Trotzdem waren die norditalienischen Städte im Hoch- und Spätmittelalter außerordentlich erfolgreich.
Natürlich waren sie das. Ich würde auch dem Befund, dass dieser Erfolg einen gewissen Anteil daran hatte, dass sich Norditalien stärkere staatliche Strukturen herausbildeten nicht widersprechen wollen.
Nur sehe ich den Grund eher in einem fragilen Machtgleichgewicht, auf dass die Kommunen zwecks Erhaltung ihrer Unabhängigkeit und Position mit Wehrverfassungen und anderen Organisationsmaßnahmen reagierten, die dazu tendierten eine jedenfalls rudimentäre, von der Person des Herrschers losgelöste institutionelle Staatsmacht zu schaffen, nicht in irgendwelchen Formen von besonderem Vertrauen oder Rechtssicherheit, denn die gab es nicht.
Wegen der ständigen machtpolitischen Auseinanderstzungen der italienischen Klein- und Mittelstaaten miteinander, mussten sich die unabhängigen Städte wehrfähig halten, und das funktionierte in befriedigender Weise nur durch die Organisation ihrer Bewohner, die rechtlich verankert und jederzeit durchsetzbar sein musste.
Die Probleme, die die Söldnerei mit sich brachte, hat abermals Machiavelli in seinem "Il Principe" benannt: Söldner haben die problematische Tendenz, entweder nicht allzuviel zu taugen oder im Fall, dass sie erfolgreich sind, sehr schnell ein de fact nicht mehr kontrollierbares Eigenleben zu entwickeln, was Loyalitätsprobleme mit sich bringt und im schlimmsten Fall damit endet, dass sie am Ende denjenigen, der sie angeheuert hat mehr oder weniger in Geiselhaft nehmen, oder gar absetzen/vertreiben, um sich selbst einen Herrschaftskomplex aufzubauen, im Besonderen, wenn sie erfolgreiche und ehrgeizige Anführer (z.B. Typen wie Francesco Sforza oder Federico da Montefeltro) hatten.
Wenn aber Söldnerei regelmäßig mehr probleme schuf, als sie löste und in Ermangelung ausgedehnter Territorialherrschaften und auf Grund der sich ständig umwälzenden politischen Verhältnisse in den Städten auch nicht an die Einrichtung eins ausgedehnten Lehenswesens und entsprechender Lehensaufgebote zu denken war, blieb gar nichts anderes übrig, als die Bewohner der Städte in verstärktem Maße auf ihre Verteidigung zu verpflichten und das konnte ohne persönliche Abhängigkitsverhältnisse gegenüber irgendeinem Fürsten oder Söldnerei nur auf rechtlich-institutioneller Grundlage erfolgen, die mindestens auf dem Gebiet der Wehrpolitik Strukturen schuf, die nicht mehr rein auf eine Herrscherfigur bezogen waren.*
Auch in den meisten anderen Teilen Europas, die auf dem Weg zur Zentralisierung und der Herausbildung einer starken Staatsmacht voranschritten, war die Initialzündung dazu die Schaffung einer von den Launen der Stände und von ehrgeizigen Söldnerführern weitgehend unabhängigen militärischen Truppe, die in Friedenszeiten dazu genutzt werden konnte, die Partikularinteressen und Sonderrechte in der Peripherie der Territorialzusammenhänge sukkzessive zurückzudrängen und effektive Besteuerungssysteme zu Gunsten der Zentrale durchzusetzen, was überhaupt erstmal Handlungsmöglichkeiten schuf.
Und da sehe ich einen wesentlichen Unterschied zwischen Ober- und Unteritalien.
Unteritalien war (wenn man Sizilien und Sardinien als Inseln jetzt einmal ausklammert) im grunde durch seine gesamte Geschichte seit der Normannenzeit hindurch ein auf Neapel als unangefochtenes Zentrum bezogener Flächenstaat, mit einer Monarchie anstelle einer Republik mit permanent instabilen Machtkonstellationen.
Als Monachie mit klaren persönlichen Herrscherfiguen auf Lebenszeit und einem Herrschaftsgebiet über den geamten Süden Festlanditaliens, war es in Neapel-Sizilien (vor allem aber im festländischen Teil) ohne weiteres Möglich für Kriegszwecke auf konventionelle Lehensaufgebote zurück zu greifen.
Das Land war groß genug um ansehnliche Aufgebote zu stellen und das System der Monarchie stetig genug auf eine Herrscherfigur fokussiert, dass die persönliche Bindung zwischen Monarch und Adel tragfähig war.
Außerdem lag Neapel-Sizilien in Sachen militärischer Auseinandersetzungen immer mehr in einer Randlage, in der sich militärische Bedrohungen meist in Grenzen hielten.
Wozu also anfangen Insitutionen für das Kriegswesen und zu dessen Finanzierung und Aufrechterhaltung zu schaffen?
Die Norditalienischen Stadtstaaten hatten durchaus Gründe dazu, Unteritalien kaum.
Das in Unteritalien die Staatsgewalt immer relativ schwach blieb, würde ich sehr stark daran festmachen wollen, dass Neapel-Sizilien bei der Herausbildung moderner militärischer Strukturen im Sinne eines stehenden Heeres eher ein Nachzügler war, wärend in den Norditalinischen Kleinstaaten die Grundlagen dafür und dadurch auch für die Durchsetzung der Zentralgewalt im Land früh gelegt waren.
Wären andere unteritalienische Städte auf dem Festland außer Neapel ähnlich erfolgreich gewesen, wie die Signorie in Oberitalien und in die Position gekommen die Vorrangstellung Neapels und der dortigen Monarchie tatsächlich heraus zu fordern und sich in Unteritalien andere Einflusszonen zu schaffen, würde sich dort vermutlich eine ähnliche Entwicklung vollzogen haben wie im Norden.
der einzige echte Konkurrent in Süditalien für Neapel wurde aber Palermo, und diese beiden Zentren dürften sich schon deswegen relativ wenig ins Gehege gekommen sein, weil die Straße von Messina, die Sizilien von Unteritalien trennt ene natürliche Demarkationslinie darstellt, mit der wahrscheinlich beide mehr oder weniger gut leben konnten.
Allerdings verlief die Geschichte einmal so, dass Neapel als städtisches und machtpolitisches Zentrum wesentlich erfolgreicher war, als alle Städte Oberitaliens, insofern es die ehemals bedeutende Orte in Unteritalien, wie Capua, Salerno, Brindisi, Bari oder Tarent erfolgreich marginalisierte und sich sehr früh als unangefochtenes Zentrum der Region durchsetzte, was in disem Sinne außer Neapel zu einem ähnlich frühen Zeitraum nur Rom gschafft hatte.
Venedig erreichte einen solchen Status erst einige Jahrhunderte später, Florenz und Mailand erreichten ihn in dieser Absolutheit im Grunde genommen nie oder erst in Habsburgischer Zeit.
*In diesem Sinne, halte ich übrigens Machiavelli der, in seinem "principe" mehr oder weniger genau das forderte und der Söldnerei eine klare Absage erteilte, für sehr missverstanden, wenn ihm im Bezug auf dieses Werk vorgeworfen wird, das was man das persönliche Regiment des Fürsten nennen könnte, nach Kräftenn unterstützt zu haben.
Auf dem machtpolitischen Schlüssselgebiet der Wehrpolitik tat er das gerade nicht.
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