Indem du den Begriff "Stammeskrieger" im Zusammenhang mit Hannibals Armee verwendest machst du zu Recht deutlich, welch großen Anteil an seinen Erfolgen der Zuzug eher lokaler Kräfte im Laufe des Krieges für ihn hatte.
Der Begriff Stammeskrieger bezog sich vor allem auf die Truppen, mit denen Hannibal nach Italien gekommen ist und auf die Keltischen Truppen aus der Po Ebene.
Die Italischen Truppen die sich ihm anschlossen waren meistens selbst Milizen, wie die Milizen Roms auch. Die Stadt Capua war beispielsweise zur Zeit ihres Übertritts zu Hannibal die zweitgrößte Stadt in Italien und deutlich zivilisierter als das noch überwiegend bäuerlich - militaristische Rom. Die Truppen Capuas waren keine Stammeskrieger, die vielen Truppen die sich Hannibal in Süditalien anschlossen waren:
Milizen!
Es ist ohnehin die Frage, inwieweit nicht Hannibals Erfolge in Italien in Wahrheit eine Aufstandsbewegung gegen Rom waren. Dies auch schon vor Cannae!
Die Römer hatten dann natürlich nachher kein Interesse daran, diesen weitgehenden Abfall ihrer Verbündeten in Italien als solchen in der Geschichte zu verewigen, vor allem aus politischen Gründen, den auch noch nach Hannibal gab es regelmässig Wiederstandsbewegungen gegen Rom. Daher wurde in den Geschichtsbüchern betont Hannibals Heer als fremder Eindringling nach Italien beschrieben.
Das kann aber in gar keinem Fall so gewesen sein, die ganzen Bewegungen der Karthagischen Armee wären ohne Ortskundige unmöglich gewesen, die Aufklärung und der Nachrichtendienst Hannibals in Italien konnten nur über weitgehende Kontakte zu Italikern funktioniert haben.
Das es Hannibal mehrmals gelang, Römische Armeen in Italien auszumanövrieren ist nur möglich, wenn sein Heer viele Ortskundige Führer und Unterstützung der Bevölkerung gehabt hat.
Zwar vielen die meisten Bundesgenossen in Nord- und Mittelitalien nicht offiziell von Rom ab, dennoch dürften auch aus diesem Bereich viele einzelne oder kleine Gruppen sich Hannibals Heer angeschlossen haben.
Doch der Begriff hat auch Nachteile! Söldnerarmeen haben sich schon immer primär auf (im "Ausland") bereits vorhandenes militärisches Potential gestützt. Das können sowohl "zivilunlustige" Veteranen früherer Kriege, als auch abenteuernde Milizen und vieles mehr sein.
Söldner kommen sogar oft aus Milizen, weil diese drei Vorteile mit sich bringen: 1 sie haben einen größeren Kampfwillen, meist ist ihre Hintergrundkultur deutlich Militaristischer als die ihres Umfeldes 2 besitzen sie schon Waffen die das Eigentums des Milizionärs sind 3 haben sie in der Antike meistens auch Kampferfahrung
Aber: Söldner bedeutet, dass jemand als Berufskämpfer kämpft oder für Bezahlung. Der Punkt Beruf und Bezahlung ist der definierende.
Die meisten Karthagischen Heere im Ersten Punischen Krieg kämpften für Bezahlung. Und wurden von den Römern vernichtend geschlagen.
Insbesondere bei Hannibals Armee stellt sich die Frage, in wie weit seine Truppen wirklich für Geld kämpften.
Ich habe grosse Zweifel an der Einordnung von Hannibals Truppen als Söldner. Es gab sicher militärische Spezialisten in seiner Armee die Söldner waren und bezahlt werden mussten. Der Gros aber von Hannibals Truppen wurde nicht bezahlt. Der Gros seiner Truppen waren eben keine Söldner.
Die Motivation für einen Gros von Hannibals Truppen war die persönliche Loyalität zu ihm als Kriegsherr (das gilt insbesondere für die Iberischen Einheiten), und dann für die Kelten, Italiker und den Kern an Punischen Truppen einfach auch die Feindschaft zu Rom. Viele Kelten und Italiker schlossen sich Hannibal einfach aus Haß auf Rom an.
Meiner Meinung nach wird diese Aufstandsbewegung die Hannibal auslöste unterschätzt. Zwar fielen viele Staaten in Italien nicht offiziell von Rom ab, schlicht und einfach weil man die Republik zu sehr fürchtete, aber sehr viele Privatpersonen oder kleine Gruppen werden aus diesen Staaten trotzdem zu Hannibal übergelaufen sein.
Der Grund warum der Aufstand der dann Süditalien ergriff nicht auf Mittel und Norditalien übergriff lag bei den Nicht Römischen und Nicht Latinischen Völkern sicher in der berechtigten Furcht vor der Republik.
Die Römer sind gegen die Verräter in Süditalien dann auch im weiteren mit äußerster Brutalität vorgegangen.
