Tafelkultur des Spätmittelalters

Löffelhalter um 1450
https://www.duyrener.de/app/download/2851743/Loeffel_V._1.0.pdf
Seite 6.

Könnte ein solcher Löffelhalter mit einem Griff zum Tragen der Beleg dafür sein dass Löffel bei Tisch auch mal gereicht wurden? Wenn selbst mitgebracht, dann wären ja Löffel und Messer beim Besitzer im Futteral. Als "ein Platz zum Zwischendurch abstellen des Löffels", naja, wenn jeder da seinen angeleckten Löffel nacheinander reinsteckt, da sind wir wieder beim Mythos "im Mittelalter hat man Löffel gemeinsam benutzt und aus einem Becher zu zweit getrunken"...
 
Löffel gab es schon in der Eisenzeit – siehe z.B. Ritschert

Auf Esslöffel stoße ich allerdings nicht, wenn ich dem Link folge, sondern lediglich auf Kochlöffel:

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Weit verbreitet ist die Vorstellung vom Mus als einfachen Getreidebrei, welcher außer Getreideschrot und Wasser nichts enthalten haben soll.

Wo diese Idee überhaupt herkommt, habe ich noch nicht herausgefunden

Wo hast Du das denn gelesen, das mit dem "nackten ungesalzenen Haferschleim"? Ich habe schon viel Unsinn über das Mittelalter gelesen, aber das ist mir noch nicht begegnet.
 
Auf Esslöffel stoße ich allerdings nicht, wenn ich dem Link folge, sondern lediglich auf Kochlöffel:
Hast du schon mal Ritschert gegesen? Ich schon: Ritschert isst man mit dem Löffel oder mit der Gabel. Da Gabel zu jener Zeit unbekannt waren, bleibt nur der Löffel.
 
@Sepiola
Das sehe ich laufend in populärwissenschaftlichen Medien. Beispiel:
Jahrhundertelang bildete der Brei, der vor allem aus Hirse und Hafer zubereitet wurde, das Hauptnahrungsmittel der Landbevölkerung. [...] Im Unterschied zum später aufgekommenen Brot, das im Mittelalter noch lange Zeit vorwiegend von der geistlichen und adeligen Oberschicht gegessen wurde, war der Getreidebrei eine Volksnahrung, die aus zerriebenen Getreidekörnern hergestellt, mit Wasser oder Milch unter Beigabe von Salz zubereitet und in einem Topf gekocht wurde. (Quelle)
 
Zuletzt bearbeitet:
gemessen daran Ritschert – Wikipedia wäre ich nicht in der Lage, das ohne Besteck (Löffel) zu essen (und statt löffeln "trinken" aus einem Napf beispielsweise, würde ich mir nicht zutrauen)

Es geht ja nicht um das, was heute unter dem Namen Ritschert verzehrt wird, sondern um ein prähistorisches Bohnen-Gerste-Hirse-Gericht, dessen Zutaten die Archäologie in den Salzbergwerken von Hallstatt aufgespürt hat. Die für Holz und anderes organisches Material idealen Erhaltungsbedingungen im Salzbergwerk haben nicht nur Essensreste, sondern auch zigtausende gebrochene Werkzeuge und Grubenhölzer konserviert, darunter hölzerne Kochlöffel, hölzerne Kellen und hölzerne Essschalen, jedoch keine Spur von Esslöffeln oder Gabeln. Über die Konsistenz des damals verzehrten Gerichts (eher Suppe oder eher fester Brei?) lassen sich begreiflicherweise keine Angaben mehr machen. Denkbar wäre also, dass eine Suppe gekocht und diese aus der Schale geschlürft wurde. Ebenso wäre denkbar, dass ein festerer Brei gekocht wurde, der dann eben mit der Hand aus der Schale gegessen wurde.

