Woher stammt der Name "Thule"?

Auch leif Ericsson der Sohn Eriks wurde auf einer Fahrt von Norwegen nach grönland von einem Sturm an die Küste labradors verschlagen und ging nicht auf Abenteuer aus.
 
Die Färöer waren schon im 9. Jhdt. mehr als nur ein Anlandehafen, es gibt feste Siedelspuren; Spuren menschlichen Besuchs dort gibt es bereits aus der Spätantike. Auch als die Norweger Island besiedelten, trafen sie auf irische Einsiedler. Insofern kann man weder die Koggenschifffahrt noch die Wikinger als erste, welche den Atlantik besegelten, festmachen. Die Veneter sollen laut Caesar eine sehr gute hochseetaugliche Flotte gehabt haben (BG III, 16), die den römischen Galeeren so lange überlegen war, bis eine Windstille eintrat. Es ist wohl wahrscheinlich, dass die Völker Britanniens über ähnliche Flotten und nautische Fähigkeiten verfügten und mittels der Sterne zu navigieren wussten, also einen Pytheas auch 6 - 7 Tage nordwärts shippern konnten und trotzdem wieder nach Hause fanden.
 
Es gibt eine Hausarbeit aus dem Jahr 2020 18seiten von anonym die quellensammlung im Anhang ist interessant. Die Insel thule als Motiv der antiken Geschichtsschreibung und Geographie. Eine Untersuchung von pytheas, strabon und Tacitus.
 
Zu Thule gibt es 2 Dokus aus den Jahren 2012 und 2014: In dem Wo lag Thule? – Geodätische Daten aus der Antike [Lelgemann] wird Thule in der Insel Smola am Fjord von Trondheim gesehen, und in dem Lokalisierung von Pytheas’ und Ptolemaios’ Thule [Christian Marx] wird zwischen Pytheas’ und Ptolemaios’ Thule unterschieden.
Es ist ziemlich sicher, dass die antiken Geo- und auch Historiographen Pytheas' Thule an verschiedenen Orten lokalisiert haben. Stan Wolfson hält z.B. aufgrund einer Stelle in Tacitus' Agricola die Shetland-Inseln für ultima Thule, ich halte dagegen die Erzählung des Tacitus für allein dadurch motiviert, den Ruhm seines Schwiegervaters zu mehren.
Beide Artikel, sowohl von Lelgemann als auch von Christian Marx basieren letztlich auf einem Buch aus dem Jahr 2010, dass Lelgemann gemeinsam mit Marx, Kleinberg und Knobloch herausgegeben hat. Christian Marx' Artikel ist wohl aus dem Wunsch geboren, die miteinander nicht vereinbaren Angaben der antiken Autoren, wo Thule zu finden sei, mit dem Wunsch, wenigstens ein Thule richtig identifiziert zu haben

Zu dem Buch von Kleineberg/Marx/Knobloch/Lelgemann und bzw. dem Nachfolger von Kleineberg/Marx/Lelgemann die Bücher Germania und die Insel Thule. Die Entschlüsselung von Ptolemaios 'Atlas der Oikumene', Darmstadt 2010 und Europa in der Geographie des Ptolemaios. Die Entschlüsselung des 'Atlas der Oikumene'. Zwischen Orhney, Gibraltar und den Dinariden, Darmstadt 2012 gibt es einiges kritisch zu bemerken, vor allem bzgl. der Methodik.

