Deutung der Höhlenmalerei

noch'n Spekulatius!
wir gehen immer davon aus, uns die Frage zu stellen, warum die frühen Menschen ihre Bilder, Ritzungen, Gravuren an so unzugänglichen Stellen gefertigt haben, "wo man sie doch so schlecht sehen kann".


Die Story dahinter kann sein, dass sie (die Künstler) es garnicht vorgehabt haben, dass ihre Werke - wie in einer Galerie - einem staunenden Publikum vor Augen geführt werden sollten. Der rote Handabdruck, mit einem Röhrchen und Ockerpuder auf die Hand oder als Umriss geblasen, bedeutet vielleicht genau dass, was es heute bedeutet, Stop - off limits-.


Die Bilder, waren vielleicht nur die Zwiesprache zwischen dem Künstlerjäger und seinem Opfer. Die Menschen kommen durchwegs schlecht weg; Strichmännchen mit Pfeil und Bogen, während die Jagdtiere polychrom in allen Stadien der Jagd realisiert wurden.


Kennt Jemand Erkenntnisse von Ethnologen, die heutige Kunst von Jägernomaden (Aborigines, Buschleute) betreffend?

Foto: Bushmann-Paradies, Spitzkoppe, Namibia
Nashorn mit Jungem
Abri (halb verschüttet) ca. 30° aus der Horizontalen auf stark körnigem Granit gemalt
 

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Aber so eine Höhle bewegt sich ja doch immer ein bisserl und 17.000 Jahre sind eine lange Zeit. Besonders wenn man bedenkt, dass derweilen eine erhebliche klimatische Veränderung stattfand.

Zum anderen scheint es plausibel, dass das Temperaturprofil der Höhle wahrscheinlich nicht konstant war und sich daraus eine andere Strömungsmechanik, welche ja sehr delikat ist, ergeben haben könnte.

Das müsste eigentlich gut recherchierbar sein.
Aus Gesprächen mit (Hydro-)Geologen ist mir in Erinnerung, allerdings in anderem Zusammenhang, dass die solche Zeiträume geologisch generell als "Wimpernschlag" bezeichneten. Kommt aber sicher auf die Lage an.

Bei stark durch Mensch oder Tieren frequentierten Höhlen ist außerdem zu berücksichtigen, dass sich die Bodenhöhe beachtlich verändert haben kann. Bei einer größeren Höhle im Harz (Einhornhöhle) sprach man von einer 10 Meter starken "Schicht" aus im Wesentlichen organischen Ablagerungen.
 
Maelonn,

ich hab keine Ahnung...

Aber so eine Höhle bewegt sich ja doch immer ein bisserl und 17.000 Jahre sind eine lange Zeit. Besonders wenn man bedenkt, dass derweilen eine erhebliche klimatische Veränderung stattfand.
Das bezweifele ich gar nicht. Sicher ist das so, wie Du schreibst. Nur: Wenn es die von Dir genannten Veränderungen gegeben hat, dann muss es in den Höhlen Indizien dafür geben, dass solche Veränderungen stattgefunden haben. Solche Indizien sind mir bezüglich der hier diskutierten Höhlen aber nicht bekannt.

Und damit sind wir an einem merkwürdigen Punkt der Debatte: Einerseits wird verlangt, dass Beweise für "asketische" Motive der Höhlenmaler vorgelegt werden. Andererseits sind die "Kritiker" aber nicht bereit, Indizien dafür vorzulegen, dass das Malen damals gar nicht asketisch gewesen sei.

Es ist nunmal eine Tatsache, dass viele der Höhlenbilder an Stellen sind, die heute als sehr "unwirtlich" erscheinen. Natürlich KÖNNEN die Verhältnisse damals anders gewesen sein. Das müsste dann aber Spuren hinterlassen haben. Wenn solche Spuren fehlen, kann man nur annehmen, dass die Verhältnisse damals genauso waren wie heute.

