Weil Ihr Euch da gerade so schön zankt: Wenn ein Zeitzeuge etwas aufschreibt, dann ist das nach ein paar Jahren zumeist eine wichtige Quelle. Wenn Helmut Schmidt ein Interview gibt, dann ist das auch als historische Quelle zu benutzen. Zeitzeugen zu befragen, solange sie noch leben, ist eine wichtige Arbeit der Zeitgeschichte, nicht umsonst werden ständig alle ins Fernsehen gezerrt, die irgendwie Kontakt zum Kreis und Stauffenberg und Co hatten. Wenn aber hier einer seine Erinnerung preisgibt, ist das plötzlich unwissenschaftlich? Das verstehe ich nicht.
Floxx hat Recht: "Der Zeitzeuge ist der größte Feind des Historikers", weil er alles besser weiß, denn er war ja dabei. Das ist natürlich ein gängiges Bonmot, aber es hat eben einen - oben schon dargestellten - wahren Kern.
Die Zeitzeugenbefragung an sich ist nicht unwissenschaftlich. Zeitzeugen sind ein großer Schatz, aber sie neigen eben dazu - floxx nannte es glaube ich, so - dazu, ihre eigenen Erlebnisse zu verabsolutieren und eben
Selbsterlebtes und Fremderlebtes z.T. unentwirrbar zu vermischen (siehe das Birkenau-Tor-Beispiel).
Das Problem hier im Forum, und auch das Problem bei unprofessionellen Zeitzeugenbefragungen, ist, wenn es zu Diskussionen zwischen den Zeitzeugen und den Historikern kommt. Denn dann berichten die Zeitzeugen nicht mehr, sondern wollen die
Deutungshoheit über ihre Erinnerung haben.
Die Folge ist, dass Zeitzeugen dann, wenn sie in die historische Diskussion eingreifen, und eben
nicht mehr nur Quelle sind, beleidigt reagieren, wenn der Historiker seinem täglichen Geschäft, nämlich der Quellenkritik nachgeht und ihre Glaubwürdigkeit hinterfragt.
Hinzu kommen unterschiedliche Arten der Selbstrefelexion. Für den Historiker wäre es natürlich am besten, der Zeitzeuge würde reflektieren, dass sein Wissen 2011 ein ganz anderes ist, als sein Wissen 1986 oder 1945, aber er würde nicht reflektieren, was er erzählen kann und was nicht.