Für die außerhalb des römischen Reiches liegenden Orte können die Bücher nicht wirklich überzeugen. Das kann man anhand der Germania ganz gut veranschaulichen. Die Autoren stellen zunächst ganz korrekt die Problematik dar: Die Ortsnamen historischer Siedlungen in der Germania kennen wir so gut wie nicht, können also nur Orte mit Siedlungskontinuität, die Flüsse und Gebirge wirklich einigermaßen zuweisen (eine Namenskontinuität seit römischer Zeit gibt es in der Magna Germania nur bei eingen Flüssen, nicht bei den Gebirgen). Desweiteren ist mit Abschreibfehlern rechnen, die entweder Ptolemaios oder einem seiner Kopisten passiert sind (die frühesten überlieferten Handschriften stammen aus dem 13. Jahrhundert, sind also knapp 1100 Jahre nach Ptolemaios entstanden, das Handschriftenstemma ist in zwei Linien, die Omega- und die Xi-Linie (Ω, Ξ) eingeteilt, wobei es unter den Handschriften mehr als 1000 Abweichungen, Ortsangaben betreffend, gibt, die durch Lese- oder Schreibfehler, Verderbnisse, Zeilenverrutschungen oder vielleicht auch durch Ptolemaios eigene Korrekturen zustande gekommen sind).
Hinzu kommen verschiedene Messmethoden, nach Stadien (die unterschiedlich groß sein konnten, was Ptolemaios laut den Verfassern der Studie nicht bedacht hat), Leugen, Tagesreisen etc. Die meisten Orte in der Germania sind nur durch Ptolemaios überhaupt belegt, es gibt also keine Quelle, mit der man sie und ihre Lage irgendwie abgleichen könne.

Trotz all dieser Probleme wollen die Autoren nun die Orte wieder identifiziert haben.

Die Methode, wie sie die Orte errechnet haben wollen, bleibt dabei unklar. Da ich persönlich, was Mathematik angeht, geradezu ignorant bin lasse ich ab hier jemand geeigneteres sprechen, den Professor für Historische Kartographie Gyula Pápay (Uni Rostock).

Gyula Pápay: Rezension zu: Kleineberg, Andreas; Marx, Christian; Knobloch, Eberhard; Lelgemann, Dieter: Germania und die Insel Thule. Die Entschlüsselung von Ptolemaios' "Atlas der Oikumene". Darmstadt 2010, in: H-Soz-u-Kult, 14.09.2011, <Rezension zu: A. Kleineberg u.a. (Hrsg.): Germania und die Insel Thule | H-Soz-Kult. Kommunikation und Fachinformation für die Geschichtswissenschaften | Geschichte im Netz | History in the web >.

Pápay schrieb:
Aus diesen Darlegungen geht klar hervor, warum die Verortung der antiken Koordinatenangaben in einem modernen Koordinatensystem so schwierig ist und warum die bisherigen Versuche so starke Divergenz aufweisen. Dabei werden die Schwierigkeiten durch die Annahme, dass Ptolemaios für das Gebiet Germaniens auch Karten verwendete (zum Beispiel S. 7), sogar untertrieben.
[...]
Die Lokalisierung der Orte erfolgte primär auf der Grundlage von Itinerarien, die die Ortsentfernungen beinhalteten. Diese Angaben waren unsystematisch ungenau, demzufolge lassen sich die Koordinaten von Ptolemaios keineswegs systematisch entzerren. In der vorliegenden Publikation wird trotzdem eine Methode zur systematischen Entzerrung vorgeschlagen, die sogar als „geodätisch“ bezeichnet wird (S.11).
[...]
Die auf dem Schutzumschlag gegebene Einschätzung des Werkes steht in krassem Widerspruch zum eigentlichen Inhalt. Es wird verschwiegen, dass die sogenannten „revolutionären“ Ergebnisse viele Unsicherheiten enthalten. Die Autoren selbst stufen in der Tabelle mit den entzerrten Koordinaten auf dem Gebiet von Germania Magna 84% der Identifizierungen als unsicher ein.

Bei der Unterstreichung ist Pápay zu widersprechen. Die unsicheren Identifizierungen werden mehrfach von den Autoren angemerkt, in der Tabelle sogar extra verzeichnet und auch hinterher im Kommentar erneut vermerkt. Was man den Autoren allerdings vorwerfen muss, ist eine gewisse Unübersichtlichkeit. Sie identifizieren Orte nämlich aufrund unterschiedlicher Methoden, einmal denen die sie "geodätisch" nennen (was nach Pápay ja nicht gerechtfertigt ist) und dann historisch-archäologischen Methoden. Das ist nicht immer deutlich vermerkt, nach welcher Methode sie einen Ort gerade identifiziert haben.

