Wie hat ein keltisches Dorf ausgesehen?

Hallo Ashigaru,

ja die Wohnpodien im Heidetränk-Oppidum (rechte Seite von der Straße von Oberursel/Frankfurt nach Norden (Richtung Feldberg) gesehen, oder?) scheinen ziemlich klein zu sein. Ich war schon öfter da oben und das ist mir auch aufgefallen.
Aber trotz gelegentlicher Besuche dort ist es mir noch nie in den Sinn gekommen, die potentielle Wohnfläche der Podien mal auszumessen und die Ausmessungen mit Befunden aus anderen keltischen Siedlungsgrabungen zu vergleichen. Sollte man mal machen.
Im Heidetränk-Oppidum kommt hinzu, dass die "Wohnpodien" wohl kaum die einzigen Orte für Gebäude auf dem Oppidumgelände gewesen sein können. Das befestigte Oppidum war sehr, sehr, sehr viel größer und die Befestigungsanlagen ziehen auch links des Urselbaches (von Süden und Oberursel/Frankfurt aus gesehen) auf die Höhe hoch, schließen den Berggipfel ein und ziehen danach nördlich des Gipfels wieder den Berg runter Richtung Urselbach und auf der anderen Seite von Bach und heutiger Straße wieder bergauf.

Da sind unendlich viele andere Plätze wo mehr und größere Gebäude gestanden haben könnten. Leider sind nur wenige Teile des Heidetränk-Oppidums überhaupt wissenschaftlich sauber ausgegraben. Der Großteil der Funde von der Heidetränk sind Oberflächenfunde von Begehungen oder als ziemlich schwierig einzustufende Funde - ohne Befunde - von sog. "Hobbyarchäologen", die ihre mit Dektetoren gefundenen Metallgegenstände dankenswerterweise der ärchäologischen Wissenschaft zur Verfügung gestellt haben. (Will sagen, dass das Heidetränk-Oppidum seit Jahrzehnten von illegalen Sondengängern ausgeplündert wird - Befunde werden nicht dokumentiert und falls Funde tatsächlich bei der Archäologie landen, sind sie kaum auszuwerten.) - Wie will man da denn nachvollziehen, wo in diesem sehr großem Oppidum welche Gebäude gestanden haben könnten und wie sie ausgesehen haben könnten?

- Naja, dass die Gebäude dort nicht rund und aus Steinen errichtet waren, kann ich jedenfalls bezeugen.

VG

Nemetona

Der ältere Teil liegt sogar links der Straße und des Tales. Muss seinerzeit sehr beeindruckend gewesen sein, wie die größte Siedlung weit und breit beiderseits über dem Talgrund thronte. Aber ich schweife ab, und darum ging es mir: der Aufsatz von Raimund Karl ist sehr populär hier, und zwar auch zu Recht.
Ich wollte aber aufzeigen, dass es ebenso Befunde gibt, die für eine "klassische" Rekonstruktionsweise sprechen.
Was die Bebauung im Heidetränk-Oppidum betrifft, so sind bisher die Wohnpodien und natürlich auch Lesefunde der einzige Anhaltspunkt, denn in der Tat gab es fast keine Grabungen in der Innenfläche. Leider blieb es auch im letzten Jahrzehnt bei den hessischen Archäologen "außen vor", wo es ja doch mal ein paar Forschungsgrabungen zur keltischen Epoche gab.
 
Guten Tag,
Haerangil hat recht, da haben wir uns durch die zehn Jahre alte Überschrift täuschen lassen. Ansonsten freue ich mich, dass im Kelten-Ordner diskutiert wird, bin allerdings selbst beruflich sehr belastet und urlaubsreif und demnächst in einem solchen.
@Nemetona: zur Metadiskussion, was "keltisch" ist, bzw. in welchem Rang Linguistik, Archäologie, Geschichtswissenschaft in der Definition des Keltischen steht, bevorzuge ich eine
offene, kooperative Herangehensweise, die den Gegenstand der Diskussion aus verschiedenen Perspektiven untersucht und betrachtet. Ich hatte vor längerem eine These Latene als Wirtschaftsraum gepostet, um eine "neue" Betrachtungsweise eines überwiegend kulturalistisch, ethnisch oder linguistisch definierten geschichtlichen Sachverhaltes und Zusammenhanges anzuregen.
Im Konkreten für den Gegenstand der Frage, wenn wir abweichend zur Ausgangsfrage nach skotischer oder piktischer Hausbauweise/Dorfstruktur uns doch einer eisenzeitlichen Architektur, Holzbauhandwerk, dem Dorf als Wirtschaftseinheit, dem Haus als Statussymbol und Ort der kleinsten Wirtschaftsgemeinschaft ( oder gab es schon Singlehaushalte? ;)) in Mitteleuropa allgemein zuwenden, dann brauchen wir nicht bei der Frage "rund oder eckig" stehen bleiben, sondern könnten dort vertieft einsteigen.
Leider mangelt es mir jetzt doch an Zeit, einen Lesetipp auf die Schnelle:
https://books.google.de/books?id=TwPQkNPm2qQC&pg=PA353&lpg=PA353&dq=helga+van+den+boom+Heuneburg+H%C3%A4user+und+Haushalte&source=bl&ots=MlJeeahaCc&sig=Y4XKz96Fu4jR5pLFH01z6RPLfWM&hl=de&sa=X&ved=0CCEQ6AEwAGoVChMI86_u6MeHxwIVxggsCh09BQ55#v=onepage&q=helga%20van%20den%20boom%20Heuneburg%20H%C3%A4user%20und%20Haushalte&f=false
Der Text ist von Helga van den Boom, Häuser und Haushalte der Heuneburg, aus Studien zur Lebenswelt der Eisenzeit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ups, sorry

