Wo siedelten die Hermunduren?

Die nach antiken Quellen an Donau und Elbquelle lebenden Hermunduren rücken immer weiter nach Norden... Wodurch sind deine Informationen gedeckt?
 
Die Archäologie vor 1950 war sehr positivistisch. Insbesondere im Zeitraum zwischen 1871 und 1945 waren bestimmte Ergebnisse der Archäologie politisch erwünscht. Insofern bin ich, was die Archäologie vor 1950 angeht, gerade was ethnische Zuschreibungen angeht, skeptisch.


Das schlichte Argument bringt die Diskussion an dieser Stelle ins Patt: Es ist weder geklärt um welche archäologischen Funde es sich handelt, noch ob auch die hermundurische Deutung mittlerweile als unhaltbar zurückgewiesen wurde. Noch in der Mitte der verganganen Dekade hieß es, genauso allg. wie die letzten Argumente: „[d]as ‚Minenfeld‘ der ethnischen Deutung ist bislang kaum geräumt“ (Müller-Scheeßel – Burmeister 2006, 14)

Hinsichtlich des Einwandes wäre im übrigen die Frage nicht uninteressant, worauf er hinausliefe: Heißt Skepsis gegenüber der ethnischen Deutung bereits hier, sie sei grundsätzlich abzulehnen? Wenn ja, kann sie zur Klärung der Ausgangsfrage nach der Salz-/Grenzfluß nichts beitragen. Dann ließe sich eigentlich nur noch versuchen zu eruieren, wo es in vermeintlich hermundurischer Gegend und Umgebung überhaupt salzführende Flüsse gab, und wurde zur möglichen Antwort auf diese Frage auf die Sülze (http://de.wikipedia.org/wiki/Sülze_(Elbe). Ich frage mich nur, ob damit ein Förschungsfortschritte erzielt werden oder ob man nicht auf einen noch älteren Diskussionsstand zurückfiele, wie z. B. Germanien und seine Bewohner: Nebst 2 Charten - August Benedikt Wilhelm - Google Books
 
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Habe nur was schriftliches und kann nur etwas äußern, laut einem einheimischen Archäologen, dieser meint: Es müßte sich um germanische Hermunduren handeln, die bis etwa ins 4. Jahrhundert u. Z. das Gebiet eigenständig besiedelten um dann etwa zum 6. Jahrhundert im großen Stammesverband und Staat der Thüringer aufzugehen.
 
...pardon für meine Penetranz.
Irgendwo hab ich mal gelesen, dass die Römer die Moldau für den Oberlauf der Elbe gehalten haben sollen (was heutzutage hydrologisch korrekt wäre) - wenn die Lokalisierung der Hermunduren (Oberlauf der Elbe & Elbequelle bis Donauraum) auf römischen Quellen basieren sollte, dann müsste man doch rausfinden können, ob die römischen Quellen die Elbequelle erwähnen und man müsste rauskriegen können, wo die Römer die Elbequelle lokalisiert hatten (schließlich war ja laut Tacitus´ ironischer Bemerkung die Elbe "einst wohlbekannt"...)

Für den geschlossenen Argumentationsgang, der Deiner Penetranz (;-) als berechtigt erscheinen läßt, vgl. kürzlichen Link zu Matthias Springer, Zwischen (H)Ermunduren & Thüringern besteht kein Zusammenhang, S.155 ff
 
Das schlichte Argument bringt die Diskussion an dieser Stelle ins Patt: Es ist weder geklärt um welche archäologischen Funde es sich handelt, noch ob auch die hermundurische Deutung mittlerweile als unhaltbar zurückgewiesen wurde. Noch in der Mitte der verganganen Dekade hieß es, genauso allg. wie die letzten Argumente: „[d]as ‚Minenfeld‘ der ethnischen Deutung ist bislang kaum geräumt“ (Müller-Scheeßel – Burmeister 2006, 14)