Zur eigentlichen Methodenkritik:
Pápay schrieb:
Wie bereits angedeutet, ist die Entzerrungsmethode selbst kritisch zu betrachten. Bei Entzerrung historischer Karten kann man mit der Methode der Georeferenzierung sehr gute Ergebnisse erzielen.[3] Sie lässt sich jedoch für die Entzerrung der ptolemäischen Koordinaten außerhalb des Römischen Reiches nicht verwenden, da sie das Vorhandensein einer hinreichenden Anzahl identischer Orte oder geographischer Punkte in der historischen und in der modernen Karte voraussetzt. Die Georeferenzierung wird nicht als geodätische Methode bezeichnet, noch weniger verdient diese Bezeichnung die Methode, die zur Entzerrung der ptolemäischen Koordinaten verwendet wurde. Es handelt sich dabei um die Ausgleichsrechnung, die in der Geodäsie zur Eliminierung von Messfehlern dient. Zur Entzerrung der ptolemäischen Koordinaten lässt sich diese Methode so wie in der Geodäsie nicht für die Gebiete außerhalb des Römischen Reiches verwenden, da die ptolemäischen Koordinaten hier keinen Systemcharakter aufweisen.
[...]
Ebenso ist nicht nachvollziehbar, wie die Ausgleichsrechnung konkret zur Ermittlung solcher Ortsgruppen verwendet wurde. Die Bemerkungen dafür sind zu lakonisch: „Die Suche nach Transformationseinheiten erfolgt kombinatorisch. Dabei werden die Orte eines Startgebietes so lange miteinander kombiniert, bis eine maximale konsistente Ortsgruppe gefunden wird.“ (S. 12) Es ist völlig rätselhaft, wie zum Beispiel in der Mitte von Germanien, wo die ptolemäischen Koordinaten mit großen Unsicherheiten behaftet sind, eine „maximale konsistente Ortsgruppe“ ermittelt werden konnte. Der vorliegenden Publikation wurde auch keine konkrete Berechnung beigefügt. Damit entzieht sich die angewendete Entzerrungsmethode jeglicher Überprüfungsmöglichkeit.

An einem Bsp. wird gezeigt, wie unsicher selbst als sicher ausgegeben Identifizierungen sind:

Pápay schrieb:
Celamantia gehört zu den ganz wenigen Orten in der Tabelle zu Germania Magna (S. 31), deren Koordinaten (18° 14’ und 47° 45’) als sicher bezeichnet wurden. Demzufolge wurde dieser Ort mit Leányvár (bei Komarno) identifiziert. Die archäologische Forschung schließt jedoch eine solche Identifizierung definitiv aus.[4] Dieses Beispiel belegt zugleich, dass die Identifizierungsresultate, zum Teil sogar diejenigen, die als sicher angegeben werden, mit Vorsicht zu betrachten sind.

Das Schlussresümmee:
Pápay schrieb:
Die vorliegende Publikation kann nicht den Anspruch erheben, die ptolemäischen Koordinaten entschlüsselt zu haben. Sie bereichert lediglich die bisherige Vielzahl der Identifizierungsvorschläge für Germanien und die Anrainergebiete.
Und das gilt auch für Smola.
 
Eratosthenes war wahrscheinlich der bestinformierte Wissenschaftler seiner Zeit. Und er vertraute den Berichten Pytheas, die ihm damals vielleicht noch vollständig vorlagen, schließlich war er Leiter der bestausgestatteten Bibliothek von Alexandria.

In dem Dokument Wo lag Thule? – Geodätische Daten aus der Antike halte ich vor allem auf diese Aussage für bedeutend – Zitat:

Nach Eratosthenes war eine Tages-/Nachtfahrt definiert zu 1.000 Stadien; eine Tagesfahrt dürfte dann 500 oder 600 Stadien des Eratosthenes betragen haben. Hält man letzteren Wert an, betragen bei einer Stadionlänge von 0,1587 km eine Tagesfahrt 95,25 km und somit sechs Tagesfahrten 570 km in bester Übereinstimmung mit der realen Entfernung von 555 km zwischen den Shetland-Inseln und der Insel Smola am Fjord von Trondheim.

