Wurde die Leistung der Leute in Tschernobyl richtig gewürdigt?

Griffel

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Die Havarie des Atomreaktors in der Ukraine, war sicherlich einer der gefährlichsten Momete in der jüngeren Geschichte! Ohne den todesverachten Mut, der Mitarbeiter, wäre ein weiter Teil Europas völlig verstrahlt worden! :mad::( Noch heute bezahlen viele Menschen mit ihrem Leben!

Das einzig positive daran ist, dass die Antiatomkraftbewegung auftrieb dadurch erhielt. Und viele Menschen sich der Risiken, auch der zivilen Atomkraft bewusst wurden. Wenn, auch die Folgen, international heruntergespielt wurden. Was ich für einen Skandal halte.
 
Wo genau meinst du denn eine Nichtwürdigung oder nicht hinreichende Würdigung der Mitarbeiter sehen wollen?

Bei dem, was ich an Rezeption des Tschernobyl-Unglücks so kenne (vorwiegend TV-Dokumentationen, wie ich zugeben muss), habe ich eigentlich nicht den Eindruck, dass die Leistung der Mitarbeiter und der von außerhalb der Belegschaft kommenden "Liquidatoren" in irgendeiner Weise missachtet würde.
Auf einem anderen Blatt steht sicherlich die öffentliche und staatlichen Unterstützung der Betroffenen, die wohl zeitweise sehr zu wünschen übrig ließ, die man allerdings fairerweise wohl auch vor dem Hintergrund des wirtschaftlich maroden Zustands der späten Sowjetunion und der entsprechend prekären Lage der Nachfolgestaaten in den ersten Jahren nach dem Unglück , wird betrachten müssen.
Ansonsten müsstet du wirklich mal erläutern , wo genau du hier Nachholbedarf siehst.


Das einzig positive daran ist, dass die Antiatomkraftbewegung auftrieb dadurch erhielt. Und viele Menschen sich der Risiken, auch der zivilen Atomkraft bewusst wurden.

Ohne allzu tagespolitisch-aktualistisch werden zu wollen, sehe ich die Antiatomkraftbewegung durchaus ambivalent, insofern die Existenz dieser Bewegung und ihr politisches Gewicht sicherlich nicht unbedingt förderlich sind, wenn es um das Auftreiben und Bereitstellen von Mitteln in Sachen Kernfusionsforschung und Aufbau von Versuchsanlagen geht.
In Anbetracht der Probleme auf dem Energisektor, könnte sich diese Bewegung in ihrer historischen und aktueelln Form und die Notwendigkeit ihrer politischen Berücksichtigung durchaus noch als gewaltige Hypothek erweisen, aber darüber wird unter dem Vorzeichen "Geschichte der Energiewirtschaft" und "Geschichte der Naturwissenschaften", ggf. auch anderen Aspekten wahrscheinlich erst in 20-30 Jahren auf Basis voneinigermaßen fundierten Daten diskutiert werden können.
 
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Bei dem, was ich an Rezeption des Tschernobyl-Unglücks so kenne (vorwiegend TV-Dokumentationen, wie ich zugeben muss), habe ich eigentlich nicht den Eindruck, dass die Leistung der Mitarbeiter und der von außerhalb der Belegschaft kommenden "Liquidatoren" in irgendeiner Weise missachtet würde.

Naja, zunächst hat die SU ja versucht, das Ganze unterm Teppich zu halten, bis es eben nicht mehr ging. Ich erinnere mich noch - ich war ja selber noch Kind - wie in den westdeutschen Nachrichten, wo hier niemand mehr Salat, der nicht aus dem Treibhaus kam, aß, darüber berichtet wurde, dass die Behörden in Ostdeutschland ihre Bürger nicht warnten. Während bei uns das Spielen im Sandkasten als gefährlich eingestuft wurde, sah man in den Nachrichtensendungen die Kinder in Ostdeutschland dort in den Sandkästen spielen (wie gesagt, ich war damals selbst noch Kind und spreche hier als kindlicher Zeitzeuge, nicht als Historiker).

Und wenn man an die ersten Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine zurückdenkt, wo russische Soldaten im Gebiet um Tschernobyl lagerten, dann wirft das ein bezeichnendes Licht darauf, wie der russische Staat bis heute nicht bloß mit seinen Oppositionellen oder sonstigen missliebigen Personen umgeht, sondern auch mit denen, die ihm dienen. Tschernobyl war da aus Sicht der russischen Führung offensichtlich kein Thema.

