Wird Bülow unterschätzt?

Andrea-Ulrike

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Ich habe folgendes in der Diskussionsion bei Wikipedia über Bülow gefunden:

1905 gab es eine ernste Kriegsstimmung durch "Björkö", man befürchtete einen Angriff der Engländer, zumindest nach "Kopenhagener Muster". Verstärkt wurde dies durch den Versuch des Kaisers, Dänemark in das geplante "Björkö-Bündnis" von Deutschland und Russland hineinzuziehen und so die Ostsee für England zum Sperrgebiet zu machen. Bülow trat beidem erfolgreich entgegen. 1908/1909 gab es eine ernste Kriegsgefahr aufgrund der überraschend plötzlichen (wenngleich vertraglich korrekten) Annektion Bosnien-Herzegowinas durch Österreich-Ungarn. Bülow hat sich sehr geschickt für den Erhalt des Friedens eingesetzt, beispielsweise indem er über den österreichischen Thronfolger auf Österreich-Ungarn einwirkte und dies so von weiteren unüberlegten Schritten abhielt, aber auch indem er über Iswolsky auf Russland einwirkte. Da "Argy110" es kurz haben möchte, verweise ich noch auf eine Stelle in "Denkwürdigkeiten" Band 2, S. 411-413. Bülow beantwortet im Oktober 1908 einen Brief des Thronfolgers, skizziert darin die europäische Lage und die Herausforderungen der Zukunft. (Da es ein wörtliches Briefzitat ist, kann nachträgliche Schönfärberei hier ausgeschlossen werden.) Man kann Bülow-Kritikern, von denen es hier offenbar eine Reihe gibt, ruhigen Gewissens entgegenhalten: Hätte Bethmann sich an solch eine Handlungsvorgabe gehalten, wäre er jedenfalls 1914 nicht so täppisch in die von England aufgestellte Falle gegangen.

Ist das eine Sichtweise, die vertretbar ist? Was haltet ihr von Bülow?
Ich weiß, seine "Denkwürdigkeiten" werden teilweise ziemlich zerrissen.
Aber er war wohl sehr belesen.
 
905 gab es eine ernste Kriegsstimmung durch "Björkö", man befürchtete einen Angriff der Engländer, zumindest nach "Kopenhagener Muster".

Bei wem soll es denn eine ernste Kriegsstimmung denn gegeben haben? Und weshalb durch Björkö?

Wilhelm II. nahm die Gefahr der drohenden Isolierung Deutschlands sehr ernst. Der russisch-japanische Krieg schien die Gelegenheit zu bieten, um sowohl den Zweierverband zwischen Frankreich und Russland als auch die Entente Cordiale zwischen England und Frankreich für Deutschland ungefährlich zu machen. Es sollte eine Art von Gegenkombination zwischen Russland und Deutschland und Frankreich begründet werden. Der erste Versuch wurde schon im Oktober des Jahres 1904 unternommen. Mir ist aber neu, das Dänemark Bestandteil der Abmachung sein sollte.
 
Bülow lehnte Björkö letzten Endes ab, weil der Vertrag auf Europa beschränkt war. Er und Holstein waren der Meinung das dieser Zusatz unnötig sei, weil dieser Russland von der Verpflichtung entbinde im Falle eines deutsch-englischen Krieges gegen Indien vorzugehen, während es in Europa zu keiner Unterstützung fähig sei. Dagegen sei Deutschland verpflichtet England anzugreifen, wenn Russland sich Ostasien mit England streite und es zum Krieg komme. Von den europäischen Mächten käme nur England für einen Angriff auf Russland in Frage und gegen habe Deutschland nicht im Roten oder Gelben Meer, sondern in der Nord- und Ostsee zu kämpfen.

Aber wo soll da die Gefahr eines Krieges gelegen haben, den Bülow abgewehrt haben soll?
 
1905 gab es eine ernste Kriegsstimmung durch "Björkö", man befürchtete einen Angriff der Engländer, zumindest nach "Kopenhagener Muster".

