War das Mittelalter ein Rückschritt?

Für die Behauptung, s y s t e m a t i s c h e Vernichtungen paganer Schriften in Zuge der Christianisierung des Römischen Reiches seien belegt - fehlen die Belege.
ergo findet sich im zitierten (umfangreichen und gut geordneten!) Wikipedia-Artikel z.B. auch so etwas:
Verbreitet ist die Annahme, dass neben oder sogar noch vor den Zerstörungen der Völkerwanderungszeit die Christianisierung mit ein Faktor für die Verluste antiker Literatur war.
 
Ich habe heute keine oder kaum Zeit, auf alles einzugehen, aber eines muss ich noch loswerden: Es ist geradezu abenteuerlich zu argumentieren, dass es zu wenig Menschen gab, um die römischen Aquädukte und Straßen nach Zerstörungen wieder instand zu setzen; sie mussten ja nicht neu gebaut werden, sie mussten nur repariert und unterhalten werden.

Ah und für oberflächliche Reperaturen der Straßenpflasterung brauchte es von Mönchen weiterentwickelte römische Gebrauchsanleitungen?
Das es nicht genug Menschen gab um bestehende Straßen zu reparieren hat niemand behauptet. Dafür musste aber auch so gar nichts mehr erfunden werden.

Aber selbst das hat man nicht gekonnt, wahrscheinlich, weil man nicht mehr wusste, wie man das macht bzw. wie der Beton herzustellen ist, obwohl Vitruv und Plinius dies beschrieben haben

Oder weil man das doch wusste, aber blöderweise zum Teil die Materialien z.B. Vulkanasche nicht zur Hand hatte.
Oder weil es einfach überflüssig erschien, weil durch die Deurbanisierung der Unterhalt von Aquädukten und gepflasterten Straßen in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen stand, weil sich die Trinkwasserversorgung der wesentlich kleineren Städte auch anders leisten ließ und die wesentlich verkleinerten Städte sich aus ihrer unmittelbaren Umgebung heraus versorgen konnten, was den täglichen Transport von Tonnen von Versorgungsgütern in die Stadt hinein überflüssig machte und somit auch ein Straßensystem, dass genau darauf ausgelegt war?

Man sollte ja meinen, am sinnvollsten wäre es sich zunächst mal die Frage zu stellen, ob es für die Menschen überhaupt Sinn machte die alte römische Infrastruktur aufrecht zu erhalten, die für völlig andere Bedingungen konzipiert war, anstatt gleich auf irgendwelche Wissensverluste zu spekulieren.

Aber klar, vollkommen absurd den Menschen zu unterstellen, dass sie auch so etwas wie Kosten-Nutzen-Rechnungen angestellt haben könnten.
 
...und als die Ethniengruppierungen, die man später gerne als Alamannen bezeichnete, die verlassenen, oft steingebauten Villa rusticae-Landwirtschaftsgroßbetriebe in den Jahren nach ca. 260 n. Chr. westlich-südwestlich des von den Römern aufgegebenen Limes im Ländle vorfanden....mieden die Alamannen diese und übernahmen auch nicht die offenkundigen Großlandbau-Techniken, obwohl mancher Alamanne vielleicht schon mal dort gearbeitet hatte oder davon erfahren hatte...weil sie Christen waren?

Manchmal hilft nur noch Humor :D
 
Also die Idee, dass christliche Mönche allein aus Hass auf alles Heidnische praktische Schriften zerstörten lässt sich nicht belegen. Sie wussten sehr wohl über den Nutzen solches Wissens. Wenn man nicht mal durch Wikipedia so etwas "belegen" kann, sollte man vielleicht mal so eine Idee fallen lassen. Später entstand ein regelrechter Hype über antikes Wissen...und wenn ich mich nicht irre schoss man dann damit auch irgendwann über das Ziel hinaus, oder?
 
Der Artikel bei Tante Wiki stellt den üblichen Mischmasch dar. Zahlreiche Quellen, Belege in den Anmerkungen sind wissenschaftlich gut haltbar, ein beachtlicher Teil halbgar und etliche irrelevant oder falsch.

Das vermeintlich in einen christlichen Kontext gehörende Verbot der Mathematoi/Astrologen während der Herrschaft von Theodosius hat mit den Christentum rein gar nichts zu tun.

Die Astrologie-/Atrologenverbote wurden regelmässig seit spätestens Augustus von den römischen Kaisern erlassen...erfolglos...auch bei Theodosius.

Gegenüber dem breiten 'Aberglauben' der städtischen Massen in den Städten des Römischen Reiches, diese waren mit dem Verbot gemeint, bewirkte dies natürlich nichts.

Ebenso das auch schon zu nicht-christlichen römischen Zeiten regelmässig wiederkehrende Verbot von 'Schundliteratur' wie den Zauberei-Büchern, welches ebenfalls im Tante Wiki-Artikel nicht zutreffend als 'Beleg' für das neue, engherzige Kulturverständnis bzw. die verbotspraxis des etablierten römischen Christentums angeführt wird.
 
Die abwertende Einstellung zum Mittelalter ist im Grunde ein gedankliches Konstrukt von Humanisten aus der Renaissance, die voller Euphorie antike Quellen wiederentdeckten und die sozusagen gerade dabei waren, einen geistes- und kulturgeschichtlichen Freischwimmer zu machen um die mittelalterliche Scholastik zu überwinden.