Interessant wäre mal ein Vergleich von Reaktionen der Betreiber und Behörden von Harrisburgh, Tschernobyl und Fukushima.
 
Naja, zunächst hat die SU ja versucht, das Ganze unterm Teppich zu halten, bis es eben nicht mehr ging.
Darüber was davon zu halten ist, auch vom Umgang mit dem heutigen russischen Staat mit den Menschen, braucht man sich, denke ich nicht zu unterhalten.
Das ein Menschenleben über weite Strecken der Geschichte der Sowjetunion und im heutigen Russland nicht viel wert ist (leider!) ich denke, dessen bedarf es keiner weiteren Beweise mehr, die bekommt man regelmäßig in den Nachrichten geliefert.

Ich hatte allerdings Griffel dahingehend verstanden, dass er der Meinung wäre, dass die Beteiligten in der historischen Rezeption des Unglücks nicht hinreichennd gewürdigt würden.

Das sehe ich zumindest in der medialen Rezeption nicht, in der Ukraine scheint man sich mittlerweile (den Möglichkeiten entsprechend) um die Verbliebenen Beteiligten, die bleibende Schäden davon getragen haben zu kümmern.
Wie damit in Weißrussland aussieht weiß ich nicht.

Ich schätze, dass das in Russland schon deswegen auch vor Putin und am Anfang von dessen Regierungszeit als Thema eine geringere Rolle spielte, da die meisten "Liquidatoren", die in Absicherungs- und Aufräumarbeiten verwickelt waren aus der Ukraine und Belarus gekommen und nach dem Ende der Sowjetunion dort verblieben sein dürften.

Im Hinblick auf eigenes Erleben muss ich passen, dafür bin ich als Jahrgang '92 ein paar Jahre zu jung. Woran ich mich allerdings erinnern kann, ist dass an der Grundschule auf die ich damals gegangen bin, bei Schulfesten, Elternsprechtagen etc. für Unterstützung des Atomunglücks in Weißrussland gesammelt wurde.
Das war mehr oder weniger das erste mal, dass ich mit der Thematik in Berührung gekommen bin, auch wenn ich das alles als Kind und in seiner Tragweite nicht verstanden habe.
Aber ein gewisses Bewusstsein, für die Opfer dieses Unglücks muss es gesellschaftlich bereits in den 1990er Jahrenn gegeben haben.
 
Die Havarie des Atomreaktors in der Ukraine, war sicherlich einer der gefährlichsten Momete in der jüngeren Geschichte! Ohne den todesverachten Mut, der Mitarbeiter, wäre ein weiter Teil Europas völlig verstrahlt worden! :mad::( Noch heute bezahlen viele Menschen mit ihrem Leben!

Das einzig positive daran ist, dass die Antiatomkraftbewegung auftrieb dadurch erhielt. Und viele Menschen sich der Risiken, auch der zivilen Atomkraft bewusst wurden. Wenn, auch die Folgen, international heruntergespielt wurden. Was ich für einen Skandal halte.

Das ganze Ausmaß der Katastrophe sickerte nur scheibchenweise durch. Die Sowjetunion versuchte zunächst die Angelegenheit zu vertuschen.

Dabei hatte die Bundesrepublik noch großes Glück. Der Wind blies den ganzen Segen nach Norden. Einige Jahre später ging ich zum Studium nach Göttingen. Dort lernte ich mehrere finnische Studenten kennen. Viele von ihnen kamen aus der Landwirtschaft oder hatten Kontakt mit Leuten, die Landwirtschaft betrieben.

Die Folgen müssen verheerend gewesen sein: Da war die Rede von Viehbestand oder Rentieren, die gekeult werden mussten. Pilze oder Beeren zu sammeln, war auf Jahre kaum möglich, und auch der Verzehr von Wildbret galt als riskant.

Tschernobyl das war schon so etwas wie die Schrift an der Wand. Im Großen und Ganzen würde ich deine Einschätzung, dass die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zu einem Umdenken führte in der Bevölkerung. Es gab 1981 die Katastrophe von Harrisburg, und Wissenschaftsjournalisten wie Hoimar von Dittfurth wiesen auf die Risiken hin.