Die Story dahinter kann sein, dass sie (die Künstler) es garnicht vorgehabt haben, dass ihre Werke - wie in einer Galerie - einem staunenden Publikum vor Augen geführt werden sollten.
Na, das ist doch der Kern unserer Diskussion! Die Menschen haben diese Bilder definitiv gemalt. Wenn sie nicht vorhatten, die Bilder einem staunenden Publikum zu zeigen: Welche Gründe hatten sie denn dann, die Bilder überhaupt zu malen? Mir scheinen "religiöse" Gründe eine gute Erklärung zu sein

Der rote Handabdruck, mit einem Röhrchen und Ockerpuder auf die Hand oder als Umriss geblasen, bedeutet vielleicht genau dass, was es heute bedeutet, Stop - off limits-.
Denkbar. Als ich mein Haus gebaut habe, habe ich in der frisch gegossenen Bodenplatte an der Haustür meine Hand in den noch nassen Beton gedrückt. Ist heute nicht mehr zu sehen, weil Bodenfliesen darüber sind. Aber ich weiß, dass der Handabdruck noch da ist. Mindestens zweimal täglich laufe ich darüber. Mit dem Handabdruck habe ich in gewisser Weise einen "Besitzanspruch" geltend gemacht und verewigt. Ich habe eine Spur von mir selbst hinterlassen.

Bei stark durch Mensch oder Tieren frequentierten Höhlen ist außerdem zu berücksichtigen, dass sich die Bodenhöhe beachtlich verändert haben kann. Bei einer größeren Höhle im Harz (Einhornhöhle) sprach man von einer 10 Meter starken "Schicht" aus im Wesentlichen organischen Ablagerungen.
Bei Höhlen, die über lange Zeit immer wieder aufgesucht und genutzt wurden, ist das bestimmt ein Faktor. Da fällt es dann unter Umständen auch schwer, die ganzen einander überlagernden Spuren noch einigermaßen zuverlässig zu datieren.

Daneben gibt es aber auch die "Glücksfälle" wie die Höhle bei Chauvet, wo sich eine 26.000 Jahre alte menschliche Fußspur im Lehmboden bis heute erhalten hat und wo man sogar noch sehen kann, wie der Mensch auf seinem Weg durch die Höhle mit der Fackel immer wieder gegen die Wand geschlagen hat, um sie heller leuchten zu lassen.

Je mehr ich über das Thema lese, desto sicherer werde ich, dass die Höhlenbilder mehr waren als aus Langeweile hingekritzelte Bildchen.

MfG
 
hi silesia
Bei stark durch Mensch oder Tieren frequentierten Höhlen ist außerdem zu berücksichtigen, dass sich die Bodenhöhe beachtlich verändert haben kann. Bei einer größeren Höhle im Harz (Einhornhöhle) sprach man von einer 10 Meter starken "Schicht" aus im Wesentlichen organischen Ablagerungen.
dies ist die Norm, dass Höhlen über die Jahrtausende Ablagerungen 'erleiden'. In diesen Schichten, sind die eigentlichen Funde gemacht worden (da fällt mir spontan der Flores-Mensch ein), aber auch in südafrikanischen Höhlen sind hominiden- und pithecinen Artefakte gefunden worden.

Und hätte ich zum Zeitpunkt des u.a. Fotos die Zeit und die Chuzpe gehabt, ein wenig im Höhlenboden zu 'buddeln', hätte ich das älteste Kunstwerk der Welt gefunden; 40.000 Jahre Elfenbein-Mammut.

PS: das Foto der "Vogelherdhöhle" ist von 1983, da hat das Kodax-Bild ein wenig 'Farbe lassen' müssen:) erst später erbrachte eine Nachgrabung (Uni Tübingen?) in der Höhle, die fantastischen Zeugnisse des Aurignacien.
 

