Warum wurden die Südstaaten nach dem Bürgerkrieg so "milde" Behandelt?

GB hatte Anfang des 18. Jahrhunderts die Sklaverei abgeschafft und war seitdem die führende Nation in der Bekämpfung der Sklaverei.
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Es muss natürlich heißen Anfang des 19. Jahrhunderts. Anfang des 18. war GB noch sehr stark im Sklavenhandel involviert. Im Frieden von Utrecht hatte es sich ein Monopol für den Assiento-Handel gesichert, die Belieferung der spanischen und portugiesischen Kolonien mit afrikanischen Sklaven.
 
Aber ich frage mich dennoch, warum die Südstaaten, so milde davon kamen? Immerhin, war der Krieg der Inbegriff von Hochverrat.:mad:
https://de.wikipedia.org/wiki/Reconstruction
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Der Süden hatte zu lange Krieg geführt. Die Wirtschaft lag darnieder, das System der Sklaverei war stufenweise zusammengebrochen, die Intendantur der Konföderierten hatte Zugtiere, Pferde, Mulis Ochsen.

Grenzstaaten wie Virginia oder Maryland waren jahrelang Kriegsschauplatz und Aufmarschgebiet beider Armeen, es bildeten sich mancherorts regelrechte Banden von Marodeuren und desertierten Soldaten. Banditen wie Jesse und Frank James waren im Krieg mit Quantrills Guerilla geritten. Sie setzten im Grunde genommen das fort, was sie im Krieg gelernt hatten. Die Kriegführung war recht brutal, es kam auf beiden Seiten vor, dass Gefangene, die sich bereits ergeben hatten, massakriert wurden. Sherman hatte bei seinem Marsch durch Georgia und South Carolina wie er sagte, den Süden heulen lassen, Farmen Plantagen niedergebrannt, die Existenzgrundlage zerstört. Herrenhäuser, Farmen, Scheunen, Baumwoll- und Tabakschuppen samt den Ernten von Jahren hatte Shermans Armee auf ihrem Vormarsch von Atlanta bis zum Atlantik in Flammen aufgehen lassen. Das sorgte natürlich für sehr viel böses Blut und ungeheure Verbitterung im Süden.

Die Sklaverei war beseitigt, und es stellte sich auch das Problem, was man mit den ehemaligen Sklaven tun sollte. Sherman hatte bei seinem Feldzug 1864 sich völlig von seinen Nachschublinien entfernt und musste sich aus dem Land ernähren. Gleichzeitig hatte Shermans Armee es mit Hunderten von entlaufenen Sklaven zu tun, die sich zu Sherman geflüchtet hatten. Es war irgendwann die Rede von 40 Acres und einem Maultier, dass die ehemaligen Sklaven bekommen sollten. Die ehemaligen Sklaven waren jahrelang systematisch in Unwissenheit gehalten worden, es mussten Schulen gegründet werden. Eine Schulpflicht gab es zuvor in den meisten Südstaaten nicht. Auch weiße Kinder gingen wenn überhaupt nur unregelmäßig zur Schule. Die Analphabetismus-Rate war im Süden sehr hoch. Dass Schwarze jetzt, eigentlich, das Bürgerrecht haben sollten und wählen durften, galt vielen als unerhört. Schulen, in denen weiße und schwarze Schüler gemeinsam lernten, gab es überhaupt nicht, nur in Ohio existierte eine Schule, in der schwarze und weiße Schüler vor dem Krieg gemeinsam unterrichtet wurden.

Die Sklavenbefreiung, der Wiederaufbau der ruinierten Wirtschaft, die Wiederherstellung von Recht und Gesetz war eine sehr große Herausforderung, wenn die Südstaaten wieder in die Union integriert werden sollten, musste die einheimische Bevölkerung einbezogen werden, und es ging gar nicht anders, als dass dem Süden dabei Zugeständnisse gemacht wurden.
 
