Ich kenne mich mit Grabhügeln des Altertums nicht aus; aber sind jene Grabhügel, die Du besucht und gesehen hast, nicht vielleicht in der Regel von "Einheimischen" auf ihrem eigenen Grund und Boden errichtet worden? Wenn dem so wäre, könnte man sie nicht gut mit dem Grabhügel des Germanicus vergleichen.
Die Germanen vernichteten auf ihrem Gebiet 9 n. Chr. die Legionen der röm. Eindringlinge. Ließen die Leichen auf dem Schlachtfeld liegen, manche Überlebenden wurden an Ort und Stelle aufgehängt und demonstrativ hängen gelassen. Vier Jahre später dringt der römische Feind erneut in das germanische Gebiet ein. Germanicus sammelt die Skelette der einst gefallenen Soldaten und beerdigt sie, erweist ihnen damit sozusagen die letzte Ehre. Germanicus zieht wieder ab. Die Germanen sehen nach und finden den Grabhügel, eine Art "Ehrendenkmal der zeitweiligen Besatzungsmacht" für die feindlichen Krieger. Sowas wollten und konnten sie auf ihrem Grund und Boden nicht akzeptieren und schändeten die Grabanlage in irgendeiner Art, die unsere Quelle Tacitus ein "Zerstören" nennt (oder wie heißt es im lateinischen Text überhaupt genau??). Natürlich hätten die Germanen den Hügel in jener Situation auch nur "plündern" und selbst wieder benutzen können; aber was, wenn gerade keine Masse an eigenen Toten zur Hand war, die man dort hätte bestatten können? Eine Zerstörung des Feindes-Denkmals ist in meinen Augen ein naheliegender Schritt gewesen. Warum Tacitus in diesem Punkte anzweifeln?
Ein ganz blödes anachronistisches Gedankenexperiment: Stell Dir vor, die Deutschen hätten während des 1.Weltkriegs ihren gefallenen Soldaten ein Ehrendenkmal auf französischem Boden gesetzt. Hätten die Franzosen das nach dem Krieg stehen lassen, mit der Begründung: Vielleicht können wir das irgendwann mal für unsere Zwecke wiederbenutzen.
Allerdings: Ob die Germanen den Grabhügel tatsächlich dem Erdboden gleichmachten (so dass wir ihn heute nicht mehr finden könnten), oder ob sie ihn nur symbolisch bzw. teilweise zerstörten (so dass ein Überrest heute sehr wohl noch zu finden wäre), will ich gar nicht beurteilen.