@Barbarossa
Die Intention des Artikels 231, der das Kapitel der Reparationsthematik des Vertragswerkes einleitet, diente primär zur Begründung der Reparationsforderungen. Das im Deutschen Reich daraus der sogenannte Kriegsschuldartikel gemacht wurde, ist eine die der Wahrheit vernebelnde nationalistische Agitation und Frontbildung geschuldet.
(...)
Und wenn man den Artikel 231 ganz genau durchliest, erkennt man, dass dieser "nur" von der Verantwortlichkeit der Schäden spricht. Eine Kriegsschuld wird dort gar nicht explizit festgeklopft. Insofern stellt sich schon die Frage, ob es so furchtbar geschickt war, hierauf medienwirksam einzusteigen? Das deutsche Vorgehen jedenfalls forderte eine entsprechende Feststellung der Alliierten geradezu heraus.
Wirklich?
Hier der genaue Wortlaut:
Artikel 231. Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber aller Verluste und aller Schäden verantwortlich sind, welche die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Angehörigen infolge des ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten haben.
Quelle:
Der Versailler Vertrag (VIII.Teil)
Es ist nicht nur davon die Rede, "daß Deutschland und seine Verbündeten" als "Urheber" für alle "Verluste und aller Schäden verantwortlich sind" (tatsächlich haben Frankreich und seine Verbündeten ebenfalls Kanonen benutzt und damit auf eigenem Boden Schäden verursacht), sondern "Deutschland und seine Verbündeten" haben den "alliierten und assoziierten Regierungen und ihren Angehörigen" den Krieg "aufgezwungen".
Das ist doch sehr unmißverständlich formuliert.
Der Versailler Vertrag war im Gegensatz zum Wiener Kongress kein allgemeiner Friedenskongress, sondern eine Konferenz um die Ansprüche und Vorstellungen der alliierten Mächte auszugleichen und die Friedensbedingungen mit den besiegten Deutschen Reich und Österreich-Ungarn festzulegen. Die Geschichte der Pariser Friedenskonferenz war auch eine der der Krisen; insbesondere in der es um weitreichende französische Forderungen ging, denen immer mehr Widerstand entgegengebracht wurde. Und über diese Konferenz lag der Schatten der Revolution, der der bolschewistischen Revolution.
Ja gut, das war sicher auch der Grund, warum man Deutschland nicht wieder in seine Bestandteile zerlegte - man hatte Angst vor der kommunistischen Revolution. Deutschland sollte gerade noch stark genug sein, eine eventuelle Machtübernahme der Kommunisten abwehren zu können, aber nicht stark genug, um noch einmal einen Krieg führen zu können.
Tatsächlich war der Versailler Vertrag ein Friedensvertrag, der die Nachkriegsordnung und Grenzziehungen sowie die Wiedergutmachung regelte. Für einige Regionen wurde bestimmt, daß Volksabstimmungen stattfinden sollten, um die Staatszugehörigkeit festzulegen.
Der Grund, weshalb es u.a. zu keinen Unterhandlungen mit dem Deutschen Reich gekommen ist, ist schlicht der Tatsache geschuldet, das die Abmachungen zwischen den Alliierten schon so prekär genug waren, das man diese Abmachungen keine weitere Belastungsprobe unterziehen wollte.
Daß sich die Siegermächte untereinander uneinig waren, das war ja nun wirklich deren Problem. Fest steht aber, daß im Versailler Vertrag nicht
mit Deutschland verhandelt würde, sondern
über Deutschland. Der Verlierer des Krieges mußte per Ultimatum zur Unterschrift genötigt werden, anderenfalls hätte man die Kampfhandlungen wieder aufgenommen. Das ist nun mal der Fakt.
Schließlich ist doch auch festzuhalten, dass das Deutsche Reich nicht zerstückelt worden ist und eine potenzielle Großmacht geblieben war. Nicht umsonst hatte Frankreich sich gleich wieder beeilt entsprechende Verträge mit den östlichen Nachbarn des Deutschen Reiches abzuschließen.
Peter Krüger, Versailles
Nicht zerstückelt?
