyramiden perfekt ins Wasser gelegt.

Die Römer hatten wohl Wasserwaagen, wie die Instrumente ihrer Vermesser schließen lassen. Allerdings offene nicht solche wie heute. Das Prinzip hinter der Schlauchwaage muß ihnen bekannt gewesen sein, da sie so Wasser auf Höhen pumpten. Ob sie es allerdings für eine Art Schauchwaage anwandten ....

Die Amerikaner haben übrigens noch im ausgehenden 18ten Jhdt. ihre Nordgrenze von den großen Seen bis zum Atlantik mit Instrumenten vermessen, die fast baugleich mit den römischen waren. Und die Grenze zu Kanada ist verdammt gerade geworden. Auch haben experimentelle Archäologen letztens in der Eifel Vermessungsarbeiten mit Nachbauten römischer Instrumente durchgeführt. Auf mehrere hundert Meter ergaben sich Abweichungen von nur wenigen Zentimetern verglichen mit modernem Equipment.
 
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Das mit dem "gallischen Hahn" ist dank Wilfried und Ravenik nun geklärt. Die These der hühnerhaltenden Gallier findet sich v.a. in der französischen Literatur, gehört aber offensichtlich in den Kreis der Volksetymologie.
Hahn (Wappentier) ? Wikipedia
Der Truthahn stammt übrigens aus Nordamerika, und wurde schon von den Indianern domestiziert. Ob Du die turkey-gallus Parallele intendiertest, Sepiola, ist mir nicht ganz klar. In jedem Fall ist sie durchaus passend.
Truthuhn ? Wikipedia

Zum römischen Gebrauch der Wasserwaage siehe hier:
Chorobates ? Wikipedia
Die Technik der Wasser- bzw. Schlauchwaage ist nicht sonderlich kompliziert, und dürfte mehrfach unabhängig voneinander entwickelt worden sein. Erste Belege stammen wohl aus dem Zweistromland.

Mal abgesehen davon, dass die Wikinger natürlich Germanen waren, und die Waräger fleissig auf von Goten ausgetrampelten Pfaden gen Konstantinopel reisten, bezog sich mein Verweis auf die technologisch offenbar hochstehende fränkische Schmiedekunst (Solingen etc.), die im 9./10. Jahrhundert selbst in Bagdad Abnehmer fand. Zur Verbindung von Schwert-Schmiedekunst und spätantiken Germanen siehe u.a.
Nibelungensage ? Wikipedia
 
Mal abgesehen davon, dass die Wikinger natürlich Germanen waren, und die Waräger fleissig auf von Goten ausgetrampelten Pfaden gen Konstantinopel reisten, bezog sich mein Verweis auf die technologisch offenbar hochstehende fränkische Schmiedekunst (Solingen etc.), die im 9./10. Jahrhundert selbst in Bagdad Abnehmer fand. Zur Verbindung von Schwert-Schmiedekunst und spätantiken Germanen siehe u.a.
Nibelungensage ? Wikipedia
...gotische Pfade von Gotland über die Krim nach Byzanz?...:grübel::D

fein, fränkische Schwerter (auch welche vom Ulfbrecht?) waren ein Exportschlager im 9/10.Jh. - was sagt uns das über den angebl. strategischen Arminius und den angebl. hasenfüßigen Germanicus?
 
Das mit der Wasserwaage ist Unfug.

Inklusionen in Kristallen und in Bernstein mögen vorkommen, sind aber auch nicht so häufig, dass man eine regelmäßige Verwendung annehmen könnte. Ausserdem müssten dazu die entsprechenden Steine komplett plan geschliffen werden, eine Technik die die Germanen garantiert nicht beherrschten.

Der Chorobates hatte angeblich auch nur eine Rinne in der Mitte die mit Wasser gefüllt werden konnte um das Gerät horizontal zu nivellieren. Das kann m.E. jedoch nur ein Hilfsmittel gewesen sein (kann jeder selber testen wie schwierig es ist, mit einer selbst geschnitzten Holzrinne, mit Wasser gefüllt etwas genaues hinzukriegen). Die Hauptelemente werden die beiden Lote an den Pfosten gewesen sein, die viel einfacher zu bedienen und abzulesen sind.

Die Maßgenauigkeit war bei zivilen Gebäuden bis vor den zweiten Weltkrieg noch sehr dürftig, bei älteren Häusern vor 1900 sind Höhenunterschiede von 5 cm in einem selben Raum keine Seltenheit, bei Fachwerkhäusern noch größer.
Libellen und Wasserwaagen sind in unser modernen Zeit schon länger bekannt, trotzdem waren, bis vor relativ kurzer Zeit, das Senkblei, Zimmermannswinkel und Setzwaage die auf dem Bau maßgebenden Instrumente. Ich möchte sehr bezweifeln, dass die alten Germanen etwas anderes als ein Senkblei und eventuell eine art Setzwaage verwendeten, Wasserwaagen aber garantiert nicht, die entsprechende Genauigkeit benötigten Sie auch gar nicht.
 
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Ich halte von einer Kontroverse "Hochentwickelte römische Zivilisation" versus "germanische Barbarei" wenig. Naturräumlich / ökologisch möchte ich jedoch empfehlen, David Blackbourns Buch "Die Eroberung der Natur" zu lesen: unser Landschaftsbild der norddeutschen Tiefebene ist eines des 19./20.Jahrhunderts, Begradigungen, Talsperren, Trockenlegungen, Torfabbau veränderten das ehemalige Amazonien Deutschlands gewaltig! Bis zu 30 % der nordeutschen Tiefebene waren mit Mooren bedeckt, an der Küste weite Marschengebiete, Sandgebiete, und durch lange landwirtschaftliche Nutzung degradierte Böden, auf denen sich Heiden ausdehnten, zahlreiche Flüsse, Priele und Bäche durchfließen die Landschaft. Während im Neolithikum am Südrand in den Bördegebieten Ackerbauern siedelten, lebte dort 1000 Jahre das Mesolithikum weiter, d.h. Jagd, Sammeln und Fischfang waren die wirtschaftliche Grundlage bis ca. 4000 BC. Durch den Anstieg des Meeresspiegels und das Wachstum der Moore, die Bodenverarmung verlor diese Landschaft - unterbrochen von Meeresspiegelregressionen - immer wieder Siedlungs- und landwirtschaftlich nutzbaren Raum. Ich beschreibe dieses Gebiet besonders genau, weil es das Operationsgebiet der römischen Legionen in den Germanicus-Feldzügen 15/16 AD ist.
Zur sozialen Organisation der Produktion: trotz des verbreiteten Raseneisenerzvorkommens blieb die norddeutsche Eisenverhüttung jahrhundertelang hinter der süddeutschen zurück - Eisenbarren wurden eher importiert, um sie zu verschmieden, ein protoindustrielles Produktionszentrum mit zahlreichen Rennöfen wurde nur im Havel-Spreegebiet gefunden, das über den Eigenbedarf hinaus produzierte (wahrscheinlich ab 400 BC, siehe Zur ältesten Eisenverhüttung in Norddeutschland und im südlichen Skandinavien, Tagungsband 2006, Keltische Einflüsse im nördlichen Mitteleuropa). Während nordeuropäische Einzelschlackenfunde aus der jüngeren vorrömischen Eisenzeit durchschnittlich 20 kg wiegen, zum Vergleich das italienische Produktionszentrum bei Pollonia: Jahresproduktion ca 500 t, gefundene Schlackeschicht auf 2 km² 2 Mio Tonnen Schlacke, wahrscheinliche Produktion von 800 BC an 50.000 t Schmiedeeisen.
 