Egal was man sonst Kritisches über die Methodik von Lelgemann & Co. sagen kann, diese Aussage lässt sich aufgrund des zurückgelegten Weges von Pytheas (ca. 570 km) schwer widerlegen, denn außer der Nähe des Fjords von Trondheim gibt es keinen Ort, der passen würde.

Klar, ein denkbarer Schwachpunkt könnte die Frage sein, ob die Stadionlänge tatsächlich mit 0,1587 km anzusetzen sei. Für mich hat Lelgemann jedoch überzeugend dargelegt, wie er zu dieser Länge kam, aber möglichweise sehen andere das anders.
 
Eratosthenes war wahrscheinlich der bestinformierte Wissenschaftler seiner Zeit. Und er vertraute den Berichten Pytheas, die ihm damals vielleicht noch vollständig vorlagen, schließlich war er Leiter der bestausgestatteten Bibliothek von Alexandria.
Das ist ein klassisches argumentum ad verecundiam:
- bestinformiertester Wissenschaftler
- er vertraute auf Pytheas.
- bestausgestattete Bibliothek
(gleich zwei Mal best-)
Ja, wir können ziemlich sicher davon ausgehen, das Eratosthenes gut informiert war und dabei noch ein schlauer Mensch war (nicht nur im Sinne von belesen sondern auch im Sinne, dass er selber innovativ war). Das ändert aber nichts an seiner Abhängigkeit von Pytheas.

Es ist daher erstmal völlig unerheblich, wie gut die Bibliothek ausgestattet und Eratosthenes informiert war.

Eratosthenes gibt - wohl basierend auf Pytheas - eine völlig verzerrte Lage Britanniens an, nach Nordosten gedehnt und viel länger als tatsächlich. Das bedeutet auch für uns, dass wir Eratosthenes nicht vertrauen können, ein Umstand, den Lelgemann gar nicht erst berücksichtigt.

In dem Dokument Wo lag Thule? – Geodätische Daten aus der Antike halte ich vor allem auf diese Aussage für bedeutend – Zitat:

Nach Eratosthenes war eine Tages-/Nachtfahrt definiert zu 1.000 Stadien; eine Tagesfahrt dürfte dann 500 oder 600 Stadien des Eratosthenes betragen haben. Hält man letzteren Wert an, betragen bei einer Stadionlänge von 0,1587 km eine Tagesfahrt 95,25 km und somit sechs Tagesfahrten 570 km in bester Übereinstimmung mit der realen Entfernung von 555 km zwischen den Shetland-Inseln und der Insel Smola am Fjord von Trondheim.
Es ist mir völlig schleierhaft,
  • wie Lelgemann darauf kommt, Pytheas sei von den Shetland-Inseln(???) aus losgesegelt.
  • warum Lelgemann mit Erastosthenes unterstellt, dass eine Seefahrt immer gleichlang gedauert habe, bzw. auf dem Atlantik vergleichbar mit dem Mittelmeer gewesen sei.
  • warum Lelgemann die Daten, die Eratosthenes gibt, einfach kürzt, von 1000 auf 5-600 Stadien. Geht der davon aus, dass die Nachts mitten auf dem Atlantik geankert haben?

Egal was man sonst Kritisches über die Methodik von Lelgemann & Co. sagen kann, diese Aussage lässt sich aufgrund des zurückgelegten Weges von Pytheas (ca. 570 km) schwer widerlegen, denn außer der Nähe des Fjords von Trondheim gibt es keinen Ort, der passen würde.
Wenn man
  • als Startort Shetlands akzeptiert
  • die (Beinahe)Halbierung der Tages-Nacht-Fahrt akzeptiert
Die Frage ist halt, warum wir solche willkürlichen Festlegungen akzeptieren sollten?

