Was wissen wir eigentlich von der Geschichte unserer Nachbarn?

Das Problem bei Geschichte ist häufig auch schlicht die Wahrnehmung. Sobald Sprachbarrieren hinzukommen, nehmen wir Geschichte einfach nicht mehr wahr.
Ich verstehe nicht, was das mit Sprachbarrieren zu tun haben soll. Es ist doch nicht so, dass Bücher über die Geschichte Spaniens oder Frankreichs nur in spanischer bzw. französischer Sprache verfügbar wären oder dass Menschen, die diese Sprachen lernen, deswegen auch Bücher über die Geschichte dieser Länder lesen. (Auch der Sprachunterricht selbst vermittelt nicht zwingend Geschichtskenntnisse: Ich habe im schulischen Englischunterricht fast nichts über die Geschichte Englands oder der USA, geschweige denn sonstiger englischsprachiger Länder, gelernt.)
Wenn der "historisch Informierte" mehr über die Geschichte Frankreichs und Spaniens als die Rumäniens weiß, dann doch wohl eher, weil Frankreich und Spanien in der Geschichte Europas (und auch Deutschlands) eine größere Rolle spielten als Rumänien. (Gegenproben: Über die Geschichte Russlands weiß "man" in der Regel auch einiges, trotz großer Sprachbarriere. Über die Geschichte Kanadas wenig, trotz geringer Sprachbarriere.)

Außerdem sollte man auch das Wissen von der französischen und spanischen Geschichte nicht überbewerten. Was weiß der Durchschnitt (also Spanienfans wie Du ausgenommen) wohl?
Spanien: Da gab es einmal die Reconquista (zu Christen vs. Moslems vereinfacht), dann Kolumbus mit der Entdeckung Amerikas, Karl I./V. und Philipp II., die Große Armada, den Spanischen Erbfolgekrieg, Spanien in den Napoleonischen Kriegen, den Spanischen Bürgerkrieg, Franco, Basken und ETA, die Gegenwart. Und sonst? Was ist schon über die Zeit der Habsburger nach Philipp II., über das 18. Jhdt. nach dem Erbfolgekrieg und die Zeit zwischen Napoleon und der Zweiten Republik bekannt?
Ebenso Frankreich: Was weiß der durchschnittliche halbwegs Geschichtsinteressierte über die Zeit zwischen dem Zerfall des Frankenreiches und dem Hundertjährigen Krieg? Und dann über die Zeit bis zu Ludwig XIV.? Da sind den meisten doch gerade mal die Hugenotten und vielleicht die Bartholomäusnacht (als Begriff, aber kaum, was genau passierte) sowie Kardinal Richelieu (aber wohl auch nur dank der "Drei Musketiere") noch ein Begriff.

Was mich betrifft: extrem wenig.
An diesem trüben Zustand gebe ich mir aber nicht die Schuld, sondern wälze sie auf das selektive Unterrichtsmaterial des Schulunterrichts ab. In den Fächern Geschichte, Politik, Erdkunde spielte Rumänien im Gymnasium der 70er-80er Jahre keine Rolle.
Das ist zwar einerseits bedauerlich, andererseits muss man auch realistisch sein: Kinder und Jugendliche verbringen schon genug Zeit in der Schule. Würde man alles noch genauer durchnehmen, könnte man locker noch ein paar Jahre dranhängen. Die meisten interessiert es ohnehin nicht und sie vergessen es rasch wieder.
Es geht ja nicht nur um Geschichte: Der Biologieinteressierte bedauert vielleicht, dass in der Schule die reichhaltige endemische Flora und Fauna Madagaskars nicht eingehend behandelt wird. Den Chemiefan stört vielleicht, dass manche Elemente des Periodensystems nicht einmal erwähnt werden. Den Geographieinteressierten, dass der durchschnittliche Maturant/Abiturient vermutlich noch nie von Guinea-Bissau gehört hat.
Würde in der Schule alles behandelt, was der Bildungsbürger wissen sollte bzw. einschlägig Interessierte für allgemein wissenswert erachten, wären wir bei Matura/Abitur mit 30.

