Ich hab noch eine Frage zu einem weiter oben geschriebenen Text, der besagt, dass die Kelten Delphi plünderten: ich dachte, dass die Kelten durch ein Gewitter davon abgehalten wurden, oder irre ich mich bei der Annahme?
Es gibt zwei voneinander abweichende und kaum miteinander zu vereinbarende Überlieferungen: In der einen Version plündern sie Delphi, in der anderen geraten sie, ehe sie es plündern können, in einen Sturm und werden von den Griechen besiegt.
Zweitere Version berichteten, wie zaphodB. schon erwähnte, Pausanias, Iustinus (gestützt auf Pompeius Trogus), außerdem Ampelius.
Eine Mittelstellung nimmt Livius ein: Er berichtete (40,58), dass die Gallier, als sie gerade bei der Plünderung Delphis waren, vom Sturm heimgesucht wurden. Zuvor ließ er (38,48) in einer Rede erwähnen, dass die Gallier Delphi geplündert hätten.
Erstere Version ergibt sich eher indirekt: Dass Delphi sehr wohl von den Kelten geplündert worden sei, geht aus einem Vorfall im Jahr 105 v. Chr. hervor: Der römische Prokonsul Quintus Servilius Caepio plünderte einen reichen gallischen Tempel in Tolosa (Toulouse), wo angeblich die Beute aus Delphi lagerte, die die Kelten bei ihrem Rückzug aus Griechenland dorthin gebracht hätten. So berichtete u. a. Cassius Dio. Poseidonios (und ihm folgend Strabon) verwarf jedoch die Herkunft des Goldes von Tolosa aus Delphi und argumentierte damit, dass es erstens 279 v. Chr. in Delphi gar nicht mehr so viel zu holen gegeben hätte wie in Tolosa gefunden wurde, nachdem die Phoker ein paar Jahrzehnte davor (zur Zeit Philipps II.) das Heiligtum bereits geplündert hatten, und es zweitens unglaubwürdig sei, dass die Kelten mit ihrer Beute quer durch Europa marschiert wären, um sie nach Tolosa zu bringen.
Auch Polyainos ging anscheinend von einer Plünderung aus.
Was ist nun davon zu halten? Vielleicht hat Livius das Richtige und die Kelten waren gerade bei der Plünderung, als sie von den Griechen angegriffen und geschlagen wurden. Die anderen darüber berichtenden Historiker verschwiegen dann den Teil mit der Plünderung lieber.
Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass man die Geschichte von hinten aufzäumen muss: Als die Römer den Tempel in Tolosa plünderten, nahmen sie vielleicht an, dass das viele Gold nur aus Delphi stammen könne (oder die Tektosagen behaupteten es selbst), weshalb manche spätere Autoren von einer tatsächlich erfolgreichen Plünderung ausgingen.
Leider haben wir anscheinend keine aufschlussreichen Quellen aus der Zeit vor der Plünderung Tolosas, sodass wir nicht sagen können, welche Version da in Umlauf war. Polybios spielt zwar oft auf den Zug der Kelten gegen Delphi an, äußert sich aber nie näher dazu. Eine zeitnahe Quelle ist der zeitgenössische Dichter Kallimachos, der in einem Hymnus auf den Zug anspielt, aber leider auch nichts Näheres mitteilt.