Die Renaissance und die Reformation waren in ihren Auswirkungen für das 15. und 16. Jahrhundert ähnlich revolutionär wie es die großen Revolutionen im 18. Jahrhundert: Die Amerikanische, die Französische und die Industrielle Revolution.

Es haben die Erkenntnisse der Naturwissenschaften das Weltbild verändert, und die Erfindung des Buchdrucks erlaubte, Literatur in einer Auflage zu vervielfältigen wie es zuvor unmöglich war. Die Renaissance hat beeindruckende Kulturleistungen hervorgebracht, und die Wertschätzung der antiken Klassiker-sie war durchaus berechtigt. Was nicht berechtigt war, das war die pauschale Abwertung des Mittelalters.

Der Niedergang und schließlich vielerorts der Zusammenbruch der antiken urbanen Kultur zog sich über einen längeren Zeitraum hin, und Verluste an Literatur, an Know How, an Manpower, an Ressourcen das war bereits in der Antike angelegt. Während der Reichskrise musste man zum Tauschhandel Zuflucht nehmen, und die Alphabetisierung nahm so ab, dass man im Militär teilweise auf Erteilung schriftlicher Befehle verzichten musste.

Verglichen mit Lebensstandard, Trinkwasserversorgung, Einwohnerzahlen, Zivilisationsniveau, erreichte das Imperium Romanum im 1. und 2. Jahrhundert einen Standard, der in manchem erst im 18. und 19. Jahrhundert wieder eingeholt wurde. London, Paris und Amsterdam erreichten im 18. Jahrhundert Einwohnerzahlen von etwa 700.000 Einwohnern, Während Rom zu seiner Blütezeit weit mehr, als 1 Millionen Einwohner hatte, und Alexandria oder Konstantinopel besaßen im 6. Jahrhundert so viele Einwohner wie London, Paris oder Amsterdam im 18. Jahrhundert. Verglichen mit Rom zur Blütezeit, wirken die Lebensverhältnisse Europas in den "dunklen Jahrhunderten" extrem primitiv und rustikal.

Bei der Bewertung des Mittelalters, sollte man nicht ausblenden, dass es die Blüte der antiken Kultur am Ende der Antike gar nicht mehr gab. Die Bewunderung der Humanisten der Renaissance für die antiken Klassiker in allen Ehren. Sie hätten aber einen Großteil der antiken Literatur gar nicht "wiederentdecken können, ohne die akribische Fleißarbeit, die in mittelalterlichen Skriptorien geleistet wurde. Die "Wiedergeburt" der Antike ist nicht urplötzlich vom Himmel gefallen, und sie war auch nicht ausschließlich inspiriert durch antike Quellen, sondern basierte auch auf Vorläufern aus dem Mittelalter wie Dante und Bocaccio.

Kaiser Friedrich II. von Hohenstauffen war ein großer Liebhaber der Falknerei. Für sein Buch "De Arte venandi cum avibus" Über die Kunst mit Vögeln zu jagen" ging der Kaiser Friedrich fast wie ein moderner Ornithologe vor. Die abgebildeten Vögel sind mit großer Detailtreue dargestellt. Friedrich sammelte alles, was er über Greifvögel finden konnte. In seinem Buch skizziert Friedrich akribisch den aktuellen Forschungsstand. Der Kaiser verließ sich nicht allein auf Koryphäen und antike Autoritäten wie Aristoteles, sondern ergänzte sie durch eigene Beobachtungen. Aristoteles schrieb, dass beim Formationsflug der Gänse oder Kraniche immer der klügste Vogel voraus fliegt. Er glaubte auch, dass Geier ihre Nahrung durch den Geruch finden. Friedrich konnte durch eigene Beobachtungen beweisen, dass das nicht stimmte.

Dieses mittelalterlichen Werk zeichnet sich durch ein sehr hohes Maß an wissenschaftlicher Methodik aus. Erst die moderne Ornithologie, unterstützt von Ferngläsern und Nachtsichtgeräten konnte empirisch gleichziehen mit den Forschungen Kaiser Friedrichs.
 
hat das irgendwer in dieser Diskussion behauptet?
Ja – hier:
Mal davon ab, dass für Straßenbauprogramme antiken Ausmaßes überhaupt nicht genug Arbeitskraft vorhanden war.



Die gewaltige Kölner Wasserleitung wurde nach ihrer teilweisen Zerstörung 260 nicht mehr wiederhergestellt
Köln war eine Grenzstadt. Was für sie galt, galt z.B. für Trier oder die Städte in Italien nicht.

Außerdem sind die Provinzen nördlich der Alpen nicht typisch für das römische Reich, denn manche sind schnell kollabiert, andere erst im 5. Jahrhundert. So wurde z.B. das Ufernorikum erst im Jahr 488 aufgegeben.

Also die Idee, dass christliche Mönche allein aus Hass auf alles Heidnische praktische Schriften zerstörten lässt sich nicht belegen.
Solches kann man nur sagen, wenn man die von einem Bischof angeordnete Zerstörung des Serapeions in Alexandria im Jahr 391 ignoriert.