Gabs die Raseneisenerzvorkommen schon um Christi Geburt in der nordt. Tiefebene?

Wenn ja, sind die kaum mit den Vorkommen in Pollonia oder am Erzberg zu vergleichen. Um eine Ofenreise fahren zu können, mit dem Raseneisenerz muß eine ganz schön große Fläche abgeerzt werden. Damit wandern die Öfen von einem Ort zum andern ...

Was die unbesiedelten Gegenden angeht, hat Biturgius recht, allerdings nur zum Teil. Während die Börden recht fruchtbar und dicht besiedelt sind, sind ua auch noch heute die Marschen und "Heiden" unbesiedelt oder dünn besiedelt. Und da gabs eben auch die Moore. Anders gesprochen:
Da war in der Steinzeit nix und heute gibts da genausoviel ....
 
Gabs die Raseneisenerzvorkommen schon um Christi Geburt in der nordt. Tiefebene?
Ja, gerade dann. Wenn ich die Genese richtig verstehe, braucht es saures Grundwasser, das Eisen aus dem Gestein herauswäscht. Schwankungen des Grundwasserspiegels und Sauerstoffkontakt führen dann zur Ausfällung als Raseneisenerz. An eisenhaltigem Gestein ist in der norddeutschen Tiefebene kein Mangel, das hat die Eiszeit als Findlinge / Kiesel in Massen aus Schweden und Norwegen herantransportiert. Das saure Grundwasser entsteht durch Vermoorung, v.a. Hochmoorbildung, die ihre Zeit brauchte. Daher bildeten sich die Raseneisenerzkörper vermehrt erst im späten 2./ frühen 1. Jtsd. v. Chr. Inzwischen ist, nach jahrtausendelanger Verhüttung bis ins Hochmittelalter, Raseneisenstein kaum noch zu finden, bildet sich aber auf oben beschriebenen Weg langsam wieder neu.
Wenn ja, sind die kaum mit den Vorkommen in Pollonia oder am Erzberg zu vergleichen. Um eine Ofenreise fahren zu können, mit dem Raseneisenerz muß eine ganz schön große Fläche abgeerzt werden. Damit wandern die Öfen von einem Ort zum andern ...
Kleine Rechnung: Raseneisenstein-Horizonte sind ziemlich mächtig, häufig etwa einen halben Meter dick. Pro Quadratmeter lässt sich also etwa ein halber Kubikmeter Erz bergen. Bei speziischem Gewicht von 2,9-4,2 sind dies etwa 1,5-2 Tonnen. Der Eisengehalt ist bis zu 45% (gewichtsmäßig höher, da das Eisen höheres spezifisches Gewicht als die anderen Bestandteile, v.a. Wasser und Sauerstoff hat). Setzen wir, grob vereinfacht, die Eisenausbeute mit 40 Gew.-% an (da verblieb sicher noch was in der Schlacke), sind da so etwa 600-800 kg aus einem Quadratmeter Raseneisenerz zu gewinnen! Selbst wenn man vorsichtig nur von 500 kg/ m² ausgeht - um auf die von Biturigos für das italienische Pollonia genannte Gesamtproduktion von 50.000 t zu kommen, braucht man 100.000 m²=0,1 km² oder 10 ha (zehn Fussbalplätze) Raseneisenerz-Lager. Da mussten die Öfen nicht sonderlich weit wandern...
Raseneisenstein ? Wikipedia
Der grosse Vorteil von Raseneisenerz ist, dass das Eisen bereits hydratisiert, quasi als Rost, vorliegt, und nur noch reduziert werden muss. Dies erforderte niedrigere Temperaturen als das Einschmelzen bergmännischer Eisenerze, und die Luppe ist direkt schmiedbar.
Biturigos: ein protoindustrielles Produktionszentrum mit zahlreichen Rennöfen wurde nur im Havel-Spreegebiet gefunden, das über den Eigenbedarf hinaus produzierte (wahrscheinlich ab 400 BC).
Die Aussage verwundert mich. Der Neumünsteraner Sander als eisenzeitlich-kaiserzeitliches Verhüttungszentrum ist archäologisch hervorragend erforscht. Nachfolgende Publikation enthält auf S. 169 eine Kartierung von Schlackenfunden, die zeigt, dass sich Verhüttung auf dem Sanderrücken durch ganz Schleswig-Holstein zog. Neben dem Neumünsteraner Sander tritt v.a. ein zweites Zentrum um Tarp/ Jerrishoe/Süderschmedeby (zwischen Schleswig und Flensburg) hervor, das in der Publikation (S. 167ff) ausführlich diskutiert wird. [Hier auch interessant, dass Jerrishoe ein "Eisen"-Ortsnamen (vgl. obiger Wikipedia-Artikel) ist]. Ein Blick auf die Karte auf S. 161 lohnt ebenfalls.
https://books.google.de/books?id=XD...v=onepage&q=Eisenverhüttung Schleswig&f=false
Auch ausserhalb bzw. am Rande des kartierten Bereichs werden immer wieder Belege für intensive Verhüttung gefunden (der folgende Artikel streift das Thema leider nur am Rande, aber im Vortrag wurde, wenn ich mich richtig erinnere, von 4 Rennöfen in der aus 4 Langhäusern bestehenden eisenzeitlich-kaiserzeitlichen Siedlung berichtet):
Früheisenzeitliche Siedlung in Schleswig-Holstein entdeckt - Asatru zum selber Denken - die Nornirs Ætt
Freunde von uns, in der selben Gegend, haben ebenfalls Rennöfenreste und Schlackenfunde auf ihrem Gelände. Dr. Lütjens vom archäologischen Landesamt SH will sie sich gelegentlich ansehen - bei Interesse kann ich dann hier berichten. Ein Problem in diesem Zusammenhang ist, dass alte Verhüttungsplätze - wohl aufgrund der Ascheeinbringung - die besten Ernteerträge der generell sehr mageren Sanderböden liefern, und daher intensiv überpflügt worden sind (und noch werden). Was man heute so findet, ist also allenfalls die "Spitze des Eisbergs".
Für Nordwestdeutschland gibt es eine schöne Analyse einschliesslich Kartierung :
Lehreinheit Geschichte -Projekt Heek-Nienborg
Betrachtet man die räumliche Verteilung (Abb. 9), so zeigt sich für die vorrömische Eisenzeit keine deutliche Konzentration. Eine leichte Häufung ist allenfalls im Emsland erkennbar. Der gesamte nördliche Randbereich unseres Gebietes bis hin zur Küste hat bisher keine eisenzeitlichen Fundstellen mit Hinweisen auf metallurgische Aktivitäten ergeben, obwohl es an Fundstellen der älteren vorrömischen Eisenzeit keineswegs mangelt (Schwarz 1995, 183 Karte 3). Im südlichen, westfälischen Teilbereich unseres Gebietes treten Fundstellen der Eisenzeit gleichmäßig gestreut in größerer Zahl auf, sie fehlen jedoch nahezu gänzlich im Bergland.