"The fragments of enormous cooking pots and the size of the cooking spoons from the Early Iron Age lead to the conclusion that large shared kitchens were created 100 m underground. It seems that a great number of portions were cooked. Many analyses and experiments have led to conclusions about exactly what was cooked as well as the fact that it took many hours to cook it. The finished stew, which is known as ‘Ritschert’, has been found in Hallein and Hallstatt and was filled into small, wooden, round-rimmed bowls from big cone-necked cooking pots with wooden ladles. Incrusted food remains occur regularly on the large number of excavated wooden vessels. Since no eating utensils have been discovered, we must assume that the stew was eaten without the help of tools. The exact method of eating the stew – whether it was prepared very fluid and drunk directly out of the bowl, or was made into a thicker mash and then brought to the mouth via the fingers, or whether possibly the bowl could have been held directly to the mouth and the stew pushed in with the fingers, or if another technique was used – has not yet been explained."


(Fettmarkierung = Lesehilfe für @Dion)
 
@Sepiola
Das sehe ich laufend in populärwissenschaftlichen Medien. Beispiel:
Das ist weniger ein populärwissenschaftliches Medium, sondern stammt von der Seite einer Firma, die u. a. eine Mühle betreibt und mit ihrer jahrhundertealten Firmentradition wirbt.

Abgesehen davon hatte ich gefragt, wo das mit dem ungesalzenen Haferschleim steht, und Du zitierst einen Text, wo ausdrücklich die Beigabe von Salz erwähnt wird.
 
"The fragments of enormous cooking pots and the size of the cooking spoons from the Early Iron Age lead to the conclusion that large shared kitchens were created 100 m underground. It seems that a great number of portions were cooked. Many analyses and experiments have led to conclusions about exactly what was cooked as well as the fact that it took many hours to cook it. The finished stew, which is known as ‘Ritschert’, has been found in Hallein and Hallstatt and was filled into small, wooden, round-rimmed bowls from big cone-necked cooking pots with wooden ladles. Incrusted food remains occur regularly on the large number of excavated wooden vessels. Since no eating utensils have been discovered, we must assume that the stew was eaten without the help of tools. The exact method of eating the stew – whether it was prepared very fluid and drunk directly out of the bowl, or was made into a thicker mash and then brought to the mouth via the fingers, or whether possibly the bowl could have been held directly to the mouth and the stew pushed in with the fingers, or if another technique was used – has not yet been explained."

https://www.researchgate.net/publication/337795435_Der_bronzezeitliche_Bergbau_in_Hallstatt_Neue_Lebensbilder_zum_Salzbergwerk/link/6570777907233b6f57f90477/download
(Fettmarkierung = Lesehilfe für @Dion)

Die Abwesenheit von etwas an einem Ort heute, sagt nichts über seine mögliche einstige Existenz an exakt diesem Ort.

Lesehilfe für @Sepiola: Löffel waren für Bergleute vielleicht so wichtig, dass sie sie immer mitnahmen. :D

Im Ernst, wieso nehmen die von dir zitierten Autoren an, in der Eisenzeit aß man Festes mit Fingern und nicht mit Löffeln, schließlich hat man in den Alpen fast nebenan, also in nicht weit entfernten Bronzezeitsiedlung, Keramiklöffel gefunden – Quelle: https://www.anisa.at/Krutter_Tagung_ 2019 pdf ANISA klein.pdf Seite 7.
 
Im Ernst, wieso nehmen die von dir zitierten Autoren an,
Hast Du das mit den idealen Erhaltungsbedingungen nicht gelesen? Wenn nebst Keramikgefäßen zwar Holzkochlöffel, Holzschöpfer und Holznäpfe erhalten sind, jedoch kein einziger Esslöffel, ist halt die schlüssigste Erklärung, dass Esslöffel nicht zur Ausstattung gehörten.
Andernfalls müsste man irgendwelche mehr oder weniger blödsinnigen ad-hoc-Erklärungen aus dem Hut zaubern wie z. B.:

Löffel waren für Bergleute vielleicht so wichtig, dass sie sie immer mitnahmen. :D

(Die Abwesenheit von Gabeln sagt natürlich auch nichts darüber aus, ob die Bergleute nicht vielleicht doch schon Gabeln kannten...)


