Wüstendrachen und Massenjagd im Neolithikum

silesia

Moderator
Teammitglied
Da hat die Jagd wohl relativ wenig Zeit verbraucht....
Die wurden aber nur einmal im Jahr gejagt, ...
... die gesamte Herde und nicht einzelne Tiere jagten."

Es gibt hier bermerkswerte Aufschlüsse, auch zB von Zahnanalysen iZm dem betriebenen Ackerbau bzw. der Verarbeitung des Getreides etc.

Ist das aber bzgl. der Jagdanteile nicht eine Besonderheit des Standortes? Sicher nicht in Bezug auf die Nachahmung/Verbreitung der Jagdmethode, die dann wohl auch zum Verschwinden der Gazellen geführt hat.
 
Ist das aber bzgl. der Jagdanteile nicht eine Besonderheit des Standortes? Sicher nicht in Bezug auf die Nachahmung/Verbreitung der Jagdmethode, die dann wohl auch zum Verschwinden der Gazellen geführt hat.

Das war diese Gazellenart.
Die wurde in der Gegend des heutigen Syrien, Saudi-Arabien und vor allem Jordanien gejagt.
Die Wiki-Behauptung, die Bestände seien bereits in der Steinzeit "vollständig zusammengebrochen", ist nicht zu trauen.
(Vgl. auch Wüstendrachen: Gazellen-Jagd endete in Massenschlachtung)

Johann Ludwig Burckhardt beobachtete noch im 19. Jahrhundert Gazellen "in beträchtlicher Menge in allen Teilen der Syrischen Wüste".
Er beschreibt sogar die Methode der Massenjagd, bei der Gazellen bis "zu Hunderten" erlegt wurden.
 
Danke für die Hinweise.

Ist hier OT, aber ich hatte die Behauptung vom Zusammenbruch der Gazellenbestände aus dem von Dir zitierten Aufsatz:
Anthony J. Legge und Peter A. Rowley-Conwy
Gazellenjagd im steinzeitlichen Syrien

Und das wird aus den "Nahrungsumstellungen" anhand der Skelett- und Zahnuntersuchungen von weiteren Autoren offenbar auch angenommen, ...


... so dass sich als Erklärung anbieten würde, dass sich die Bestände in den Tausenden Jahren danach wieder erholt haben könnten?
 
Seit der Neolithisierung können sich die Bestände ja durchaus erholt haben oder Tiere aus weniger stark bejagten Regionen wieder eingewandert sein. (Womit ich nicht gesagte haben will, dass ich mich der These einer regionalen Ausrottung angeschlossen sehen möchte.) Nur mal als Bsp: In Dtld. waren Wölfe ausgerottet, mittlerweile haben wir durch Wiedereinwanderung in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg ca. 12 Rudel und wohl einige Paare, zwei sollen es bis nach Niedersachsen (Lüneburger Heide) geschafft haben.
 
Wo aber auch Burckhardts Bericht erwähnt wird.
Kritisiert habe ich die Wiki-Behauptung vom vollständigen Zusammenbruch.

Die These wird auch angesprochen,

"38.​This favorable situation did not last forever. Sometime in the seventh millennium B.C. the animal economy at Tell Abu Hureyra underwent an abrupt and profound change: gazelles exchanged positions of relative importance with sheep and goats. In a brief period gazelles declined until they contributed only 20 percent of the bones at the site. In the same period sheep and goats increased until they provided the same proportion the gazelles once had: 80 percent.
39.​It appears this dramatic shift was linked to events far to the south of the tell. It is probable that when the taking of gazelle herds began at Abu Hureyra, desert kites were not widespread in Syria and Jordan. Indeed, few archaeological sites are contemporary with the settlement of Tell Abu Hureyra in 9000 B.C. during Mesolithic times. Midway through the Neolithic period, however, kites had become far more widespread...
42.​This array of evidence suggests that in the seventh millennium B.C. desert kites spread rapidly across the steppe in northern Jordan. Of course, the taking of any herd through mass kills may lead to overkilling, and it seems that this is what happened. In the Mesolithic and the earliest part of the Neolithic the people of Tell Abu Hureyra were one of the few groups hunting gazelles by mass-killing methods. Somewhat later in the Neolithic the extension of kites into northern Jordan may have put too much pressure on the herds. The result may have been a decrease in the number of gazelles and perhaps even a disruption of the overall migratory pattern. The reduced availability of gazelles, in turn, could have forced the community at Abu Hureyra to fall back on husbandry of sheep and goats."



