Ich möchte noch einen Aspekt zu bedenken geben. Es reicht keinesfalls nur die Ausrichtung eines Tempels zu prüfen. Es wurde schon in den 70ern und 80ern gezeigt, dass (ohne Schriftquellen) eine Statistik mit genügend Objektem notwendig ist, um die Ausrichtung zu belegen. Bei Mayastädten etwa spielt auch die jeweilige lokale Sakraltopographie eine Rolle.
Teotihuacan ist natürlich aufgrund der besonderen Bedeutung gewissermaßen singulär. Dennoch wäre die Statistik für Mesoamerika, bzw. für einzelne Kulturen, bzw. Regionen des Gebiets heranzuziehen.
Bei solchen Peilungen können kleine Baufehler große Auswirkungen auf die Interpretation haben. Statistik gibt dem Sicherheit.
Bei Kirchen und Moscheen ergibt sich nicht etwa eine exakte, sondern eine ungefähre Ausrichtung. Und bei vielen frühmittelalterlichen Kirchen weist der Chor eine andere Ausrichtung auf als das Schiff. Bei frühen Moscheen ist die Ausrichtung so ungenau, dass neben der klassischen Ansicht einer Ausrichtung nach Jerusalem eine Ausrichtung auf Petra nicht ganz von der Hand gewiesen werden kann, auch wenn manche da übertreiben. (Die Ausrichtung auf Mekka wurde später eingeführt.)
Auch die Bedeutung der Ausrichtung von Steinzeitbauten ergibt sich nicht etwa anhand von Stonehenge, sondern anhand der Statistik. Dabei ist ein anderes Problem zu sehen. Steine als Peilmarken wurden oft in historischen Zeiten versetzt, teils um auf in der Moderne vermutete Zielpunkte zu verweisen. Heute wird in vielen Fällen eher davon ausgegangen, dass der Sonnenaufgang einige Tage vor einem Fest angepeilt wurde, um nicht überrascht zu werden, während viele Steine nunmehr falsch auf das Festdatum ausgerichtet sind und die Verschiebung über die Jahrtausende auch nicht berücksichtigt wurde. Steinkreise wurden zerstört und in der Romantik 'wiederhergestellt'*. Schließlich ergeben Beobachtungen von der Erdoberfläche wegen optischer Effekte noch mehr Abweichungen als die Wirklichkeit der Astronomie. Auch Bauten Mesoamerikas wurden modern rekonstruiert - oft nach dem Vorbild Teotihuacans.
*Nachdem es statistische Daten zur Form von Steinkreisen, die in aller Regel keine Kreise abbilden, gibt, sind Fehler hierbei allerdings gut zu erkennen.