Keltische Söldner wurden bis in die Zeit Hannibals hinein auch gerne von griechischen Herrschern angeworben.
Hannibal hat aber sicher die Kelten in der Po Ebene nicht bezahlt sondern sie schlossen sich ihm freiwillig an, das ist der entscheidende Unterschied.
Dafür gibt es viele Hinweise bis hin zu der Überlieferung von Namen von Kelten die Rache an bestimmten römischen Offizieren genommen haben.
Man muss dazu bedenken, dass Rom in den Jahren vor Hannibal die Kelten in der Po Ebene permanent angegriffen hat und viele der dort lebenden Stämme mit äußerster Grausamkeit unterdrückt hat.
Es ist also gar nicht so einfach zwischen "Stammeskriegern" und Söldnern zu unterscheiden.
Es ist einfach, wenn man bedenkt, was Söldner bedeutet. Es bedeutet hier, das Geld oder andere Gegenleistungen für die militärischen Dienste entrichtet werden. Die Hellenistischen Staaten haben bezahlt oder Land gegeben. Hannibal hat nichts gegeben.
Er bot den Kelten einfach Rache an gegen Rom, die Kelten und andere schlossen sich ihm aus ihrem Hass gegen die Republik an.
Sie waren also keine Söldner, sondern Aufständische. Ich sehe für diese Einordnung viele Indizien in den Quellen.
Natürlich wird es trotzdem auch Söldner gegeben haben, aber insbesondere Hannibals Armee war nicht von Söldnern dominiert.
Gerade dadurch erklären sich Hannibals Erfolge, im Gegensatz zu Söldnern waren Hannibals Kämpfer viel motivierter, sie kämpften um alles, um ihre Freiheit, für ihre Völker, gegen die Herrschaft der Republik über ihre Stämme und durch ihren Aufstand schlicht und einfach auch um das blanke Überleben, da die Republik Aufstände schlicht und einfach mit massenmorden abstellte.
Auch die Römer, die um ihre Schwäche bei der Kavallerie wussten, nahmen im Laufe ihrer Geschichte immer gerne keltische, numidische oder germanische Reiter als Söldner in ihre Dienste.
Die oft behauptete Schwäche der Römischen Reiterei ist auch so ein Märchen. Römische Reiter waren nicht schlechter, sie waren schlicht und einfach numerisch zu gering.
Man sollte dabei bedenken, dass das erste Gefecht zwischen Hannibal und den Römern in der Po Ebene ein reines Reitergefecht war in dem keine von beiden Seiten einen Sieg erzielen konnte.
Die Römer verloren zudem in der Schlacht am Trasimenischen See den Gros ihrer Kampferfahrenen Reiterei, genau diese Verluste wirkten sich dann in Cannae aus. Das kann man klar aus den überlieferten Zahlen her ableiten. Es fehlen in Cannae schlicht und einfach Reiter, aber dieses Fehlen erklärt sich sehr gut aus den Verlusten am Trasimeno See.
Einen prinzipiellen Unterschied zwischen "Stammeskriegern" und Söldnern gibt es also nicht.
Doch, er liegt in der Frage der Bezahlung bzw Entlohnung. Auch die Kelten in Hannibals Armee haben keine Bezahlung erhalten, sie kämpften aus Rache, für ihre Freiheit von Rom und für ihre Stämme die von Rom in den Jahren vor Hannibal mit brutalsten Mitteln unterdrückt worden waren. Das geht bis hin zur Überlieferung der Namen von einzelnen Keltischen Kriegern die ausdrücklich Rache für die Untaten römischer Offiziere ausübten.
Das schliesst natürlich nicht aus, dass es darüber hinaus auch Söldner gab, aber gerade Hannibals Armee ist für mich keine Söldnerarmee d.h. sie ist nicht von Söldnern dominiert.
Die Aussicht auf Beute, Ruhm und Abenteuer sind nicht nur für "Stammeskrieger" interessant gewesen, sondern auch für griechische Milizionäre, die sich auch als Söldner anwerben ließen und Andere.
Darunter sehr viele Italiker. Nicht umsonst waren Italiker dann im Söldnerkrieg die bedeutenste Gruppe, und auch schon die Mamertiner am Beginn des Ersten Punischen Krieges waren Italiker.
Viele dieser Italiker waren ehemalige Milizen die von Rom aus ihren Staaten hatten fliehen müssen. Dabei waren das keine Stämme sondern Stadtstaaten wie Capua und andere die sehr gross waren und weiter zivilisiert als Rom.
Auch viele griechische Städte in Italien wie Cumae oder Tarent stellten Truppen auf und viele dieser Truppen kämpften nach der Niederlage ihrer Heimat gegen Rom dann im Ausland weiter.
Nicht umsonst steht ja in dem Vertrag am Ende des Ersten Punischen Krieges das Karthago keine Kämpfer mehr aus Italien anheuern darf.