Die Bewunderung der Humanisten der Renaissance für die antiken Klassiker in allen Ehren. Sie hätten aber einen Großteil der antiken Literatur gar nicht "wiederentdecken können, ohne die akribische Fleißarbeit, die in mittelalterlichen Skriptorien geleistet wurde. Die "Wiedergeburt" der Antike ist nicht urplötzlich vom Himmel gefallen, und sie war auch nicht ausschließlich inspiriert durch antike Quellen, sondern basierte auch auf Vorläufern aus dem Mittelalter wie Dante und Bocaccio.
Wenn das stimmte, dann frage ich mich, warum diese "Wiedergeburt" der Antike nicht schon viel früher stattfand, sondern erst im Hoch- und Spätmittelalter, d.h. nach den Kreuzzügen und/oder den Übersetzungen aus den arabischen Quellen, die wiederum meistens kommentierte Übersetzungen aus den antiken Quellen waren.
 
Solches kann man nur sagen, wenn man die von einem Bischof angeordnete Zerstörung des Serapeions in Alexandria im Jahr 391 ignoriert.

Ich hab tatsächlich mal einiges über diesen Fall gelesen, leider ist es schon etwas her. Wenn ich mich recht erinnere kann man aber noch nicht mal beweisen, dass es da noch Schriften gab. Apropos Rückzugsgefecht, ursprünglich hieß die Behauptung mal, Christen hätten die legendäre Bibliothek von Alexandria zerstört ;) Nicht böse sein, ich finde christliche Bischöfe etc ja selber unsympathisch.
 
Ja – hier:
Mal davon ab, dass für Straßenbauprogramme antiken Ausmaßes überhaupt nicht genug Arbeitskraft vorhanden war.

Shinigami erläutert doch gleich im nächsten Satz, was er unter Straßenbauprogrammen antiken Ausmaßes versteht:
Mal davon ab, dass für Straßenbauprogramme antiken Ausmaßes überhaupt nicht genug Arbeitskraft vorhanden war.
Ich sag mal: eine Gemeinschaft von 50 oder 60 Mönchen hätte am Bau der via Appia lange stricken müssen.

Köln war eine Grenzstadt. Was für sie galt, galt z.B. für Trier oder die Städte in Italien nicht.
Trier erging es kaum besser als Köln:
Trier - Eine Chronik der Zerstörung

Rom war allerdings erst später dran: Plünderung durch die Vandalen, Zerstörung der Aquädukte durch die Ostgoten.

Also die Idee, dass christliche Mönche allein aus Hass auf alles Heidnische praktische Schriften zerstörten lässt sich nicht belegen.
Solches kann man nur sagen, wenn man die von einem Bischof angeordnete Zerstörung des Serapeions in Alexandria im Jahr 391 ignoriert.
Nein, solches kann man wohl sagen, wenn man sämtliche Belege zusammenrechnet, die Du für die Zerstörung praktischer Schriften gebracht hast. Einschließlich Serapeion komme ich bislang auf:

NULL.
 
Ja – hier:



Köln war eine Grenzstadt. Was für sie galt, galt z.B. für Trier oder die Städte in Italien nicht.

Außerdem sind die Provinzen nördlich der Alpen nicht typisch für das römische Reich, denn manche sind schnell kollabiert, andere erst im 5. Jahrhundert. So wurde z.B. das Ufernorikum erst im Jahr 488 aufgegeben.

Solches kann man nur sagen, wenn man die von einem Bischof angeordnete Zerstörung des Serapeions in Alexandria im Jahr 391 ignoriert.

Wenn das stimmte, dann frage ich mich, warum diese "Wiedergeburt" der Antike nicht schon viel früher stattfand, sondern erst im Hoch- und Spätmittelalter, d.h. nach den Kreuzzügen und/oder den Übersetzungen aus den arabischen Quellen, die wiederum meistens kommentierte Übersetzungen aus den antiken Quellen waren.

Eine Rückbesinnung auf antike Traditionen fand ja auch viel früher statt, und die karolingische Renaissance hat sich auf dem Gebiet der Bewahrung wie der eigenständigen Entwicklung von Kulturgütern auch Verdienste erworben. Einhard ließ sich bei seiner Vita Karls des Großen von den Caesaren-Biographien des Sueton inspirieren. Die Leistungen mittelalterlicher Skriptorien lassen sich nicht mit einem Halbsatz kleinreden.

Ohne das Verdienst arabischer Wissenschaftler kleinreden zu wollen. Es haben bei den Bedingungen der italienischen Renaissance ja wohl auch der durch Fernhandel erworbene Wohlstand der Stadtrepubliken und damit verbunden ein System von sehr fruchtbarer Konkurrenz und Wettbewerb und eine zunehmende Zahl von Mäzenen, Bauherrn und Förderern eine Rolle gespielt.

Auf dem Gebiet der Astronomie war das Verdienst der Araber sehr groß, die meisten Sterne tragen arabische Namen-Im Zeitalter der Entdeckungen gewann Europa einen deutlichen Vorteil. Die dafür nötigen technischen Voraussetzungen und Vorarbeiten wurden im MA entwickelt. Karavelle, der Jakobstab, der Magnetkompass, Nocturnal (Sternenuhr) wurden im Mittelalter entwickelt.
 

Das hat an dieser Stelle niemand behauptet.
Ich habe dort behauptet, dass die zulänglichen Kapazitäten an Arbeitskräften nicht vorhanden waren um römische Straßen im größeren Stil neu zu bauen.
Du wirst wohl kaum bestreiten, dass es in der Hälfte des Raums, der das mittelalterliche Europa ausmachte, überhaupt keine oder nur wenig ausgebaute römische Straßen gab, zumal wenn man Byzanz außen vor lässt.