Hinsichtlich des Einwandes wäre im übrigen die Frage nicht uninteressant, worauf er hinausliefe: Heißt Skepsis gegenüber der ethnischen Deutung bereits hier, sie sei grundsätzlich abzulehnen? Wenn ja, kann sie zur Klärung der Ausgangsfrage nach der Salz-/Grenzfluß nichts beitragen. Dann ließe sich eigentlich nur noch versuchen zu eruieren, wo es in vermeintlich hermundurischer Gegend und Umgebung überhaupt salzführende Flüsse gab, und wurde zur möglichen Antwort auf diese Frage auf die Sülze (http://de.wikipedia.org/wiki/Sülze_(Elbe). Ich frage mich nur, ob damit ein Förschungsfortschritte erzielt werden oder ob man nicht auf einen noch älteren Diskussionsstand zurückfiele, wie z. B. Germanien und seine Bewohner: Nebst 2 Charten - August Benedikt Wilhelm - Google Books

Ich meine genau das, was ich geschrieben habe: Ich bin skeptisch. Das ist noch keine grundsätzliche Ablehnung. Für den ethnischen Positivismus der Prähistoriker früherer Zeiten kann ich nichts.
 
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Für den geschlossenen Argumentationsgang, der Deiner Penetranz (;-) als berechtigt erscheinen läßt, vgl. kürzlichen Link zu Matthias Springer, Zwischen (H)Ermunduren & Thüringern besteht kein Zusammenhang, S.155 ff
gerade absolviert :) (d.h. die Links durchgelesen)
also keine Hermunduren an der Elbequelle, wo auch immer man sich diese zur örmischen Kaiserzeit gedacht hatte.
und ebenso sind die Hermunduren wohl nicht die Ahnen der Toringi (Thüringer)
 
Der Germanentümelei der Nazizeit folgte eine Slawentümelei in der DDR. Die Forschungsergebnisse hinsichtlich der Wohnsitze germanischer Stämme wurden aber in Mitteldeutschland nicht in Frage gestellt und werden es auch heute nicht: "In der Region rund um Profen lebten damals die Hermunduren, die Vorgänger der Thüringer", "Deren Siedlungsgebiet erstreckte sich im ersten Jahrhundert nach Christus von der mittleren Elbe bis ins Gebiet nordöstlich des Mains." " Frühere Funde und antike Texte belegen, dass Hermunduren und Römer rege Kontakte pflegten." (Meller)
Hier geht es um den Goldfund von Profen, welches auf einer Linie mit der von Voigt genannten Westgrenze liegt. Die anderen Fundorte (Kleinzerbst, Crüchern usw. waren um die Zeitenwende über mehrere Jahrhunderte ununterbrochen besiedelt, ohne dass dort ein Kulturwechsel nachweisbar war. Von einer Umsiedlung zumindest der "Nord-" Hermunduren kann also wohl kaum die Rede sein. Man könnte annehmen, dass die Einteilung in Süd- und Nordhermunduren eine gewisse Berechtigung hat und diese unterschiedlich behandelt werden müssen.
 
(Die Lokalisierung der Hermunduren in Mitteldeutschland ist tief im Geschichtsbewusstsein verwurzelt. Diese traditionsreiche Verortung ist einfach omnipräsent. Sie ist überall in den Lexika, den Museen und auch in den Fachbüchern. Leicht findet man aberhunderte Behauptungen über archäologische Spuren der Hermunduren in Mitteldeutschland oder den Zusammenhang zwischen Hermunduren und Thüringern, aber einer näheren Prüfung anhand der historischen Überlieferung, also Tacitus, Strabon usw. halten sie nicht stand.)

Nach Muspillis dezenzem Hinweis, dass die Lokalisierung der Hermunduren in Thüringen einhellig verworfen wurde, verbleibt natürlich das Problem des Grenzflusses zwischen Hermunduren und Chatten, dass in der Sekundärliteratur all zu oft durch die Fiktion mitteldeutscher Hermunduren gelöst wurde.

Antwort gibt vielleicht die Rückschau auf frühere Ereignisse. Lau Tacitus führten auch die Cherusker und Markomannen gegeneinander Krieg. Die Entfernung dieser Stämme ist noch größer, als die zwischen Chatten und Hermunduren.
Marbod und Armin hatten offenbar innerhalb Germaniens weitreichende Machtbereiche. Irgendwo zwischen Niedersachsen und Böhmen war wohl die Grenze dieser beiden Blöcke. Da auch Semnonen und Langobarden involviert waren, könnte diese Schlacht natürlich überall in Germanien stattgefunden haben.