Wenn du den Thread aufmerksam gelesen hast, weißt du, dass man mit Plinius' Geschwindigkeitsangaben locker in sechs Tagen von der schottischen Nordküste nach Island gelangen kann.

Wenn man nun mit Lelgemann den Breitengrad, den Eratosthenes/Strabon wiedergibt, auf unser Breitengradsystem umrechnet und auf 63° 13 kommt, dann kann man neben Smøla sowohl Island, als auch die Färöer als mögliche Ziele in Betracht ziehen.

Im Prinzip handelt es sich um eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten.

Was wir kennen:
- sind die Breitenangaben des Zielpunktes
- ist die Fahrtdauer (≠ zurückgelegte Strecke)
- die grobe Fahrtrichtung (Norden)

Was wir nicht kennen:
- die Breitenagaben des Startpunktes von Pytheas
- die Längenangaben des Startpunktes von Pytheas
- die Längenangaben des Zielpunktes von Pytheas
- die Strömungen, die er kreuzte
- die Wetterverhältnisse (1-2 Knoten gegen den Wind, 4-6 mit dem Wind,in Spitzen auch 7 Knoten)

Gleichung mit zwei Unbekannten - Woher kam Pytheas und wo langte er an.jpg



Es ist im Übrigen sehr interessant, dass Lelgemann in dem Artikel Ptolemaios' Lucentum mit Águilas identifiziert, Dabei ist Lucentum tatsächlich Alicante und Lucentum ist nicht gerade nebenan (fiel mir nur so beim Lesen auf). Das ist mal locker ein Fehler von knapp 140 - 150 km.
 
Was wir kennen:
- sind die Breitenangaben des Zielpunktes
- ist die Fahrtdauer (≠ zurückgelegte Strecke)
- die grobe Fahrtrichtung (Norden)

Was wir nicht kennen:
- die Breitenagaben des Startpunktes von Pytheas
- die Längenangaben des Startpunktes von Pytheas
- die Längenangaben des Zielpunktes von Pytheas
- die Strömungen, die er kreuzte
- die Wetterverhältnisse (1-2 Knoten gegen den Wind, 4-6 mit dem Wind,in Spitzen auch 7 Knoten)
Weil aufgrund der Stärke und Richtung der Winde und der Strömungen die zurückgelegte Strecke in diesen 6 Tagen sehr variieren kann, ist jede Länge zwischen ca. 600 und 1000 Stadien möglich.

Dadurch ist es nicht mehr so wichtig, von wo genau Pytheas gestartet ist, fest steht nur, dass er nach 6 Tagen einen Punkt nördlich Britanniens erreichte.

Da zu dem Zeitpunkt Island unbewohnt war und Färöer-Inseln wahrscheinlich auch nicht, bleibt nur noch Norwegen als Zielpunkt übrig. Dort hatte Pytheas nicht nur Kontakt zu den Bewohnern, sondern hatte auch Polarlichter, Mitternachtssonne und „gefrorenes Eis“ gesehen. Das trifft auf die Küste Norwegens zu - eine Alternative dazu sehe ich nicht.
 
Dadurch ist es nicht mehr so wichtig, von wo genau Pytheas gestartet ist, fest steht nur, dass er nach 6 Tagen einen Punkt nördlich Britanniens erreichte.
Aha, also kannst du dich auch nicht auf Lelgemann berufen.

Da zu dem Zeitpunkt Island unbewohnt war und Färöer-Inseln wahrscheinlich auch nicht, bleibt nur noch Norwegen als Zielpunkt übrig. Dort hatte Pytheas nicht nur Kontakt zu den Bewohnern, sondern hatte auch Polarlichter, Mitternachtssonne und „gefrorenes Eis“ gesehen. Das trifft auf die Küste Norwegens zu - eine Alternative dazu sehe ich nicht.
Und hier liegt ein Denkfehler vor, der seit 200 Jahren kontrovers diskutiert wird. Pytheas war ziemlich sicher auch in der Ostsee (weshalb manche sich sogar verstiegen haben, Thule dort zu suchen). Es ist nirgends gesagt, dass Pytheas auf Thule Menschen begegnete. Da wir Pytheas im Prinzip nur über Eratosthenes, Hipparch und Geminos habhaft werden und das alles sehr verstreute Nachrichten sind, kann es durchaus sein, dass Pytheas Island oder die Färöer erreichte, nach Britannien zurückkehrte und dann die skandinavische Küste erreichte.
 