Oder wie viele römische Straßen kannst du etwa für Norddeutschland östlich des Rheins, für Polen oder Skandinavien benennen?
Da fehlte selbstverständlich das hinlängleiche Maß an Arbeitskräften um das mal eben neu zu bauen, genau wie bei neuen Stadtgründungen abseits bestehender römischer Straßen in den ehemaligen römischen Mittelmeerprovinzen.

Warum genau sollte man sich in Gebieten, wo es keine Römerstraßen gab und man auch nicht die nötigen Ressourcen hatte um welche zu bauen mit Abhandlungen über römischen Straßenbau besonders beschäftigen, zumal wenn auch die Ressourcen zur Herrstellung von Codices knapp sind?


Ich frage dich an dieser Stelle nochmal, ob du mir ernsthaft verkaufen willst, dass man eine beschädigte Wasserleitung oder ein lädiertes Straßenpflaster ohne Anleitung von Vitruv und anderer Quellen nicht hätte reparieren können.
Das ist schlicht Unfug.

Wenn man das reparieren wollte, musste man nichts weiter leisten, als dass vorherige intakte Teilstück zu immitieren oder zu substituieren, im Fall eines abgenutzen Straßenpflasters, reichte es im Zweifel hin einige abgenutzte Steine auszutauschen, dafür brauchte man keine antiken Abhandlungen, dazu reichte Beobachtung der bestehenden Bausubstanz hin.
Wenn die Beschädigungen tiefergehend waren und vorausgesetzt hätten über längere Strecken das gesamte Fundament abzutragen und ein vollständig neues zu bauen, wäre man wieder beim Argument der Arbeitskraft.


Du übergehst nach wie vor 3 ganz wesentliche Aspekte in dieser Frage:

a) Konkreter Nutzen
b) Sicherheit
c) Unterhaltungsmöglichkeiten


a) Ich frage noch einmal, wozu mussten städtische Siedlungen, die längst nicht mehr die Einwohnerzahlen aus römischer Zeit und das damit verbundene Versorgungsproblem hatten, unbedingt römische Infrastruktur erhalten?
Das entsprach in Teilen einfach nicht mehr ihren Bedürfnissen, eine Stadt mit ein paar 1.000 Einwohnern braucht keinen Auqädukt über zig Km Länge um ihre Trinkwasserversorgung zu sichern.
Die ist mit Brunnen und Zisternen wesentlich besser drann, zumal wenn sie das Baumaterial und die Grundstücke dafür bereits aus den Resten der vorherigen Bebauung/Bausubstanz gewinnen kann.
Eine städtische Siedlung mit gerade ein paar 1.000 Einwohnern benötigt zu ihrer Versorgung auch keinen kontinuierlichen Zustrom von Versorgungsgütern aus einem Umkreis von mehreren 100 km, sie kommt mit einem Umkreis von 1-2 Tagesreisen aus un einem entsprechend wesentlich geringeren Verkehrsaufkommen.
Wozu Straßen erhalten, die darauf ausgelegt ist, dass Legionen mit 10.000 Mann (Auxiliare und Tross inklusive) jederzeit und zügig darüber bewegt werden können, oder dass da jeden Tag X.000 Tonnen Versorgungsgüter drüber rollen können, wenn es für die eigene Versorgung hinreichend ist Infrastruktur zu haben, über sie sich am Tag vielleicht ein paar dutzend Wagenladungen bewegen, oder vielleicht einige 100 an Markt- und Messetagen.

Das macht überhaupt keinen Sinn, Aufwändungen dieser Art wären totes Kapital, und zwar in perpetuierter Weise, weil es ja nicht mit einer Instandsetzung getan ist.

b) Die zig Kilometerlangen Straßen und Wasserleitungen machten vor dem Hintergrund der römischen Großraumordung durchaus Sinn.
Vor dem Hintergrund der diversen Klein- und Kleinstherrschaften, den dauernden Kleinkriegen und dem Fehdewesen aber nicht.
Eine Wasserleitung über 40 Km im römischen Reich, ging vielleicht im Mittelalter durch drei an einander grenzende Herrschaften, deren Machthaber sich jederzeit überwerfen konnten.
Man hätte also jederzeit damit rechnen müssen, dass im Rahmen solcher Auseinandersetzungen Infrastruktur wie Wasserleitungen und Brücken bevorzugt gezielt demoliert werden.
Wenn man aber damit rechnen muss und solche Kapazitäten überhaupt nicht benötigt werden, warum sich dann nicht auf andere, den Umständen angemessenere Modelle verlegen?

Warum auf eine Wasserleitung setzen, die man im Falle kriegerischer Auseinandersetzungen nicht schützen kann, wenn man seine Wasserversorgung auch aus Brunnen und Zisternen bestreiten kann, die durch eine eigene Stadtmauer durchaus zu schützen sind?
Im Besonderen in den nördlichen Gebieten, wo dafür hinreichende Regenmengen ohnehin kein Problem darstellten.

c) Korrespondierend mit b) und der nicht mehr vorhandenen Großraumordnung, wie wollte man als Stadt, selbst wenn man ein Interesse am Fortbstand dieser Infrastruktur hatte, den Unterhalt und die Instandsetzung derjenigen Teile der Infrastruktur sichern, der außerhalb des eigenen Machtbereichs lag, im Besonderen wenn der dortige Landesherr daran kein Interesse hatte, weil er daraus keinen Profit ziehen konnte oder sogar eine konkurrierende Stadtgründung betrieben hatte, die er fördern wollte?