Vor allem GB hätte ja den Bürgerkrieg nutzten können, um sich einen Teil seiner Kolonien wiederzuholen. Immerhin waren die USA damals stark geschwächt. Allerdings war man im Empire damals mit sich selbst beschäftigt.

Frankreich allerdings, hätte ja durchaus die Möglichkeit gehabt, sich einzumischen! Damals war man ja in Mexiko aktiv. Und historisch gab es ja durchaus Verbindungen. Und was die Sklavenfrage anging; trotz der großartigen Erklärung der Menschenrechte, hat das niemanden davon abgehalten, sich ein Kolonialreich zuzulegen. Somit dürfte man mit Sklaverei per se kein Problem gehabt haben.

ad 1) Großbritannien hatte gerade eine ziemlich verlustreiche Intervention im Krimkrieg (1853-1856) hinter sich, und in Indien hatten es die Briten mit dem Sepoyaufstand von 1857-1859 zu tun, in Indien spricht man vom 1. Indischen Unabhängigkeitskrieg. Aus einem eigentlich banalen Aufhänger, entwickelte sich ein Konflikt, der das Empire bis ins Mark erschütterte. In der anglo-indischen Armee war ein neues Gewehrmodell eingeführt worden. Treibladung und Geschoss waren als Patrone kombiniert. Es ging das Gerücht, dass die Patrone mit Rindertalg und oder Schweinefett aufbereitet wurde, und das war sowohl für hinduistische wie muslimische Soldaten ein ernstes Problem, da sie damit dauernd gegen religiöse Vorschriften verstoßen mussten.

Die Briten hatten alle Hände voll zu tun, um Indien bis 1859 im britischen Sinne befrieden zu können. Bis zum Sepoy Aufstand war Indien sozusagen als Privatkolonie der BEIC, der East India Company verwaltet worden. Der Konflikt zwang die Briten selbst die administrative Verwaltung der Kolonie zu übernehmen. In Indien musste Infrastruktur aufgebaut werden, und es waren Investitionen erforderlich. In China hatten die Briten im 1. Opiumkrieg Hong Kong besetzt und den Freihandel erzwungen.

Auch in Irland lief einiges schief, bzw. war schief gelaufen. Eine Hungerkatastophe alteuropäischen Ausmaßes hatte Irland heimgesucht, die "grüne Insel" hatte gut und gerne 1/3 der Bevölkerung durch Unterernährung und Emigration verloren. Es war lag unter anderem auch an der Passivität und Gedankenlosigkeit der britischen Politik, dass die "Great Famine" der 1840er Jahre Irland so hart traf. Während in Irland Menschen an Hunger krepierten, exportierte Irland Lebensmittel und Agrarerzeugnisse nach GB, die zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel hätten Irland ernähren können. Vielen Landlords kam die Hungersnot gelegen, um irische Pächter zu vertreiben. Die Great Famine in Irland sorgte für eine ungeheure Erbitterung, und die Frage der Homerule für Irland, die Frage wie und ob Irland mehr Autonomie zu gewähren ist, wurde zu einer drängenden Frage der britischen Politik.

Vor diesem Hintergrund war eine der Plan einer Rückeroberung der USA oder einzelner Bundesstaaten schlichtweg Nonsens. Das hatte nicht funktioniert im Unabhängigkeitskrieg, als die 13 Kolonien noch 2-3 Millionen Einwohner hatten. Aus Irland und Deutschland wanderten um die Mitte des 19. Jahrhunderts mehr als 1 Millionen Immigranten in die USA. Durch den Louisiana Kauf von 1803 erwarben die USA den ganzen heutigen Mittleren Westen vom Golf von Mexiko bis zur kanadischen Grenze (etwa die heutigen Bundesstaaten Louisiana, Arkansas, Minnesota u.a. Dazu kamen noch die Territorien, die die USA nach dem Krieg mit Mexiko annektierten (Texas, New Mexico, Arizona). GB hätte sich dazu erst mal eine starke Armee anschaffen müssen, im 1. Weltkrieg gab es viel Debatten, als GB die Wehrpflicht einführte.