Oder was außerhalb von Europa war? Erst im Rahmen der Entdeckungen. Ja da wurden dann die Länder entdeckt.
Das geht noch schlimmer: Die österreichische Geschichte wurde uns so vermittelt, dass es zu Beginn die Babenberger im Raum Niederösterreich/Wien gab, und die Gebiete der restlichen Bundesländer kamen nach und nach dazu. Anders ausgedrückt: Sie traten erst ins "Licht der Geschichte", wenn sie zu Österreich kamen. Die Geschichte etwa Kärntens oder Tirols oder gar Salzburgs (immerhin erst seit zwei Jahrhunderten bei Österreich) davor: Fehlanzeige. Geschweige denn eine nähere Behandlung der Geschichte Ungarns, zu dem das Burgenland bis vor hundert Jahren gehörte. (Zwar besuchte ich in Niederösterreich die Schule, aber dass allein kann nicht der Grund für diese einseitige Darstellung gewesen sein, denn die Schulbücher waren auch so aufgebaut. Falls also die Schüler in anderen Bundesländern etwas mehr über ihre Regionalgeschichte lernen, dann vermutlich allenfalls auf Eigeninitiative der Lehrer.)
 
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Ich verstehe nicht, was das mit Sprachbarrieren zu tun haben soll. Es ist doch nicht so, dass Bücher über die Geschichte Spaniens oder Frankreichs nur in spanischer bzw. französischer Sprache verfügbar wären oder dass Menschen, die diese Sprachen lernen, deswegen auch Bücher über die Geschichte dieser Länder lesen. (Auch der Sprachunterricht selbst vermittelt nicht zwingend Geschichtskenntnisse: Ich habe im schulischen Englischunterricht fast nichts über die Geschichte Englands oder der USA, geschweige denn sonstiger englischsprachiger Länder, gelernt.)
Wenn der "historisch Informierte" mehr über die Geschichte Frankreichs und Spaniens als die Rumäniens weiß, dann doch wohl eher, weil Frankreich und Spanien in der Geschichte Europas (und auch Deutschlands) eine größere Rolle spielten als Rumänien.
Ja und nein. Der Mensch interessiert sich i.d.R. für das, was er kennt. Sprich, Interesse generiert sich zu einem Großteil aus Vorkenntnis. Und das generiert sich u.a. auch aus dem Sprachunterricht.
Trendsprachen muss nicht unbedingt jeder Rezipient von Geschichte kennen, aber Trendsprachen sorgen eben dafür, dass generell mehr Leute sich für die Sprachen und - u.a. auch wegen Reisen dorthin und Sehenswürdigkeiten - damit auch für die Geschichte der Länder interessieren, in denen die Sprachen gesprochen werden. Dadurch wird praktisch mehr zur Geschichte Amerikas, Englands, Frankreichs und Spaniens publiziert, als zur Geschichte eben Rumäniens. Das ist natürlich kein Automatismus. Wir haben auch nicht viel mehr als die Milestones in English bzw. American History im Schulbuch gehabt.

Das ist zwar einerseits bedauerlich, andererseits muss man auch realistisch sein: Kinder und Jugendliche verbringen schon genug Zeit in der Schule. Würde man alles noch genauer durchnehmen, könnte man locker noch ein paar Jahre dranhängen. Die meisten interessiert es ohnehin nicht und sie vergessen es rasch wieder.
Es geht ja nicht nur um Geschichte: Der Biologieinteressierte bedauert vielleicht, dass in der Schule die reichhaltige endemische Flora und Fauna Madagaskars nicht eingehend behandelt wird. Den Chemiefan stört vielleicht, dass manche Elemente des Periodensystems nicht einmal erwähnt werden. Den Geographieinteressierten, dass der durchschnittliche Maturant/Abiturient vermutlich noch nie von Guinea-Bissau gehört hat.
Würde in der Schule alles behandelt, was der Bildungsbürger wissen sollte bzw. einschlägig Interessierte für allgemein wissenswert erachten, wären wir bei Matura/Abitur mit 30.
Sachwissen ist nur ein geringer Teil dessen, was in der Schule vermittelt wird und das eher exemplarisch als umfassend. In der Schule geht es in erster Linie um den Kompetenzerwerb. Fach-/Sachkompetenz, Methodenkometenz, Sozialkompetenz, Selbstkompetenz.
 
