Auf welcher Grundlage bist du zu dieser Einschätzung gelangt? Immerhin haben über 40 Jahre hierzu nicht ausgereicht.
Auf Grund eben dieser verschiedenen demographischen und industriellen Entwicklung der beiden Länder. Die seit Bismarck betriebene Politik Frankreich in Kontinentaleuropa so weit als möglich zu isolieren hat sicherlich auch nicht dazu beigetragen, die ganze Situation zu entschärfen.
Zuerst hieß Revanche pour Sadowa
Was ja aber in diesem Sinne nichts damit zu tun hatte irgendwelche Territorien zurückgewinnen zu wollen.
"Revanche pour Sadowa" zielte doch überhaupt nicht daraus ab, irgendwelche eigene Niederlagen zu rächen, sondern darauf die Machtpolitischen Veränderungen in Norddeutschland, ohne eine entsprechende Kompensation in Westeuropa nicht hinnehmen zu wollen.
Das führt uns letztendlich wieder auf die Frage zurück, ob die Annexion Elsaß-Lothringens 1871 ein schwerwiegender politischer Fehler war, der eine Einigung zwischen Berlin und Paris dauerhaft blockierte oder ob das Grundsätzliche Problem aus französischer Sicht die Machtverschiebung in Zentraleuropa und damit die Reichsgründung an und für sich war.
Ich meine, sowohl dass Schlagwort "Revanche pour Sadowa", als auch die Art und Weise wie der Krieg von 1871 überhaupt entsteht, als auch so manche Phantasien, die später seitens Clemenceau, Foch etc. im Kontext des Weltkriegs erörtert werden, derenn Umsetzung auf die Rückabwicklung der Reichsgründung und die Abtrennung Süddeutschlands hinausgelaufen wären, sprechen eher für letzteres.
Frankreich hätte im Bewusstsein seiner demographischen und industriellen Unterlegenheit ja auch einen ganz anderen Weg wählen können; den der Kooperation, den der Partnerschaft.
Das hätte allerdings vorausgesetzt, dass man sich von diesem mächtigeren Nachbarn nicht bedroht fühlte und davon ausging, dass dieser an einer dauerhaften Kooperation interessiert sei.
Ich möchte Sagen, dass einiger in Berlin fabrizierter Lärm und die Dreibund-Politik (obwohl der zunächst keine annähernd gleichwertige Macht gegenüberstand), werden da nicht unbedingt als vertrauensbildende Maßnahmen gewirkt haben.
Gerade das italienische Bündnis vor dem Hintergrund der italienischen Wünsche Tunesien, möglicherweise auch Korsika in die Hände zu bekommen und möglicherweise auch nochmal Nizza und Savoyen zurück zu gewinnen, musste in Paris doch so wirken, als wenn man sich in Berlin die Option für einen Raubkrieg offen halten wollte.
Das österreichische Bündnis ließ sich sicherlich als Absicherung gegen etwaige Wiener Revanchegelüste und Einhegung der Revanchisten in Österreich verstehen.
Auch als Rückversicherung, dass Österreich nicht mit Frankreich zusammengehen würde und als machtpolitische Absicherung gegen ein Frankreich, dass sich damals in Sachen Industrie- und Militärpotential noch annähernd auf Augenhöhe mit Deutschland bewegte.
Das italienische Bündnis lässt sich aber in ganz anderen Kontexten deuten.
Und vor allem auch die Tatsache, dass man es in Berlin dabei belies.
Zwischen dem Dreibundvertrag und der Triple-Entente liegen immerhin an die 25 Jahre Zeit.
Als Bismarck den Dreibund und vor allem das Bündnis mit Wien aushandelte, Deutschland und Frankreich noch in etwa gleichstark waren, bestand ja durchaus noch die reale Gefahr eines französischen Revanchekrieges auf eigene Faust.
25 Jahre später besteht die nicht mehr, weil Frankreich dafür im Verhältnis zu Deutschland überhaupt nicht mehr stark genug und vollständig von seinem russischen Alliierten abhängig war, dessen Handlungsfähigkeit nach 1905 zunächst mal in Zweifel stand.
Bis zur Herausbildung der Triple-Entente unterhielt man seitens Berlin ein wesentlich stärkeres Bündnis als zur eigenen Verteidigung notwendig gewesen wäre.
Und das ließ sich in Frankreich, selbst wenn es sich de facto nur um ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis seitens Berlin gehandellt haben mag, durchaus dahin ausdeuten, dass man sich in Deutschland noch andere, weniger friedliche Optionen offen halten wollte.
Stattdessen wählte man die militärische Komponente. Militärische Aufrüstung und ganz wichtig den Ausweg aus der Isolation heraus zu finden. In der Praxis, Allianzpartner gegen Deutschland zu finden. Und man wurde fündig.