Vielen Dank, @Sepiola, für den Link.

Und ohne jetzt etwas erneut zur Diskussion stellen zu wollen, das wir schon in diesem Thread besprochen haben, stelle ich hier ein Bild von einem Schiff vor, das Pytheas benutzt haben könnte:

6728.jpg


Es ist diesem Artikel entnommen, in dem es u.a. heißt - Zitat:

Aber es ist auch möglich, dass Pytheas, wenn er tatsächlich ein Händler war, auf einem Schiff vom Typ Kyrenia* segelte. Das waren griechische Frachtschiffe, robuste, gut gebaute Schiffe mit großem Tiefgang, die in erster Linie für den Transport von Handelswaren gedacht waren. Im Allgemeinen hatten sie einen flachen Boden, einen runden Rumpf und wurden hauptsächlich von Segeln angetrieben. Sie unterschieden sich sehr von den schnittigeren, bekannteren Triremen, den griechischen Kriegsschiffen. (Mit DeppL übersetzt und von mir in Bezug auf Schiffbezeichnung angepasst.)

* Das in Kyrenia gefundene Schiff wurde im 4. Jahrhundert v.Chr. gebaut und würde damit vom Typ her in die Zeit von Pytheas passen.
 
Wenn er denn die iberische Halbinsel (PI) umschifft hat, was keineswegs gesichert ist. Vorschläge für seine Reiseroute gibt es verschiedene, sowohl solche, die von einer Umschiffung der PI ausgehen, als auch solche, dass er auf dem Land bzw. Flussweg an den Atlantik gekommen sei. Dann hätte er im folgenden gallische/britannische Boote/Schiffe benutzt.
 
Dadurch ist es nicht mehr so wichtig, von wo genau Pytheas gestartet ist, fest steht nur, dass er nach 6 Tagen einen Punkt nördlich Britanniens erreichte.
Es ist nirgends gesagt, dass Pytheas auf Thule Menschen begegnete.
Ist eigentlich gesagt, dass Pytheas Thule persönlich bereist hat?

"... Pytheas, von dem sich Viele hätten täuschen lassen, indem er ganz Britannien, so weit es zugänglich sei, bereist zu haben vorgebe und den Umfang der Insel auf mehr als 40,000 Stadien bestimme; zugleich aber auch seine Erzählungen von Thule und jenen Gegenden beifüge, wo fernerhin weder Land für sich bestehend vorhanden sei, noch Meer, noch Luft, sondern ein der Seelunge ähnliches Gemisch aus diesem allen, in welchem Land und Meer und alle Dinge schweben, und dieß sei gleichsam ein Band des Ganzen, weder begehbar, noch beschiffbar. Jenes der Lunge ähnliche Gemisch nun habe er selbst gesehen, das Uebrige aber erzähle er vom Hörensagen."
Strabo's Erdbeschreibung

Für mich klingt das eher so, als ob Pytheas zwar das Meer-Land-Luft-Gemisch gesehen, die übrigen "Erzählungen von Thule und jenen Gegenden" jedoch auf Hörensagen beruhen.
 
Ist eigentlich gesagt, dass Pytheas Thule persönlich bereist hat?
In dem oben verlinkten Dokument „Lokalisierung von Pytheas’ und Ptolemaios’ Thule“ von Christian Marx steht – Zitat:

Demnach hat Pytheas die Region Norwegens westlich des Skandinavischen Gebirges zwischen ca. 63°20′ und 66°16′ Breite als Thule bezeichnet. Dies steht im Einklang mit Pytheas’ Kontakt zu Einwohnern und mit seinem Bericht über Getreideanbau in Thule, denn diese Region war aufgrund des Klimas, der Böden und des weiträumigen Tief- und Hügellands für dauerhafte Siedlung und Landwirtschaft geeignet.