Ad 2) Der Wettlauf um Afrika im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde vor allem damit begründet, die Sklaverei zu bekämpfen und sie abzuschaffen. Aus Sicht arabischer Sklaven- und Elfenbeinjäger handelten die Europäer scheinheilig und bigott. Es war nicht mal ein Menschenalter her, da konnten die Europäer von Sklaven nicht genug bekommen. In den USA, auf Kuba und in Brasilien existierte die Sklaverei noch bis 1865 bzw. 1886 und 1888. In Brasilien wurde sie stufenweise bis 1888 abgeschafft.

Wie schon erwähnt, wurde die Sklaverei 1848 auch in den französischen Kolonien abgeschafft. GB war seit 1806 führend in der Bekämpfung der Sklaverei. Es griff teilweise massiv in die staatliche Souveränität anderer Staaten ein, um diese ebenfalls zur Ächtung der Sklaverei zu drängen oder zu motivieren.

Mit der Sklaverei hatten die europäischen Großmächte natürlich schon und zwar ein ganz erhebliches Problem. Frankreich wie GB wären vollkommen unglaubwürdig geworden, wenn sie sich mit den Konföderierten Staaten eingelassen hätten. Die Institution der Sklaverei war im 19. Jahrhundert längst ein Anachronismus. Nur der enorme Arbeitskräftebedarf um "Kolonialwaren" wie Zucker, Baumwolle, Reis, Tabak und Kaffee zu produzieren, hatte überhaupt zur Entwicklung der rassistisch motivierten, neuzeitlichen Sklaverei geführt. Ihre Apologeten betrachteten die Sklaverei als altehrwürdige, religiös gerechtfertigte Institution. Es war aber offensichtlich, dass das nicht stimmte. In Europa gab es längst keine Sklaverei mehr, selbst in Russland war 1861 die Leibeigenschaft abgeschafft worden.

Bei den Europäern gab es keine Sklaverei mehr. Die koloniale Erschließung Afrikas geschah mit der Begründung, die Sklaverei zu bekämpfen. Forscher wie David Livingstone oder Mungo Park hatten in ihren Reiseberichten die Razzien von arabischen Sklavenhändlern beschrieben, und Livingstone war der Meinung, dass alleine die Kolonialisierung der Europäer ein "ausbluten" Afrikas verhindern könne.

Die Kolonien, die Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurden, waren fast allesamt Zuschuss- und Renommierprojekte. Sie ausschließlich als Rohstoffquellen und Absatzmärkte auszubeuten, widersprach den üblichen Praktiken des Zeitalters. Eine Sonderrolle spielte der Kongofreistaat, den Leopold II. von Belgien sich am Kongo zusammenraffte. Dass war im Grunde eine Privatkolonie, Ende des 19. Jahrhunderts stellte sich heraus, dass lediglich Waffen eingeführt wurden. Der Kautschukboom kostete gut und gerne die Hälfte der Kongolesen Gesundheit und Leben. Bei den Europäern gab es keine Sklaverei, da hieß das vornehmer Zwangsarbeit.

Nach außen hin aber, war der Kongofreistaat ein philanthropisches Projekt, dass mit Spenden finanziert wurde und dem Ziel der Bekämpfung der Sklaverei, der Entwicklung der Zivilisation und der Verbreitung des Christentums diente. Als Ende des 19. Jahrhunderts Bilder von Kongolesen, denen man die Hände abgehackt hatte, um die Welt gingen, sorgte das für große Empörung und Betroffenheit. Die Presse, die Medien, die öffentliche Meinung spielte im 19. Jahrhundert eine immer bedeutendere Rolle, und in der Politik ließ sich die Bedeutung der öffentlichen Meinung nicht mehr ignorieren, und man musste darauf Rücksicht nehmen. Sklaverei hatte in der Mitte des 19. Jhds in Europa in etwa das Ansehen wie heute Zwangsprostitution und Menschenhandel.