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hi Maelonn,
Es ist nunmal eine Tatsache, dass viele der Höhlenbilder an Stellen sind, die heute als sehr "unwirtlich" erscheinen. Natürlich KÖNNEN die Verhältnisse damals anders gewesen sein. Das müsste dann aber Spuren hinterlassen haben. Wenn solche Spuren fehlen, kann man nur annehmen, dass die Verhältnisse damals genauso waren wie heute.
richtig, wobei die Spuren uns die Geologie liefern kann. In der ältesten Wüste der Welt (Namib) habe ich an überhängenden Felsplatten in Tweiffelfontain, Ritzungen und Punktierungen (im Freien) gesehen, wo die damaligen Künstler sich Gerüste bauen mussten, um sie zu plazieren. Leider kein Foto.
Na, das ist doch der Kern unserer Diskussion! Die Menschen haben diese Bilder definitiv gemalt. Wenn sie nicht vorhatten, die Bilder einem staunenden Publikum zu zeigen: Welche Gründe hatten sie denn dann, die Bilder überhaupt zu malen? Mir scheinen "religiöse" Gründe eine gute Erklärung zu sein
du hast zu Recht, 'religiös' apostrophiert; ich bezweifel diese aus dem Handgelenk-Argumentation immer ein wenig an, weil sie versucht, ein Bild zu transportieren, welcher dem damaligen Menschen so wohl nicht verständlich war.
Bei Höhlen, die über lange Zeit immer wieder aufgesucht und genutzt wurden, ist das bestimmt ein Faktor. Da fällt es dann unter Umständen auch schwer, die ganzen einander überlagernden Spuren noch einigermaßen zuverlässig zu datieren.
ist es nicht für den Archäologen immer ein Glücksfall, eine ungestörten Ablagerung in einer Höhle anzutreffen, welche die Schichten der 'Besiedlung' offenbaren kann?
Je mehr ich über das Thema lese, desto sicherer werde ich, dass die Höhlenbilder mehr waren als aus Langeweile hingekritzelte Bildchen.
Kunstwerke, welche einem Picasso das Geständnis entlockten, dass er diese nicht hätte malen können?
Ich denke auch, dass du recht hast, dass diese 'Werke' Ausdruck des Menschseins sind, denn vom Neanderthaler kennen wir diese nicht.
 
Und damit sind wir an einem merkwürdigen Punkt der Debatte: Einerseits wird verlangt, dass Beweise für "asketische" Motive der Höhlenmaler vorgelegt werden. Andererseits sind die "Kritiker" aber nicht bereit, Indizien dafür vorzulegen, dass das Malen damals gar nicht asketisch gewesen sei.
...unter uns Pastorentöchtern: ist die Skepsis bzgl. der religiös motivierten Askese so ganz und gar nicht nachvollziehbar? Woher und seit wann kennen wir solche Praktiken?? (und damit meine ich keine Deutungen / Interpretationen von außen a la "der Aborigine (oder sonstwer, der nichts schriftliches hinterlassen hat) macht dies und das und das deute ich als asketisch") -- ein theologisch-religiöses Motiv solcher Art (Askese, Selbstkasteiung etc.) ist eine geistige Haltung, und wo diese nicht bildlich oder schriftlich fixiert / tradiert ist, da kann man sie nicht nachweisen. Oder anders gesagt: wer bei den vorgeschichtlichen Höhlenmalern derartige Motive als plausibel und wahrscheinlich postuliert, der tut so, als gäbe es gesicherte Kenntnisse über deren geistige Verfassung und Haltung... (na, das klingt dann doch - aller sprachlichen Rabulistik zum Trotz - sehr nach Sankt Spekulatius... oder sachlicher formuliert, da wiederhole ich mich, klingt es nach Rückprojektion (was wir nicht erklären können, das deuten wir mit unseren Motiven))

wenn ich das überdenke: warum sollte ich nach Beweisen dafür suchen, dass vorgeschichtliche Höhlenmaler dies oder jenes nicht gedacht haben??? ;) ich weiß ja nicht mal, was die überhaupt gedacht haben; und so geht es gewiß (!!!) nicht nur mir allein :D:D Wir können innerhalb historisch belegter Zeiten wenn es sein muß, eine Art "Historie der religiös motivierten Askese" zusammenstellen (schön unterschieden nach Religionen usw usf); wir können auch askeseanaloge Verhaltensweisen außerhalb des historisch überlieferten feststellen (mal hier ein Schamane, der sich selber piesackt, mal da ein Zombie usw usf) - aber davon ausgehend können wir für vorhistorische Zeiten nur mutmaßen (vielleicht war es so, weil wiruns das so erklären können) oder eben rückprojizieren --- wissen tun wir´s nicht, ob und wie das bei den Höhlenmalern mit dem asketisch motivierten strapaziösen malen war (((sorry, vielleicht bin ich da blind, aber auf mich wirkt das komisch)))