Wäre zu hinterfragen, wer hier mit "man" gemeint ist.
"Kopenhagen Muster" bezieht sich auf einen Vorgang aus der napoleonischen Zeit, in der die britische Flotte auf Grund der frankreichfreundlichen Haltung Dänemarks in den Hafen von Kopenhagen einlief und die dänische Flotte und Teile der Stadt gleich mit zusammenschoss.
1905 hatte es ein ähnliches Manöver gegen den russischen Stützpunkt Port Arthur (beim heutigen "Dalian"/ China) gegeben, allerdings auch nur unter sehr speziellen Bedingungen glücken konnte.
Technisch wäre ein solcher Versuch von britischer Seite ein großes Risiko gewesen, weil dass beutet hätte die eigenen Schlachtschiffe in die Reichweite von von der Küste aus operierenden Schnell- und Tauchbooten zu bringen und somit in die Gefahr mit Torpedos angegriffen zu werden, was für diese Art von Krieegsschiffen eine immense Gefahr war, weil sie noch ganz im Zeichen der traditionellen Seekriegsführung konstruiert waren und sofern nur über der Wasserlinie über starke Panzergürtel verfügten.
Insofern wäre es technisch gar nicht so einfach gewesen und ausgesprochen risikoreich, so einen Versuch zu unternehmen.

Darüber hinaus hatte der zweite Burenkrieg 1899 - 1902 gerade große Probleme und starken Reform- und Finanzierungsbedarf bei den britischen Landtruppen offengelegt.
Unter diesen Umständen war die Wahrscheinlichkeit eines Krieges Großbritanniens gegen Deutschland eher gering und das war den handelnden Akteuren auch durchaus klar.

1908/1909 gab es eine ernste Kriegsgefahr aufgrund der überraschend plötzlichen (wenngleich vertraglich korrekten) Annektion Bosnien-Herzegowinas durch Österreich-Ungarn.
Das ist so nicht richtig dargestellt. Russland hatte 1905 den Krieg mit Japan verloren und in St. Petersburg gab es Revolution. Die war zwar nicht erfolgreich, hatte aber den Effekt, dass in Russland diverse innenpolitische Konfliktfelder aufflammten, die gesteigrter Aufmerksamkeit bedurften.
Russland hatte neben Einfluss in Asien, auch einen nicht unerheblichen Teil seiner Flotte im Krieg gegen Japan verloren, die Ausrüstung und Ausbildung der Landtruppen hatte sich für einen großen Krieg als unzureichend erwisen, hier musste nachgebessert werden, genau so, wie beim russischen Eisenbahnnetz.
Hinzu kommt, dass die finanzielle Situation Russlands ziemlich angespannt war. 2 Jahre Krieg gegen Japan hatten imense Kosten verursacht, die abgeschrieben werden mussten, das verlorene Kriegsmaterial zu ersetzen, zu verbessern und die Eisenbahn auszubauen, waren extrem kostpsielige Projekte, die sich nicht mal eben nebenbei finanzieren lieeßen und mit Hinblick auf die explosive innenpolitische Stimmung in einem Land, dass gerade 3 Jahre vorher eine Revolution erlebt hatte, war es auch nicht so einfach möglich die Finanzierung mal eben durch Anhebung der Steuern zu finanzieren oder das Land in den nächsten mit großen Belastungen verbundenen Krieg zu führen, ohne einen Aufstand der Bevölkerung zu riskieren.

Insofern reale Kriegsgefahr 1908 eher nicht. Das Datum der diplomatischen Krise ist bedeutsam, für die späteren politischen Entwicklungen, aber letzendlich war St. Petersburg klar, dass man in dieser Situation in den entscheidnden Punkten würde nachgeben müssen, weil Krieg so lange das Land finanziell schlecht darstand, seine Armee nicht modernisiert und die innenpolitische Stimmung die Gefahr eines Aufstands mit sich brachte, keine wirkliche Option war.
Welche unüberlegten Schritte, hätte Wien hier noch unternehmen sollen? Es hatte doch beekommen, was es wollte und das mehr oder minder ohne Abstriche.
Mal davon abgesehen dass man sich aus verschiedenen Grünen durchaus darüber unterhalten könnte diese Annexion selbst als unüberlegten und letztendlich hochproblematischen Schritt zu betrachten.

Man kann Bülow-Kritikern, von denen es hier offenbar eine Reihe gibt, ruhigen Gewissens entgegenhalten: Hätte Bethmann sich an solch eine Handlungsvorgabe gehalten, wäre er jedenfalls 1914 nicht so täppisch in die von England aufgestellte Falle gegangen.

So unglücklich die Rolle Bethmann-Hollwegs in der Juli-Krise gewesen ist, nun gerade Bülow zu demjenigen zu erklären der es besser gemacht habe, funktioniert schon deswegen nicht, weil die insgesamt sehr ungeschickte Außenpolitik Bülows nicht ganz unschuldig daran war die Konstellationen des 1. Weltkriegs herauf zu beschwören.

