Wie groß waren Reiterabteilungen/ 10. Jhd.?

Ines

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In der Sachsengeschichte (69) des Widukind von Corvey heißt es, dass der Böhmenherzog Boleslav dem Mieszko, Herzog von Polen, 2 Reiterabteilungen schickte.
Ich frage mich, wie groß diese Abteilungen waren. Gibt es für diese Zeit Standards (so wie etwa bei den Römern)? Bemisst man die Größe einer solchen Einheit etwa an der Größe des Heeres eines Reiches? Bspw. unterhielt der Polenherzog Mieszko ca. 3500 Gepanzerte.....
Ich habe dazu im Netz nichts finden können.
Es wäre toll, wenn mir hierzu jemand weiterhelfen könnte.
LG Ines
 
Es handelt sich um III, LXIX:

Audiens autem Wichmannus urbem captam sociosque afflictos ad orientem versus iterum se paganis inmersit, egitque cum Sclavis qui dicuntur Vuloini, quomodo Misacam amicum imperatoris bello lascesserent; quod eum minime latuit. Qui misit ad Bolizlavum regem Boemiorum - gener enim ipsius erat - accepitque ab eo equitum duas acies. Cumque contra eum Wichmannus duxisset exercitum, pedites primum ei inmisit. Cumque ex iussu ducis paulatim coram Wichmanno fugerent, a castris longius protrahitur, equitibus a tergo inmissis, signo fugientes ad reversionem hostium monet. Cum ex adverso et post tergum premeretur, Wichmannus fugam inire temptavit.
Um die Frage [leider nicht wirklich] zu beantworten: Sie ist vermutlich falsch gestellt. Wegen der ÜS Abteilungen. Die Frage würde sich nicht stellen, übersetzte man Bolislav schickte zwei Reiterheere. Denn Abteilung impliziert, dass es einigermaßen definierte Größen gibt. Das ist bei Heer nicht der Fall. Über stehende Heere (mit Abteilungen) dürfte Bolislav - das traue ich mir ohne militärhistorische Expertise zu behaupten zu - kaum verfügt haben.
 
Danke für dein Feedback. Ich habe die Sachsengeschichte vorliegen als Reclam Heft und dort ist entsprechend die deutsche Übersetzung zur jeweiligen Seite abgedruckt. Es steht dort wörtlich "Reiterabteilungen", deswegen hatte ich es auch so zitiert. Ich selbst spreche kein Latein und verlasse mich da auf die fachkundigen Übersetzer dieses Büchleins... Es ist ja auch egal, ich denke, ihr wisst, was ich meine.
Der Boleslav von Böhmen verfügte aber schon über ein "Heer", ich denke auch "stehend", er hatte ja zum Beispiel auch Anteil an der Lechfeldschlacht. Ich habe dazu in meinen Rechercheunterlagen auch irgendwo auch die Größe definiert gefunden, ich denke, es wird ähnlich wie in Polen gewesen sein. .....
 
Begriffe wie "Schwadron", "Abteilung" oder "Regiment" sind leider ein verbreiteter Anachronismus in Bezug auf das Mittelalter. Militärische Einheiten im heutigen Sinne tauchten erst im 15. Jahrhundert wieder auf. Tatsächlich folgten die zum Kriegsdienst verpflichteten Männer ihrem Lehns- oder Dienstherrn, und zwar in der Stärke, die dieser Herr aufbringen konnte bzw. musste. Die Abteilung (im wörtlichen, nicht im taktischen Sinne) eines Herrn mochte also zehn Reiter umfassen und die des nächsten sechshundert. Diese Aufgebote wurden dann bedarfsorientiert zusammengefasst. Ich denke nicht, dass man hier quasi standardisierte Zahlen nennen kann.
 
Bei der Lechfeldschlacht stehen Widukind von Corvey Tausendschaften vor Augen. Das kommt aber von dem Begriff der Legion her, die seit der Spätantike nur noch tausend Mann bedeutete. Das ist nicht wörtlich zu verstehen, auch wenn es eine glaubwürdige Stärke ergibt. Da wir nichts anderes haben, werden die Angaben dennoch immer wieder wiederhohlt.

Die Tausend wiederholen sich für Böhmen an anderer Stelle. Vielleicht ist das immer Symbol, aber vielleicht bezeichnet es tatsächlich die Zahl mit der Böhmen Heeresfolge leisten konnte oder musste oder es gehörte nur zu einer formalen Eidesformel. Wir wissen das nicht so genau.

Zu tatsächlichen Zahlen können wir uns nur auf Notwendigkeiten berufen. Mit der menschlichen Stimme lassen sich Reitereinheiten bis zu etwa 250 Mann kommandieren. Das erklärt einerseits die Größe späterer Schwadronen, bewirkt aber auch zuvor die Notwendigkeit, dass größere Haufen unterteilt waren, was uns aber nicht weiterhilft.