...(scherzando)... noch was zum lachen: WENN die Askese beim herstellen sakraler Bildwerke ein inbrünstiges Anliegen gewesen wäre (je strapaziöser desto heiliger), DANN hätte man doch in 5-10m Tiefe unter Wasser bildritzen oder gar malen versuchen sollen: unter Wasser schnauft es sich noch weitaus schlechter, als in kaum be- bzw. entlüfteten Höhlen :D:D:D:D

Es ist nunmal eine Tatsache, dass viele der Höhlenbilder an Stellen sind, die heute als sehr "unwirtlich" erscheinen. Natürlich KÖNNEN die Verhältnisse damals anders gewesen sein. Das müsste dann aber Spuren hinterlassen haben. Wenn solche Spuren fehlen, kann man nur annehmen, dass die Verhältnisse damals genauso waren wie heute.
wenn, dann - ich weiß nicht, ob und wie Höhlen Spuren klimatischer Veränderungen aufbewahren bzw. obund wie die sich nachweisen lassen

Je mehr ich über das Thema lese, desto sicherer werde ich, dass die Höhlenbilder mehr waren als aus Langeweile hingekritzelte Bildchen.
(händeringend) JA, davon bin ich - der arge Askeseskeptiker - auch überzeugt! und sogar JA zu im weitesten Sinne kultisch-religiöser Motivation für das Bildermalen und für die Bildinhalte (((ein satirisch-skeptischer Realist, der ironisch in der Höhle ein Graffiti malt, wie Kollege Mug-Wumb vom Nashorn umgenietet wird, erscheint mir als sehr sehr unwahrscheinlich (um nicht zu, dass das eine noch ärgere Rückprojektion moderner Vorstellungen ist) )))

wie ist das denn in nicht künstlich belüfteten Höhlen: wenn man da 1-2-3 Stunden rummalt (oder forscht) und dann die Luft schlecht wird, man rechtzeitig rausgeht: wie lange dauert es, bis man wieder 1-2-3 Stunden drin rummalen oder forschen kann? Wenn das von einem Tag auf den anderen funzt, dann ist die asketische Strapaze ja nicht soooo gewaltig :D sondern dann sagt das nur: ok, 1-2-3 Stunden kann man da malen, dann Feierabend.
 
Zustimmung.

Möglicherweise ist selbst die Höhe einer Höhle varabel, wenn man dem Beitrag in der Welt Glauben schenken kann. Besonders interessant finde ich den Absatz, in dem die San (südafrikanische Buschmänner) die Fußspuren, die möglicherweise auf einen rituellen Tanz hindeuteten, als banale Fußspuren eines Erwachsenen und eines Kindes beim Sammeln und Ablegen von Lehm interpretieren.

OT:
Ganz unabhängig vom Beitrag bin ich wiedermal mehr als begeistert von den unglaublichen Fähigkeiten der San.
Ich selber bin denke ich für einen weissen ein ziemlich guter Fährtenleser, kann bei Arten aus unserer Klimazone praktisch alles bestimmen, Alter, Bewegungsrichtung, Geschwindidgkeit, Tätigkeit, aber das was diese Menschen machen ist eine Kunst, dagegen wär ich weisser trampel ein Blinder.

Und ich bin davon überzeugt dass unsere Eiszeitlichen Vorfahren ein ebenso großes Wissen besaßen.
 
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Schwerer Zugang und Luftknappheit

Also zusammengefasst: Einige Höhlenmalereien befinden sich in schwer zugänglichen Abschnitten von Höhlen, in denen man sich wegen Sauerstoffknappheit nur kurz aufhalten kann. Es war im Thread zu lesen, dass heutige Forscher sich maximal 3 Stunden dort aufhalten (können?). Daraus wurde geschlossen, dass die Maler gewissermaßen eine religiöse oder kultische Anstrengung auf sich genommen haben, um an den abgeschiedenen Ort zu kommen und die Bilder zu malen.

Um noch ein paar Fakten zur Entstehung der Malereien zusammen zu tragen: Gibt es in der Forschung Aussagen dazu, wie lang der Maler gebraucht hat, um ein Pferd an eine Felswand zu malen oder einen Stier zu skizzieren? Konnte man das Werk in einem einmalige Akt vollenden oder benötigte man dafür mehrere Sessions?