Ich habe ja bereits davon hingewiesen, dass Hermunduren und Chatten in der Mitte des 1. Jahrhunderts auf dem Gipfel ihrer Macht standen. Sie dominierten die vorgenannten Stämme. Die Hermunduren setzen bei den Markomannen und Quaden neue Könige ein und die Chatten taten das gleiche bei den Cheruskern. Ein Krieg der Chatten und Hermunduren ist dann nur konsequent.
Eine Antwort darauf, wo die Grenzen zwischen hermundurischem und chattischem Einflussbreich liegen, habe ich so natürlich nicht gegeben. Ihre Siedlungsbereiche müssen genauso wenig aneinander gegrenzt haben, wie die von Cheruskern und Markomannen. Der salzführende Grenzfluss kann daher auch überall in Germanien gewesen sein.
 
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Die Archäologie ordnet eine bestimmte Kultur den Hermunduren zu und verfolgt deren örtliches Vorkommen. Ob richtig oder nicht: bemerkenswert ist auf jeden Fall eine in Mitteldeutschland vorkommende besonders hohe Funddichte an römischem Importgut, welches den überlieferten Sonderstatus der "Süd-" Hermunduren bestätigen würde. Westlich der Saale scheint es aber zumindest zu Drusus`Zeiten keine Hermunduren gegeben zu haben, da man sie sonst erwähnt hätte.
 
Viel kann ich ja nicht zu der Frage beitragen, wo die Hermunduren siedelten. Jedoch fand ich zufällig bei der Suche nach anderen Informationen folgenden Satz in
"Der Poppenwald – die Geschichte um seinen Namen":

Zitat:
Im Zuge der Völkerwanderung verließen die in unserem Gebiet nomadisierenden Hermunduren ihre Heimat.

Auch wenn die Angabe von URL's hier verpönt ist, erlaube ich mir dennoch, sie hier anzugeben:

Seite Der Poppenwald
 
Aber die Mittel-Elbe-Region ist archäologisch sehr gut erforscht. Die einzelnen Kulturen lassen sich ziemlich gut voneinander abgrenzen und zuordnen. Der den Hermunduren zugeordnete Raum zeichnet sich durch charakteristische einheimische Waffenfunde und durch eine besondere Häufung wertvoller römischer Importware aus. Bei den angrenzenden Cheruskern (Raum Braunschweig) und Semnonen (Fläming) ist das nicht der Fall. Die erwähnte, besondere Stellung der Hermunduren bei den Römern wird dadurch bestätigt.
Die Archäologie ordnet eine bestimmte Kultur den Hermunduren zu und verfolgt deren örtliches Vorkommen. Ob richtig oder nicht: bemerkenswert ist auf jeden Fall eine in Mitteldeutschland vorkommende besonders hohe Funddichte an römischem Importgut, welches den überlieferten Sonderstatus der "Süd-" Hermunduren bestätigen würde.
Zur Abgrenzung anhand der Funde römischer Importware bin ich etwas skeptisch: Es wäre doch gut möglich, dass die Hermunduren ihren Status als privilegierte Handelspartner nutzten, um nicht nur sich selbst mit römischen Waren zu versorgen, sondern diese auch an andere Stämme weiterzuverkaufen. Dann sollte man zumindest auch bei ihren Nachbarn vermehrt römische Importware finden. Außerdem werden die Stämme, deren Gebiet die hermundurischen Händler durchqueren mussten, um vom römischen Reich zurück in die Heimat zu gelangen, vielleicht einen Teil der Waren als Abgaben verlangt haben. Somit würden vermehrte Funde von römischen Handelsgütern maximal eine ganz grobe Abgrenzung zulassen.
Außerdem bedeutet der privilegierte Status der Hermunduren nicht, dass nur sie mit den Römern Handel getrieben haben. Sie hatten es lediglich besonders leicht, die Grenze zu überqueren, und durften sich in Raetien offenbar weitgehend frei bewegen.
 
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Sie hatten es lediglich besonders leicht, die Grenze zu überqueren, und durften sich in Raetien offenbar weitgehend frei bewegen.

Wobei ich mich auch da, bei dieser Tacitus-Stelle immer wieder ganz praktisch frage, wie die Römer einen Hermunduren von einem Ingewäonen unterschieden. Die trugen ja alle kein Portemonaie mit einem Produkt der Bundesdruckerei mit sich herum.
 