... schließlich hat man in den Alpen fast nebenan, also in nicht weit entfernten Bronzezeitsiedlung, Keramiklöffel gefunden – Quelle: https://www.anisa.at/Krutter_Tagung_ 2019 pdf ANISA klein.pdf Seite 7.
Und handelt es sich hierbei um Esslöffel? Ich kann mich entsinnen, bronzezeitliche Keramiköffel gesehen zu haben, die so breit waren, dass sie wohl kaum als Esslöffel benutzt wurden.

Das Vorhandensein von Schöpflöffeln sagt nichts über die Verwendung von Löffeln als Essbesteck aus.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und handelt es sich hierbei um Esslöffel? Ich kann mich entsinnen, bronzezeitliche Keramiköffel gesehen zu haben, die so breit waren, dass sie wohl kaum als Esslöffel benutzt wurden.

Das Vorhandensein von Schöpflöffeln sagt nichts über die Verwendung von Löffeln als Essbesteck aus.
Es wird sich aber auch damals kaum jemand den ganzen Löffel in den Mund geschoben haben…

Hier noch ein Bild zum Thema »Essen mit Löffel«, ausnahmsweise sehr deutlich dargestellt (links) auf einem Gemälde, allerdings erst aus der Mitte des 16. Jh.: Jan Mandijn zugeschrieben, Burlesque Feast (@ bilbao museoa).
 
Auf diesem Bild von Pieter Brueghel dem Jüngeren aus dem Jahr 1623 sieht man beides: Jemand schlürft den Inhalt aus einer Schlüssel direkt (hat aber einen Löffel dabei), während ein anderer ihn mit dem Löffel aus einer ähnlichen Schüssel isst.
 
Das ist weniger ein populärwissenschaftliches Medium, sondern stammt von der Seite einer Firma, die u. a. eine Mühle betreibt und mit ihrer jahrhundertealten Firmentradition wirbt.
Tatsächlich werden diese Inhalte so gut wie immer von anderen populärwissenschaftlichen Seiten & Publikationen abgeschrieben, so dass es in der Praxis kaum einen Unterschied macht ob nun eine Firma, News-Portal oder eine Webseite eines Museums. Apropos Museum...
Abgesehen davon hatte ich gefragt, wo das mit dem ungesalzenen Haferschleim steht, und Du zitierst einen Text, wo ausdrücklich die Beigabe von Salz erwähnt wird.
Haferbrei statt Gelage: Ausstellung im Korbacher Museum informiert über Esskultur im Mittelalter
Zitat:
Die Ernährung der einfachen Leute war eintönig und alles andere als ein Genuss. „Ungesalzener Haferbrei, mit Wasser angerührt, war Jahrhunderte hindurch das Hauptnahrungsmittel der Landbevölkerung“, erklärt Alice Selinger, Kunsthistorikerin aus Frankfurt, die die Wanderausstellung konzipiert hat.
Wie sie sehen, stammt diese Info aus seriösen akademischen Kreisen.
 
Tatsächlich werden diese Inhalte so gut wie immer von anderen populärwissenschaftlichen Seiten & Publikationen abgeschrieben, so dass es in der Praxis kaum einen Unterschied macht ob nun eine Firma, News-Portal oder eine Webseite eines Museums. Apropos Museum...

Haferbrei statt Gelage: Ausstellung im Korbacher Museum informiert über Esskultur im Mittelalter
Zitat:

Wie sie sehen, stammt diese Info aus seriösen akademischen Kreisen.

Die Dame hat zwar einen Doktor in Kunstgeschichte (Promotion über den Maler, Graphiker und Pressendrucker Wilhelm Neufeld), aber ob sie sich jemals auf wissenschaftlichem Niveau mit dem Mittelalter beschäftigt hat, ist doch wohl zweifelhaft. Der Blick auf ihre Website zeigt schnell, dass da noch mehr Klischees und Mittelaltermärchen unhinterfragt reproduziert werden, z. B. "Wein und Bier wurden häufiger getrunken als Wasser, da dieses oft verunreinigt war".