- Ostpreußen wurde vom Reich abgetrennt, um Polen den Zugang zur Ostsee zu gewähren,
- Danzig, das Memelland und das Saarland wurden Mandat des Völkerbundes und gehörten nicht mehr zum Reich,
- Österreich, das sich einstimmig für den Anschluß an das Reich entschieden hatte, wurde der Anschluß eindeutig verboten,
- zudem wurde das Rheinland eine besetze Zone (kurzzeitig auch das Ruhrgebiet)
Wie nennst du das?
Eine "Großmacht" war Deutschland nach dem 1. Wk mitnichten mehr. Das wollten die Alliierten ja auch nicht. Faktisch wurde Deutschland durch den Versailler Vertrag zu einem (quasi) tributpflichtigen Staat.
Edit:
Der Historiker Ernst Nolte spricht in Bezug auf den Zeitraum von 1917-1945 vom „europäischen Bürgerkrieg“ (1) Dieser ließe sich grob in 3 Abschnitte einteilen, nämlich Weltkrieg I., Zwischenkriegszeit und Weltkrieg II.
Akzeptiert man diese Betrachtungsweise dann markiert der Versailler Vertrag den Umbruch vom ersten zum zweiten Abschnitt und die Worte von General Ferdinand Foch „Das ist kein Frieden. Es ist ein Waffenstillstand auf 20 Jahre“ (2) sind erschreckend zutreffend:
Ein Frieden setzt eine „Befriedung“, eine Überführung des Kriegszustands in einen Friedensstand voraus und wird definiert als `heilsamer Zustand der Stille oder Ruhe, als Abwesenheit von Störung oder Beunruhigung und besonders von Krieg´(3)
Befriedet wurden in Versailles jedoch nur Ansprüche der Sieger, auf den Verlierer ging man überhaupt nicht ein und konnte es vermutlich auch nicht, wollte man den vielen eigenen Opfern gerecht werden. Der Weltkrieg I. war meines Erachtens der untaugliche Versuch, den gordischen Knoten, den die Politik der vorangegangenen 20 Jahre gezurrt hatte, mit einem Schlag zu durchtrennen. Aus Wochen wurden aber Jahre und der Einsatz stieg ins Unermessliche. Schon deshalb war ein Verständigungsfriede ab 1916 Illusion. Den nationalen Einsatz - möglichst nebst Prämie - wollten die Sieger aber als ein Minimum aus dem Besiegten „pressen“ was das Maximum dessen was dieser bereit war zu geben bei weitem überstieg. Selbst Talleyrand, Castlereagh oder Metternich hätten unter dieser Prämisse 1919 keinen echten Frieden im Sinne eines `heilsamen Zustands der Stille oder Ruhe´ verhandeln können. Für einen echten Frieden waren die Bedingungen, welche die Sieger dem Besiegten auferlegten, viel zu hart...
Volle Zustimmung, Franz-Ferdinand. Und ich hätte
General Ferdinand Foch auch damals schon recht gegeben.
Die Ergebnisse des V. V. waren ein Kompromiß der Interessen der Alliierten, als echte Friedensordnung erwies er sich von Anfang an als untauglich.
Eigentlich hätte es nur zwei Möglichkeiten gegeben, den 2. Wk. zu verhindern:
- Man hätte entweder einen Friedensvertrag auf gleicher Augenhöhe mit den Mittelmächten schließen können. Er hätte zwar Reparationen und Gebietsabtretungen (z. B. nur Elsaß-Lothringen) beinhalten können, aber eben nicht in diesem Ausmaß, so daß er akzeptabel für die neue Regierung hätte erscheinen können.
Doch das war angesichts des damaligen Zeitgeistes anscheinend nicht denkbar, sondern man wollte Deutschland tatsächlich "wehtun" und sich selbst so viel, wie möglich aneignen.
- In diesem Fall hätte man jedoch - wollte man den 2. Wk wirksam verhindern - Deutschland als Gesamtstaat zerschlagen müssen und das Land im inneren auf den Stand von 1815 bei den Außengrenzen von 1920 bringen müssen.