Thomas Fuller: Landkarte von Palästina (ca. 1650)

Dido

Mitglied
Ich bin gerade über eine Abbildung von Thomas Fullers Karte von Juda gestoßen und wundere mich ein bisschen.

Ich meine, klar, alte Karten sind immer mit Vorsicht zu genießen und spiegeln stets nur den Erfahrungswert der damaligen Zeit wieder. Ich kenne genug Atlanten und Globen, auf denen die Kontinente ver- rückt dargestellt sind.
Aber was mich wundert ist, Fuller lebte um 1600, da war sowohl Renaissance als auch Humanismus vorbei, wie kann es also aus dieser Zeit solche Karten geben auf denen "fiktive" Orte verzeichnet sind.

Das hat für mich was von Karten von Mittelerde, nur dass von uns heute keiner glaubt den Ort gäbe es wirklich....
 
Du kannst keine allgemeine Kenntnis dieser Karte voraussetzen. Deshalb wäre es mal ganz nett zu erklären, was genau dich an der Karte stört. Welche Ort auf der Karte sind denn "fiktiv" und warum setzt du das Wort in Anführungszeichen? Sind sie nun fiktiv oder sind sie es nicht?

Was ist die Darstellungsabsicht der Karte?
 
Das mit den fiktiven Orten ist so eine Sache, es handelt sich um Bibelorte, welche angeblich zerstört wurden: Sodom und Gomorrha. Ob es diese Orte wirklich gab, kann man nicht sagen, deshalb hatte ich fiktiv in Gänsefüsschen. Fuller verortet sie noch brennend im Toten Meer. Der Ausschnitt zeigt die Umgebung des Meeres.
Als Kirchenmann und Historiker kann ich leider nicht wissen, ob er mit der Karte Genauigkeit beabsichtigte oder die Bibel der Bevölkerung näher bringen wollte. Ich denke nachdem ich das gelesen habe, seine Absicht war Letzteres. Dennoch wundere ich mich, ob die Menschen nach 1600 noch an solche Dinge glaubten. Versunkene Orte gibt es natürlich, aber ich dachte in dieser Zeit wäre man vom wörtlichen Glauben an die Bibel abgekommen. Mir sind auch ähnliche Darstellungen aus dieser Zeit unbekannt und Karten die ich sonst noch gefunden habe sind entweder älter oder undadiert.
Die Darstellung für diese Zeit scheint mir daher ungewöhnlich.
 
ich denke es geht um diese Karte:
http://www.jnul.huji.ac.il/dl/maps/pal/images/pal0324/pal0324_a.jpg


Dennoch wundere ich mich, ob die Menschen nach 1600 noch an solche Dinge glaubten. Versunkene Orte gibt es natürlich, aber ich dachte in dieser Zeit wäre man vom wörtlichen Glauben an die Bibel abgekommen.

Meines Wissens gibt es diesen wörtlichen Glauben an die Bibel noch heute. Wahrscheinlich wird es Ihn sogar immer geben. ;-)
Das die Bibel komplett fiktiv war, wird auch Fuller nicht geglaubt haben. Ein generelles Interesse daran historische Örtlichkeiten in aktuelle Karten zu integrieren gab es aber schon immer. So wurden die Orte der 4. Europakarte Magna Germania aus der Geographie des Claudius Ptolemaios kritiklos in die ersten modernen Karten übernommen, obwohl die damaligen Kartographen wahrscheinlich genau wie wir heute gerätselt haben werden wo z.B. "Lupfurdum" genau gelegen haben mag.
Es ging aber auch andersherum.
Hier sind z.B. zwischen die antiken Ortschaften zeitgenössische Ortsnamen gerutscht (Emden,Dockum):
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fc/Ortelius_Belgii_Veteris_(3).png

Gruß
jchatt
 
Danke für die Informationen,
ich hatte auch nicht angenommen, dass Fuller selbst nicht daran geglaubt hat, es ging mir eher um die allgemeine Ansicht solcher Karten in ihrer Zeit.
Ob es sich um historische Orte handelt ist bei Sodom und Gomorrha meines Wissens noch nicht bewiesen.

Natürlich gibt es diesen Glauben an die Bibel noch heute, aber wie gesagt im Zusammenhang mit dieser Zeit nach der Renaissance finde ich diesen Rückbezug auf Mythen und Bibelorte doch etwas überraschend.

Ich habe übrigens eine andere Karte, die ich aber leider im Internet nicht finde. Aber interessant, denn deine Karte ist inhaltlich ähnlich und sieht doch ganz anders aus. Eigentlich ein Beweis dafür, dass das Wissen um die Erdkunde zu dieser Zeit wohl doch noch nicht so ausgeprägt war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Du gehst von ein paar falschen Prämissen aus: Weder der Humanismus noch die Aufklärung haben grundsätzlichen Zweifel am biblischen Text gehegt. Die historisch-kritische Methode und damit auch die historisch-kritische Bibelexegese sind - mit einigen Vorläufern in der Aufklärung zwar - so richtig erst im 19. Jhdt. entwickelt worden. Leopold (von) Ranke ist für die Entwicklung der Geschichtswissenschaft eine wichtige - wenn nicht die wichtigste Figur. Fuller - zumal ein Mann der Kirche! - handelte für seine Zeit also absolut rational. Und dahin ging eben auch die Frage nach der Darstellungsabsicht. Fuller wollte nicht Palästina 1650 darstellen, sondern er wollte eine Karte des biblischen Palästina zeigen.
Denke auch mal an Charles Darwin, der, als er 1858 die Evolutionstheorie veröffentlichte (es gab ein, zwei andere Leute, welche dieselbe Idee schon vor ihm hatten, die aber weniger prominent sind), regelrecht Anfeindungen ausgesetzt war, weil er die Erschaffenheit des Menschen damit in Frage stellte. In radikalen evangelikalen Kreisen wird die Evolutionstheorie, die sich nach Darwin natürlich noch fortentwickelt hat, bis heute angezweifelt. Heute eine prominente Minderheit, war dieses Denken zu Darwins Zeiten die Mehrheitsmeinung, vor allem in den gebildeten Schichten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ok damit hast du natürlich recht,

das heisst dann wohl auch, wenn ich richtig verstanden habe, dass solche Karten zu dieser Zeit durchaus noch üblich waren (zumindest unter Kirchenmännern)
 
Zurück
Oben