Wie wäre es, wenn man sich zunächst mal mit solchen praktischen Fragen beschäftigte und mal darüber nachdächte, ob die Menschen im Mittelalter vielleicht sehr gute Gründe gehabt haben könnten, sich sehr bewusst gegen die römische Infrastruktur zu entscheiden, weil sie komplett anderen Bedürfnissen als denen ihrer eigenen Gesellschaftsordnung entsprach?
 
Außerdem sind die Provinzen nördlich der Alpen nicht typisch für das römische Reich, denn manche sind schnell kollabiert, andere erst im 5. Jahrhundert. So wurde z.B. das Ufernorikum erst im Jahr 488 aufgegeben.

Ähhhmmm also die nördlichen Provinzen sind alle untypsich, weil machne früh und manche spät kollabiert sind?
Entschuldige, aber die Aussage ist komplett konfus.
Man kann sich ja gerne darüber unterhalten ob man die nördlichen Provinzen gesondert betrachten müsste, aber dann müsste man sich erstmal auf Kriterien festlegen, nach denen zu entscheiden wäre um welche Provinzen es sich konkret dabei handelt.

Solches kann man nur sagen, wenn man die von einem Bischof angeordnete Zerstörung des Serapeions in Alexandria im Jahr 391 ignoriert.
Nachdem du noch immer keinen Beleg dafür bringen konntest, dass dort zum fraglichen Zeitprunkt überhaupt größere Mengen von Schriften nützlichen Inhalts aufbewahrt wurden, wäre nach wie vor die Frage zu stellen, inwiefern die Zerstörung des Serapeions überhaupt Relevanz für dise Thematik hat.

Wenn das stimmte, dann frage ich mich, warum diese "Wiedergeburt" der Antike nicht schon viel früher stattfand, sondern erst im Hoch- und Spätmittelalter, d.h. nach den Kreuzzügen und/oder den Übersetzungen aus den arabischen Quellen, die wiederum meistens kommentierte Übersetzungen aus den antiken Quellen waren.

Zunächst einmal wäre zu hinterfragen, ob überhaupt ein so krasser Umbruch stattfand, der sich in diesem Sinne als "Widergeburt von irgendwas" treffend bezeichnen ließe.

Zweitens, falls die Frage lauten sollte, warum Interesse an bestimmten Dingen so grob ab dem 14.-15. Jahrhundert wieder aufkam, lautet die Antwort: Weil sich die materiellen Grundlagen änderten:

- Es kam zu einer zunehmenden Verdichtung von Herrschaftsräumen, die Kleinstherrschaften wichen zunehmend größeren Territorialkomplexen, die in anderem Maße Ressourcen zur Verfügung hatten und die Ordnung in zunehmend größeren Räumen gewährleisten konnten.
- Es kam zu diversen Neugründungen von Städten und zu größerem Wachstum der Bestehenden, so dass zentral gespeichertes Wissen wieder einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden konnte.
- Mit dem Aufkommen von Papier und dem Beginn der Herrstellung im größeren Stil und den mittlerweile vorhandenen Drucktechniken (wenn auch noch nicht mit beweglichen Lettern), war die Menge an potentiell verfügbarem Schreibmaterial nicht mehr an die größe des Viehbestands gebunden, was auch mittelfristig dazu führte, das beschreibbares Material immer billiger wurde, was die Produktion größerer Mengen an Schriftgut erlaubte.
- Eine weitere Ursache dürfte im wirtschaftlichen Aufstieg des städtichen Bürgertums und der Großkaufleute liegen die sich in Sachen Sozialprestige nicht in dem Maße wie der alteingesessene Adel über Landbesitz und Stammbäume definieren konnte und sich eine andere Ausdrucksform für die Legitimation ihrer sozialen Stellung und ihres Prestiges zulegen musste und die war eben nicht selten das Mäzenatentum und das Engagement für kommunale Projekte, was in weiten Teilen die wirtschaftliche Basis schuf.
 
Hauptsächlich wurden die moslemischen Eroberer dafür verantwortlich gemacht.
The Destruction Of The Library Of Alexandria: An Archaeological Viewpoint in: What Happened to the Ancient Library of Alexandria?

Allgemein ins Reich der Legende verwiesen wird die Überlieferung, nach der die Araber dabei die Bibliothek zerstört hätten. Eine vermutlich spät erfundene tendenziöse Legende besagt, der arabische Feldherr ʿAmr ibn al-ʿĀs, der Ägypten eroberte, habe den Kalifen ʿUmar ibn al-Chattāb gefragt, wie hinsichtlich der Bibliothek zu verfahren sei, worauf dieser die Zerstörung angeordnet habe. Dies habe der Kalif damit begründet, dass diejenigen Bücher, deren Inhalt mit dem Koran übereinstimme, überflüssig seien und diejenigen, die dem Koran widersprechen, unerwünscht. Daraufhin seien die Handschriften zur Beheizung öffentlicher Bäder genutzt worden. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert ist diese Geschichte umstritten, die moderne Forschung geht von einer Legendenbildung im frühen 13. Jahrhundert aus.