Die Nachweise der Römischen Kaiserzeit zeigen eine ähnlich weiträumige Verbreitung wie jene der vorrömischen Eisenzeit. Allerdings reichen die Belege nun bis in Küstennähe und zeigen nördlich der oldenburgisch-ostfriesischen Geest eine leichte Verdichtung. Für das südliche Untersuchungsgebiet fällt besonders die Fundhäufung im Kreis Herford zwischen Wiehengebirge und Teutoburger Wald auf. Für das Münsterland sind keine markanten Konzentrationen metallurgischer Aktivitäten der Römischen Kaiserzeit zu verzeichnen. (..)
Für unser Untersuchungsgebiet schlagen wir daher ein vierphasiges Modell der Genese vor:

Phase I: archäologisch schwer nachweisbare Experimentierphase im Umgang mit dem neuen Rohstoff; gekennzeichnet durch vereinzelte Schlackenfunde und gezielte Verwendung von Erzbrocken im Bestattungswesen; Ofentypen archäologisch unbekannt (oberirdisch, flachgründige Grubenöfen?); Datierung: jungbronze-/ältereisenzeitlich.

Phase II: verhüttungstechnische Kenntnisse vorhanden; Ofentypen archäologisch noch unbekannt; zunehmende Zahl und Vielfalt der Schmiedeerzeugnisse; Datierung: ältere und insbesondere mittlere vorrömische Eisenzeit.

Phase III: mit zunehmender Erfahrung Übergang zu neuen archäologisch gut faßbaren Ofentypen; gekennzeichnet durch deutlich gestiegene Zahl an Schlackefundstellen als Hinweis auf Verhüttungsplätze; Datierung: jüngere vorrömische Eisenzeit.

Phase IV: allgemein etablierte Kenntnis des Verhüttungsverfahrens; bewährte Ofentypen; generell: Produktion für den lokalen Bedarf, nur vereinzelt Überschußproduktion möglich; Ofentypen archäologisch gut faßbar und mehrfach nachgewiesen; Datierung: Römische Kaiserzeit.

Angesichts der für Nordwestdeutschland verfügbaren Belege muß damit gerechnet werden, daß in der Region und wohl auch in den westlichen und östlichen Nachbargebieten bereits seit Beginn der Eisenzeit geschmiedet und auch verhüttet worden ist. Es erscheint daher angebracht, die Möglichkeit einer frühen autochthonen Genese der Eisenmetallurgie zumindest stärker in die Diskussion einzubeziehen, auch wenn die Quellengrundlage alles andere als befriedigend ist, und obwohl sich diese Auffassung nicht mit der für den nordwestdeutschen Raum dominierenden Theorie des Technologietransfers aus dem Bereich der Hallstattkultur in Einklang bringen läßt.
Aus dem Inhaltsverzeichnis der folgenden Publikation, unter "Eisen-Römische Kaiserzeit":
Inhaltsverzeichnis: [WAPA 3] Metallrecycling in der Frühgeschichte | VML Verlag Marie Leidorf
Überwiegend lokale Selbstversorgung mit Eisen im germanischen Bereich
- Eisengewinnungssiedlung von Süderschmedeby / Schleswig-Holstein
-
Eisenproduktion auf der Wurt Feddersen Wierde, Lkr. Cuxhaven / Niedersachsen

Stätten germanischer Großproduktion von Eisen
- Wolkenberg, Tagebau Seese-Ost / Brandenburg: 450 Schachtöfen / Schachtofen - Ofen, Herdgruben, Holzkohlemeiler
- Göritz / Brandenburg: 1,6 t Schlacke
- Göhlen bei Ludwigslust / Mecklenburg-Vorpommern: Ca. 2.000-2.500 Befunde von Rennöfen - Rennofen Zerkleinerungsplätze und Schmiedeanlagen
- Vergleichbarer Befund aus dem Gebirge von Góry Swietokrzyskie / Polen: Ca. 6.000 Anlagen zur Eisengewinnung
- Fundort Joldelund / Schleswig-Holstein: Reste von ca. 500 Öfen zur Deckung des Eigenbedarfs der Siedlung
"500 Öfen für Eigenbedarf" ~mindestens 10t Rohstahl. Was wiegt ein Pflug- 20 kg? Entweder war Joldelund damals fast eine Großstadt, oder die hatten auch Eisenspinde, eiserne Bettgestelle, und noch so einiges mehr aus Eisen ...

Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass neuerer Forschung zufolge die Eisenverhüttung im Siegerland erst Ende des 1. Jhd. v. Chr., also zur Zeit der römischen Expansion, zum Erliegen kam (S. 79ff):
http://www.ruhr-uni-bochum.de/archaelogie/mam/content/jb_2011_2012_web.pdf
 
naja, aus dem halben Meter Raseneisenerz mach mal so 20 cm und weniger und aus den bis 45% Fe im Limonit so 15-20% im Raseneisenerz, und das ist schon sehr viel. Es ist doch sehr viel Quarz im Erz.
Bei einer Ofenreise ist das Ausbringen nach dem Ausschmieden so bei 30 %, der Rest geht als Abbrand etc mit viel Glück wieder in den Ofen.
Wenn Eisenhüttenwesen so einfach wäre, wärs schön ...
Was das Schmieden und verhütten in der frühesten Eisenzeit angeht:

Ohne Kenntnis dieser Fertigkeiten ist Eisenzeit nicht möglich!!!! Und Stückgewichte über 2 kg sind mit "normalen " Rennöfen und ohne Hammerwerke technisch nicht möglich. Es sei denn in Stangenform
 
Lieber Augusto, mir ging es darum darzustellen, dass man die "germanische" Eisenproduktion zur Zeit der frühen Kaiserzeit nicht mit derjenigen der Verhüttungszentren zur Überproduktion vergleichen kann: die Wissenschaftler aus deiner Quelle (Projekt schlagen selbst vor, für die Phase IV nur eine vereinzelte Überproduktion anzunehmen (römische Kaiserzeit). Das von dir ironisch zitierte Joldelund "500 Öfen für Eigenbedarf?" ist 150 Jahre jünger!!: "Die Gegend um Joldelund avancierte um 200 n. Chr. (Eisenzeit) zum Ruhrgebiet des Nordens. Abgebaut wurde der reichlich vorhandene Ortstein ( siehe vorhergehender Abschnitt und Abb.2-3). Anfang der 1990-er Jahre wurden vom Institut für Ur-und Frühgeschichte der Universität Kiel das Gebiet am Kammberg bei Joldelund (Äcker und Weiden nördlich des Waldstückes und Waldwege) einer Grabung unterzogen. Gefunden wurden Siedlungsreste, Tonscherben, Rennöfen und Schlacken aus der Zeit von 150-300 n. Chr." (Mineralienatlas) Das in deiner zweiten Quelle zitierte Göhlen/Ludwigslust sind vermutlich slawische Fundplätze des 4. und 5.Jahrhunderts!
Dein "großzügiger" Umgang mit Jahreszahlen macht es schwierig zu argumentieren, denn dann verschiebt sich die Fragestellung unter der Hand, die doch eigentlich war,
ob die Germania (als geographischer Begriff) für das Römische Reich zur Zeit des Augustus ökonomisch interessant gewesen ist, beziehungsweise ein möglicher Aufwand an Kosten im Verhältnis zum möglichen Ertrag stehen könnte. Die Eingliederung der rechtsrheinischen Wetterau, der Silberbergbau in Braubach am Rhein, und die erwähnten Bleivorkommen und Gewinnung auf der Briloner Hochfläche zeigen, dass das Römische Reich grundsätzlich bereit war, auch rechtsrheinisch ökonomisch zu intervenieren und Handel zu treiben. Doch kann man dies mit den großen Überproduktionszentren im römischen Reich vergleichen?
"Für die Römer war Spanien bis zum 6. Jh. n. Chr. das wichtigste Silberförderland, besonders die Lagerstätten von Carthago Nova (Neues Karthago, heute Cartagena), Ilipa, Sisapon, Castuló und das Orospedagebirge, von welchem ein Teil der Silberberg (Argyrun Oros, Mons argentarius) hieß. Hier wurde zuerst von den Phöniziern, dann von den Römern ausgebeutet und aus offenen Gruben (Argyreia, Argentifodinae) gewonnen. In den Bergwerken von Carthago Nova arbeiteten nach Polybios 40.000 Menschen.Dieses erzreiche Bergbaurevier von Castuló, heute Cazlona nahe Linares, mit dem Mons argentarius, dem Silberberg, wird von Strabon (63 v. Chr. bis 23 n. Chr.) beschrieben, "... dass es auf der Welt kein Gebiet so reich an Gold, Silber, Kupfer und Eisen gäbe, wie die Iberische Halbinsel." (Strabon III, 2,8). An diesem Silberberg lag vermutlich die von Plinius erwähnte Grube Baebelo, über die er im Jahr 77 n. Chr, mehr als 200 Jahre nach Ende des 2. Punischen Krieges schreibt: "Es ist schon erstaunlich, dass die einst von Hannibal in Spanien angelegten Gruben noch heute betrieben werden und dabei noch ihre von den Findern erhaltenen Namen tragen. So heißt heute noch Baebelo die Grube, die dem Hannibal jeden Tag dreihundert Pfund Silber lieferte" (Plinius: Naturalis historia :XXIII 97. Pol. X 38,7).
Römischer Bergbau auf Kupfer, Silber und Eisen wurde auch in der Comarca Andélavo in der Provinz Huelva betrieben, deren Name von Endovélico, dem zumeist als Wildschwein dargestellten prärömischen Gott des Infernos, der Nacht, der Anbetung und der Gesundheit. Die bekanntesten Gruben waren Cabezas del Pasto, Herrerias und Cabezo de Gibraltar in der Umgebung von Puebla de Guzmán.
Die Blei-Silber-Lagerstätten in Plasencuela in der Provinz Cáceres in Westspanien wurden von den Römern von etwa 20 v. Chr. bis 30 n. Chr. bis auf Teufen von 137 m abgebaut und geschmolzen. Das sulfidische Erz trat in schmalen, engen, fast vertikalen Adern in fest geschichteten Schiefern und in Grauwacken auf. Das Ganggestein war Quarz und Kalkspat. Die obere Zone war oxidiert, sodass anzunehmen ist, dass die Römer beim Aufbereiten des Erzes der tieferliegenden Schichten unterschiedliche Schmelzmethoden angewandt haben." (Mineralienatlas)
In dieses Stadium der protoindustriellen Überproduktion tritt Norddeutschland erst in der mittleren römischen Kaiserzeit ein - die latenezeitlichen Verhüttungszentren der vorrömischen Eisenzeit - das von dir erwähnte Siegerland - in der Mittelgebirgszone "verschwinden" weitgehend mit der "keltischen" Abwanderung z.B. der Ubier.
Zur Zeit der Feldzüge des Germanicus standen einem hohen logistischen, finanziellen, politisch-militärischen Aufwand ein nur geringer ökonomischer Nutzen gegenüber, der mit einer Provinalisierung bis zur Elbe verbunden gewesen wäre.
 