Bülow hat außenpolitisch einiges an Porzellan zerschlagen (Marokko) ohne dass etwas dabei herausgekommen wäre, nur mit dem einen Ergebnis Großbritannien und Frankreich enger aneinander zu rücken.

Unter Bülow gab es Am Anfang des Jahrhunderts die Möglichkeit mit Großbritannien zu einem Bündnis zu kommen, was die Regierung Bülow sich leichtfertig entgehen ließ und letztendlich machte Bülow auch Björkö einen Strich durch die Rechnung.
Heißt er hatte sowohl mit Großbritannien als auch mit Russland Bündnisoptionen auf dem Tisch, deren Annahme die Isolation Deutschlands verhindert hätten (Optionen von denen Bethmann-Hollweg nur träumen konnte) und vergab beide relativ leichtfertig.

Unter Bülow wurde das unvernünftige Flottenwettrüsten forciert, dass das Verhältnis zu Großbritannieen belastete und gleichzeitig dafür Sorgte, dass weite Teile des Militäretats, die spätestens 1910 wieder im Bereich der Landrüstung gebraucht worden wären in der Marine gebunden blieben, was zu Rüstungsrückstand an Land und zur Verschärfung der Sachzwänge des Schlieffenplans führte.

Letztendlich verhinderte sein Wirken 1908 auch nichts entscheidendes. Russland war zu diesem Zeitpunkt kaum in der Lage sich in ein militärisches Abenteuer einzulassen, die hochproblematischen Folgen der Annexion Bosniens und der Herzegowina für das Verhältnis Wiens zu St. Petersburg und Belgrad wurden gefährliche politische Konstanten.

Bethmann hatte als Reichskanzler kein besonders glückliches Händchen, schaut man sich allerdings dass Handeln beider an, fällt die Bilanz Bülows der Deutschland in den Schlamassel hineinmanövrierte in jeder Hinsicht schlechter aus, würde ich meinen.
Bethmanns Handeln hatte zwar gravierendere Folgen, dass liegt aber mit daran, dass das weitgehende Versagen Bülows mit für eine Lage verantwortlich war, die wesentlich weniger Spielraum für Fehler ließ als vorher.

Welche "Falle" soll Großbritannien 1914 denn aufgestellt haben?
Klingt als käme das aus der Feder, deren Nutzer ein wenig zu viel deutsche Kriegspropaganda konsumiert hat.
 
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Bülow trat beidem erfolgreich entgegen. 1908/1909 gab es eine ernste Kriegsgefahr aufgrund der überraschend plötzlichen (wenngleich vertraglich korrekten) Annektion Bosnien-Herzegowinas durch Österreich-Ungarn. Bülow hat sich sehr geschickt für den Erhalt des Friedens eingesetzt, beispielsweise indem er über den österreichischen Thronfolger auf Österreich-Ungarn einwirkte und dies so von weiteren unüberlegten Schritten abhielt, aber auch indem er über Iswolsky auf Russland einwirkte.

Der Berliner Vertrag, das Resultat des Berliner Kongresses von 1878, legte in Artikel 25 den Status von Bosnien und der Herzegowina fest. Österreich-Ungarn durfte die Gebiete besetzen und verwalten, was es ja auch tat, aber formal gehörten Bosnien und die Herzegowina weiterhin zum Osmanischen Reich.

Am 16.September 1908 trafen sich die Außenminister Russlands und Österreich-Ungarns, Iswolski und Aehrenthal in Mähren, genauer Buchlau, das Schloss des späteren k.u.k. Außenministers Berchtolt. Anlass war ein Angebot Iswolskis von Anfang Juli 1908. Es ging um die Unterstützung bzw. Akzeptanz Wiens für die freie Durchfahrt russischer Kriegsschiffe durch die Meerengen. Im Gegenzug sollte Österreich Bosnien und die Herzegowina annektieren dürfen.
Die beiden Herren wurden sich schnell einig.