Zu der Kontroverse über das Ausmaß (Wirkungen der "desert kites") siehe auch abwägend hier:
Bar-Oz et. al.: Role of mass-kill hunting strategies in the extirpation of Persian gazelle (Gazella subgutturosa) in the northern Levant, später datiert:

"Several authors have suggested that the mass harvesting of Persian gazelle using “desert kites” might have played a role in their extirpation...

It is difficult to assess the overall impact of this mass-kill strategy on steppic game animals in the Khabur. Gazelle and onager are virtually absent in Khabur faunal assemblages dating to the mid-third millennium BCE, even in those from the more southern part of the region, where both species had been well represented from the sixth to the early third millennia (Fig. 2). The disappearance of these species from regional faunal assemblages might be a reflection of a restructuring of the sub- sistence economy as part of an urban emergence in the region and the associated development of an increasingly specialized pasto- ral economy that supplied meat and other pastoral products, es- pecially wool, to growing urban centers (26). Habitat loss resulting from the growth of settlements and the more intensive use of steppic grasslands for pasturing domestic flocks also might have played a role in the extirpation of wild steppe species. However, the prolonged use of kites in the massive sustained harvesting of wild herds during periods leading up to urban emergence, as evidenced by the many desert kites and associated rock art sites in the region and now documented by the gazelle bone deposit at Tell Kuran, could well have played a major role in the process that led to the eradication of gazelle and perhaps other wild ungulates in the Khabur Basin."
 
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Ist gewünscht, das Thema Jagdmethoden im Neolithikum (Wüstendrachen, desert kites) in einen eigenen Bereich abzuspalten?:winke:
 
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Ist gewünscht, das Thema Jagdmethoden im Neolithikum in einen eigenen Bereich abzuspalten?:winke:

Ja, vielleicht finden sich weitere Beispiele für Massenjagden neben den syrischen Wüstendrachen. Interessant ist auch der zeitliche und örtliche Zusammenhang mit dem frühen Göbekli Tepe, den man manchmal als zentralen Ort von Jägergemeinschaften sieht.
 
Ja, vielleicht finden sich weitere Beispiele für Massenjagden neben den syrischen Wüstendrachen. Interessant ist auch der zeitliche und örtliche Zusammenhang mit dem frühen Göbekli Tepe, den man manchmal als zentralen Ort von Jägergemeinschaften sieht.

Es gibt auch weitere asiatische Studien. Darunter auch betr. Pferde etc.

Ok, warten wir noch auf Sepiola?
 
Die These wird auch angesprochen,

"38.​This favorable situation did not last forever. Sometime in the seventh millennium B.C. the animal economy at Tell Abu Hureyra underwent an abrupt and profound change: gazelles exchanged positions of relative importance with sheep and goats. In a brief period gazelles declined until they contributed only 20 percent of the bones at the site. In the same period sheep and goats increased until they provided the same proportion the gazelles once had: 80 percent.
39.​It appears this dramatic shift was linked to events far to the south of the tell. It is probable that when the taking of gazelle herds began at Abu Hureyra, desert kites were not widespread in Syria and Jordan. Indeed, few archaeological sites are contemporary with the settlement of Tell Abu Hureyra in 9000 B.C. during Mesolithic times. Midway through the Neolithic period, however, kites had become far more widespread...
42.​This array of evidence suggests that in the seventh millennium B.C. desert kites spread rapidly across the steppe in northern Jordan. Of course, the taking of any herd through mass kills may lead to overkilling, and it seems that this is what happened. In the Mesolithic and the earliest part of the Neolithic the people of Tell Abu Hureyra were one of the few groups hunting gazelles by mass-killing methods. Somewhat later in the Neolithic the extension of kites into northern Jordan may have put too much pressure on the herds. The result may have been a decrease in the number of gazelles and perhaps even a disruption of the overall migratory pattern. The reduced availability of gazelles, in turn, could have forced the community at Abu Hureyra to fall back on husbandry of sheep and goats."