Es wurde von erhöhter Kohlendioxid-Konzentration berichtet. Diese kann je nach Konzentration zu Atemnot, Bewusstlosigkeit und in der Folge zum Tod führen. Von Todesfällen in Futtersilos oder Jauchegruben hat sicher jeder schon gehört.
Wie konnte der Steinzeitmensch wissen, wann es Zeit war sein Werk zu unterbrechen und schnell Richtung Höhlenausgang zu kommen? Man berücksichtige, der Weg war beschwerlich, d.h. wenn die Atemnot einsetzte war es vielleicht schon zu spät, um sich auf den Weg zu machen. Wurden menschliche Überreste im Zusammenhang mit den Höhlenmalereien gefunden?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weis nicht aber ich denke das wird hier ganz schön überbewertet mit dem Sauerstoff...Es gibt zig grosse Höhlen weltweit ohne Abluftsystem durch die jeden Tag tausende Besucher geschoben werden ohne dass jemand umfällt. Keine einzige Höhlenmalerei findet sich extrem weit im Höhleninneren, sondern meistens nicht mal 100m weit vom Eingang entfernt. Mit einem Bergwerk kann man das nicht vergleichen. da ist es oft mehrere KM zum Eingang. In Egypt in den Felsengräbern ist auch kein Abluftsystem. Und einige Gräber sind um einiges grösser als diese Höhlen...und da haben viel mehr Leute gearbeitet.
 
Bevor die kreative Spekulation über Unterwasser-Bildchen zur Frage führt, ob die Künstler schwimmen konnten, hier die Sortierung der gängigen Ansätze und Theorien nach Smyntyna:

- Magical (or ritual) explanation nach dem Analogie-Prinzip: Kontrolle des Objektes via Kontrolle seines Abbildes

- Ideological explanation (stilistische Homogenitäten und die Abwesenheit der „painter personality“)

- Social (ethnic) identification (Verknüpfung mit den rituellen Aktivitäten dieser Gruppen)

- Communicative and memorial (or mythological) explanation (Objekte reflektieren die kollektive Gemeinschaft und haben Integrationswirkung zwischen den Generationen der Gruppen)

- Cognitive Explanation (Informationsfluss über Generationen)

- Ecological-demographic explanation (Umwelteinflüsse, strikter Bezug zu Territorien, eigene „Markierungen“ für die Gruppen)

- Asthetic explanation ("art for art" bzw. "game hypothesis")

In Studien zu den Höhlenzeichnungen werden die Symbolfunktion und die Verbindung der Zeichnungen mit „rituellen Aktivitäten“ zwar hervorgehoben, das Rituelle taucht auch gleich in mehreren Erklärungsansätzen in ähnlicher Weise auf, aber zugleich wird die Vielschichtigkeit der Motive betont.

EoA, Band 1 („Cave Art“) S. 452-454
 
Also zusammengefasst: Einige Höhlenmalereien befinden sich in schwer zugänglichen Abschnitten von Höhlen, in denen man sich wegen Sauerstoffknappheit nur kurz aufhalten kann. Es war im Thread zu lesen, dass heutige Forscher sich maximal 3 Stunden dort aufhalten (können?). Daraus wurde geschlossen, dass die Maler gewissermaßen eine religiöse oder kultische Anstrengung auf sich genommen haben, um an den abgeschiedenen Ort zu kommen und die Bilder zu malen.

Man sollte dabei nicht vergessen, dass moderne Höhlenforscher nicht selten mit Sauerstoffgeräten ausgerüstet sind aber vor allem, dass sie nicht mit Fackeln durch die Gegend laufen (die zusätzlich Sauerstoff verbrauchen) sondern mit elektrischen Lampen, die eben keinen Sauerstoff benötigen.

Diejenigen, welche sich gegen eine religiöse Deutung der Höhlenmalereien aussprechen, haben sich noch nicht wirklich dazu geäußert, warum man Malereien an Orten anbrachte, wo man sie eigentlich nicht betrachten konnte, ohne wiederum Strapazen auf sich zu nehmen. Niemand wird ernstlich in Betracht ziehen, dass die Malerein zur Verschönerung einer abgelegenen Höhlenkammer gedient haben.
 
