Anders als von Moltke geplant, lockte der bayerische Kronprinz die französischen Armeen nicht nach Deutschland, sondern ging statt dessen ohne Befehl selbst in die Offensive. Die französischen Truppen wurden hinter ihre eigene Festungslinie zurückgeworfen. Folge: Mit der bayerischen Gegenoffensive wurde der Drehtüreffekt des deutschen Schlieffenplans blockiert. "Was taktisch ein Erfolg des deutschen Heeres war, erwies sich strategisch als ein verhängnisvoller Fehler, und mancher Analytiker meinte später, die Deutschen hätten die große Schlacht im Westen nicht an der Marne, sondern bereits in Lothringen verloren", so Münkler in seinem Buch
Naja, ist für mich auch eher "Mythos" und Legendenbildung. Hat aber wenig mit der Realität der Intentionen der OHL, den Befehlen und der Sicht von Joffre zu tun und ich folge da ausschließlich der Darstellung von Storz.
Die Kontroverse um die "Extratour in Lothringen", wie Groener es polemisch bezeichnet hatte, als exponiertester Vertreter der "Schlieffen-Schule" (vgl. dazu beispielsweise Foley in der Einleitung) dreht sich um zwei Punkte.
http://books.google.de/books?id=deRZchZzHWcC&pg=PT5&dq=foley+Alfred+Von+Schlieffen%27s+Military+Writings&hl=de&sa=X&ei=E7eUU6ztBbDa4QS15IDoBA&ved=0CC8Q6AEwAA#v=onepage&q=foley%20Alfred%20Von%20Schlieffen%27s%20Military%20Writings&f=false
1. Warum ist die 6. Armee nicht vor den nach Lothringen hineindrängenden Franzosen - haltend - zurückgewichen und hat stattdessen einen frontalen Gegenangriff gestartet?
2. Der anschließende deutsche Gegenangriff zielte auf die stark befestigte Festungslinie Toul, Epinal und Belfort ab [es kommt selten vor, dass eine entsprechende Karte wichtig ist, aber hier ist sie relevant]. Dabei wurde thematisiert warum er stattfand und wieso er, trotz der unwahrscheinlichen positiven strategischen Auswirkungen, relativ lange fortgesetzt wurde. (Storz, S. 162).
Der Versuch einer Antwort zur Frage 1 und als Erwiderung auf Dekumatland.
Dem AOK 6 ging am 2. August 1914 die entsprechenden Befehle für die operativen Aufgaben der 6. und der 7. Armee zu.
Zentral als Aufgabe war, dass die 6. Armee links von Metz, die der Drehpunkt der offensiven Bewegung des rechten Flügels war, diese zu halten. Der 7. Armee fiel im wesentlichen die Verteidigung des Elsaß, südllich von Straßburg, zu.
Ergänzend unter Punkt 44. wurde eine offensive Aufgabe definiert, die ein Vorgehen gegen die Mosel umfaßte, inklusive das Zerstören der Sperrfort "Manonviller".
Sofern überlegene französische Kräfte offensiv vorgehen ist das durchaus positiv und es sollte hinhaltend - bindend - verteidigt werden. Die Linie Feste KW II, Straßburg ist dabei zu halten.
Und der Befehl setzt fort:
"Treffen die 6. und die 7. Armee nicht auf überlegene französische Käfte, so kann das Eingreifen von Teilen der 6. Armee ....über Metz...auf dem linken [!!!!] Moselufer in Frage kommen" (vgl. S. 164).
Insgesamt, so die Bewertung von Storz, waren unterschiedliche Szenarien für das AOK 6 durch die OHL definiert worden, die von der Qualität der "Feindaufklärung" abhingen und von der Beurteilung durch das AOK 6. Also eine Vielzahl sehr subjektiver Beurteilungen, auch durch Rupprecht, zuließ.
Wobei Rupprecht als durchaus qualifizierter und engagierter OB beschrieben wird.
Von Krafft (Chef des Stabes AOK 6) wurden diese Überlegungen in einem "Rebriefing" an Moltke geschickt und er schrieb, dass die Heeresgruppe unter keinen Umständen geschlagen werden darf, da sonst der rechte Flügel in Gefahr kam, und sie somit der "Schild" war, auf den sich die OHL auf der linekn Flanke verlassen muss.
An diesem Punkt kommt es zu unterschiedlichen Interpretationen über den "normalen" Auftrag und den von der "Norm" abweichenden Auftrag. Das "Reichsarchiv", und somit auch die Kritiker von Rupprecht, sahen im Angriff auf die Mosel die Ausnahme von der Norm, während sich Krafft und Rupprecht auf den gegenteiligen Standpunkt stellten und die Befehle der OHL eine offensive Lösung gegen die Mosel, unter Bedingungen, als die Norm ansahen. (Vgl. S. 168).