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Nachtrag zu deiner großzügigen Berechnung der Eisengewinnung aus Raseneisenerz -Grundsätzlich konnten in Rennfeueröfen nur 10 bis 15 % des im Erz enthaltenen Eisen gewonnen werden. Die Ausbeute ist abhängig von der Zusammensetzung der Erze. Beim Ausschmieden der Eisenluppe, die noch mit Schlacke- und Holzkohleresten durchsetzt war, reduzierte sich die Ausbeute nochmals um die Hälfte bis zu zwei Dritteln. Die Eisenluppen bei den größeren der gefundenen Öfen dürften bis zu 30 kg schwer gewesen sein. Nur etwa 10 bis 15 kg reines Eisen ließen sich so aus einem Brennvorgang gewinnen. Dafür sind über 200 kg Eisenerz notwendig gewesen. Du hast dich um einiges verschätzt....siehe auch Wilfrieds Beitrag...
Zu deinem Vergleich mit Populonia (Pollonia war falsch von mir aus einer Quelle übernommen): dort wurde Hämatit aus Elba verarbeitet, der 70 % Eisen enthält. Nach meinen Informationen war Hämatit leichter im Rennofenverfahren zu nutzen als das im Raseneisenerz vorhandene Limonit.
Mir geht es nicht darum nachzuweisen, dass in der Germania libra keine Eisenverhüttung und Bearbeitung stattgefunden hat, sondern dass dieser in erster Linie für den Eigenbedarf produzierte - und für eine arbeitsteilige Gesellschaft, die in größerem Maßstab protoindustriell erzeugte, eine landwirtschaftliche Grundlage - produktive Landwirtschaft mit Überproduktion - in weiten Bereichen Norddeutschlands nicht existierte.
 
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Also, wenn die Etrusker in Populonia reichlich Eisen und Stahl herstellten, heißt das nun nicht, das dahinter eine landwirtschaftliche Überproduktion stand.
Offensichtlich war die Stahlproduktion aus dem schlechten Raseneisenerz immer noch für Germanen preiswerter als der Import aus der Keltike bzw dem Imperium Romanum.
Trotz des hohen Aufwands mit Köhlerei, Tagebau und der Schinderei von Ofenreisen.

Arbeitsteilig müssen auch Germanen vorgegangen sein, denn man braucht so 10-30x mehr Kohle als nachher die Menge Stahl wiegt, die man aus dem Ofen rausbekommt. 60 kg Holzkohle ist ein ziemlicher Berg !! Und die wollen erstmal gewonnen werden. Also so mal eben "ein büsschen Eisen" für den Hausgebrauch darstellen, is nich !!

Was die landwirtschaftliche Produktion und das Eisenhüttenwesen angeht, die schließen sich in Norddeutschland schlicht gegenseitig aus.
 
Eigentlich gehts ja hier um die Frage, ob eine provinzialisierung der norddeutschen Tiefebene für das Imperium Romanum lohnend gewesen wäre.

Also selbst heute gibts hier nix, was die Römer nicht auch in Italien hätten. Von dem Unwillen der Eingeborenen mal abgesehen, sich von irgendwem beherrschen zu lassen.
 
Ich bin doch erstaunt, dass bestritten wird, dass die Basis einer differenziert arbeitsteilig funktionierenden Gesellschaft eine landwirtschaftliche Überproduktion sein muss. Eine eigenbedarfsorientierte Eisenproduktion schaffte es in saisonaler Arbeit (Winter) durchaus ausreichend Eisen selbst herzustellen, viel mehr aber nicht.
Um die Dinge zurechtzurücken - Rom leistete sich ein Heer von bis zu 35 Legionen, die den größten Teil der Staatseinnahmen verschlangen. Jede Legion hat in der Ausstattung einen Eisenbedarf von mindestens 38 Tonnen, wobei der für Nägel, Hacken, Spaten noch nicht mitgerechnet ist. Ein Beispiel für landwirtschaftliche Überproduktion: um die 11000 Mann am Hadrianswall mit Zelten, Schildbezügen auszustatten sind etwa 120.000 Ziegenlederhäute erforderlich. Das römische Reich schaffte es mit dem Militär 400.000 Männer von landwirtschaftlicher Arbeit weitgehend freizustellen. Diese "Leistung" einer hoch arbeitsteiligen Gesellschaftsorganisation, eines Währungs - und Wirtschaftraums, der einen Handel von Cadiz bis Eburacum / York, von Sbeitla (africa proconsularis) bis Bostra (Arabia Petraea) ermöglichte, war nur auf der Basis einer landwirtschaftlichen Überproduktion möglich, ob für Getreide, Wein oder Olivenöl..
 
Biturigos, da irrst Du ...
Im Winter kann man in der norddeutschen Tiefebene keine Ofenreise fahren. Entweder friert dir der Ofen kaputt oder er läuft weg. Und unter nem Dach läßt sich so ein Teil auch nicht bauen ...

Außerdem braucht man für eine differenziert arbeitsteilige Gesellschaft keinen landwirtschaftlichen Überschuß, man muß nur die landwirtschaftlichen Produzenten geschickt ausbeuten/ im Zweifel ein wenig hungern lassen.

Rom hat eine Armee von ~400 000 Mann, nach den Quellen waren Cherusker gegen Markomannen ~ 100 000 je Seite beteiligt. Also Germania Magna mit mal eben 200 000 Kämpfern. Nun ist das ein etwas kleineres Gebiet als das Imperium Romanum.
 