Das lateinische Wort "acies" bedeutet "Schneide", davon abgeleitet dann auch "Schlachtfront, Schlachtordnung(, Heer)", dann auch einen großen Abschnitt derselben, einen Flügel etwa, dann auch etwas kleinere, aber nennenswerte Abschnitte. Insofern es sich um eine Abteilung eines Heeres handelt, ist Abteilung schon gut übersetzt. Die heutige/napoleonische Division, die eigentlich mit Abteilung übersetzt werden kann, ist ja eine Ab-teilung eines Korps**, ohne eine Einheit zu sein. (Die Preußen kannten auch Divisionen von Bataillonen aus zwei Kompanien oder Schwadronen.) Im Alltag wird es auch für eine Gruppe Soldaten unbekannter Größe benutzt und, da heute Soldaten in 'Einheiten' geordnet sind, wird dann oft eine Einheit vorausgesetzt.

Damals gab es aber solche Einheiten nicht, wie schon muck erklärte. Das Aufgebot war nach Stämmen geordnet. Darunter kamen die einzelnen Aufgebote, sei es nach dem 'Landrecht'* der Stammesrechte von Grafschaften oder nach den Lehnsrecht von Bannerherren. Die wurden dann auf die Schlachtlinie verteilt.

Es gibt natürlich gewisse Ausnahmen. Etwa konnte eine Leibgarde existieren, die aus Männern bestand, die sich beim Dienst abwechselten und sonst auf für den Dienst verliehenen Gütern lebten. Aber das war eher wie eine Gefolgschaft organisiert und nicht wie eine Einheit.

Generell wäre ich bei deutschen Übersetzungen von militärischen Begriffen vorsichtig. Ebenso bei Erwähnungen in der Presse. Seit den 70ern sind die, oft auch bei angesehenen Verlagen und Medien, nicht immer sachgerecht. Ein Effekt des Ukraine-Kriegs ist, dass es damit wieder besser wird.

Und bei allen lateinischen Texten besteht das Problem, dass nicht immer richtig übersetzt werden kann. Wir haben kein Wort im Deutschen, dass dieselben Bedeutungen wie acies zusammenfasst. Eine Übersetzung der fraglichen Stelle lässt daher immer zu wünschen übrig, egal wie gut der Übersetzer ist.

* Ich benutze den eigtl. anachronistischen, späteren Begriff hier als Vereinfachung. Ebenso dann die Bannerherren, weil Vasallen auch nicht ganz richtig wäre.
** Division und Korps sind Truppenverbände, keine Einheiten also, sondern Zusammenfassungen von Einheiten. In der Neuzeit war lange das Regiment, unterteilt in Kompanien, die Versorgungseinheit und das Bataillon, unterteilt in Pelotons oder Züge, die taktische Einheit. Heute wird unter Einheit verstanden, wo die Stammliste geführt wird, in Deutschland die Kompanie. Ich will sagen, dass das alles eine Frage der Zeit und der Definition ist. Die preußischen Zusammenfassungen zweier Kompanien oder Schwadronen etwa waren ja wieder taktische Einheiten.
 
Vielleicht hilft der Begriff Scara weiter. Hinkmar schrieb in seinen Briefen an die Bischöfe von Reims im 9. Jh.: Bellatorum acies quas vulgari sermone scaras vocamus. (Eine Abteilung Krieger, die wir gemeinhin als scara bezeichnen). Wenn er doch nur auch noch geschrieben hätte, wie viele das waren.

Im 10.Jh. verglich dann Aimoin von Fleury die scara mit einer turma seiner Zeit: collegit lectam è Fránciæ bellatoribus scaram, quam nos turma vel cuneum appellare possumus.
https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=ucm.532353639x&view=page&seq=356&q1=scaram
Wie viele das dann auch waren, sicherlich nicht mehr die antiken 30-35 Reiter pro turma.

Es muss sich bei den acies Widukinds um eine für ihn und die Beteiligten einigermaßen bestimmbare Größe handeln, denn sonst hätte damals wie heute die Mengenangabe "zwei" keinen Informationsgehalt. Wenn Boleslav dem Mieszko 2 Scharen, Aufgebote, Formationen, Kontingente oder Einheiten Ritter versprach, mussten sich beide doch in etwa vorstellen können, wie viele das waren, schon aus planerischen Gründen.
Wenn mit der Mengenangabe "zwei" vielleicht nur eine räumliche oder zeitliche Staffelung in zwei Reihen oder Wellen ausgedrückt werden sollte, wäre diese Information imho nicht erwähnenswert und hätte auch keinen großen militärischen Wert.
Am plausibelsten erscheint mir, dass es sich dabei um zwei, wie von @Riothamus beschriebene Einheiten handelte, die aus praktischen Gründen gerade noch von einem Anführer kommandiert werden konnten. Ich finde darum Begriffe wie Schwadron oder Abteilung angebracht, auch wenn ich nicht weiß, wie viele es waren.
 