Ja und nein. Der Mensch interessiert sich i.d.R. für das, was er kennt. Sprich, Interesse generiert sich zu einem Großteil aus Vorkenntnis. Und das generiert sich u.a. auch aus dem Sprachunterricht.
Trendsprachen muss nicht unbedingt jeder Rezipient von Geschichte kennen, aber Trendsprachen sorgen eben dafür, dass generell mehr Leute sich für die Sprachen und - u.a. auch wegen Reisen dorthin und Sehenswürdigkeiten - damit auch für die Geschichte der Länder interessieren, in denen die Sprachen gesprochen werden. Dadurch wird praktisch mehr zur Geschichte Amerikas, Englands, Frankreichs und Spaniens publiziert, als zur Geschichte eben Rumäniens. Das ist natürlich kein Automatismus. Wir haben auch nicht viel mehr als die Milestones in English bzw. American History im Schulbuch gehabt.
Was ist die Ursache und was die Wirkung? Interessiert man sich für ein Land, weil man die "Trendsprache" lernt, oder lernt man nicht viel eher die Trendsprache, weil man sich fürs Land oder den Kulturkreis interessiert?

Viele Menschen lernen eine Sprache außerdem ohnehin nur, weil sie müssen oder weil sie sich davon berufliche Vorteile erhoffen. Ob das dann gerade das Interesse fürs Land an sich anregt?

Mag sein, dass ich die absolute Ausnahme von der Regel bin, aber der erzwungene schulische Englischunterricht hat bei mir kein besonderes Interesse für England, seine Kultur und Geschichte hervorgerufen. Latein und Altgriechisch habe ich gelernt, weil mich die zugehörigen antiken Kulturen interessiert haben, nicht umgekehrt.

Dass mehr zur Geschichte Amerikas, Englands, Frankreichs und Spaniens publiziert wird als zur Geschichte eben Rumäniens, ist sicher richtig. Aber hängt es wirklich mit den Sprachkenntnissen zusammen, dass Bücher zur Geschichte Amerikas, Englands, Frankreichs und Spaniens mehr nachgefragt werden? Oder vielleicht doch z. B. damit, dass in der Schule jeder etwas über Ludwig XIV., die Französische Revolution und Napoleon lernen muss und das vielleicht interessant findet? Oder vielleicht z. B. damit, dass jemand gerne Filme und Serien über den Sezessionskrieg sieht und mehr darüber erfahren möchte? (Anderes Thema, aber die Zahl derer, die durch die populären PC-Spiele "Age of Empires 2" und "Rome: Total War" dazu gebracht wurden, sich mit dem Mittelalter bzw. der Antike zu beschäftigen, ist Legion.)
 
Also mein Interesse an Geschichte wurde, wenn ich mich richtig erinnere, eigentlich durch Asterix und Obelix geweckt. Ich fand Caesar und die Römer immer unheimlich interessant und habe mich dann angefangen, mehr für sie zu interessieren. Bis heute nimmt Rom bzw. das Römische Reich eine Topposition bei mir ein. :D

Parallel dazu habe ich Manfred Mays "Deutsche Geschichte" in die Hände bekommen - ich glaube, dass es in der 5. Klasse war - und ich regelrecht verschlungen habe. Dazu noch hat mich meine Leidenschaft für Topographie dahin geführt. Ich liebe Ländergrenzen und ich wollte wissen, wie die Ländergrenzen früher aussahen.

Bei mir war es tatsächlich, kaum zu glauben, mein Geschichtslehrer. Der hat mit einer so unglaublichen Leidenschaft unterreichtet, das wirkte auf mich irgendwie ansteckend. Irgendwann ging ich dann ich die nächste Bücherei und habe mir ein Geschichtsbuch ausgeliehen. So begann es. Das ist schon so viele Jahre her..:)
 
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