Iswolsi äußerte später, Aehrenthal habe ihn betrogen, da dieser nicht zum Ausdruck gebracht habe, das man zügig zur Tat schreiten wolle. Russsiche Quellen zeigen aber, das sich Iswolski sehr wohl über die Absichten Aehrentals bewußt war. (1)

Iswolski schrieb an Carykow, "Ich habe mit absoluter Sicherheit festgestellt, das die österreichisch-ungarische Regierung sich unwiderruflich für eine Annexion Bosniens und der Herzegowina entschlossen hat. [...] Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird Baron Aehrenthal die Annexion vor den Delegationen bekanntgeben, die am 06.Oktober 1908 zusammentreten werden." (3)

Aehrenthal versäumte es im Gegensatz zu Iswolski nicht, seine Verbündeten ins Boot zu holen. Schon am 04.09.1908 hatte er Tittonis Einverständnis auf den Anspruch der beiden Provinzen eingetütet und zwar ohne das eine Kompensation geltend gemacht wurde. Einen Tag später traf Aehrenthal den deutschen Staatssekretär Schoen in Salzburg und informierte darüber, das die gegenwärtige Entwicklung Österreich-Ungarn zwingen könnte "einer endgültigen Regelung des Verhältnisses von Bosnien und Herzegowina näherzutreten, und diese Lösung werde keine andere sein als die der Annexion." (2)

Iswolsi hatte in der Folge also diesbezüglich schlicht gelogen.

Iswolski hingegen hatte seine Hausaufgaben nicht gemacht, denn weder ha tte er die Zustimmung von Paris und vor allem nicht von London eingeholt. Ein grober Fehler.

Am 06.Oktober 1908 übergab der österreichisch-ungarische Botschafter in Konstantinopel Markgraf Pallavicini die Note, in der der osmanischen Regierung die Annexion und Räumung des Sandshak Novi Pazar mitgeteilt wurde. Selbstverständlich waren die Türken sauer.

Der springende Punkt für uns hier ist Belgrad, was mit der Krise und der Annexion eigentlich so rein gar nicht zu schaffen hatte. Die Nachricht schlug ein wie ein Bombe und man sah seine eigenen großserbische Träume und Pläne über den Haufen geworfen. Serbien begann praktisch sofort mit den Vorbereitungen zum Krieg. Die ersten Reservisten wurden schon am 07.Oktober einberufen. Das serbische Parlament bewilligte eine Anleihe in Höhe von 16 Millionen Dinar.

Iswolski war es nicht gelungen die Zustimmung seiner Freunde in Paris und London einzuholen. Er wollte auf einmal von der Abmachung mit Aehrenthal nichts mehr wissen.

Bülow setzte in Berlin jedenfalls die Unterstützung des Verbündeten durch.

Die Krise begann hochzukochen. Serbien drehte mächtig am Rad und wurde hierbei von Petersburg unterstützt. Serbien wurde auf Kriegsstärke gebracht. Etwas lächerlich war es denn, wenn der serbische Botschafter in Berlin behauptete, das Serbien nicht die geringste aggressive Absicht habe. (4)

Hier war der Zeitpunkt gekommen, wo sich Bülow in dem Konflikt einschaltet und Petersburg anbot zu vermitteln. Dies wurde zwar freundlich aber eben doch abgelehnt. (5)

In Berlin war man ziemlich sauer und nun kommt das sogenannte Ultimatum von Bülow. Bülow beauftragte Poutales, deutscher Botschafter in Peterburg, das man eine präzise Antwort wünsche - ja oder nein. Und weiter, jede verklausulierte, ausweichende oder unklare Antwort als Ablehnung zu betrachten sei und man sich dann zurückziehen und den Dingen ihren Lauf lassen würde. Hieraus wurde eine Kriegsdrohung gelesen. Formuliert hatte die Note Kiderlen-Wächter. Der rumänische Politiker Jonescu veröffentlichte in seinen Memoiren, "er (Kiderlen-Wächter, Anmerkung von mir) sei sich im Klaren darüber gewesen, das die Russen nicht kriegsbereit gewesen seien und daraus wollte er möglichst viel Kapital schlagen." (6) Also ein Bluff!

In Russland wurde eine Teilmobilmachung vom Zaren abgelehnt. Petersburg hatte sich noch nicht vom Krieg gegen Japan erholt gehabt und so nicht in der Lage eine neue militärische Auseinandersetzung mit einer Großmacht zu führen. Die Russen und somit auch die Serben gaben dann auf der ganze Linie nach.

Aber wo hatte Bülow hier aktiv einen Krieg verhindert? Das es nicht dazu kam, war der Tatsache geschuldet, das die Russen dazu nicht in der Lage waren.