Die wertvollen römischen Importgüter finden wir ausschließlich als Grabbeigaben einer germanischen Führungsschicht. Ob man damit auch mit den Nachbarn gehandelt hat, ist nicht bekannt. Importe von den germanischen Nachbarn gab es:
" Auf dem Gräberfeld wurde 300 Jahre lang bestattet. Die Gräber enthielten Waffen, goldene und silberne Schmuckgegenstände sowie römischen Import als auch Gegenstände aus benachbarten germanischen Gebieten...Die Menschen unterscheiden sich durch die reichen Beigaben und Trachtenbestandteile von der übrigen Bevölkerung Mitteldeutschlands" (Amtsblatt Bitterfeld zu einer Ausstellung))
Es wird z.T. angenommen, dass es sich bei den von Tacitus erwähnten, begünstigten Hermunduren ausschließlich um Angehörige einer donaunahen Händlerschicht gehandelt hat, die sich natürlich irgendwie ausweisen konnte (Kleidung, Dialekt usw.)
 
Es wird z.T. angenommen, dass es sich bei den von Tacitus erwähnten, begünstigten Hermunduren ausschließlich um Angehörige einer donaunahen Händlerschicht gehandelt hat, die sich natürlich irgendwie ausweisen konnte (Kleidung, Dialekt usw.)


Stellenausschreibung für einen römischen Grenzsoldaten:

Sie sind belastbar und robust, reaktionsschnell, wissen mit Pilum und Gladius umzugehen und können sich in die Kohorte schnell einfügen, sind teamfähig. Sie sind freundlich aber selbstbewusst und treten mit einer natürlichen Autorität ausgestattet auf. Außerdem haben Sie mindestens einen Master oder Magister in Germanistik (Vertiefung Dialektologie), Promotion wird bevorzugt.
 
Nicht zu vergessen: geschulter Geruchssinn! Im Gegensatz zum ungewaschenen, fürchterlich riechenden Durchschnittsgermanen konnten sich die Händler römisches Parfüm leisten!
 
Ist doch inzwischen einfach, die Hermunduren siedelten zwischen mittlerer Elbe/Harz der Donau und dem Main-Gebiet, mal hier und da während ihrer ca. 5 Jahrhunderte währenden Präsens.
 
Wobei ich mich auch da, bei dieser Tacitus-Stelle immer wieder ganz praktisch frage, wie die Römer einen Hermunduren von einem Ingewäonen unterschieden. Die trugen ja alle kein Portemonaie mit einem Produkt der Bundesdruckerei mit sich herum.

Da will ich das doch einmal nachlesen: Gemäß einer online-Übersetzung schreibt er:
"Uns näher liegt – um [...] jetzt der Donau zu folgen – der Staat der Hermunduren, den Römern ergeben und darum das einzige germanische Volk, mit dem wir [...] mitten auf unsrem Boden und in der glänzendsten Colonie der rätischen Provinz Verkehr pflegen. Ueberall und unbeaufsichtigt kommen sie herüber und [....] [wir] haben [...] den Hermunduren ohne ihr Begehren unsre Häuser und Villen geöffnet. Auf ihrem Gebiet entspringt die Elbe, vorzeiten ein berühmter und wohlbekannter Strom"
Die Germania von Publius Cornelius Tacitus - Text im Projekt Gutenberg

Es klingt für mich nach Einladungen; eingeladen werden in der Regel bedeutendere Leute - ich denke an einflußreiche wirtschaftspolitische Kontakte, darunter auch Landbesitzer; ich frage mich, ob diese Vorstellung ein geschlossenes Siedlungsgebiet erforderte.
 
Einladungen kann ich aus der Stelle nicht herauslesen; nur dass die Hermunduren willkommen waren.

Aber grundsätzlich denke ich auch in die Richtung wie Du und Opteryx mit der Anmerkung zu einer bestimmten Händlerschicht, die sich ausweisen konnte. Ich könnte mir vorstellen, dass die Römer (eventuell im Zuge von Gesandtschaften ins Hermundurengebiet) reichen hermundurischen Händlern und sonstigen einflussreichen Personen Pässe (vielleicht so ähnlich, wie es sie in Form des "diploma" für die Benutzung des cursus publicus gab) ausgestellt haben.
 
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