Bis Tschernobyl war aber bei vielen communis opinio, dass deutsche AKWs sicher seien, dass Atomkraft eine saubere und (relativ) sichere Energie ist. Kernkraftgegner wurden gerne als weltfremde Theoretiker hingestellt.
Es gab Stimmen, die darauf hinwiesen, dass Tschernobyl auf dem technischen Stand von Stade oder Biblis waren.

Harrisburg, das war 1981 noch weit weg, der Reaktor-Störfall von Tschernobyl bewies deutlich, dass Kernenergie eben nicht sicher ist. Was man mit Atommüll geschehen sollte, darauf gab es keine befriedigende Antwort, und in den 1980ern konnte der ganze Segen noch ganz legal und unbürokratisch im Meer entsorgt werden.

1986 gründete Kohl ein Ministerium für Umwelt mit Klaus Töpfer als erstem Umweltminister
 
Bis Tschernobyl war aber bei vielen communis opinio, dass deutsche AKWs sicher seien, dass Atomkraft eine saubere und (relativ) sichere Energie ist. Kernkraftgegner wurden gerne als weltfremde Theoretiker hingestellt.
Es gab Stimmen, die darauf hinwiesen, dass Tschernobyl auf dem technischen Stand von Stade oder Biblis waren.

Es wäre in der Tat weltfremd zu behaupten, dass Biblis oder Stade auf dem technischen Stand von Tschernobyl gewesen seien. Abgesehen davon, dass Tschernobyl anders als alle deutschen Kernkraftwerke keine biologische Barriere besaß – keinen Sicherheitsbehälter, keinen Druckbehälter, sondern nur eine Wassersäule und eine Bodenplatte über den Brennstäben –, waren deutsche KKWs inhärent stabil, Tschernobyl nicht. Und das ist keine bloße Meinung, sondern ein physikalischer Fakt.

Deutsche Kernkraftwerke waren so gebaut, dass sie einen negativen Dampfblasenkoeffizient aufwiesen, was vereinfacht bedeutet, dass die thermische Energie im Reaktor abnimmt, wenn das Kühlmittel infolge einer Störung zu verdampfen beginnt. Tschernobyl hatte einen positiven Koeffizienten, die thermische Energie wuchs mit dem Verlust des Kühlmittels – darum letztlich die Explosion.

Wäre Tschernobyl wirklich auf demselben technischen Stand gewesen, wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals zur Katastrophe gekommen, es sei denn, die Reaktorfahrer hätten es absichtlich darauf ankommen lassen. Und selbst dann hätten die biologischen Barrieren zumindest die Radioaktivität zurückgehalten, wie eben in Three Miles Island.

Derartige Missverständnisse ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Anti-Kernkraft-Bewegung. In meinen Augen zeigt die deutsche Angst vor der Kernkraft, die es in dieser Intensität eigentlich auch nur im deutschen Sprachraum gibt, denselben wissenschaftsskeptischen Hang der Deutschen zur Esoterik an, den ich auch bei Impfgegnern und Homöopathie-Befürwortern verorte.

Tschernobyl war nicht das unvermeidliche Ergebnis der zivilen Nutzung der Kernenergie, sondern das Werk eines pathologischen totalitären Systems, das sich über sämtliche Erkenntnisse der Wissenschaft hinweggesetzt hatte. Gorbatschow nannte es später in seinen Memoiren die "wahrscheinlich wahre Ursache" für den Zusammenbruch der Sowjetunion; aber dabei schien er nur an die finanziellen Kosten und die erschütterte Überzeugung an die Überlegenheit und Unfehlbarkeit des Systems zu denken.

Dabei zeigte die Katastrophe vor allem eines: Die Sowjetunion war moralisch bankrott. Sie hatte den ohnehin starken russischen Kollektivismus bis ins Pathologische erhöht und das Individuum den Bedürfnissen des Staates geopfert. Tschernobyl ist auch nur ein Beispiel für diesen bis heute in Russland fortdauernden Effekt, der sich alljährlich an opferreichen Unfällen und schweren Umweltschäden zeigt, Folge von Verstößen gegen einfachste Grundsätze der Arbeits- und Verkehrssicherheit.