In diese gesamte Diskussion greifen auch Äußerungen von Ludendorff ein, der bestätigte, dass Moltke in OPerationsstudien auch eine Entscheidungsschlacht in Lothringen durchgespielt hätte (vgl. S. 169).
In diesem Sinne war die relative Stärke des linken Flügels auch der Option geschuldet, dass Moltke, sofern ihm Joffre die Entscheidungsschlacht in Lothringen aufzwingt, er diese auch in Lothringen durchkämpfen wollte.
In diesem Sinne wird man konzedieren müssen, dass neben dem Schlieffenplan, möglicherweise auch eine Entscheidungsschlacht in Lothringen für Moltke als kriegsentscheidende Schlacht i. Westen möglich gewesen wäre. Diese Vernichtungsschlacht hatte dann im "Sack" zwischen Metz, Saargemünd, Festung Bitsch und Straßburg stattfinden sollen. (vgl. S. 169).
Der französische Planung für die offensiven Eröffnungsschlachten (vgl. auch den guten Beitrag von Schmidt (S. Schmidt: Frankreichs Plan XVII, S. 221ff)) gingen von zwei Vorstößen aus. Der linke Vorstoß wurde nördlich der Linie Verdun-Metz vorgetragen und der rechte südlich von Metz und Vogesen.
Am 12. August wurde das AOK 6 durch die OHL explizit ausgebremst und ein offensives Vorgehen über die Mosel hinaus, nicht gewünscht (Vgl. S. 173).
Zwei Tage später ergaben Ergebnisse der "Spionage", dass zwischen 12 und 15, später, 15 bis 18 französiche Armeekorps der 6. und 7. Armee gegenüber lagen. Somit lagen "überlegene Kräfte" in diesem Frontabschnitt und diese waren hinhaltend defensiv zu bekämpfen.
Das AOK reagierte sofort, entsprechend den Befehlen, und kündigte eine weiträumige Rückzugsbewegung an. Gleichzeitig wurde de, AOK ein großer Teil des gerade mobilisierten Ersatzheeres von 6,5 Divisionen zur Verfügung gestellt.
Diese Verstärkung sollte gewährleisten, dass der "Sack zwischen Metz und Straßburg zugehalten wird. Zudem wurde in diesen Kämpfen die bis dahin höchste Konzentration an Geschützen erzielt, um der Offensive, auch gegen "Manonviller" zum Erfolg zu verhelfen.
Allerdings, änderte die OHL am 16. August ihre Einschätzung und ging nicht mehr von den "bedeutenden" Truppenkonzentrationen auf der Linie Toul - Epinal aus. (S. 175). Und somit war eine hohe Truppenkonzentration in einem Bereich erzielt worden, der strategisch irrelevant geworden ist, bereits am 20. August. Die anschließende Offensive erfolgte, weil man sie geplant hatte und nicht absagen wollte. Also eher aus "Sachzwängen", denn aus wirklichen militärischen Gründen. Und hier liegt der Ansatzpunkt für die Kritik an den offensiven Planungen der Armee der DR, einmal mehr in der Gedankenhaltung, dem "Kult der Offensive".
Wichtig für die Beurteilung der Erfolgschancen des "Drehtür-Effekts" und der Vernichtungsschlacht im "Sack" (eingeklemmt zwischen zwei deutschen Großfestungen!!!???) ist, ob Joffre überhaupt in diese offensichtliche Falle gegangen wäre. So schreibt Storz, dass Joffre in der defensiven Bewegung der Deutschen bei Saarburg (östlich von Straßburg) eine Falle vermutete.
Und somit schlußfolgert Storz:
"Groeners Rat vom Jahr 1929, man hätte die Franzosen durch rascheres Zurückgehen mutiger machen sollen, geht an der Wirklichkeit jener Augusttage des Jahres 1914 vorbei". (S. 176)
Der dann ab dem 20. August stattfindende Angriff und die anschließende "Verfolgung" ist schon nicht mehr wirklich relevant, da die Franzosen bereits Einheiten in der Folge aus diesem Bereich abgezogen haben und nach Norden an die Marne verlegt haben (vgl. Kartensatz: Die Schlacht in Lothringen und in den Vogesen, Blatt 1, 27.08)
In diesem Sinne hat Rupprecht & Krafft durchaus regelkonform die konditionalen Befehle der OHL interpretiert. Die Vorwürfe an das AOK 6 enbehren, soweit ich die Fakten nachvollziehen kann, m.E. einer plausiblen Grundlage.
Und bei der Begründung, einmal mehr, auf die zentrale Bedeutung der Aufrechterhaltung der Moral der Truppe verwiesen, die durch einen zweiten Rückzug hätte Schaden leiden können, da sie als Folge einer Niederlage interpretiert worden wäre.
Und in dieser Sicht kommt einmal mehr die hohe Bedeutung der Offensive zur Geltung, die auch durch wichtige preußische Korps-Kommandeure auch via Publikationen immer wieder betont worden ist.