Letzten Endes war der diplomatische Sieg nur ein Pyrrhus Sieg, denn Wien hatte sich den unversöhnlichen Hass Petersburgs zugezogen gehabt.

Das ist jetzt nur eine Kurzfassung der krisenhaften Zuspitzung der Annektionskrise.


(1)Skrivan, Schwierige Partner, S.82
(2) GP Band 26/1 Dokument 8927
(3) Bestuzev, Borba No.5, S.122-123 ist von Skrivan genannte Quelle
(4) GP Band 26/2 Dokument 9442
(5) GP Band 26/2 Dokument 9458
(6) JONESCU, Take, Souvenirs, Paris 1919, S.49
 
Wie sieht Bülows Bilanz am Ende aus?

Außenpolitisch hinterließ er einen Scherbenhaufen. Seine Russlandpolitik war gescheitert, die Beziehungen zu England waren schlecht. Innenpolitisch sei die Dailey Telegraph Affäre erwähnt, die immer noch nicht gelöste Reform der Wahlrechtsfrage in Preußen, die dringend notwendige Reform der Verfassung Elsass-Lothringens und besonders wichtig, wie der Staat eigentlich die SPD in das Reich integrieren will. Die "vaterlandslosen Gesellen" waren politisch mittlerweile eine politische Kraft, mit der zu rechnen war und die man nicht weiterhin fortlaufend ignorieren bzw. aus dem politischen Prozessen ausschließen konnte. Und schließlich war eine durchgreifend Finanzreform von Nöten.
 
Und wenn man es vergleichen wollte, wie sieht demgegenüber Bethmanns Bilanz am Vorabend des 1. Weltkriegs aus?

- Außenpolitisch zumindest eine Entspannung mit GB erreicht (Stillschweigendes Begraben des Flottenwettrüstens, unterschriftsreifes Abkommen über die eventuelle Teilung der portugisischen Kolonien, weitgehende Einigung auch über den Streitfall "Bagdad-Bahn".
- Vernünftiges Blockübergreifendes Zusammenwirken mit GB in den Balkankriegen, Verhinderung einer Eskalation in diesem Zusammenhang, die wesentlich mehr reale Kriegsgefahr mit sich brachte, als die Annexionskrise 1908.
- Innenpolitisch, wenn auch verspätet die notwendige Rüstungswende vollzogen und mit den Sozialdemokraten immerhin insoweit übereingekommen, dass diese die Nachrüstungen finanziell nicht mehr vollständig blockierten.
- Elsass-Lothringen-Frage jedenfalls insofern angegangen, als das 1911 der Sonderstatus des Landes weitgehend revidiert und die Bevölkerung derjenigen des übrigen Reiches politisch gleichgstellt wurde.


Das war nicht kein großer Wurf mit spektakulären Erfolgen, bis zur Julikrise selbst aber eine durchaus solide Politik
 
Die "Weltpolitik" (Platz an der Sonne) Bülows trug zur Isolierung des Deutschen Reiches bei. Obwohl die Entente von 1904 und der Ausgleich zwischen Russland und England ihm nicht anzulasten sind. Da gab es andere Motive.
Sein großspuriges Auftreten aber war alles andere als diplomatisch geschickt. Und dabei hatte er als einen Friedrich von Holstein, der jahrelang unter Bismarck gedient hatte und eigentlich von dem so einiges hätte lernen können.

Hier ein Beispiel von Bülows weltpolitischen Ansichten :

https://germanhistorydocs.ghi-dc.org/pdf/deu/602_Buelows dynam Aussenpolitik_106.pdf

Als Bülow zu spät erkannte, das seine Außenpolitik gescheitert und nur noch ein Scherbenhaufen war, da versuchte er noch einen Ausgleich mit Großbritannien hinsichtlich des Flottenrüstens zustande zu bringen. Doch dieser richtige Ansatz wurde von Tirpitz und auch Wilhelm II. hintertrieben.

Wie kein anderer Kanzler des Kaiserreichs verstand es Bülow den Kaiser "richtig zu behandeln". Vorschläge, von denen er wußte, das sie beim Kaiser keine Chance hatten, obwohl diese sachlich geboten waren, trug Bülow erst gar nicht vor. Und Bülow war ein Intrigant! Der Historiker Otto Becker führte 1950 über Bülow aus: "Dieser vielgepriesene Plauderer ist groß in kleinen Dingen und klein in großen Dingen."
 
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