Bibliothek von Alexandria – Wikipedia
 
Ich hab tatsächlich mal einiges über diesen Fall gelesen, leider ist es schon etwas her.
Schon etwas her? Ich habe doch erst an diesem Dienstag ein Dokument verlinkt, in dem ziemlich genau beschrieben wird, was geschah.

Wenn ich mich recht erinnere kann man aber noch nicht mal beweisen, dass es da noch Schriften gab.
Wenn, wie berichtet, in Serapeum Neuplatoniker gelehrt haben, dann gab es dort auch entsprechenden Schriftrollen.

Shinigami erläutert doch gleich im nächsten Satz, was er unter Straßenbauprogrammen antiken Ausmaßes versteht:
Ja, er sagt im Grunde, die Mönche hätten Besseres zu tun, als selbst beim Straßenbau Hand anzulegen. Dabei war das gar nicht die Frage, sondern dass die Mönche kein Interesse für wissenschaftliche/technische Schriften gehabt hatten, was man ihnen auch nicht verdenken kann. Aber dadurch wurden diese Schriften nicht kopiert und/oder gerieten in Vergessenheit.

Trier erging es kaum besser als Köln? Das ist nicht wahr: Zu den Termen (und Wasserleitungen) in Trier wird nach der Stadt-Zerstörung durch Franken und Alemannen (275-276) Folgende gesagt – Zitat aus der von dir verlinkten Seite:

Ihrer brutalen Zerstörungswut fielen auch die Barbaratherme zum Opfer. Nachdem mal wieder Ruhe eingekehrt war konnten die Trierer ihre Badeanstalt nochmal aufbauen, zwar mit ein paar Einschränkungen, doch der ersehnte Badebetrieb konnte wieder aufgenommen werden.

Noch viele Jahrzehnte hielten die Römer ihre Stellung in Trier und ermöglichten ihren Bürgern ungetrübten Badespaß. Doch immer häufiger durchbrachen germanische Stämme die Grenzen und brachen plündernd ins Reich ein. Ende des 4. Jahrhunderts wurde der Standort Augusta Treverorum für den römischen Kaiser endgültig zu gefährlich. Er zog mit Hof und Adel ab und überließ der Stadt ihrem Schicksaal.

Aber selbst dann ging der Thermenbetrieb weiter, wenn auch im kleineren Rahmen – Zitat:

In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts wurde an der heutigen Olewiger Straße eine neue Aquäduktbrücke errichtet, die vermutlich das "neue" Ende des älteren Ruwer-Aquädukts darstellte. In einem umgenutzten Gebäude in der Nähe des Forums wurde ein neues Badegebäude (die Viehmartthermen) errichtet. Der Hauptabwasserkanal dieser Bäder wurde mit wasserdichtem Mörtel ausgekleidet, wie es bei den Wasserversorgungskanälen üblich war. Weitere Belege für Wasserbauten im spätantiken Trier sind mehr als ein Dutzend kleiner Badehäuser sowie ein prächtiger Brunnen, der bei Ausgrabungen im 19. Jahrhundert auf der anderen Moselseite gefunden wurde. Mit dem Ende der römischen Besatzung im 5. Jahrhundert endete die üppige Wasserspielepoche. (Übersetzt mit www.DeepL.com)

Zwei Jahrhunderte, in denen Therme in Trier weiter betrieben wurden, sind schon ein Unterschied zu Köln – Zitat aus dem oben von @dekumatland verlinkten Dokument:

Im Jahre 260 wurde die Leitung bei einem kriegerischen Überfall durch die Germanen zerstört und nicht wieder in Betrieb genommen, obwohl die römische Stadt Köln weiter Bestand hatte. Zudem ging später in den Wirren der Völkerwanderung das Wissen um den Aquädukt verloren. Die Anlage blieb zunächst ein halbes Jahrtausend unberührt in der Erde liegen, bis zur Zeit der Karolinger eine neue Bautätigkeit im Rheinland einsetzte.

Nein, solches kann man wohl sagen, wenn man sämtliche Belege zusammenrechnet, die Du für die Zerstörung praktischer Schriften gebracht hast. Einschließlich Serapeion komme ich bislang auf:

NULL.
Du sagst, dass nicht bewiesen sei, dass mit der Zerstörung des Serapeions auch die dort gelagerten Schriftrollen zerstört worden sind, und ich sage das Gegenteil. Warum sage ich das? Weil ein Kirchenhistoriker 25 Jahre nach der Zerstörung dort war und bedauert, dass Serapeion durch Christen zerstört worden ist. Und das sicher nicht, weil Serapeion, ein heidnischer Tempel, zerstört wurde, sondern weil mit ihm die Bibliothek zerstört wurde.

Im Zeitalter der Entdeckungen gewann Europa einen deutlichen Vorteil. Die dafür nötigen technischen Voraussetzungen und Vorarbeiten wurden im MA entwickelt. Karavelle, der Jakobstab, der Magnetkompass, Nocturnal (Sternenuhr) wurden im Mittelalter entwickelt.
Das ist unbestritten – siehe dazu auch meine Zusammenstellung in diesem Faden: https://www.geschichtsforum.de/thema/war-das-mittelalter-ein-rueckschritt.52440/page-5#post-810254

Dort kann man sehen, dass im Frühmittelalter – also die ersten 4 Jahrhunderte – nichts erfunden wurde, und die technischen Erfindungen erst ab Hochmittelalter stattfanden, und ab den Kreuzzügen und den Übersetzungen aus dem Arabischen häufiger werden.

