Warum hat Preußen den Rest Deutschlands nicht einfach annektiert ?

Warum hat Preußen den Rest Deutschlands nicht einfach annektiert und stattdessen einen Förderaltsaat gegründet ?

Dabei sind mehrere historische Faktoren zu berücksichtigen.

1. Wie bereits erwähnt, hätten die damaligen Großmächte eine solche Annexion nicht toleriert. Sie hätte das europäische Mächtegleichgewicht empfindlich gestört und zu weiteren Konflikten geführt.

2. Die Idee einer deutschen Nationalstaatsgründung - auf die du vermutlich abzielst - war vor allem eine Forderung progressiver und linker Bewegungen. Diese strebten nach nationaler Einheit, aber auch nach Demokratisierung, was im Gegensatz zu den konservativen Bestrebungen der Monarchien, insbesondere Preußens, stand. Diesen konservativen Kräften ging es in erster Linie um den Erhalt ihrer etablierten Herrschaftsstrukturen und monarchischen Systeme und nicht um die Förderung eines einheitlichen Nationalstaates, der dann zwangsläufig entstanden wäre.

Edit: Auch die Erfurter Union, auf die hier Bezug genommen wird, war lediglich eine Reaktion auf die Revolution und sollte die eigenen monarchischen Strukturen sichern. Ein ehrliches Interesse an der deutschen Einheit hat es von preußischer Seite bedauerlicherweise nie gegeben. “Morgen ist der unglücklichste Tag meines Lebens! Da tragen wir das preußische Königtum zu Grabe.“ - Wilhelm I. in Versailles, ein Tag vor Reichsgründung.

Es stellt sich auch die Frage, wie und ob es überhaupt zu einer Umsetzung in diesem Ausmaß hätte kommen können. Wir hätten sicherlich religiöse Probleme und utopische aristokratische und administrative Herausforderungen gehabt.

Übrigens: Christopher Clark hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das spätere Deutsche Reich nicht als Erfüllung der preußischen Ambitionen, sondern eher als deren Untergang gesehen werden sollte. Das spätere Deutsche Reich veränderte die Machtstrukturen Preußens und führte zu einer Neuordnung, die nicht unbedingt im Sinne der preußischen Monarchie war.
 
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Edit: Auch die Erfurter Union, auf die hier Bezug genommen wird, war lediglich eine Reaktion auf die Revolution und sollte die eigenen monarchischen Strukturen sichern. Ein ehrliches Interesse an der deutschen Einheit hat es von preußischer Seite bedauerlicherweise nie gegeben. “Morgen ist der unglücklichste Tag meines Lebens! Da tragen wir das preußische Königtum zu Grabe.“ - Wilhelm I. in Versailles, ein Tag vor Reichsgründung.

Naja, eine Einrichtung, die monarchischen Strukturen sicher sollte, und die Vorheerrschaft Preußens sichern sollten, war Bismarcks "Fürstenbund" ja auch.
Es ging ja in der Einlassung um die Erfurther Union nicht um die Frage, ob diese Strukturen damit aufgebrochen worden wären, sondern darum, ob eine Einigung mindestens Norddeutschlands, mit Perspektive im Hinblick auf Erweiterung nach Süden auch auf dieser Plattform möglich gewesen und ob dementsprechend Bismarcks Annexionen von 1866/1867 notwendig waren um ein geeintes Norddeutschland zu realisieren.

Meines Erachtens hätte die Erfurter Union, wenn sie Bestand gehabt und nicht von Österreich und Russland auseinanderddividiert worden wäre mittelfristig eine ganz ähnliche Konstruktion abgegeben, wie Bismarcks Norddeutscher Bund, nämlich als vereinigter, norddeutscher Raum mit preußischer Vormacht.
Insofern die Mittelstaaten Hannover und Hessen das mindestens eine gewisse Zeit lang mittrugen, waren sie der Konzeption nicht völlig abgeneeigt.
Womit die Argumentation, dass Bismarck mehr oder weniger gewzungen gewesen wäre sie zu annektieren, weil die Mittelstaaten sonst die (Nord)deutsche Einheit verhindert hätten, in meinen Augen nicht zu halten ist.


Natürlich strebten Preußen und seine alten Eliten in erster Linie nach einem Großpreußen, nicht nach einer deutschen Einigung, bei der sie Konzessionen machen mussten.
Aber das war - und das erkannte Bismarck richtig, das gehört zu seinen Leistungen - ohne die deutsche Nationalbewegung nicht möglich.

Übrigens: Christopher Clark hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das spätere Deutsche Reich nicht als Erfüllung der preußischen Ambitionen, sondern eher als deren Untergang gesehen werden sollte. Das spätere Deutsche Reich veränderte die Machtstrukturen Preußens und führte zu einer Neuordnung, die nicht unbedingt im Sinne der preußischen Monarchie war.

Ich bin der Meinung, dass die Umwälzungen der Machtsrukturen in Preußen im Wesentlichen schon mit dessen Westverschiebung durch den Wiener Kongress unauhaltsam anliefen.
Die Reichsgründung, mag diesen Prozess beschleunigt und verstärkt haben, aber schon die Entwicklung, die zum Vereinigten Landtag von 1847 führten, die zunehmeend starke Rolle der rheinischen Industriellen, der preußische Verfassungskonflikt, dass alles beleegt in meinen Augen, dass Machtkampf und Machtverschiebung im Inneren schon vor der Reichsgründung im vollen Gange waren.
 
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