Eine simple, nichtreligiöse Erklärung wäre die einer Prüfung nach dem Motto: wer ein echter Jäger sein will muss ein Bild seiner Beute in der dunklen Höhle malen. Je tiefer umso mutiger ist der Jäger. Das Überwinden von selbstgewählten Schwierigkeiten ist ja kein alleiniges Merkmal religiöser Askese.

Aber am wahrscheinlichsten ist immer noch dass die Bilder viele, sich im Laufe der Jahrtausende wandelnde Bedeutungen hatten.
 
Diejenigen, welche sich gegen eine religiöse Deutung der Höhlenmalereien aussprechen, haben sich noch nicht wirklich dazu geäußert, warum man Malereien an Orten anbrachte, wo man sie eigentlich nicht betrachten konnte, ohne wiederum Strapazen auf sich zu nehmen. Niemand wird ernstlich in Betracht ziehen, dass die Malerein zur Verschönerung einer abgelegenen Höhlenkammer gedient haben.

Ich gehöre zwar nicht zu denen, die das ausschließen (was auch die wohl ghM. der Anthroplogen nicht tut), aber kurz der Hinweis, dass die oben zitierte Autorin die ökologisch-demographische These präferiert: in einigen Fällen sozusagen gruppenintern ausgerichtete "Reviermarkierung" für festen Zusammenhalt in schwierigen Zeiten, daher "besondere Orte".

Selbst diese neuere Strömung weist aber auf die Pluralität der Motivationen für die Zeichnungen hin, und kombiniert das mit den rituellen, kultische, religiösen Aspekten, schließt also nichts aus.
 
Über einige Kunstwerke der San, die relativ jungen Datums sind, gibt es zumindest einige Informationen. Um 1850 erinnerte sich eine alte Bantufrau, in ihrer Jugend drei San beim bemalen einer Höhle beobachtet zu haben. Als Vorbereitung ihrer Malerei zeichneten sie zuerst ein Modell im Kleinen auf einen flachen Stein, bevor sie das Bild im Großen zeichneten. Sie benutzten dazu Pinsel aus Gnuhaaren und rote, mit Fett vermischte Farbe. Den Farbtopf in der Hand und das auf Stein gzezeichnete Modell vor sich, übertrug der Künstler die Darstellung in der gewünschten Dimension an die Felswand. Um 1905 überlieferte der Forscher Stow, dass im Malutigebiet, im Reservat von Witteberg der letzte bekannte Künstler der San wegen Viehdiebstahl erschossen wurde. Er stand offenbar in hohem Ansehen bei seinen Stammesgenossen und trug im Gürtel zehn kleine Farbbehälter aus Horn, die alle einen verschiedenen Farbton enthielten. Mit ihm starb der letzte Vertreter einer 25.000 Jahre alten Tradition. Als die Bantuvölker im Basutoland auftauchten, teilten sie die San in zwei Klassen ein: die der Felsritzer und Felsmaler. (Pierre Bertaux, Afrika von der Vorgeschichte zu den Staaten der Gegenwart s. 158 ff.)
 
Noch mal zum Luftaustausch in Höhlen. Ich hab hier das Gefühl, das einige eine Höhle als ansonsten hermetisch abgeschlossenen Raum mit einer Öffnung ansehen.
Wie eine z.B. eine offene Flasche.
Aber selbst in dieser Flasche gibt es einen Luftaustausch durch Temperatur- und Druckdifferenzen.
Dazu nochmals dieser Link Höhlenwind

Die meißten Höhlen um die es hier geht sind durch die Tätigkeit des Wassers entstanden. Das heißt Wasser hat sich seinen Weg durch den Fels gesucht. Mußte also irgendwo rein und ist irgendwo raus. Also hatte/hat so eine Höhle meißt mindestens 2 Aus-/Zugangsstellen, unabhängig davon wie groß die waren oder sind.
Die können, seit der Entstehung der Höhle, mehrfach verschüttet und wieder geöffnet worden sein. Ebenso können auch welche dazu gekommen sein. Und nur weil wir sie nicht sehen bzw. sie nicht nutzen können heißt das nicht das sie nicht da sind.