In dieser Hinsicht bezeichnend ist, dass nur der Kraftwerksdirektor, der Chefingenieur und sein den verhängnisvollen Test durchführender Vize strafrechtlich belangt wurden – obwohl allein das Versagen der Aufsichtsbehörden Anlass für dutzende Verfahren geboten hätte, von den nötigen Konsequenzen in der Regierung der UkrSSR und dem Atomenergieministerium gar nicht zu reden. Auch Gorbatschow selbst hätte in einer Demokratie die politische Verantwortung übernehmen und zurücktreten müssen.

Jedenfalls, man muss froh sein, dass sich die Vorhersagen über das Schicksal der Liquidatoren nicht erfüllt haben, denn das tatsächlich von ihnen erlittene Leid, die für dieses Staatsversagen den Kopf hinhalten mussten, ist groß genug. Wurde ihre Leistung ausreichend gewürdigt? Geht es um die ideelle Würdigung, würde ich sagen: ja. In der Ukraine und international gelten sie als Helden.

Die materielle Würdigung freilich war lange ungenügend. Viele Liquidatoren lebten in den 1990ern in bitterer Armut. Und heute sind Depressionen bei ihnen wohl ein weit größeres Problem als Langzeitfolgen der radioaktiven Strahlung. Hilfsangebote scheinen nur schleppend angelaufen zu sein.

Jetzt, mit dem Krieg, hat die Ukraine natürlich andere Sorgen.
 
Ich denke, die Katastrophe von Fukushima und die von Tschernobyl sind zwei paar Schuhe. Zu Harrisburg kann ich nicht viel sagen, weil ich mich mit dem Ablauf und den Ursachen der Katastrophe nicht so auskenne.
Fukushima war die Folge einer großen Naturkatastrophe, denen ein menschengemachtes Bauwerk nicht gewachsen war. Man kann natürlich fragen, ob es überhaupt sinnvoll ist, ein AKW in ein erdbebengefährdetes Gebiet zu bauen, dennoch bleibt als eigentliche Ursache die Naturkatastrophe Erdbeben.

In Tschernobyl gab es kein Naturereignis, das zur Nuklearkatastrophe führte. Die Ursache war menschengemacht. Ein Versuch die Kühlsysteme nach dem Abschalten der externen Stromversorgung aufrechtzuerhalten, lief aus dem Ruder.
Die Ursache lag nicht ausschließlich in der Bauart des Reaktors, sondern auch darin, dass es während des Versuchs zu menschlichen Versagen kam. Der Test wurde im Vorfeld um einen halben Tag verschoben. Der Reaktor lief daher nur auf Teillast und es kam dadurch zu Anreicherung von Xenon 135. Hinzu kam, dass die automatisch arbeitenden Systemssysteme abgeschaltet wurden. Auch bei der späteren manuellen Schnellabschaltung aufgrund von Überhitzung kam es zu menschlichen Fehlern.

Die Helfer, die in den Tagen nach der radioaktiven Explosion unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Gesundheit, versuchten einen Schutzmantel aus Beton um den zerstörten Reaktorblock zu bauen, möchte ich nicht kritisieren - im Gegenteil. Anders sieht es aber aus mit den Verantwortlichen für den gescheiterten Versuch, der zur Katastrophe führte. Isb. Anatoli Djatlow als Versuchsleiter wäre da zu nennen, der gegen den Willen des Schichtleiters Alexander Akimow eine Fortführung des Tests durchsetzte.
 
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Der Unfall von Fukushima hat die Öffentlichkeit und die Politik aufgewühlt, doch offenbar nicht die Wissenschaft, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Er entkräftete viele der Befürchtungen, was geschähe, wenn unvorhergesehene Ereignisse wie ein Jahrtausenderdbeben auf menschliche Faktoren wie einen schlampigen Betreiber und nicht idealtypisch handelnde Reaktorfahrer träfen.

In Fukushima ist verdammt viel schief gelaufen. Das Kernkraftwerk entsprach nicht einmal den Anforderungen an die Tsunami-Sicherheit einer solchen Anlage. Die staatliche Kontrolle war lasch. Nach dem Tsunami wurde aufgrund unklarer Zuständigkeiten und unterbrochener Kommunikationswege viel zu lange mit einer entschlossenen Antwort gezögert. Und doch konnte dieser suboptimal und unter schwierigsten Bedingungen arbeitende Apparat die überall befürchtete Apokalypse verhindert.