Darüber hinaus: Es ist bekannt, dass sowohl Polybios als auch auf ihn sich berufender Strabon negativ über Pytheas dachten. Das im Gegensatz zu Eratosthenes, der an Pytheas‘ Bericht glaubte. Wobei alle drei nicht selbst an den Orten waren, von denen Pytheas sagte, gewesen zu sein. Sie wussten es daher nicht besser, sie konnten ihn nur glauben oder nicht glauben.
 
Das Problem ist, dass Chr. Marx sich auf Geminos' Eisagoge VI § 9 bezieht, bei Geminos aber nix von Thule steht:

Nicht in jedem Lande und in jeder Stadt ist aber die Länge der Tage dieselbe, sondern für diejenigen welche nach Norden zu wohnen, werdn die Tage länger, für diejenigen, welche nach Süden zu wohnen, kürzer. In Rhodos hat der längtse Tag 14 1/2 Äquinoktialstunden, in der Umgebung von Rom 15 Äquinoktalstunden. Für diejenigen, wleche noch weiter nördlich über die Propontis hinaus wohnen, wird der längste Tag 16 Äquinoktalstunden lang, für die noch weiter nördlich wohnenden wird er 17 und 18 Stunden lang. Bis in diese Gegenden scheint auch Pytheas von Massilia gekommen zu sein. Er sagt wenigstens in der von ihm verfassten Abhandlung über das Weltmeer: "Es zeigten uns die Eingeborenen den Ort, wo die Sonne zu Rüste geht. Es traf sich nämlich, dass in diesen Gegenden die Nacht ganz kurz war, an manchen Orten zwei, an anderen drei Stunden, sodass die Sonne, nachdem sie untergegangen, nach Verlauf einer kurzen Zwischenzeit gleich wieder aufging."
ÜS: Karl Manitius (nicht der Historiker mit dem Wikipedia-Artikel)
Und da sind wir wieder bei der Kritik: Da Pytheas wahrscheinlich auch die Ostsee besucht hat, haben manche sich dahin verstiegen, Thule mit einer Ostseeinsel gleichzusetzen. Wir müssen einfach damit rechnen, dass Pytheas, nachdem er in den Norden gesegelt und wieder nach Britannien zurückgekehrt war, in Richtung Ost weitergefahren ist. Norden ist explizit die Richtung, die für seine Reise nach Thule angegeben wird.
 
In dem oben verlinkten Dokument „Lokalisierung von Pytheas’ und Ptolemaios’ Thule“ von Christian Marx steht – Zitat:

Demnach hat Pytheas die Region Norwegens westlich des Skandinavischen Gebirges zwischen ca. 63°20′ und 66°16′ Breite als Thule bezeichnet. Dies steht im Einklang mit Pytheas’ Kontakt zu Einwohnern und mit seinem Bericht über Getreideanbau in Thule, denn diese Region war aufgrund des Klimas, der Böden und des weiträumigen Tief- und Hügellands für dauerhafte Siedlung und Landwirtschaft geeignet.
Erstens habe ich weiter oben schon darauf hingewiesen, dass sich Strabons vermeintlicher Bericht über Thule in 4.5.5 gar nicht zwingend auf Thule beziehen muss, zweitens ist von einer Eignung für Landwirtschaft dort so nicht die Rede. Es heißt im Gegenteil, dass bei denen, die nahe der kalten Zone wohnen, Mangel herrsche. Dann heißt es, dass dort, wo es Getreide und Honig gibt, auch ein Getränk daraus hergestellt wird. Es ist also anscheinend von verschiedenen Gegenden die Rede, von denen keine Thule sein muss.
 