Ja, nur verdrehst du Ursache und Wirkung.
Die Tatsache, dass deutschland industriell und militärisch zunehmend überlegene Potentiale entwickelte, darüber hinaus einen bis dahin beispiellos mächtigen Bündnisblock in Europa de facto anführte, machte Aufrüstung und die Bildung eines Gegenbündnisses aus sicherheitspolitischen Erwägungen schlicht notwendig.
Frankreich stellte Russland gewaltige finanzielle Mittel für die Aufrüstung und den Eisenbahnbau, Zweck war die Beschleunigung der Mobilisierung, zur Verfügung.
Während Deutschland massiv in den Ausbau ökonomisch unsinniger Eisenbahnlinien im Raum um Aachen investierte und somit für alle Militärs sichtbar schonmal den Einmarsch in Belgien und Luxembrug zwecks Umgehung der französischen Befestigungen vorbereitete.
Ich weise noch einmal darauf hin, Deutschland zu de facto an die 50% seiner theoretisch Wehrpflichtigen jungen Männer ein, Frankreich musste an die 80% einziehen um dagegenhalten zu können.
Frankreichs Manpower-Reserven waren damit nahezu ausgeschöpft, vor allem, wenn man bedenkt, dass es in jedem Jahrgang natürlich auch einen gewissen Prozentsatz an körperlich untauglichen oder charakterlich ungeeigneten Personen gibt.
Deutschland hatte Möglichkeiten seine militärischen Potentiale durch Heeresvermehurungen zu erweitern. und nehmen wir mal an, dass 5-10% eines Jahrgangs aus verschiedenen Gründen zum Dienst an der Waffe nicht taugen, konnte Frankreich durch Ausweitung seiner Wehrpflicht vielleicht noch dagegen halten, wenn Deutschland auf 60% gehen sollte, aber nur wenn es alles rekrutierte, was bei 3 nicht auf den Bäumen war.
Ansonsten blieb Frankreich als einziges Mittel hier in Zukunft noch Gegenrüstung zu betreiben die Dienstzeit der Wehrpflichtigen zu verlängern.
Nur musste diese Maßnahme zum einen die Wirtschaft belasten in der das Personal dann um so sehr gefehlt hätte, außerdem bedeutete es letztendlich eine Stärkung des Friedensheeres auf Kosten der eigenen Reserven.
Das konnte ein Mittel sein um sich für einen kurzen Krieg besser aufzustellen, musste bei längerfristigen Auseinandersetzungen aber zu Problemen führen.
Manpower ist eine der Ressourcen, die Frankreich nicht über die Maßen zur Verfügung stand.
Der Schritt das durch die Manpower der eigenen Verbündeten potentiell zu substituieren war daher naheliegend.
Frankreich betrieb eine aktive Kriegsvorbereitungspolitik, statt die einer Kooperation mit Deutschland.
Ich sehe da ehrlich gesagt keine aktive Kriegsvorbereitungspolitik.
Ich sehe da eine Sicherheitspolitik, die darauf abzielte in einem potentiellen Wettrüsten, dass man mit eigenen Ressourcen nicht gewinnen konnte, irgendwie konkurrenzfähig zu bleiben.
Kriegsvorbereitung würde in diesem Sinne ja andeuten, dass man sich in Paris in der Lage wähnte einen Krieg auch nach dem eigenen Willen herbeizuführen.
De facto halfen die französischen Maßnahmen für den Fall eines Krieges sicherlich diesen gegen die Zentralmächte effektiver führen zu können.
Genau so war Paris de facto aber nicht dazu in der Lage London und St.Petersburg in einen Krieg hinein zu treiben, sondern letztendlich war Frankreich der schwächste Partner der Triple-Entente und sicherheitspolitisch im Besonderen von St. Petersburg abhängig.
Beide Marokkokrisen haben ihren Ursprung in Paris. Gerade bei der 1.Krise, weil man es bevorzugte den Nachbarn schlicht zu ignorieren. Das konnte nach den Gepflogenheiten des Zeitalter des Imperialismus nicht gut gehen.
Geschenkt.
Poincarés nationalistische und gewisse nicht deutschfreundliche Politik wurde von der radikalen Linken, der nationalistischen Mitte und der nationalistischen Rechten unterstützt.
Ja und die beschlossenen Heeresvermehrungen in Deutschland am Vorabend des Weltkriegs, bzw. deren Finanzierung, letztendlich von den Sozialdemokraten abgenickt, auch wenn sie gewiss nicht pazifistisch und freundschaftliche Gesten gegenüber den Nachbarn darstellten.
An dieser Stelle verwechselst du mMn die Zustimmung zu Schritten, die als für die nationale Sicherheit notwendig erachtet werden, mit einer ideolgoischen Grundgesinnung.