Nachdem der Schwedenkönig Karl XII 1700 gegen die Dänen und das russische Heer von Zar Peter erfolgreich gewesen war, verfolgte er die Russen nicht weiter um sie zum Frieden zu zwingen, sondern wandte sich gegen den Sachsenfürsten August der Starke um ihm die polnische Königswürde zu entreißen. Später ging der Krieg für die Schweden verloren. Ich frage mich, ob es auch dann zir russischen Großmachtstellung gekommen wäre, wenn Karl der XII. sich anders entschieden jätte.
Sofern du mit dem Erfolg über das Heer Peters 1700 die Schlacht von Narva meinst, fand diese Ende November statt.
So weit mir bekannt gestatte man den geschlagenen russischen Truppen freien Abzug, allerdings nicht ohne sie gründlich auszuplündern und ihnen einen Großteil des Kriegsmaterials abzunehmen.
Die russische Armee die sich aus Narva zurückzog war demnach nicht nur eine Geschlagene, sondern eine, der ohne/mit kaum noch vorhandenen Geschützen und anderen Waffen nicht viel übrig blieb, als sich zurück zu ziehen und die auch auf absehbare Zeit nicht wieder ins Geschehen würde eingreifen können.
In der Tat wurde Peter I. nach diesem Misserfolg in seinem militärischen Vorgehen gegen die Schweden zunehmend vorsichtig, sehr zum Schaden Sachsen-Polen-Litauens, dass dadurch um so angreifbar wurde.
Zar Peter weiter zu attakieren, gar oder gar zu verfolgen hätte bedeutet sich auf eine Kampagne im Russland mitten im tiefsten Winter einzulassen.
Zwar für die Schweden kein gänzlich ungewohntes Klima aber sicherlich grunsätzlich nicht besonders empfehlenswert, im Besonderen nicht, wenn man bedenkt, dass Schwedens Bevölkerung relativ klein war und allzu große Verluste an Mannschaften einfach nicht verkraftbar waren.
Die Entscheidung sich gegen Sachsen-Polen-Litauen zu wenden hatte vorrangig 2 große Vorteile:
1. Die schwache Position August des Starken war darin zum Ausdruck gekommen, dass der polnisch-litauische Adel nicht hinter diesem Krieg stand und ihm als Monarchen das Stellen von Truppen für dieses Unterfangen weitgehend verweigerte, so das August im Wesentlichen nur die Kursächsichen Truppen zur Verfügung standen.
- Einerseits musste er damit als sehr schwacher Gegner erscheinen, den man möglicherweise schnell aus dem Krieg drängen könnte.
- Zweitens die offensichtlich schwache Position Augusts konnte natürlich dazu verleiten auf dessen mögliche Absetzung und die Einsetzung eines Schweden gewogeneren Gegenkönigs (was de facto auch passierte) zu spekulieren und darauf Polen-Litauen möglicherweise "umzudrehen" und auf schwedischer Seite als Verbündeten gegen Russland zu gewinnen (eine sehr erfolgreiche schwedisch-polnisch-litauische Allianz gegen Muskowien/Russland hatte es Anfang des 17. Jahrhunderts schon einmal gegeben).
- Drittens bestand natürlich die Gefahr, dass unter dem Eindruck der schwedischen Siege und einer möglichen schwedischen Machtausdehnung die Szlachta ihre Meinung möglicherweise noch ändern und sich am Ende doch bereit finden könnte August Truppen zu stellen, womit Russland doch noch einen wertvollen Verbündeten gewonnen hätte, im Besondern, wenn sich die schwedischen Truppen in Russland verzettelt hätten.
2. Nicht unmaßgeblich am Zustandekommen des Großen Nordischen Krieges hatte ja auch der Konflikt zwischen der schwedischen Krone und den deutsch-baltischen Ritterschaften in Livland und Estland beigetragen, die vertreten durch Patkul ihr Heil und die Rettung ihrer Privilegien darin suchten sich Peter und August an den Hals zu werfen.
D.h. von schwedischer Seite her musste man in diesem Krieg auch grundsätzlich mit einem Abfall der baltischen Provinzen und Aufständen in diesem Gebiet rechnen (was im Falle einer Kampagne in Russland den Nachschub möglicherweise stark betroffen hätte), wodurch es grundsätzlich zunächst mal sinnvoll erscheinen musste Truppen in der Nähe zu behalten um eine Revolte in dieser Region bereits im Keim ersticken zu können.
Wäre der Krieg für Schweden zu gewinnen oder mindestens gesichtswahrend zu beenden gewesen?
Aus eigener Kraft heraus wahrscheinlich nicht, einfach weil die schwedische Großmachtsposition eine rein auf militärische Ressourcen aufgebaute Position war.
Schweden verfügte im Grunde weder über die wirtschaftliche Basis für einen langen Krieg noch über eine ausreichend große Bevölkerung, die es erlaubt hätte den Ausfall größerer Mengen an Soldaten zu verkraften oder das Heer dementsprechend auszubauen.
Das zeigte sich im Grunde auch bei Karls fehlgeleitetem Versuch doch noch in Russland einzudringen, der ja dann bei Poltawa katastrophal endete.
Es hätte aber eine andere Entwicklung Schweden durchaus retten können, denn Karl fand ja selbst nach Poltawa noch einen mächtigen Verbündeten in Gestalt des Osmanischen Reiches, das zwischenzeitlich in den Krieg eintrat.
Hätte sich die Hohe Pforte dazu entschieden diesen Krieg tatsächlich aufzunehmen und durchzufechten, hätte das Peter I. an den Rand einer militärischen Katastrophe gebracht und sehr wahrscheinlich dazu genötigt mit Schweden einen Frieden zu schließen um wenigstens im Norden Ruhe zu haben.
Zu Peters Glück begnügte man sich von der osmanischen Seite her mit der Rückgabe von Asow und der Beendigung der russischen Schwarzmeer-Präsenz (Siehe "Frieden vom Pruth"), so dass Peter dadurch nicht in die Verdrückung kam einen 2-Fronten-Krieg gegen 2 Großmächte zu führen.
Das Karl XII. wenn er militärisch anders gehandelt hätte diesen Krieg gewonnen hätte, halte ich für unwahrscheinlich, im Besonderen wenn es um einen spekulativen Russland-Feldzug direkt nach dem Sieg bei Narva ging, der in den russischen Winter hinein hätte geführt werden müssen und auch die Gefahr geborgen hätte, dass:
1. In Polen-Litauen sich die Szlachta eines anderen besinnt und er es möglicherweise noch mit einem zweiten mächtigen Gegner zu tun bekommen hätte.
2. Möglicherweise ein Aufstand der unzufriedenen deutsch-baltischen Ritterschaften in Livland und Estland ihm die Versorgung aus Schweden weitgehend hätte abschneiden können.
Unter diesen Umständen war es vernünftiger sich gegen Sachsen-Polen-Litauen zu wenden.