jacob-stein schrieb:
Hallo Freunde,
nach der Annahme der österreichischen Kaiserkrone durch Franz II Römisch-deutscher Kaiser tauchen in der österreichischen Geschichtsschreibung die Begriffe Kaiserreich und Kaisertum auf.
Es stellt sich für mich die Frage - was ist der Unterschied?
Vielen Dank für die Antworten. JSt.
1804 entstand nur der Titel Kaisertum. Das Wort "Kaiserreich" taucht nicht auf.
Was unser Imperator geschrieben hat ist im Prinzip ganz richtig. Nur ist es eigentlich noch viel weniger ein oder mehrere Gebiete gebunden. Denn im eigentlichen Sinne ist es nur ein Personentitel, den derjenige führte, der zugleich König von Ungarn, Böhmen, Erzherzog von Nieder- und Oberösterreich etc. etc. war. Das Kaisertum lag also nicht auf der Gesamtheit der in Personalunion verbundenen Länder der Habsburger, sondern auf der Person des Herrschers aller in Personalunion verbunden Länder.
Eine exakte Rechtsklärung ist aber unmöglich, denn das entsprechende Patent vom 11. August 1804 ist durchaus schwammig und interpretationsvariabel formuliert, daß es entsprechend der Situation definiert werden konnte. Ein Ziel war es nämlich, eine Vereinheitlichung der Länder der Habsburger zu betreiben, damit aus ihnen ein einheitlicher, zentralisierter Staat entstehe und dies wurde auch spätestens ab 1815 bis 1848, bzw. 1849 bis 1867 versucht. Der Versuch scheiterte und fand sein erstes Ende in der ungarischen Verfassung vom 11. April 1848 und nach der Niederschlagung der ungarischen Revolution/bzw. des ungarischen Freiheitskampfes 1849 sein zweites Ende im staatsrechtlichen sogenannten österreichisch-ungarischen Ausgleich.
Es gibt daher zu verschiedenen Zeiten und in den verschiedenen Gebieten der Habsburgermonarchie ganz unterschiedliche Auslegungen des "Kaisertums". Zentralisten, der Hof und mehrheitlich die Deutschen sahen im Kaisertum eine Einheit aller Länder der Habsburger, "Kaisertum" war für sie lediglich ein Synonym für "Kaiserreich". Hingegen sahen Dezentralisten im Titel eigentlich gar nichts. Ab 1867 galt in Ungarn die Definition, daß sich der Titel erstrecken möge auf was auch immer, in keinster Beziehung aber auf Ungarn. Wenn also der Titel eine Personalunion der Länder der Habsburger bezeichne, dann aber nur ausschließlich Ungarns. Ungarn und sein Monarch sei kein Teil Österreichs.
Und dazwischen gab es eine Vielzahl variantenreicher Auffassungen, die staatsrechtliche Diskussionen letztlich ohne praktischen Nutzen verursachten und sich bis 1918 (und über Historiker bis heute) zogen.
Kurz und gut: Kaisertum drückt aus, daß der Monarch einen einheitlichen Staat haben wollte, er sich aber politisch nicht durchsetzen konnte. Was er bedeutete hing ausschließlich von der politischen Machtkonstellation zu bestimmten Zeiten ab und änderte sich zwischen 1804 und 1918 ständig. Es war sozusagen ein lebendiger Begriff.