je mehr die 9/10-Leugen-Regel bestätigende Ausnahmen es gibt, um so besser halte ich das für die Theorie
Wie häufig müßte denn die postulierte 9/10-Leugen-Regel eingehalten werden, um sie als Regel anerkennen zu können? Von Ausnahmen können wir ja überhaupt erst sprechen, wenn wir eine Regelhaftigkeit festgestellt haben. Und die Zahl der Ausnahmen sollte auch nicht zu hoch sein, sonst führt das die Regel ad absurdum.
Ich hab' mir nochmal die Häufigkeitsverteilung im Itinerarium Burdigalense angesehen, genauer: nur auf der Hinreise von Burdigala nach Jerusalem. Ich hab' zunächst ähnlich geclustert wie
vorgestern, aber in Kilometer umgerechnet und für die ersten paar Stationen bis Tolosa die "große gallische Leuge" mit 2450m als gegeben angenommen. Das Ergebnis (abb1.gif) zeigt zwei zunächst interessante Peaks: Einmal bei 17,6-20km, also im Bereich der 9 Leugen aus Divicos Regelvorschlag, der andere bei 12,6-15km, dazwischen eine signifikante Lücke bei 15,1-17,5km, die doch einfach kein Zufall sein kann, um im Ductus zu bleiben
feif:. Was ist da los? Ist Divicos Annahme womöglich bestätigt, daß da alte militärische Tagesmarschabstände von 9 Leugen noch nachweisbar sind (wenn wir großzügig die signifikant wenigen 10-Leugen-Distanzen ignorieren), daneben eine neue Regel für fußkranke Pilger, die nur 15km schaffen?
Schauen wir uns die Verteilung also lieber in feinerer Granulierung an mit 1km-Abständen im fraglichen Bereich. Das Ergebnis (abb1b.gif) ziegt diesmal einen eindeutigen Peak bei 17,1-18km, also bei 8 Leugen, während bei 9 und 10 Leugen fast schon gähnende Leere herrscht. Im Bereich 13,1-15km spreizt es sich etwas auf, weil in zwei Balken unterteilt; aufsummiert wäre der Wert deutlich höher als unser Peak bei 8 Leugen.
Welche Regelhaftigkeit würdest Du daraus jetzt ableiten? Von einer 9/10-Leugen-Regel jedenfalls kann in diesem Wertefeld keine Rede sein.
Nun ist eine Häufigkeitsgesamtverteilung so eine Sache, wenn wir über mehr als 300 Teilstrecken einer ewig langen Reise reden. Da liegen Berge dazwischen, Pässe, genauso aber Ebenen, Sümpfe ebenso wie Steppen und (Halb-)Wüsten. Außerdem werden unterschiedlichste Provinzen durchquert, in denen die Administration womöglich unterschiedlichsten Aufwand für Erhalt oder Ausbau der Infrastruktur betreibt. Was die fußkranken Pilger betrifft, könnte außerdem deren Zahl stetig zunehmen, je näher wir Jerusalem kommen, entsprechend auch der Bedarf an einem dichteren Stationsnetz. Kurz: Gucken wir uns doch die Häufigkeitsverteilung mal geografisch geclustert an...
Damit das in ein einzelnes Diagramm paßt, hab' ich mir überlegt, ich markiere einfach digital alle zur 9/10-Leugen-Regel passenden Werte in einem vertikalen Balken, so daß regionale Häufungen gleich ins Auge springen. Das Ergebnis war recht löchrig im ersten Anlauf mit einem Filter, der alle Distanzwerte zwischen 19 und 23km markiert hat - sind nur rund 12% aller Werte. In einem zweiten Durchlauf hab' ich den römischen Geometern deshalb etwas mehr Fehlerspielraum gegeben, der Filter akzeptiert alle Werte zwischen 18 und 24km - damit wären wir immerhin bei 36% Treffern und schon deutlichen regionalen Konzentrationen. Rein interessehalber hab' ich den Filter in einem dritten Durchlauf dann nochmal weiter aufgedreht auf 17 bis 25km (falls die Geometer Pi-mal-Daumen unterwegs waren beim Abmessen ihrer 9 bzw. 10 Leugen), was aber die Trefferzahl nur sehr unwesentlich erhöht hat; falls sich also wenigstens regional so eine 9/10-Leugen-Regel ableiten ließe, können wir wenigstens zur Ehrenrettung der römischen Landvermessung davon ausgehen, daß da nicht pur mit einem Schätzomaten gearbeitet wurde. Im Ergebnisdiagramm (abb2.gif) hab' ich zur besseren Orientierung rechts noch ein paar Ortsnamen an passender Stelle angehängt.