In einer Höhle ist der CO2-Gehalt meißt etwas höher als ausserhalb derselben.
Aber meißt weit entfernt von toxischen Bereichen.
Zudem hat CO2 die in diesem Fall angenehme Eigenschaft auf den Boden abzusinken.
Deshalb auch meine Frage ob es Bilder in einem Bereich von weniger als 1 m zum Höhlenboden gibt.

Ausnahmen sind Höhlen, welche mit Vulkanen verbunden sind Hundsgrotte (selbst hier sind aber nur kleinere Tiere wirklich gefährdet) oder mit Kohlenflözen, Ölquellen und ähnlichem verbunden sind oder diese enthalten.
Hab ich jetzt kein Beispiel gefunden, aber es mag auch daran liegen, das der Umgang mit Feuer in solchen Höhlen nicht nur der Gesundheit sondern auch der Höhlenstruktur abträglich war.

CO2 kann sich aber CO2 in Senken sammeln. Je nach Größe und Tiefe einer solchen Senke, kann der Aufenthalt darin in Abhängigkeit von der angesammelten CO2-Kozentration zu Problemen (Übelkeit usw. bis zum Tod) führen.

Allerdings gibt es in den Höhlen ja noch die Luftbewegung durch Impuls. Sprich - jeder der irgendwo langgeht verwirbelt die Luft an diesem Ort. Je mehr oder öfter das geschieht um so mehr Luft wird verwirbelt, ausgetauscht usw.
Das CO2-Problem (wenn es den tatsächlich besteht) in der Cussac Höhle beruht m.M.n. darin, das diese Höhle eben sehr lange nicht besucht wurde (weil nicht zugänglich) und weil sie entsprechend verschlossen wird (Schutz von Raubgräbern und vor Verunreinigungen durch die Aussenluft).
 
Zuletzt bearbeitet:
Allerdings ist die CO2-Konzentration in der Höhlenluft sowieso schon höher als in der freien Atmosphäre. Höhlenluft
Vom Luftaustausch gehen hier - sofern ich das sehe - alle gleichermaßen aus. Lediglich die Geschwindigkeit des Luftaustausches steht hier zur Debatte.
Dass die Geschwindigkeit des Luftaustausches ein Problem sein kann, dürfte eigentlich nicht zur Debatte stehen.

Wie steht es nun mit der Formung der Höhlen durch Wasser?
Von Lascaux lese ich z.B. dass sie "relativ trocken [ist], da sie von einem Mergelhorizont gegen Wasserinfiltritation abgedichtet wird und somit auch kein nennenswerter Kalzitüberzug entstehen konnte."
 
hier die Sortierung der gängigen Ansätze und Theorien nach Smyntyna:

- Magical (or ritual) explanation nach dem Analogie-Prinzip: Kontrolle des Objektes via Kontrolle seines Abbildes

- Ideological explanation (stilistische Homogenitäten und die Abwesenheit der „painter personality“)

- Social (ethnic) identification (Verknüpfung mit den rituellen Aktivitäten dieser Gruppen)

- Communicative and memorial (or mythological) explanation (Objekte reflektieren die kollektive Gemeinschaft und haben Integrationswirkung zwischen den Generationen der Gruppen)

- Cognitive Explanation (Informationsfluss über Generationen)

- Ecological-demographic explanation (Umwelteinflüsse, strikter Bezug zu Territorien, eigene „Markierungen“ für die Gruppen)

- Asthetic explanation ("art for art" bzw. "game hypothesis")

In Studien zu den Höhlenzeichnungen werden die Symbolfunktion und die Verbindung der Zeichnungen mit „rituellen Aktivitäten“ zwar hervorgehoben, das Rituelle taucht auch gleich in mehreren Erklärungsansätzen in ähnlicher Weise auf, aber zugleich wird die Vielschichtigkeit der Motive betont.