Kolonialismus aber hätten die meisten Zeitgenossen im 19. Jhd. nicht ohne weiteres als grundsätzlich negativ angesehen. Kolonien waren nicht (nur) Ausdruck von Eurozentrismus, Hybris und Großmachtsucht. Nach ihren Apologeten sollten die Kolonisatoren sich ihrer Verantwortung bewusst sein. Rudyard Kipling sprach in einem Gedicht von "The White Man`s Burden". Man kann natürlich das koloniale Sendungsbewusstsein der Europäer kritisieren, ja man muss es sogar tun. Dieses Sendungsbewusstsein der Europäer war aber nicht nur bigott. Afrikaforscher wie Livingstone hatten ihre Gesundheit und ihre besten Jahre dem Kampf gegen die Sklaverei gewidmet, die Europäer beuteten die Kolonien nicht nur aus, es wurden auch Schulen und Krankenhäuser gebaut, man mag die Kolonisatoren kritisieren, viele von ihnen waren überzeugt, dass sie mit der "Zivilisation" ein gutes Werk tun. Wenn die Mehrzahl der Belgier gewusst hätte, was sie mit ihren Spenden finanzierten, sie wären empört gewesen. Die Briten ließen ein relativ hohes Maß an Autonomie zu und förderten lokale Eliten. Die Franzosen versuchten, die Kolonisierten zu Citoyen weiterzubilden. Im französischen Parlament saßen einige Abgeordnete aus dem Senegal, und manche von ihnen waren stolz darauf, länger französisch zu sein, als die Bewohner Nizzas.

Auch diese Aspekte der Kolonialgeschichte gilt es zu berücksichtigen in der Beurteilung. Sklaverei und Kolonialisierung in einem Atemzug zu nennen, widersprach den Werten und Gepflogenheiten des 19. Jahrhunderts. Per se mussten GB und Frankreich ein gewaltiges Problem mit der Sklaverei in den USA haben.

Wirtschaftlich war die Baumwolle aus den USA attraktiv, die Sklaverei aber ein Riesenklotz am Bein. GB wie F, vor allem aber GB, hätte als Vorreiter im Kampf gegen die Sklaverei ein riesiges Glaubwürdigkeitsproblem bekommen, wenn sie sich auf die Seite der Konföderation geschlagen hätten. Nachdem GB jahrelang die Sklaverei bekämpft hatte, mit zuweilen rüden Methoden andere Staaten genötigt hatte, dieser Linie zu folgen, konnte GB sich das aus moralisch-ideologischen Gründen einfach nicht leisten. 1806 hatte GB die Sklaverei abgeschafft. Beim Wiener Kongress hatte die Abschaffung des Sklavenhandels eine wichtige Rolle gespielt. GB hatte dafür gesorgt, dass der Transatlantische Sklavenhandel zum erliegen kam, und GB hatte seit mehr als 30 Jahren als Seepolizei den Sklavenhandel bekämpft. GB verzichtete auf einen Wettbewerbsvorteil, wenn es die Sklaverei abschaffte. Also drängte GB andere Staaten dazu, ebenfalls die Sklaverei abzuschaffen und zu bekämpfen.

 
@Scorpio

Bei den innereuropäischen Problemen GBs wäre gegebenenfalls noch der Sardinisch-Französische Krieg gegen Österreich anno 1859/1860 zu nennen, der ja durchaus folgenreich an der Wiener Ordnung sägte und GB durchaus auch dazu nötigte sich wieder verstärkt mit Frankreich und der Sicherheit Belgiens zu befassen.

Außerdem ist um diese Zeit ja auch der Dänisch-Schleswig-Holsteinische Konflikt akkut.
 
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