Bisher hat die Katastrophe von Fukushima genau ein Strahlenopfer gefordert. Man vergleiche diese Zahl mit den über 2.200 Menschen, die bei der Evakuierung umkamen, nicht zuletzt in Altersheimen, von den panischen Pflegern im Stich gelassen, oder mit den fast 200.000 zusätzlichen Schwangerschaftsabbrüchen in Japan, China und westlichen Ländern, die aus Angst vor Strahlenschäden erfolgten.

Der Arzt Robert Gale, der viele der Opfer von Tschernobyl behandelte und gewiss nicht dazu neigen dürfte, die Gefahren der Radioaktivität zu verharmlosen, hat die Behauptung aufgestellt, dass die Angst vor den Folgen von Tschernobyl und Fukushima um ein Vielfaches mehr Menschen töten wird, als die Folgen beider Unfälle selbst. Ich halte das für glaubhaft.

Ich will damit keinesfalls die Risiken der Kernenergie verharmlosen; im Gegenteil wäre es sogar ein gutes Argument, sich rundheraus gegen die Kernenergie auszusprechen, wenn z.B. ein dysfunktionales Staatswesen wie in der Sowjetunion genügt, um aus dem Grundrisiko eine latente Gefahr zu machen. Schließlich sind stabile Staatswesen mit funktionierenden Kontrollorganen und halbwegs meritokratisch besetzten Führungspositionen die Ausnahme.

Trotzdem stellt sich mir die Frage, ob nicht ein besonnenerer Umgang mit diesem Risiko so manches unnötige Opfer hätte verhindern können, gerade auch unter den Liquidatoren.
 
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Man vergleiche diese Zahl mit den über 2.200 Menschen, die bei der Evakuierung umkamen, nicht zuletzt in Altersheimen, von den panischen Pflegern im Stich gelassen, oder mit den fast 200.000 zusätzlichen Schwangerschaftsabbrüchen in Japan, China und westlichen Ländern, die aus Angst vor Strahlenschäden erfolgten.
offtopic: Woher stammen die Zahlen? Kann man wirklich jede Abtreibung mit der Fukushima-Katastrophe in Verbindung bringen oder hatten die Frauen nicht vielleicht auch noch ganz andere Gründe?
 
Die Zahl stammt von Robert Gale. Im Prinzip ist es dasselbe Problem wie mit der Übersterblichkeit in der Pandemie: Es handelt sich um einen statistischen Ausreißer, den es zu erklären gilt. Und Fukushima bietet die plausibelste Erklärung dafür – zumal ähnliche Beobachtungen schon nach Tschernobyl gemacht wurden, vor allem in Schweden muss es 1986 sehr viele Abtreibungen gegeben zu haben.
 
Bei den genannten 2.200 Menschen, die im Zuge der Evakuierung umkamen, ist aber keinesfalls gesichert, ob man (isb. Pflegende) nun vor einer Nuklearkatastrophe, einem Erdbeben oder einem Tsunami flüchtete:

"Deutsche und japanische Medien berichteten sehr unterschiedlich über die Dreifachkatastrophe (Erdbeben, Tsunami, AKW-Unglück). Deutsche Medien hoben die nukleare Katastrophe im Vergleich zu Medien anderer Länder besonders ausführlich und mit einer kritischen Perspektive hervor. Japanische Medien konzentrierten sich dagegen zunächst hauptsächlich auf die Auswirkungen der Naturkatastrophe. Deutsche Berichterstattung wurde oft wegen Sensationalismus und Panikmache kritisiert, während japanischen Journalisten vorgeworfen wurde, zu unkritisch zu sein und die nukleare Katastrophe absichtlich herunterzuspielen"
Nuklearkatastrophe von Fukushima – Wikipedia
 
Zumindest bei den Toten in Altersheimen und Krankenhäusern erscheint der Zusammenhang gesichert, es gab sogar Gerichtsprozesse zu diesem Thema, auch wenn sie zu keinen Verurteilungen führten.
 
In einem Film zum Thema wird gesagt, sie haben die Stäbe raus gezogen um die Energieerzeugung zu vermindern, aber beim Rausziehen stieg die Energieerzeugung(Radioaktivität) kurze Zeit. Stimmt das und gibt es eine kurze Erklärung dafür ?
 
In einem Film zum Thema wird gesagt, sie haben die Stäbe raus gezogen um die Energieerzeugung zu vermindern, aber beim Rausziehen stieg die Energieerzeugung(Radioaktivität) kurze Zeit. Stimmt das und gibt es eine kurze Erklärung dafür ?

