Woher kam die massive Fehleinschätzung des Westens?
Es stellt sich die Frage, ob man "dem Westen" überhaupt eine massive Fehleinschätzung unterstellen kann, weil sie die Dynamik der Islamischen Revolution unterschätzt oder auch falsch eingeschätzt hat. Zunächst mal waren die Interessen der Europäer und der Amerikaner ja durchaus nicht identisch und "der Westen" kein monolithischer Block.
Die Amerikaner waren interessiert an Stabilität im Nahen Osten, und von deren Standpunkt war es durchaus naheliegend, sich an den Schah zu halten, der schon eine gefühlte Ewigkeit regierte. Etwas anderes, als das Ancien Regime im Iran zu buttern, fiel ihnen nicht ein.
Auch die Prämisse, dass Europäer und Amerikaner sich wegen des Great Games im Iran unbeliebt und verhasst gemacht hätten, ist falsch. Andere Staaten des Nahen Ostens hatten noch eine ganz andere "schwierige Geschichte" erlebt, waren Kolonien der Europäer gewesen. Eine Kolonie war Persien, war der Iran nie, der Schah nie eine Marionette, von Kolonialmächten eingesetzt, sondern durchaus eine geachtete Persönlichkeit auf internationalem, diplomatischem Parkett. Es gab diplomatische Beziehungen zu Europa bereits im 17. Jahrhundert, seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schickten iranische Familien der "Oberschicht" Söhne zum Studium nach Europa. Antiwestlich war die persische Gesellschaft nicht, ja im Grunde ist sie es auch heute nicht. Im Gegenteil! Die deutsch-iranischen Beziehungen waren traditionell gut. Deutschland genießt einen guten Ruf im Iran, es waren vor allem französische und deutsche Universitäten, wo Iraner studierten. Antiwestlich war die Gesellschaft des Irans nicht, und im Grunde ist sie es selbst unter der Islamischen Republik nicht.
Im Zeitalter des Imperialismus konnte es nicht ausbleiben, dass der Iran sich mit europäischen Großmächten arrangieren mußte, die Interessen in der Region hatten. Die Briten waren eigentlich für den Schah die verlässlicheren Ansprechpartner. Das Britische Empire war saturiert, hatte keine Ambitionen im Iran Provinzen zu annektieren oder sich in innere Angelegenheiten einzumischen. Das britische Empire war saturiert. Persien war weder eine Bananenrepublik, noch jemals eine Kolonie oder Protektorat.
Die Dynamik der Islamischen Revolution haben wie gesagt auch iranische Politiker wie Banisadr unterschätzt, die mit den Verhältnissen des Landes gut vertraut waren, die Khomeni seit Kindertagen kannten.
-Eine weitere Prämisse ist, dass es eine gewaltige Fehleinschätzung der Amerikaner war, dass sie den Sturz des Schah nicht vorausgesehen haben und dass sie die Islamische Republik Iran nicht verhindert haben.
Ich halte sie für falsch. Der rasante Sturz des Schah war ebenso wenig vorauszusehen wie der des "Eisernen Vorhangs". Auch Supermächte verfügen nicht über übernatürliche Fähigkeiten, sie können vielleicht das wetter vorhersagen, aber nicht die Zukunft.
Wie gesagt, Historiker waren nie besonders gut darin, die Zukunft vorher zu sagen, sie arbeiten mit Quellen, nicht mit Glaskugeln. Militärs und Geheimdienstleuten stehen (noch) ganz andere Möglichkeiten offen, sie werden auch besser bezahlt, als Historiker-sie können die Zukunft aber nicht besser, eher schlechter, als Historiker, vorhersagen, und das trifft auch auf Ökonomen, Wahrsager, Astrologen, Sozialpädagogen etc., etc. zu.
-Hätte aber "der Westen" oder die USA die Islamische Revolution verhindern können? Ich behaupte nein! Als Möglichkeit der Verhinderung hätte ja wohl nur eine Militärintervention dienen können.
-Eine solche hätte im Zeitalter des Kalten Krieges ein unglaubliches Risiko bedeutet. Noch gab es die Sowjetunion, in manchen Waffensystemen war die SU sogar leicht überlegen. Außerdem war von Glasnost und Perestroika noch keine Rede. Breschnew regierte schon ewig, ein absoluter Hardliner und Betonkopp, genau wie Außenminister Gromyko.
-Die USA hatten gerade den Vietnamkrieg hinter sich gebracht, Saigon hatte man fast fluchtartig räumen müssen. Diesen Militäreinsatz hatten die USA von Frankreich geerbt. Weitere Militäreinsätze konnten sich die USA nicht leisten, sie wären dem Volk, den Wählern kaum zu vermitteln gewesen. Der Nahe Osten war ohnehin heikel genug, es haben im übrigen auch zwei Kriege, die die USA und ihre Verbündeten führ(t)en, die Region nicht stabiler gemacht.
-Es hätte eine Militärintervention einen Bruch des Völkerrechts bedeutet, ein durch nichts gerechtfertigter Eingriff in die Souveränität eines Staates, der von den USA und Europa anerkannt wurde. Ein Eingriff, ein Angriffskrieg auch, den die Verbündeten nicht mitgemacht hätten, den vor allem die Sowjetunion nicht tatenlos hingenommen hätte.