Rom hat eine Armee von ~400 000 Mann, nach den Quellen waren Cherusker gegen Markomannen ~ 100 000 je Seite beteiligt. Also Germania Magna mit mal eben 200 000 Kämpfern. Nun ist das ein etwas kleineres Gebiet als das Imperium Romanum.
woher hast du diese Zahlen?

zur Truppenstärke im Krieg zw. Arminius und Marbod:
Auch wenn also die Streitmacht des Marbod nicht mehr die alte Höchststärke ausmachte, so wird sie ohne Zweifel mehrere zehntausend Mann stark gewesen sein. Die natürlich recht vage Schätzung von 50.000 Mann erscheint realistisch.
aus Marbod ? Wikipedia
 
Nun, die 400 000 standen weiter oben, und selbst wenn Marbod und Arminius ~ gleichstark auf einander eingedroschen hätten , also nur realistische 100 000 Germanen sich gegenseitig umbringen wollten, das römische Reich war sicher um etliches Größer als das Einzugsgebiet der Cherusker und Markomannen.

Um also Germanien dauerhaft zu halten, hätte Rom mehr als 1/4 seiner Streitkräfte für "dies bisschen Land" aufwenden müssen. Und das nicht nur über 2-3 Jahre.
 
Eigentlich gehts ja hier um die Frage, ob eine provinzialisierung der norddeutschen Tiefebene für das Imperium Romanum lohnend gewesen wäre.

Also selbst heute gibts hier nix, was die Römer nicht auch in Italien hätten. Von dem Unwillen der Eingeborenen mal abgesehen, sich von irgendwem beherrschen zu lassen.
Da besteht wohl zwischen Dir, Biturigos und mir weitgehender Konsens. Lediglich beim Silber (ausser Iberien war übrigens auch Illyrien für die Römer wichtig - Srebrenica hiess früher Argentaria) würde ich Abstriche machen. Wenn man sich ansieht, wie viel Silber im Mittelalter aus Harz, Erzgebirge und Böhmen rausgeholt wurde, hätte die Römer da sicher nicht "Nein" gesagt - sie wussten halt nur nicht, wie viel in Germanien potentiell zu holen war.
Eisen an sich war für die Römer keine Mangelware. Der steirische (norische) Erzberg gilt als grösste Siderit-Lagerstätte der Welt, und wird heute noch abgebaut. Auch an diversen anderen Ecken des Reiches gab und gibt es ausbeutbare Lagerstätten. Germanisches Eisen wäre bestenfalls ganz nett gewesen, hätte vielleicht aber auch unwillkommene Konkurrenz bedeutet. So ziemlich das letzte, was Rom nach dem Pannonischen Aufstand gebrauchen konnte, war Aufruhr unter um ihren Eisenabsatz fürchtenden Norikern.
Mir war aber wichtig, zu zeigen, dass auch in Germanien keinesfalls Eisenmangel herrschte. Auch wenn meine überschlägige Abschätzung Ausbeuten, vielleicht auch die Mächtigkeit von Raseneisenerz-Schichten überschätzte - selbst unter konservativeren Annanhmen (25 cm Mächtigkeit, 20% Ausbeute, s. Link) sind immer noch etwa 150kg Eisen aus einem Quadratmeter Raseneisenstein-Sode zu gewinnen. Sogar bei nur 10% Ausbeute reicht immer noch ein Quadratkilometer, um mit Populonia bzw. Elba etwa gleichzuziehen (75.000 t).
Die "Minderwertigkeit" (geringerer Eisengehalt) relativiert sich durch einfachen Abbau und flächendeckende Verfügbarkeit - da entfiel aufwendiger Erztransport, etwa per Schiff von Elba rüber zur toskanischen Küste nach Populonia. Das Problem ist auch weniger das Eisenerz, als die Holzkohlebeschaffung - da mag dezentrales Klein-Klein unter Transportaspekten effizienter sein, als Kohle aus dem halben Ostalpenraum zum norischen Erzberg, oder aus der halben Toskana nach Populonia zu karren.
Eisenverhüttung- praehistorische-archaeologie.de
Was die landwirtschaftliche Produktion und das Eisenhüttenwesen angeht, die schließen sich in Norddeutschland schlicht gegenseitig aus.
Im Gegenteil! Der Raseneisenstein fördert Staunässe, macht die darüber liegenden Flächen also für Ackerbau kaum nutzbar. Oberboden abtragen, Raseneisenstein raus, und das Land kann wieder bewirtschaftet werden. Ob der Boden dann wieder auf die alte Fläche augebracht wurde, oder als Plaggendüngung anderswohin verbracht wurde, ist kurzfristig zweitrangig (langfristig nicht, da war Plaggendüngung eine mittlere ökologische Katastrophe). Die in Massen benötigte Holzkohle hinterlässt einige Asche, die den Boden düngt. Bisschen Schlacke zerbröseln und verteilen ist der Bodenmineralisierung sicherlich auch nicht abträglich. [Mein Link zu SH im vorherigen Post erwähnt Nachweise, dass in Angeln schon in der vorrömischen Eisenzeit Mineraldünger genutzt wurde - ob dies Schlacke einbezog, oder sich v.a. um Muschelschalen (Kalk), vielleicht auch Kalisalze (Segeberger "Kalkberg" etc.) handelte, steht dort leider nicht]. Winter sind an der Küste spät und kurz (und um Christi Geburt war es noch etwas wärmer als heute) - von ein, zwei Ausnahmen wie vorletztes Jahr abgesehen, liegt bei uns selten länger als eine Woche am Stück Schnee. Da bleibt nach der Ernte allemal genug Zeit, noch Raseneisenstein auszubuddeln. Das Thema Rennofenüberdachung wird diskutiert und mit mehreren Beispielen belegt in der im Vorpost verlinkten Heek-Nienborg-Studie der Uni Münster.
Anders gesagt - Raseneisenerzverhüttung ist geradezu ideal zur Aufwertung der Geest, und hat vermutlich maßgeblich dazu beigetragen, dass dort jahrhundertelang zwar (im Vergleich zur Börde) keine berauschenden, aber durchaus auskömmliche Getreideerträge erzielt wurden. Das überschwemmungsgefährdete Tiefland dient als Viehweide (Kühe oder Schafe) - die werden, damals wie heute, dort schön fett und geben ordentlich Milch (googelt mal nach "Schwarzbunte" bzw. "Holstein-Friesen"), ihre Salzversorgung regelt die Natur noch ganz nebenbei. Die etwas erhöht liegenden Teile der Urstromtäler und der Marschen sind extrem fruchtbar und stehen den Börden kaum nach. Aus den Mooren gabs u.a. Torf zum Heizen, Reet zum Dachdecken, Weidenruten für Wände und Körbe, Birkenpech, und Kräuter fürs Bierbrauen. Das maritime Klima ist ideal für Obstbau (das Alte Land ist immer noch Europas grösstes zusammenhängendes Obstbaugebiet). Also noch ein paar Apfelbäume und Haselsträucher um den Hof, die Felder mit Schlehen, Brombeeren, Holunder und Hagebutten vor Viehverbiss schützen, und es lässt sich in der norddeutschen Tiefebene ganz ordentlich leben (von dem, was aus Nord- und Ostsee neben Bernstein so zu holen ist, ganz zu schweigen).