Hier noch die Fassung fürs deutschsprachige Publikum:
Doch diese günstige Situation hielt nicht lange an. Irgendwann im siebtenten Jahrtausend vor Christus veränderte sich die Tierwirtschaft auf dem Tell Abu Hureyra plötzlich und tiefgreifend: Die Bedeutung der Gazellen sank, wie jene der Schafe und Ziegen zunahm; das Verhältnis der Anteile von Knochen dieser Tierarten kehrte sich binnen kurzem auf 20 zu 80 Prozent um.
Dieser dramatische Wechsel hing anscheinend mit Ereignissen weit im Süden des Tell zusammen. Vermutlich gab es einst noch nicht viele Fangmethoden in Syrien und Jordanien, als die Bewohner von Tell Abu Hureyra extensiv Gazellen zu jagen begannen. Tatsächlich sind nur wenige Fundplätze von 9000 vor Christus zeitgleich. Doch mitten im Neolithikum verbreiteten sich "Wüstendrachen" immer mehr.
...
Zahlreiche Befunde lassen also vermuten, daß während des siebenten Jahrtausends vor Christus überall in den Steppen des Nordjordanlandes Fanggehege verwendet wurden. Nun ist leicht einzusehen, daß die Massenabschlachtung jeder nur greifbaren Gazellenherde binnen kurzem den Gesamtbestand erheblich schrumpfen läßt - und genau dies scheint auch eingetreten zu sein.
Im Mesolithikum sowie in der Frühphase des Neolithikums waren die Leute vom Tell Abu Hureyra nur eine von wenigen Gruppen, die Jagd auf ganze Gazellenherden machten und dabei die Tiere massenweise töteten. Als sich dann die Technik der Fanganlagen bis hin nach Nordjordanien ausbreitete, hat sich vielleicht nicht nur der Gesamtbestand an Gazellen massiv verringert, sondern auch ihr Wanderungsverhalten geändert. Die Einwohnerschaft des Tell mußte sich nun wohl mehr den Schafen und Ziegen zuwenden.


 
Ja, vielleicht finden sich weitere Beispiele für Massenjagden neben den syrischen Wüstendrachen. Interessant ist auch der zeitliche und örtliche Zusammenhang mit dem frühen Göbekli Tepe, den man manchmal als zentralen Ort von Jägergemeinschaften sieht.

Ok, warten wir noch auf Sepiola?

Beispiele für Massenjagden außerhalb Syriens fände ich auch interessant, aber das gehört in eine andere Diskussion.

EDIT: Während ich noch schreibe, sind wir sind ja schon in einen anderen Thread abgezweigt (worden).
 
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Ja, vielleicht finden sich weitere Beispiele für Massenjagden neben den syrischen Wüstendrachen. Interessant ist auch der zeitliche und örtliche Zusammenhang mit dem frühen Göbekli Tepe, den man manchmal als zentralen Ort von Jägergemeinschaften sieht.

Das selbe Prinzip gibt es auch in Europa und nördlichen Ländern.
Heißt in der Jägersprache Lappjagd und dort werden statt Steine an Leinen angebundene "Lappen" in Form des Wüstendrachen, also dreieckig angebracht.
Die Tiere fürchten sich vor den Flatterbändern und können somit in Netze getrieben werden.

"Durch die Lappen gegangen" stammt aus der Jägersprache und meint ein Stück Wild, dass ausgebrochen und durch Lappen entkommen ist.

Eine gute Darstellung davon kann man auf dem kleinen Jagdmosaik in Piazza Armerina finden.

Mit Nachweisen wirds halt schwer, da hier keine dauerhaften Materialien verwendet wurden. Bleiben also nur Petroglyphen.
 
Das selbe Prinzip gibt es auch in Europa und nördlichen Ländern.
Heißt in der Jägersprache Lappjagd und dort werden statt Steine an Leinen angebundene "Lappen" in Form des Wüstendrachen, also dreieckig angebracht.
Die Tiere fürchten sich vor den Flatterbändern und können somit in Netze getrieben werden.

"Durch die Lappen gegangen" stammt aus der Jägersprache und meint ein Stück Wild, dass ausgebrochen und durch Lappen entkommen ist.

Eine gute Darstellung davon kann man auf dem kleinen Jagdmosaik in Piazza Armerina finden.

Mit Nachweisen wirds halt schwer, da hier keine dauerhaften Materialien verwendet wurden. Bleiben also nur Petroglyphen.

Lappjagd funktioniert besonders gut bei Hirschen und Wölfen. Wildschweine dagegen lassen sich selten durch die bunten Lappen halten. In Mittel- und Westeuropa wird die Lappjagd heute nicht mehr ausgeübt, und vielerorts ist das sogar verboten.

In großem Stil wird die Lappjagd aber noch heute in Russland und Nachfolgestaaten der Sowjetunion eingesetzt. Besonders erfolgversprechend ist sie bei der Wolfsjagd. Wölfe werden heute, wo sie legal gejagt werden dürfen entweder am Luderplatz geschossen oder auf der Lappjagd erlegt.

Oft sind Rabenschwärme ein Indikator für Wölfe, und Raben tragen oft zum Erfolg bei. Rabenschwärme folgen Wolfsrudeln, und ein Rabenschwarm kann einem Wolfsrudel einen Großteil der Beute streitig machen. Häufig werden Kadaver zuerst von Raben gesichtet, und der Krach, den Raben am Futterplatz machen, lockt Wölfe an.