Man darf aber nicht die Heere Karthagos im Ersten Punischen Krieg und das Heer Hannibals im Zweiten Punischen Krieg einfach gleichsetzen.
Die Söldnerdominierten Heere Karthagos im Ersten Krieg wurden an Land fast alle geschlagen, das Heer Hannibals war ganz anders zusammen gesetzt, viel mehr von Leichten Truppen und von Stammeskämpfern dominiert und wurde nicht geschlagen.
Man kann doch nicht sagen, im Ersten Krieg waren es Söldnerdominierte Heere, deshalb war Hannibals Heer auch ein Söldnerheer. Genau diese Verallgemeinerungen finde ich falsch.
Ein Zusammenhang, den schon Delbrück gerade im Hinblick auf jene römischen Veteranen ausgeführt hat, welche das Desaster von Cannae überstanden hatten. Sie blieben sehr lange in Dienst und wurden nicht entlassen, weil sie mit der Zeit ein Höchstmaß an militärischem Können entwickelt hatten. Sie (endlich) zu entlassen, um an ihrer Statt weniger eingespielte Milizionäre aus ihrem Zivilleben heraus zu reißen um neue Legionen zu formen, fiel der politischen Führung in Rom verständlicherweise nicht ein!
Leider irrt Delbrück hier und verkennt wie viele andere die Kultur der Republik zu dieser Zeit.
Die Veteranen von Cannae wurden eben nicht an den entscheidenden Fronten eingesetzt, sie wurden nach Sizilien gebracht. Die Entscheidungsschlachten in Spanien wurden durch neue, andere Legionen ausgetragen. Den Überlebenden wurde wegen ihrer Schande nicht ehrbar an Ort und Stelle bis zum Tode gekämpft zu haben und wegen ihrer Schande Teil der Armee gewesen zu sein die diese Niederlage erlitten hat die Rückkehr in die Heimat verboten. Sie wurden deshalb in Sizilien beschäftigt. Dort fiel aber nicht die Entscheidung, die fiel in Spanien durch neue Legionen.
Veteranen waren halt immer besonders gesucht als Söldner.
Meiner Meinung nach verhält es sich anders: Veteranen hatten durch ihre Kriegseinsätze einfach oft keine andere Wahl mehr als weiter Krieg auszuüben als Beruf, man war dem Zivilleben einfach entfremdet. Gerade im Zeitalter des Massennahkampfes und der mit Muskelkraft betriebenen Blankwaffen aber war langjährige Kriegserfahrung kein ausschlaggebender Vorteil. Sie war nur ein Vorteil bei Militärberatung, Ausbildung ! (noch heute sind die meisten Söldner Berater und Ausbilder).
Nicht zuletzt deshalb tauchen Veteranen vor allem in Leibgarden, Wachen usw auf, sie tauchen nicht übermässig im regulären Militär auf und dies nicht weil es nicht genug gegegeben hätte sondern weil ihre Vorteile dort sich nicht ausgewirkt hätten.
Ein römischer Milizionär der zwei oder drei Kriegszüge gegen die Kelten in der Po Ebene hinter sich hatte war jedem karthagischen Söldner völlig gleichwertig im Kampf. Nicht aber was sein Wissen über Strategie, Ausbildung, Taktik usw angeht, ich spreche nur vom direkten Kampf. In diesem waren beide völlig gleichwertig.
Man sieht diesen Unterschied in der Kriegserfahrung vor allem in den Schlachten Hannibals die nicht durch Kampfkraft sondern durch List, Hinterhalt, Taktik usw gewonnen wurden.
Dazu nützen Veteranen aber als Kämpfer nicht, sondern als Offiziere.
Söldner waren daher gefragte Offiziere und dieses Problem des Offizierkorps war der entscheidende Grund für Roms niederlagen gegen Hannibal. Die Offiziere Hannibals und der Karthager waren Berufmilitärs, die Römischen Offiziere waren Politiker die ohne auf ihre Militärischen Fähigkeiten zu achten Militärische Posten erhielten.
Von der reinen Kampfkraft her waren die Milizen Roms durch ihre Masse und gute Ausrüstung jedem Söldnerheer Karthagos weit überlegen. Das gilt insbesondere für den Kampfwillen, und die Motivation.
Die einzige Ausnahme hier ist Hannibals Heer das eben nicht ein Söldnerheer war sondern dessen Truppen Aufständische (darunter Milizen), Stammeskämpfer usw waren, die Motivation von Hannibals Kämpfern war ebenfalls so hoch wie die von Roms Legionen.
Hier war in den Schlachten das Offizierkorps entscheidend und der Nachrichtendienst, überhaupt wird die Rolle und Wichtigkeit des Nachrichtendienstes und der Informationsgewinnung für Hannibals Erfolge drastisch unterschätzt. Ich gehe davon aus, dass sehr viele Italiker heimlich Hannibal unterstützten und ihm Informationen zukommen liessen, nur dadurch konnte er in fremden Territorium die dort einheimischen Römischen Truppen derart ausmanövrieren.