Eine interessante Frage ist, wie die germanische Eisenverhüttung eigentlich organisiert war. Die Ausgrabung aus Wittenborn/SE (vier Rennöfen auf vier Höfe) legt nahe, dass, wo Raseneisenstein anstand, fast jedes Dorf zwischendurch mal etwas Eisen zur Selbstversorgung produzierte. Da Verhüttung und Schmieden einige Fachkunde erfordert, dürften hier, zumindest anfänglich, Wanderschmiede im Spiel gewesen sein, die von Dorf zu Dorf zogen und dort - wohl gegen freie Kost und Logis, vielleicht auch selbstgestrickte Socken, eine neue Lederschürze, oder Schinken für den weiteren Weg - in ein, zwei Wochen mal eben Eisen verhütteten und alles, was so gebraucht wurde, vor Ort schmiedeten. Ein ähnliches Szenario wird ja auch schon für jungsteinzeitliche Töpferei in Betracht gezogen (Herstellung meist aus lokalen Tonen, aber weite geographische Ausdehnung fast identischer Formen und Dekorationen), für Dolmen/ Hünengräber sowieso ("Bautrupp-Theorie").
Ich weiss nicht, wie weit das römische staatliche bzw. kaiserliche Metallmonopol auch Eisen umfasste. Falls ja, wird solch ein germanisches Wanderschmied-System natürlich zum administrativen Alptraum. Sollte Varus hier versucht haben, "römische Prinzipien" durchzusetzen, erklärte dies allein schon sein Scheitern. [Bereits der Versuch, das kaiserliche Salzmonopol am Hellweg durchzusetzen, dürfte konfliktträchtig genug gewesen sein].
Neben dieser "Selbstversorgung" gab es aber offenbar auch spezialiserte Verhüttungszentren mit zumindest regionaler Versorgungsfunktion. Solche Zentren bestanden scheinbar bereits während der vorrömischen Eisenzeit. Die Studie zu Angeln diskutiert beispielsweise ausführlich die unterschiedliche Verteilung eisenzeitlicher Verhüttungs- und Schmiedeschlacken - erstere fanden sich gehäuft um Tarp, letztere in fast jedem Dorf. Verhüttung und Endverarbeitung erfolgten also offenbar räumlich getrennt. Da sich ja Raseneisenstein beileibe nicht flächendeckend, v.a. nicht unter fruchtbaren Lössböden, bildet, ist eigentlich davon auszugehen, dass einige, potentiell reiche Regionen bereits in der Eisenzeit Eisen bzw. Eisenwaren extern bezogen.
Mein "großzügiger Umgang mit Jahreszahlen" ist vielfach der Quellenlage geschuldet (vgl. dazu u.a. die Haak-Nienborg-Studie); C14-Datierung von Schlacken ist ja erst seit kurzem üblich und keineswegs flächendeckend erfolgt. Als Beispiel für die unklare Zeitstellung der Quellen, sowie möglichen Beginn spezialisierter Eisenverhüttung bereits in vorrömischer Zeit, hier folgender Kurzbericht (S. 34, Unterstreichung durch mich):
http://www.nihk.de//downloads/315/nachrichtenheft48_2011.pdf
Ganderkesee, Gde. Ganderkesee, Ldkr. Oldenburg, FStNr. 132-134
Kaiserzeitlicher Verhüttungsplatz:​
Durch drei Prospektionen innerhalb eines rund 36 ha großen geplanten Gewerbegebietes wurden 2010 drei neue Fundstellen der Eisenzeit und Kaiserzeit erfasst.
Im Nordwesten wurde das Prospektionsareal von etwa 2 ha vollständig von einem Verhüttungsplatz (FStNr. 132) eingenommen. Hochgerechnet dürften hier mindestens 200 Renneisenöfen liegen. Hinzu kommen noch etliche Gräben, Gruben und Pfostengruben. Eine der untersuchten Gruben enthielt Keramik der vorrömischen Eisenzeit.​
(..) Im Zentrum des geplanten Gewerbegebietes wurden innerhalb des gut 7 ha großen Prospektionsareals wiederum neben etlichen Gruben einige Renneisenöfen und zusätzlich zwei Meilergruben freigelegt (FStNr. 134). Somit dürften die FStNr. 132 und 134 einen mindestens 9 ha großen Verhüttungsplatz mit mehreren hundert Renneisenöfen umfassen.​
Solche Spezialisierung nahm scheinbar während der römischen Kaiserzeit zu (hier hat aber vermutlich auch der Ausfall des Siegerlands als wohl überregionalem Versorgungszentrum eine Rolle gespielt), wie das Beispiel Joldelund zeigt. [Danke für das Zitat, Biturigos - meine Ironie war offenbar nicht ganz unberechtigt.] Die kartierte Schlackenhäufung auf dem Flensburger Stadtgebiet rund um den heutigen Hafen sollte man vielleicht auch mal C14-datieren - da scheint mir Verkehrsgunst eine wichtigere Rolle als örtliche Erzverfügbarkeit gespielt zu haben. Ähnliches könnte für das Verhüttungsareal bei Hamburg-Iserbrook/ Pinneberg gelten, vielleicht auch für jenes an der mittleren Alster um Hamburg-Fuhlsbüttel.
Göhlen/ Ludwigslust ist sicher vorslawisch. Der weitgehende Bevölkerungsabriss der Völkerwanderungszeit östlich von Schwentine/ Trave/Bille/ Ilmenau datiert in die zweite Hälfte des 5.Jahrhunderts, die slawische Besiedlung Westmecklenburgs und Ostholsteins begann um die Mitte des siebten Jahrhunderts.
http://de.wikipedia.org/wiki/Mecklenburg_(Burg)