 
Hafer...
How humble oats have fuelled a nation

Hafer war über Jahrhunderte hinweg für die Britischen Inseln und Schottland im Speziellen tatsächlich als Hauptgetreide prägend. Und ich vermute, es war die britisch-englischsprachige Fachliteratur und Reenactment-Szene welche Hafer als "Mittelalter-Getreide" popularisiert haben bis zu dem Punkt wo Hafer mit dem Mittelalter quasi pauschal und unbewusst assoziiert wurde.

Wenn es aber um das kontinentale Europa geht...
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/nbdpfbw/article/view/11659/5512
https://www.lwl.org/westfalen-regional-download/PDF/288_Pollenanalyse.pdf
Pflanzenreste aus dem Mittelalter - Fulda, Peterstor - eine Strohschicht im Stadtmauerturm (BLP 2001)
... sagen die Pollenanalysen ganz klar dass Roggen, zumindest in Mitteleuropa, ab Hochmittelalter bis zur Frühen Neuzeit die dominanteste Getreideart darstellte. Regional war Hafer von Bedeutung, aber flächendeckend war er nie "das typische Getreide des Mittelalters." Und der wasserbasierte Haferschleim selbst gehört da eher auf den Teller der Arbeiter des 19 und 20 Jh., und besonders auf den europäischen Esstisch während des 2. Weltkrieges. Es leben ja heute noch genug Menschen die sich noch an diese "Kriegs"-Küche erinnern.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Sepiola
Wie ich schon zitierte, eine (Kunst) Historikerin leitet eine Ausstellung in einem seriösen Museum über die Esskultur des Mittelalters. Als Primärquelle eigentlich maximal glaubwürdig und kaum angreifbar in den Augen der einfachen Bürger.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auf diesem Bild von Pieter Brueghel dem Jüngeren aus dem Jahr 1623 sieht man beides: Jemand schlürft den Inhalt aus einer Schlüssel direkt (hat aber einen Löffel dabei), während ein anderer ihn mit dem Löffel aus einer ähnlichen Schüssel isst.
Schönes Beispiel! Es legt nahe, dass Suppen, bzw. flüssige Brühen generell aus der Schale getrunken wurden, und nur wenn sie auch Fleisch- oder Gemüsestücke beinhalteten, ein Löffel verwendet wurde. Hab mich bereits beim Jan Mandijn zugeschriebenen Gemälde gefragt (Beitrag #73), warum der Maler bei der Figur mit dem Löffel noch unbedingt ein Essensstückchen zu dessen Lippen hinzufügen musste, was den Mund visuell etwas unleserlich macht.(bei der niedrigen Auflösung sowieso) Und etwa 70 Jahre später legt Pieter Brueghel d.J. Wert darauf, den mit Löffel essenden Figuren dunkle Stückchen in den weißen Schaleninhalt zu geben, nicht aber dem Mann, der den weißen Inhalt aus der Schale trinkt. Zudem zeigt er, dass auch jener einen Löffel zur Verfügung hatte.

Cool auch, wie die Frau das Brot beim Schneiden hält… Habe das auch schon bei ländlichen, älteren Leuten gesehen, wie sie sich den großen Brotlaib auf diese Weise an die Brust drücken und ihn vor dem Anschneiden mit dem Messer segnen.
 
Der Blick auf ihre Website zeigt schnell, dass da noch mehr Klischees und Mittelaltermärchen unhinterfragt reproduziert werden, z. B. "Wein und Bier wurden häufiger getrunken als Wasser, da dieses oft verunreinigt war".

War das Trinken von Wasser im Mittelalter tabu? | blog.HistoFakt.de
Ganz so eindeutig war die Sache mit dem Wasser nicht, aber der Artikel kriegt die Kurve noch, u.a. mit dem Satz „In vielen, wenn nicht den meisten Städten dürfte es tatsächlich einfacher gewesen sein, an Wein oder Bier zu gelangen als an frisches, unverdorbenes Trinkwasser.“
 
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