Man muss sich auch die Frage stellen, wer in dem Geminos-Zitat von Pytheas mit die Eingeborenen (βάρβαροι) gemeint ist. Denn wenn diese den Ort, wo die Sonne unterging, zeigen mussten, heißt das, dass man noch gar nicht in der Nähe war (was ja eh eine Chimäre ist). Das heißt für mich, dass mit den Eingeborenen womöglich britannische Fischer gemeint waren, die mit Pytheas gen Norden gesegelt sind und eben nicht die Eingeborenen eines bereits so weit nördlich gelegenen Ortes.
 
Zu Thule gibt es 2 Dokus aus den Jahren 2012 und 2014: In dem Wo lag Thule? – Geodätische Daten aus der Antike wird Thule in der Insel Smola am Fjord von Trondheim gesehen, und in dem Lokalisierung von Pytheas’ und Ptolemaios’ Thule wird zwischen Pytheas’ und Ptolemaios’ Thule unterschieden.
Dass Lelgemann die Insel Berrice mit den Shetlandinseln identifiziert, erscheint mir recht willkürlich. Plinius schreibt anhand seiner Darstellung Britanniens lediglich, dass es noch andere Inseln gebe: Scandiae, Dumna, Bergi und als größte von allen Berrice, von wo man nach Thule segle. Die Lage der Inseln geht aus Plinius nicht hervor. Zu bedenken ist auch, dass die antiken Geographen nicht unbedingt zuverlässige Informationen über die exakte Größe der einzelnen Inseln hatten. Aber wenn man die Angabe, Berrice sei die größte Insel gewesen, ernst nimmt, dann würde es sich nicht um die Shetlandinseln handeln, sondern um die Insel Lewis and Harris von den Äußeren Hebriden. Auch die Isle of Skye von den Inneren Hebriden ist größer als die größte der Shetlandinseln.
Im Übrigen schreibt Plinius nicht, dass Thule von Berrice 6 Tagesreisen entfernt gewesen sei.

Marx' Artikel basiert teilweise auf einem Zirkelschluss: Auf S. 197/198 listet er auf, was sich anhand der Quellen über die Lage Thules sagen lässt, verwirft dabei aber die Information mit der Nähe zum geronnenen Meer als "Erdichtung", weil das nicht zu Norwegen passe. Anhand der anderen Informationen kommt er auf Norwegen.
 
Darüber hinaus: Es ist bekannt, dass sowohl Polybios als auch auf ihn sich berufender Strabon negativ über Pytheas dachten. Das im Gegensatz zu Eratosthenes, der an Pytheas‘ Bericht glaubte.

Es ist auch bekannt, dass Strabon sein Misstrauen an Pytheas mit überzeugenden Argumenten begründet.

So stellt Strabon klar, dass die Südostecke Britanniens (Kent) vom Festland aus sichtbar ist, während Pytheas behauptet, Kent sei mehrere Tagesfahrten vom Festland entfernt. Auf Pytheas' völlig falsche Größenangaben Britanniens wurde oben bereits hingewiesen.
 
Die Ausgangsfrage war: Wo liegt bzw. lag Thule? Die Antwort ist deshalb nicht so einfach, weil man die Zeit betrachten muss, zu der die jeweilige Expedition stattfand. Heute ist unser Polarstern Polaris im Sternbild des Kleinen Bären. Das war nicht immer so. Vor 2300 Jahren befand sich dieser Punkt in der Nähe des Kochab (auch im Sternbild des Kleinen Bären). Dazu befand sich dieser Punkt noch dazu an einem Ort, an dem sich kein mit bloßem Auge sichtbarer Stern befand. Die Griechen scheinen sich das einfach gemacht zu haben. Sie haben einfach den am besten sichtbaren Stern genommen - Polaris. Wäre nach 50 Jahren eine neue Expedition gestartet, war der Fehler noch so gering, dass er nicht aufgefallen wäre. Dann gibt es noch zu beachten, dass Griechen Römer und Karthager verschiedene Methoden zur Ermittlung der Koordinaten genutzt haben. Am deutlichsten sieht man das bei Ptolemaeus.
 
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