Aufgrund des quantitativ und qualitativ unbefriediegenden Forsschungsstands kursieren zur Entwicklung der germanischen Eisenverarbeitung verscheidene Theorien, die folgende Arbeit (S. 143 ff) ausführlich für die jüngere sowie ältere Kaiserzeit, leider jedoch nicht für die vorrömische Eisenzeit, diskutiert.
http://hss.ulb.uni-bonn.de/2014/3684/3684.pdf
Grundsätzlich muss wohl von einem regional differenzierten Bild ausgegangen werden:

  • Das Kielzer Bergland (Góry Swietokrzyskie) nördlich Krakaus (übrigens belegter keltischer Siedlungsraum ab dem 3. Jh. v. Chr.) , mit insgesamt 420.000 Öfen in 6.000 Batterien, diente eindeutig schon ab der frühen Kaiserzeit der überregionalen Versorgung. Setzt man 20kg Eisenausbeute je Ofen an, wurden dort über 8.000 t produziert, im Schnitt also so knapp-20 t/Jahr. Teilweise wird sogar Export ins römische Reich für möglich gehalten. Nach Jöns betrug der Eisenbedarf eines Gehöfts 5-10 kg/ Jahr. Rechnet man, grob vereinfacht, mit 1kg/Kopf und 6 Millionen Einwohnern der Germania Magna, ergibt sich jedoch ein Jahresbedarf von 6.000 t. Da sind die 20t aus dem Kielcer Bergland zwar ganz nett, aber auch nicht so relevant, wie vielfach vermutet wird.
  • Im norddeutschen Tiefland ist von weitgehender Eigenversorgung während der frühen Kaiserzeit auszugehen, einige Autoren sehen jedoch auch Importbedarf aus dem Kielcer Bergland [hat hier schon mal wer nach Schweden geguckt?]. Für die späte Kaiserzeit wird Überschussproduktion mit z.T. überregionaler Bedeutung angenommen (selbst die Feddersen Wierde produzierte über den Eigenbedarf hinaus).
  • Die früher verbreitete These des Eisenarmut Westfalens und des mittel- und süddeutschen Raums ist wohl kaum noch haltbar, jedoch scheint die Region tendenziell schlechter versorgt als das norddeutsche Tiefland. Für die frühe Kaiserzeit wird weitgehende Eigenversorgung angenommen, in der späten Kaiserzeit treten Importe von Erz (Roteisensteinfunde im Verhüttungsrevier von Castrop-Rauxel) Luppen, und Eisenschrott aus dem römischen Reich hinzu. Schrott, vielleicht auch Plündergut, aus rechtsrheinischem Gebiet spielten jedoch wohl eine deutlich geringere Rolle, und auch nur im grenznahen Bereich, als früher vermutet wurde.
  • Eine (regioal unvollständige) Kartierung von Schniedeplätzen zeigt für die Kaiserzeit eine Konzentration zwischen Werra und Unstrut, was wohl als Indioz für Fertigwarenproduktion (Waffen?) für überregionalen Handel gedeutet werden kann. Zum Ende der Kaiserzeit hin und in der Völkerwanderungszeit verschiebt sich der Schwerpunkt auf die Höhenzüge längs des Limes. Wieweit hierfür Absatz- oder Versorgungsaspekte auschlaggebend waren (und ob letztere mit Produktionssteigerung oder Beschaffungsproblemen zusammenhingen), bleibt unklar.
  • Hier auch interessant die Kartierung für Buntmetallverarbeitung (S.171): Durchgängig ab der älteren Kaiserzeit Schwerpunkte an Rhein/Ruhr/Lippe, Wesermündung und um den Harz, in der späten Kaiserzeit treten die Spree südl. Berlin, Südwest-Thüringen, und das obere/mittlere Maintal hinzu, während Verarbeitung bei Lübeck und in Ostwestfalen erliegt. Für Rhein/ Ruhr/ Lippe, wohl auch die Wesermündung, kann man römischen Einfluss annehmen; Harz, und später Spreewald und Thüringen dürften autochton sein.
    Kamen-Westick tritt als Zentralort mit Fernhandelsfunktion und fast provinzialrömischem Fundgut hervor. [Wenn ich dann noch an Oberaden, und mögliche Wege des Briloner Bleis zum Rhein denke, kriege ich so eine Idee, wo die Römer nach Waldgirmes ihre nächste Stadtgründung östlich des Rheins geplant haben könnten].
Euch allen wünsche ich Guten Rutsch und ein Frohes Neues Jahr, und habt Dank für die vielen Infos und anregende Diskussion (on und off topic).
 
Nun, die 400 000 standen weiter oben, und selbst wenn Marbod und Arminius ~ gleichstark auf einander eingedroschen hätten , also nur realistische 100 000 Germanen sich gegenseitig umbringen wollten, das römische Reich war sicher um etliches Größer als das Einzugsgebiet der Cherusker und Markomannen.

Um also Germanien dauerhaft zu halten, hätte Rom mehr als 1/4 seiner Streitkräfte für "dies bisschen Land" aufwenden müssen. Und das nicht nur über 2-3 Jahre.
Das hätte letztlich davon abgehangen, wie rasch und gut die Befriedung und in weiterer Folge Romanisierung geklappt hätte, was natürlich in den Bereich des Spekulativen fällt. Es war jedenfalls nicht so, dass ein Gebiet, das schwer zu unterwerfen war und/oder zahlreiche Krieger stellen konnte, deswegen automatisch immer eine starke Besatzung erfordert hätte.
Zum Vergleich: Die Unterwerfung der iberischen Halbinsel dauerte fast zwei Jahrhunderte und wurde erst unter Augustus abgeschlossen. Trotzdem war auf der gesamten Halbinsel in der fortgeschrittenen Kaiserzeit nur eine Legion regulär stationiert (bereits unter Tiberius wurden die meisten Legionen abgezogen), und es kam dennoch nicht laufend zu Aufständen, sondern sie gehörte im Gegenteil zu den sich am friedlichsten entwickelnden Teilen des Reiches. Gallien konnte auch potentiell viele Krieger stellen, trotzdem konzentrierten sich die Legionen an der Rheingrenze. In Kleinasien stand in der frühen Kaiserzeit zeitweise keine einzige Legion (in Syrien an der Grenze zu den Parthern hingegen gleich vier). Hingegen verfügte das vergleichsweise kleine Britannien mit drei Legionen über eine hohe Legionsdichte.
 
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