Ja, das stimmt. Es sollte ein Stromausfall simuliert werden, um zu schauen, ob die Restenergie des Generators ausreicht, um die Zeit bis zum Anspringen der Notstromgeneratoren zu überbrücken, die die weitere Kühlung gewährleisten. (Ein Reaktor muss permanent gekühlt werden.)

Doch hatte der Test sich zu lange verzögert (aufgrund von planwirtschaftlicher Intervention), der Reaktor wurde instabil. Der Test hätte nicht stattfinden dürfen. Es war eine sogenannte Xenonvergiftung eingetreten, das heißt, ein Gas war entstanden, das die Reaktivität bremst.

Man fuhr dennoch fort, da der federführende Ingenieur, Djatlow, den Test schon mal hatte verschieben müssen und bei weiteren Verzögerungen Nachteile für seine Karriere fürchtete. Dies geschah gegen den Widerspruch des Reaktorfahrers Akimow, den Djatlow überstimmte.

Um gegen das Xenon anzukommen, wurde der Reaktor von den beiden sozusagen mit dem Brecheisen auf Leistung gebracht. Dabei kam es zu einem gefährlichen Leistungsanstieg.

Akimow betätigte die Notabschaltung des Reaktors, welche die Steuerstäbe zwischen die Brennelemente fahren und so die Kettenreaktion beenden soll.

Doch hatte man den Bedienern einen schweren Designfehler des Reaktors verheimlicht. Aus Kostengründen bestanden die (mechanisch stark beanspruchten) Spitzen der Steuerstäbe aus Graphit, einem Material, das die Kettenreaktion nicht bremst, sondern im Gegenteil unterstützt.

Die Leistung explodierte in Sekundenbruchteilen auf ein Vielfaches des maximal zulässigen Werts, die Steuerstäbe verbogen sich durch die Hitze, die Graphitspitzen blieben zwischen den Brennelementen stecken, und die Kettenreaktion geriet außer Kontrolle.

Das Wasser im Reaktor war zu Wasserstoff verdampft, der sich entzündete. Die Explosion schleuderte die Bodenplatte vom Reaktor. Da das KKW Tschernobyl keinerlei biologische Barrieren hatte (Containment), lag der ganze Kernbrennstoff danach brennend unter freiem Himmel.
 
Man kann natürlich fragen, ob es überhaupt sinnvoll ist, ein AKW in ein erdbebengefährdetes Gebiet zu bauen, dennoch bleibt als eigentliche Ursache die Naturkatastrophe Erdbeben.

Wenn du zwischen San Diego und L.A. verkehrst, kommst du in San Onofre vorbei (mittlerweile stillgelegt). Ausgelegt für Erdbeben bis zur Stufe 7. Das Erdbeben von San Francisco 1906 lag nach allen Schätzungen darüber.
 
Man muss denke ich auch Unterscheiden zwischen z.b. den Bergleuten die wissentlich ihr Leben oder ihre Gesundheit geopfert haben und den Wehrpflichtigen denen man garnix gesagt hat oder es verharmlost hat was sie da machen und wie gefährlich das ist.

Auch wenn sie nicht 100% Geschichtlich korrekt ist kann man die Serie Tschernobyl denke ich empfehlen.

Persönliche Anekdote: Wir hatten in der Grundschule (90-94) regelmäßig "Tschernobylkinder" in der Klasse die für einige Wochen aus Weißrussland zur "Kur" in Deutschland waren. Ich glaube ein paar sind sogar hier geblieben.
 
Ich schätze, dass das in Russland schon deswegen auch vor Putin und am Anfang von dessen Regierungszeit als Thema eine geringere Rolle spielte, da die meisten "Liquidatoren", die in Absicherungs- und Aufräumarbeiten verwickelt waren aus der Ukraine und Belarus gekommen und nach dem Ende der Sowjetunion dort verblieben sein dürften.
Der estnische Schachgroßmeister Jaan Ehlwest schreibt in seiner Autobiographie, wie eine ganze Generation junger estnischer Akademiker zum "Saubermachen" nach Tschernobyl abkommandiert wurde und er großes Glück hatte, nicht dazu zu gehören.
Das war eine gezielte Dezimierung der kritischen, unliebsamen Intelligenz des Landes und wird in Russland selbstverständlich heute nicht thematisiert.
 
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