EoA, Band 1 („Cave Art“) S. 452-454
...kein Wort über die selbstkasteiende asketische Herstellung der Bilder in dieser Zusammenfassung der gängigen Ansätze und Theorien - dass die Bildinhalte kultisch motiviert sein können, wurde ja nirgends bezweifelt :)

dass bei der Herstellung sakraler Objekte, seien es Tempel, Kathedralen oder Bilder, die Bequemlichkeit für den Hersteller nicht ganz so im Vordergrund ist, dürfte stets so gewesen sein (strapaziös war es wohl, Pyramiden oder Sphinxe zu bauen) ;)

mein Vorschlag: lassen wir die Askese für die Vorgeschichte untern Tisch fallen - damals war das Leben sicher schon strapaziös genug und bedurfte wohl keiner religiös motivierten zusätzlichen Erschwernisse
 
mein Vorschlag: lassen wir die Askese für die Vorgeschichte untern Tisch fallen - damals war das Leben sicher schon strapaziös genug und bedurfte wohl keiner religiös motivierten zusätzlichen Erschwernisse

Nun ja, den Begriff der Askese hattest du ja explizit in die Diskussion eingebracht, als du meine Hypothese aufgegriffen hast, um sie abzulehnen. Nichtsdestotrotz ist immer noch die Frage, warum die Höhlenmaler ohne Zwang die Strapazen auf sich nahmen, offen geblieben. Ich hätte die gerne beantwortet, bevor die in Kauf genommenen Strapazen als integraler Teil eines Kultes abgebügelt werden.
 
Nichtsdestotrotz ist immer noch die Frage, warum die Höhlenmaler ohne Zwang die Strapazen auf sich nahmen, offen geblieben.
Tempel bauen, was strapaziös und anstrengend ist und keinen direkten Nutzen hat, wie die viel späteren Griechen konnten sie noch nicht - die Motive dafür allerdings, nämlich die Herstellung eines opulenten sakralen Raums*), können ähnlich sein (wenn man davon ausgeht, dass die Bilder kultischen Zwecken dienten bzw. religiöse Bildinhalte darstellten)

so allgemein gedacht, benötigt man keine "Askese", d.h. man wagt sich nicht zu weit in unbeweisbare Bezirke ;)

___________
*) und da geht es primär um den sakralen Raum, nicht um seine Herstellungsweise
 
Wie gesagt, den Begriff der Askese hast du in die Diskussion eingebracht. Ich habe ihn erstmals, nachdem du in mehrere Beiträgen darauf herumgeritten bist (10, 22, 25, 26) in Beitrag 29 aufgegriffen.
Zur Erinnerung, meine Hypothese - oder sprechen wir, um wissenschaftstheoretische Implikationen zu vermeiden, da meine Hypothese die popperschen Kriterien nicht erfüllen kann vielleicht besser von Vorschlag:

Die Orte wo manche Höhlenmalereien (Sichtbarkeit, Arbeitsumstände) gefunden werden sprechen ganz eindeutig gegen einen banalen Grund.
Man findet Höhlenmalereien häufig an Orten, wo man sie ohne künstliches Licht (dazu zähle ich auch Fackeln) gar nicht sieht oder wo die Luftzufuhr so schlecht ist, dass man dort nie länger als eine Stunde arbeiten kann, ohne mit Sauerstoffmangel konfrontiert zu werden. Manchmal bedarf es auch körperlicher Anstrengungen überhaupt zu den Orten zu gelangen, wo die Höhlenmalereien zu finden sind.
Einer der größten Kritikpunkt der ur- und frühgeschichtlichen Archäologie an sich selbst ist ja, dass Dinge gerne a priori als "kultisch" interpretiert werden. Im Falle der Höhlenmalerei muss man das aber wohl so annehmen, gerade wenn die Malereien wegen der Lichtverhältnisse eigentlich unsichtbar sind oder an nur schwer zugänglichen Stellen, wo die Sauerstoffzufuhr ein reales Problem darstellt. Man mag sich überlegen, ob die in Kauf genommenen Strapazen eine Malerei an einer abgelegenen Höhlenwand zu fertigen, nicht vielleicht auch eine Art Opfer sind, z.B. als eine Gegenleistung für den Geist des schon erlegten oder noch zu erlegenden Tiers.

Mit deinem letzten Posting bist du von meiner Ausgangshypothese gar nicht mehr soooo weit entfernt.
 
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