Es muss sich bei den acies Widukinds um eine für ihn und die Beteiligten einigermaßen bestimmbare Größe handeln, denn sonst hätte damals wie heute die Mengenangabe "zwei" keinen Informationsgehalt.
Nicht unbedingt. Vielleicht hat Bolislav die Reitereinheiten zwei verschiedene Routen geschickt.
Oder er hat sie nicht gleichzeitig losgeschickt, weil vielleicht nicht alle Krieger pünktlich zum Aufgebot erschienen. Und sicher sind noch weitere Lesarten möglich.

Ups, beim Weiterlesen merke ich, dass du dieselbe Idee auch schon hattest.

Ich finde darum Begriffe wie Schwadron oder Abteilung angebracht, auch wenn ich nicht weiß, wie viele es waren.
Wenn du schon Hinkmar zitierst... warum dann nicht Schar?
 
Bspw. unterhielt der Polenherzog Mieszko ca. 3500 Gepanzerte.....
Das ist mit Sicherheit eine Übertreibung, mit der die Macht/Stärke des "Herzogs" zum Ausdruck gebracht werden soll.
Die Heere des Frühmittelalters z.B. im 8.-11. Jh. lassen sich zahlenmäßig nicht mit den Legionen der Kaiserzeit vergleichen, und das auch dann nicht, wenn gelehrsame klerikale Historiographen gelegentlich das klass. lat. Vokabular verwenden.
Ein Heer aus Panzerreitern in diesem Zeitraum umfasste gerade ein paar Hundert solche, siehe Prietzel Krieg im Mittelalter
 
Ich danke euch, dass ihr euch die Zeit nehmt, mir hier so ausführlich eure Einschätzungen mitzuteilen. Auch wenn ich immer noch keine präzise Zahl weiß, so helfen mir die Kommentare doch, die Sache besser einordnen zu können.
Das ist mit Sicherheit eine Übertreibung, mit der die Macht/Stärke des "Herzogs" zum Ausdruck gebracht werden soll.
Die Heere des Frühmittelalters z.B. im 8.-11. Jh. lassen sich zahlenmäßig nicht mit den Legionen der Kaiserzeit vergleichen, und das auch dann nicht, wenn gelehrsame klerikale Historiographen gelegentlich das klass. lat. Vokabular verwenden.
Ein Heer aus Panzerreitern in diesem Zeitraum umfasste gerade ein paar Hundert solche, siehe Prietzel Krieg im Mittelalter
Es geht hier nicht um die Größe eines Heeres, das ins Feld zieht, sondern darum, wieviele ausgebildete Männer hier laufend unterhalten werden mussten. Die Angabe stammt im Übrigen nicht von einem klerikalen Chronisten, sondern ist Inhalt von Reiseberichten arabischer Gelehrter, welche über die Völker im Norden und Osten geschrieben haben und auch jeweils bei Hofe weilten. Trotzdem mag sie übertrieben sein, jedoch gehe ich davon aus, dass wir hier schon über vierstellige Zahlen sprechen können....
 
Bspw. unterhielt der Polenherzog Mieszko ca. 3500 Gepanzerte.....

Die Angabe stammt im Übrigen nicht von einem klerikalen Chronisten, sondern ist Inhalt von Reiseberichten arabischer Gelehrter, welche über die Völker im Norden und Osten geschrieben haben und auch jeweils bei Hofe weilten.
Ich nehme an, es handelt sich ganz konkret um Ibrāhīm ibn Yaʿqūb aṭ-Ṭurṭūšī?
 
sondern darum, wieviele ausgebildete Männer hier laufend unterhalten werden mussten.
Dazu im Frühmittelalter führt Prietzel in seinen beiden Büchern Quellen mit Zahlen an: Es kommen keine großen Zahlen zustande. Die Ausrüstung eines Elitekriegers (Panzerreiter/Ritter) war enorm kostspielig. In karolingischer und ottonischer Zeit gab es Bestimungen, wie viele Bewaffnete hohe Herren (z.B. ein Bischof) aufzubringen hatten: da kamen nicht sonderlich viele zusammen.
Ich kann dir leider nicht die Zahlen zitieren, da ich beide Bücher nur aus der Biblio entliehen hatte und mit anderer Zielsetzung gelesen hatte. Aber den Prietzel empfehle ich dir.
 
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