Wenn ein Rudel in einem Waldstück bestätigt wird, versuchen Kundschafter, das Rudel einzulappen. Das geschieht mit riesigen Kabeltrommeln, auf die Kilometer von Schnur aufgewickelt ist, die mit bunten Lappen versehen sind. Für Wölfe werden die Lappen in ca. 60 cm Höhe gespannt. Gelingt es, das Rudel einzulappen, werden entlang der "Lappstadt" Schützen postiert und Treiber bringen das Rudel in Bewegung.

Hirsche und Wölfe fürchten die Lappen. Wenn die Wölfe merken, dass sie getrieben werden, suchen sie nach einem Fluchtweg. Nur sehr wenige Tiere, meist solche, die Erfahrung haben, gehen durch die Lappen. Der Wolf fürchtet die bunten Lappen, er wird entlang der Lappbahn laufen, als befände dich dort ein unüberwindlicher Zaun, er wird die Bahn ablaufen auf der Suche nach einem Fluchtweg, und dabei kann er von den Schützen erlegt werden.

Die Lappjagd gilt unter Wolfsjägern als eine der erfolgversprechendsten Methoden.

In Kanada wird meistens am Luderplatz gejagt. Bedienstete von Jagdcamps legen das ganze Jahr Luderplätze an, wo Fallwild ausgelegt wird. Das haben auch die Wölfe bald spitz. Der Erfolg bei der Jagd hängt vor allem davon ab, dass Schützen unbemerkt den Luderplatz beziehen können. Allzu oft merken die Wölfe, das etwas faul ist. Die Wölfe werden meist auf sehr große Entfernung mit der Fernrohrbüchse geschossen. Wölfe werden im Winter bejagt, und die Stände werden häufig sehr kalt. Oft sind es bei dieser Methode die Raben, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Rabenschwärme aktivieren den Futterneid der Wölfe, die ansonsten sehr vorsichtig und auch nicht gerade blöd sind.

Bei der Lappjagd wird meist auf deutlich kürzere Entfernung geschossen. Viele Jäger benutzen dafür in Russland Postenschrot, das auf kürzere Entfernung auch für Großwild tödlich ist.

Wölfe gelten vielerorts als Schadwild, ähnlich wie früher bei mitteleuropäischen Jägern der Fuchs. Wölfe dürfen auf sehr verschiedene Arten gejagt werden, und die Abschussgebühren sind in den Nachfolgestaaten der SU oft weitaus geringer. Die Wolfsjagd in Russland, Kasachstan ist daher bei europäischen Jägern recht beliebt geworden- die Chancen, tatsächlich auch einen Wolf erlegen zu können, scheint höher zu sein, als bei kanadischen Wolfsjagden.

In den USA waren Wölfe vielerorts ausgerottet, bis sie in den 1990ern wieder im Yellowstonepark ausgesetzt wurden. In Montana und einigen anderen Bundesstaaten dürfen Wölfe wieder gejagt werden. Ich wüsste aber nicht, dass dort die Lappjagd ausgeübt wird.
 
Pläne für die „Mega-Strukturen“ der Desert Kites?

The oldest plans to scale of humanmade mega-structures
Ja, zweifellos.

In dem Dokument wird davon gesprochen, dass die eingeritzten Zeichnungen 9000 Jahre alt sind. Sie seien ziemlich genaue Abbildungen der sogenannten „Drachenfallen“, die offenbar von steinzeitlichen Jägern entlang der durch die Topografie vorgegebenen natürlichen Sperren angelegt oder bereits vorhandene benutzt worden sind, um (größere) Herdentiere ohne Gefahr für sich selbst hineinzutreiben.

Das Besondere dabei ist es nicht, dass es solche Fallen gab, die sind altbekannt, sondern dass davon genaue Grundrisse angefertigt worden sind, die man eigentlich nur aus der Höhe, heute würde man sagen: per Drohne, erkennen kann, denn manche Linie ist in natura 5 km lang, auf dem Stein eigeritzt misst sie aber nur wenige Dezimeter.

Das setzt in der Tat ein großes Abstraktionsvermögen voraus, was man bisher erst für Menschen mit Schriftkultur vermutete, denn die ersten „Karten“ stammen aus der Zeit der Tontafeln.

Keine Frage: Geschichte ist spannend.
 
Unterseeischer Steinwall in der Ostsee entdeckt - vermutlich eine riesige Anlage zu Jagdzwecken, als dieses Gebit noch nicht unter Wasser lag.


Hier noch ein Bericht auf Deutsch:
Stichwort Desert Kites, hier der aktuelle Beitrag zur Hypothese der unter dem Wasserspiegel liegenden Wälle
 
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