Man sieh da auch, dass wir uns im Kreis drehen, spricht seit 2019 kamen kaum oder keine neuen Argumente dazu. Es reicht also erstmal – zumindest von meiner Seite.
 
Ja, er sagt im Grunde, die Mönche hätten Besseres zu tun, als selbst beim Straßenbau Hand anzulegen.
Nein, ich sage, dass diejenigen, die möglicherweise über die Anleitungen verfügten nicht über die zulängliche Arbeitskraft verfügten um das ins Werk zu setzen.

Ich frage dich an dieser Stelle, woher die hätten kommen sollen, zumal Klöster ja nun mindestens im frühen Mittelalter eher außerhalb von Städten lagen, so dass die Klostergemeinschaft an und für sich noch die größte Ansammlung von Arbeitskraft in der näheren Umgebung gewesen sein dürfte, im Besonderen vor dem großflächigen Einsetzen von Verdorfung und Verstädterung.
Woher hätte man für die Errichtung neuer Straßen allein das Material her nehmen sollen, ohne ein Heer von Sklaven, dass man in die Steinbrüche schickten konnte?
Wer hätte das ganze Zeug transportieren sollen?
Wie hätte man die Heerscharen an dafür notwendigen Arbeitskräften versorgen sollen?

Es muss doch vollkommen klar sein, dass man die Subsistenzbauern für solche Projekte nicht Jahrelang von ihren Feldern holen konnte und dass die auch keine Abgaben in einer Größenordnung leisten konnten, dass davon Herrscharen von Steinmetzen und Straßenarbeitern ernährt werden konnten.

Wenn wir uns mal vergegenwärtigen, dass ganze Bistümer mitunter finanziell schwer darn zu tragen hatten, das Material für einen größeren Kirchenbau heran zu schaffen und an die 100 oder wenn es hoch kommt, vielleicht mal 150 Handwerker zu beschäftigen, die das Bauwerk hochziehen sollten, muss doch klar sein, wie sehr solche Projekte die kleineren Herrschaften überlastet haben müssen.
Für eine wirklich gut ausgebaute Straße nach römischem Muster über 40 oder 50 Km brauchte es mitunter ein Bisschen mehr Material, als dafür, wenn das Münster einen neuen Turm bekommen sollte.
Von den notwänddigen Geländearbeiten um eine Straßentrasse überhaupt da hindurch führen zu können, Tunnelbauten, Brückenschlägen etc. haben wir dann noch gar nicht gesprochen, ebenso wie von der Schwierigkeit das Material mitten in die Pampa zu liefern.

Von anderen Problemen, wie benachbarten Herrschern mit ablehnender Haltung, Wegzollrechten, etc. die in der mittelalterlichen Realität eine Rolle spielen haben wir dann ebenfalls noch nicht gesprochen.

Aber gut, ignorier das ruhig weiter.
Zeigt einfach nur deine Unwilligkeit dich mit dem Thema tatsächlich auseinander zu setzen, abseits deiner vorgefassten Meinung dazu.

sondern dass die Mönche kein Interesse für wissenschaftliche/technische Schriften gehabt hatten, was man ihnen auch nicht verdenken kann.

Was so schlicht und ergreifend nicht stimmt.
Natürlich hatten die Mönche Interesse an Wissen, aber bevorzugt natürlich an solchem, das für sie auch nutzbar war, weil es sich im Ausbau des eigenen Klosters realistisch anwenden ließ oder in der Verbesserung der damit verbundenen Ländereien und Wirtschaftsbetriebe.

Aber dadurch wurden diese Schriften nicht kopiert und/oder gerieten in Vergessenheit.

Ob diese Schriften im Einzelnen nicht kopiert worden sind, werden wir kaum nachweisen können.

Das erste Problem dürfte ganz einfach dasjenige gewesen sein, dass die Inhalte solcher Schriften angesichts dessen, dass niemand die Ressourcen besaß das umzusetzen, sich für die Zeitgenossen weniger im Rahmen des konkret Nützlichen bewegt haben dürften, als im Rahmen einer Kuriosität.
Das zweite Problem dürfte dann das gewesen sein, dass die Skriptorien und Klosterbibliotheken auf Grund der eher abgelegenen Lage der meisten Klöster eher dezentral und auch einem gebildeten Publikum eher unzugänglich waren.

Inwiefern sie tatsächlich übersichtlich und nachvollziehbar geordnet waren, wissen wir nicht. Mutmaßlich dürfte es unter diesen Umständen kaum möglich gewesen sein auf eigene Faust gezielt nach etwas zu suchen, eine Problemtik, die weit weniger gegeben ist, wenn das Wissen in größeren Städten zentralisiert ist.
 
Du sagst, dass nicht bewiesen sei, dass mit der Zerstörung des Serapeions auch die dort gelagerten Schriftrollen zerstört worden sind,

Das sagen dir mitlerweile mehr oder weniger alle deine Mitdiskutanten, weil das auch den Tatsachen entspricht.

Weil ein Kirchenhistoriker
Wohl eher ein christlicher Historiograph.

