Warum immer Cassius Dio?

Sigrun

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Warum wird eigentlich immer die Version der Varusschlacht von Cassius Dio bevorzugt. Das klingt wie Netflix für Römer. Die Versionen von Velleius Paterculus und Florus sind doch zeitlich auch näher am Geschehen und klingen wahrscheinlicher aber weniger spektakulär.
 
Wahrscheinlich, weil er als einziger den Verlauf der Schlacht beschreibt. Von Florus und Velleius erfährt man ja so gut wie nichts.
 
Bei Florus und Velleius ist die Situation eine völlig andere. Es gibt einen Überfall auf das römische Sommerlager. Ein dreitägiges Defileegefecht ist natürlich literarisch besser zu verkaufen. Aber vielleicht irrt Dio
 
Außerdem berichtet er nicht nur Märchen. Ich habe mal irgendwo im Forum dargestellt, was zu entnehmen ist.

Es wurde von der Forschung untersucht wie die antike Geschichtsschreibung und auch wie die einzelnen Autoren arbeiteten, was sie sich ausdenken, was berichten und wozu sie parteiisch sind. Für Cassius Dio bei der Varusschlacht kommt nur heraus, dass der grobe Verlauf (nach seinen Möglichkeiten) im Gegensatz zu den Details (die Landschaft, Wald, Berge, Sumpf ist etwa schon purer Germanien-Topos) zuverlässig ist.
 
Das erklärt aber nicht, warum die Überfalltheorie auf das Sommerlager so vernachlässigt wird. Schließlich ist Velleius zeitlich dem Geschehen am nächsten.
 
Bei Florus und Velleius ist die Situation eine völlig andere. Es gibt einen Überfall auf das römische Sommerlager. Ein dreitägiges Defileegefecht ist natürlich literarisch besser zu verkaufen. Aber vielleicht irrt Dio

Velleius berichtet nichts zum Verlauf.

Florus bleibt dunkel und kurz.

Es wurde schon öfter darauf hingewiesen, dass Florus Dio nicht widerspricht.

Dio berichtet kein Defilee-Gefecht, sondern eine Serie von Überfällen und Gefechten während eines Marsches. Das ist aber ein Missverständnis, welches die Forschung lange geprägt hat.
 
Das erklärt aber nicht, warum die Überfalltheorie auf das Sommerlager so vernachlässigt wird. Schließlich ist Velleius zeitlich dem Geschehen am nächsten.

Wahrscheinlich berichtet Florus nur das Ende. Es soll eine offene Feldschlacht versucht worden sein. Dazu gehört regelmäßig ein Feldlager als Fluchtpunkt. Da ein Zusammenbruch der Disziplin angedeutet wird, kann durchaus sein, dass Varus in dem Lager noch Todesurteile sprach, als es schon erstürmt wurde.

Das dürfte in etwa die herrschende Meinung beschreiben.

(Ein richtiges Tor hatte ein temporäres Lager nicht und Florus muss zumindest das und die regelrechten Prozesse schon missverstanden haben, wenn er nicht sogar nur Velleius aus dem Gedächtnis falsch ausschreibt. Damals war es leider durchaus normal aus dem Kopf zu zitieren und Quellen nicht zu benennen.)
 
Wahrscheinlich berichtet Florus nur das Ende.
Dann lies Florus noch mal. Florus‘ Darstellung: Varus verhielt sich in Germanien wie in einer richtigen Provinz und wurde im Lager überfallen. Florus und Cassius Dio stehen im absoluten Widerspruch. Wer nicht im Widerspruch zueinander steht, ist Tacitus und Cassius Dio, obwohl im Rahmen der Lagerschlachttheorie und Tacitus‘ Telegrammstil bezgl. der Lagerbeschreibungen (er nennt ja das letzte Lager vor der Schlacht und das letzte Lager vor der endgültigen Niederlage in nur einem Satz) gerne vom Endlager im Dreilegionenlager fabuliert wird.

Dass Florus außerhalb der Lagerschlachttheorie bei den Überlegungen zur Varusschlacht so gut wie keine Rolle spielt, liegt daran, dass seine Epitome hauptsächlich auf Titus Livius basieren - das kann man gut abgleichen - und er daher als unzuverlässiger, eher an Rhetorik denn an sachlicher Richtigkeit interessierter Wiedergeber gilt.

Bei Cassius Dio ist in der Tat die Ausführlichkeit der Darstellungen sehr verführerisch und ich habe mir in diesem Forum die Finger wund geschrieben, um auf physikalische Unmöglichkeiten bei Cassius Dio hinzuweisen, oder darauf, dass er z.B. Caesar selbst dort noch lobt, wo dieser selbst sogar einen einigermaßen selbstkritischen Blick auf sich wirft. Aber dass Cassius Dio eine problematische Quelle ist, hebt eben nicht auf, dass Florus ebenso eine problematische Quelle ist, da hilft auch die größere zeitliche Nähe nicht.
 
Dann lies Florus noch mal. Florus‘ Darstellung: Varus verhielt sich in Germanien wie in einer richtigen Provinz und wurde im Lager überfallen.

Dann lies mich nochmal ganz und erfasse den Zusammenhang. Denn ich schreibe im Allgemeinen keine zusammenhanglosen Fetzen. Die Erklärung steht in Klammern.