Nemetona, Mia Pallasch hatte doch ganz gezielt nach piktisch und skotischen Siedlungen gefragt und nicht nach welchen aus der Zentrallaténe:

Sie hatte tatsächlich nach piktischen Siedlungen gefragt. Das hatte ich übersehen. Tut mir leid.
Da hast Du mit den Rundhäusern natürlich recht.

@Biturigos
Interessante Themen, die Du da ansprichst. Ich suche mal die Diskussion und schaue, ob ich da was zu beitragen kann.
Aber schon mal vorab: Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass eine der "Hauptklammern" der Latènekultur (vor allem von Spätlatène) ein gemeinsamer Wirtschaftsraum war. Da gebe ich dir mit deiner These völlig recht. (Nur ein Beispiel von sehr, sehr vielen: In Manching wurden Treverische Silbermünzen gefunden.)

VG
Nemetona

ich wünsche Dir einen baldigen und hoffentlich erholsamen Urlaub.
 
Ein überraschender Fund in der Heuneburg:

Human blood, organs, and a surprising virus detected in ancient pottery
Human blood, organs, and a surprising virus detected in ancient pottery | Science | AAAS

Die Person von hohem Rang scheint an dem Virus gestorben zu sein, der heute als "Crimean-Congo hemorrhagic fever virus (CCHFV)" bekannt ist.

Näheres soll hier zu erwarten sein:
"The researchers identified proteins specific to human blood and organs, which was a surprise, and showed that the vessels once held organ remains. Just as shocking was the presence of two unique protein fragments, known as peptides, that help CCHFV bind to a host cell just prior to infection, the team will report in the February 2017 issue of The Journal of Archaeological Science."
 
Die vollständige Studie lässt sich bereits im Netz finden. Erstaunlich ist zum Einen die Art des Begräbnisses, also dass menschliche Organe und Gewebe in Keramikgefäßen in Grabhügel T17 der Speckhau-Gruppe beerdigt wurden. Und zum Anderen, dass sich in 5 von 6 untersuchten Gefäßen Proteine des Erregers des Krim-Kongo-Fiebers fanden, das vor allem durch Zecken übertragen wird und aktuell nur bis in den Süden Europas vorkommen kann, nicht jedoch in Mittel- bzw. Nordeuropa. Daher wird in der Studie spekuliert, dass die höhergestellte Person fernab der Heimat verstorben sein könnte und nur ihre Überreste zum Begräbnis nach Norden zur Heuneburg transportiert wurden.
 
Nun ja, dass die Person fernab der Heimat verstorben sein könnte und nur ihre Überreste zum Begräbnis nach Norden zur Heuneburg transportiert wurden halte ich eher für eine gewagte These ,
Die Heuneburg war ein Handelszentrum ,an dem sich Handelswege kreuzten,die bis nach Süd- und Südosteuropa reichten .
Da die Inkubationszeit bis zu 13 Tage beträgt , das Virusreservoir grasfressende Tiere sind und die Übertragung entweder direkt durch den Stich der Hyalomma-Zecken, durch den Kontakt mit Blut oder Fleisch erkrankter Tiere oder zwischen Menschen durch infizierte Körpersekrete wie Urin, Kot, Speichel , Blut und auch im Wege der Tröpfcheninfektion erfolgt kann die Ansteckung also m.E. durchaus in Folge dieser Handelskontakte erfolgt sein , ohne dass der Erkrankte in den Gebieten gewesen sein muss,in denen die Infektion normlerweise auftritt
Dass die Krankheit wohl auch symptomlos verlaufen kann und nur in jedem zweiten Fall tödlich verläuft könnte ein weiterer Grund für die temporäre Ausbreitung entlang der Handelswege bis ins Donautal sein.
 
Zurück
Oben