25 Jahre nach der Zerstörung dort war
........ und dementsprechend den Zustand vorher aus eigener Anschauung heraus wahrscheinlich nicht kannte....

Und das sicher nicht, weil Serapeion, ein heidnischer Tempel, zerstört wurde, sondern weil mit ihm die Bibliothek zerstört wurde.

Woher genau wusste er, der erst 25 Jahre nach der Zerstörung dort eintraf noch gleich, was sich nun konkret zum Zeitpunkt der Zerstörung dort noch befand oder nicht?

Ist ein bisschen so, als würden wir hier im Forum die Zerstörung des Königsberger Schlosses bedauern mit der Begründung, dass damit auch das Bernsteinzimmer verloren gegangen sein, dass sich nach diversen Erzählungen, die ganz sicher glaubhaft sind, ganz bestimmt dort befunden haben muss.

Ganz nett, wenn man an so etwas glauben möchte.

Realistisch gesehen, hatte Orosius aber wohl eher wenig Überblick darüber, was sich zum Zeitpunkt der Zerstörung denn tatsächlich dort befunden hatte.
Und nachdem seit den Ereignissen 25 Jahren vergangen waren, wird er auch diverse Augenzeugen der Ereignisse nicht mehr angetroffen, dafür aber sicherlich jede Menge Erzählungen aus 2. und 3. hand so wie Gerüchte dazu aufgeschnappt haben.
So wie derjenige junge Erwachsene, der vielleicht 1970 Stein und Bein geschworen haben mag, dass das Bernsteinzimmer mit dem Königsberger Schloss untergegangen sei, weil der Vater oder der Onkel Stein und Bein geschworen haben, dass sie es persönlich auswagoniert undd ddort untergebracht hätten.

Wie genau willst du nach 25 Jahren, ohne die Möglichkeit auf eine genaue Dokumentation der Ereignisse zurückgreifen zu können Tatsachen von nicht allzu dick aufgetragenen Räuberpistolen unterscheiden und wie genau hat Orosius das deiner Meinung nach gekonnt?
 
@Dion Trier war zeitweilig "Hauptstadt", Regierungssitz sozusagen - dass die städtische Kultur samt ihrer Repräsentation dort ebenso wie in den Hauptstädten Rom und Byzanz sowie in ein paar weiteren prestigeträchtigen Metropolen (Alexandria z.B.) dort auch in Krisenzeiten noch aufrecht erhalten wurde, erscheint mir weder sonderlich verwunderlich noch erscheint es mir als ein Argument dafür, dass das überall so hätte sein müssen. Eine neue Aquaeduktbrücke in Trier im 4. Jh., dazu einen großen Brunnen und ein paar kleinere Badehäuser: ja, da hat man sich in Trier trotz der Barbareneinfälle bis Anfang des 5. Jhs. noch bemüht - Kaiserstadt, Prestige.
Aber in vielen, besonders den grenznahen anderen großen Städten war es schon im Verlauf des 3. Jhs. perdu mit der kostspieligen Herrlichkeit. Und das lag nicht etwa an verloren gegangenem oder mutwillig zerstörtem Wissen und es lag auch nicht an der späteren (!) Christianisierung des Imperiums.
 
Zwei Jahrhunderte, in denen Therme in Trier weiter betrieben wurden
Ich komme auf nicht einmal anderhalb Jahrhunderte. Nach Michael Dodt, Die Wasserbewirtschaftung der Trierer Barbarathermen, in: Wasserwesen zur Zeit des Frontinus (Hrsg. Gilbert Wiplinger und Wolfram Letzner), Leuven/Paris/Bristol 2017 dauerte der Badebetrieb bis um 400 n. Chr. Ab den Germaneneinfällen 406ff war dann wohl Schluss mit lustig.

Was trotz der vielfachen Zerstörungen und Plünderungen durch die Germanen und trotz des massiven Bevölkerungsrückgangs weiterlebte, war die klassische Bildung der christlichen Bevölkerung in Köln und Trier. Das bezeugen zahlreiche Grabgedichte in Hexametern.


Du sagst, dass nicht bewiesen sei, dass mit der Zerstörung des Serapeions auch die dort gelagerten Schriftrollen zerstört worden sind, und ich sage das Gegenteil. Warum sage ich das?

Wahrscheinlich, weil Du überhaupt nicht gelesen hast, was bei Orosius steht. Der erwähnt nämlich das Serapeion gar nicht und schreibt auch nichts von zerstörten Tempeln.
 
Kleiner Tipp...die berühmte Bibliothek und das Museion wurden wohl nicht von 'den Christen' zerstört, und unter den Gelehrten/Wissenschaftlern/Philosophen im 5.-7. mit Herkunft/Studium in Alexandria findet man beispielsweise Olympiodor, Stephanos und Proklos.

Das Serapeion wurde als heidnischer Tempel mit der gewaltigen Kultstatue des ägyptischen StadtGottes Sarapis zerstört.

Immer noch empfehlenswert sind von Johannes Hahn
  • Spätantiker Staat und religiöser Konflikt : Imperiale und lokale Verwaltung und die Gewalt gegen Heiligtümer (2011)
  • Gewalt und religiöser Konflikt : Studien zu den Auseinandersetzungen zwischen Christen, Heiden und Juden im Osten des Römischen Reiches (von Konstantin bis Theodosius II.). (2004)
 
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