Dass Florus außerhalb der Lagerschlachttheorie bei den Überlegungen zur Varusschlacht so gut wie keine Rolle spielt, liegt daran, dass seine Epitome hauptsächlich auf Titus Livius basieren - das kann man gut abgleichen - und er daher als unzuverlässiger, eher an Rhetorik denn an sachlicher Richtigkeit interessierter Wiedergeber gilt.

Das ist ein allgemeiner Grund, ihn zu kritisieren. Ich erklärte die konkrete Stelle. Livius kommt für 9 n. Chr. ganz konkret ja nicht als Quelle in Betracht. Und wenn es thematisiert wird, ist ein Missverständnis zu Velleius Paterculus samt Ausschreiben die nach meiner Schätzung häufigste Erklärung. Und wir hatten das auch schon häufiger.

Bei Cassius Dio ist in der Tat die Ausführlichkeit der Darstellungen sehr verführerisch und ich habe mir in diesem Forum die Finger wund geschrieben, um auf physikalische Unmöglichkeiten bei Cassius Dio hinzuweisen, oder darauf, dass er z.B. Caesar selbst dort noch lobt, wo dieser selbst sogar einen einigermaßen selbstkritischen Blick auf sich wirft. Aber dass Cassius Dio eine problematische Quelle ist, hebt eben nicht auf, dass Florus ebenso eine problematische Quelle ist, da hilft auch die größere zeitliche Nähe nicht.

Nur, dass es wirklich fliegende Bäume im Sturm gibt. Hat ein kleinerer neulich in Paderborn gemacht. *unverschämt grins und weglauf*

[Hinweis für Sigrun: Das ist ein interner Scherz. El Quijote zieht die Bäume in dem Zusammenhang öfter heran. Ja, physisch dürfte auch das schwierig sein, aber er macht es halt so.]
 
Dann lies mich nochmal ganz und erfasse den Zusammenhang. Denn ich schreibe im Allgemeinen keine zusammenhanglosen Fetzen. Die Erklärung steht in Klammern.
Auch deine Erklärung überzeugt nicht, wenn man Florus liest.

Das ist ein allgemeiner Grund, ihn zu kritisieren. Ich erklärte die konkrete Stelle. Livius kommt für 9 n. Chr. ganz konkret ja nicht als Quelle in Betracht.
Du meinst also, Florus, der sonst eher durch Unzuverlässigkeit gegenüber seiner Vorlage Titus Livius auffällt, ist plötzlich, weil er die Schilderungen zur Varusschlacht einer anderen Quelle entnimmt - ob das nun Velleius ist, oder jemand anders - ein Ausbund an Zuverlässigkeit?

[Hinweis für Sigrun: Das ist ein interner Scherz. El Quijote zieht die Bäume in dem Zusammenhang öfter heran. Ja, physisch dürfte auch das schwierig sein, aber er macht es halt so.]
Du gibst mich nur halb wieder. Folgt man Cassius, werden die triefendnassen offenbar aus Zucker bestehenden Römer, die sich slapstickartig mehr rutschend als marschierend durch den Wald bewegen von herabstürzenden Bäumen erschlagen, während die Germanen wie tolkiensche Elben leichtfüßig durch den Wald hüpfen und dabei Speere auf die Römer schleudern.
Edit: Oder Caesar fällt mit Schriftrollen in der Hand vom Schiff ins Wasser und geht nicht nur nicht unter, nein, er schwimmt bekleidet (hast du mal den Rettungsschwimmer gemacht?) ans Land, ohne dass die Schriftrollen nass werden.
 
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Auch deine Erklärung überzeugt nicht, wenn man Florus liest.


Du meinst also, Florus, der sonst eher durch Unzuverlässigkeit gegenüber seiner Vorlage Titus Livius auffällt, ist plötzlich, weil er die Schilderungen zur Varusschlacht einer anderen Quelle entnimmt - ob das nun Velleius ist, oder jemand anders - ein Ausbund an Zuverlässigkeit?


Du gibst mich nur halb wieder. Folgt man Cassius, werden die triefendnassen offenbar aus Zucker bestehenden Römer, die sich slapstickartig mehr rutschend als marschierend durch den Wald bewegen von herabstürzenden Bäumen erschlagen, während die Germanen wie tolkiensche Elben leichtfüßig durch den Wald hüpfen und dabei Speere auf die Römer schleudern.
Edit: Oder Caesar fällt mit Schriftrollen in der Hand vom Schiff ins Wasser und geht nicht nur nicht unter, nein, er schwimmt bekleidet (hast du mal den Rettungsschwimmer gemacht?) ans Land, ohne dass die Schriftrollen nass werden.

Tacitus, welcher bewaldete Anhöhen ausdrücklich als ein nur geringes Übel für die Römer schildert (Idistaviso), sofern keine Sümpfe im Spiel sind. Bei den Schilderungen für das Jahr 15 (Pontes Longi) jedoch klingt es schon wieder anders, da sind die Bäume durchaus ein Problem, aber eben nicht alleine sondern im Kontext mit den Sümpfen. Insofern können manche der Schilderungen bei Cassius Dio schon zutreffen (auch wenn man die Baumriesen und die anderen Übertreibungen nicht zu ernt nehmen sollte). Denn wenn durch starke Regenfälle die Flüsse und Bäche anschwellen dann wäre das indirekt eine Katastrophe für die Römer gewesen. Aber eben nicht auf einer Anhöhe und auch nicht wegen den Bäumen.
 
Das rettet Cassius Dio auch nicht vor den Zwängen der Physik. Nebenbei verstrickt sich Tacitus auch schon mal in Widersprüche.
 
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