3. Punischer Krieg

Soeben wurden Ausgrabungen durchgeführt mit dem Ziel, das punische Karthago zu erforschen. Man fand im Tophet – wie erwartet – zahlreiche Skelette von Kindern, die unzweifelhaft geopfert und verbrannt wurden. Ähnliches ist auch aus den semitischen Städten Kanaans bzw. Phönziens überliefert. Im übrigen lässt sich das in allen serösen Publikationen über Karthago sowie historischen Lexika nachlesen.

Mit der ägyptischen Religion hat die karthagische freilich nicht das mindeste zu tun. Der Gott Baal, der vorrangig in Karthago verehrt wurde, ist eine uralte semitische Gottheit, die semitische Völker Vorderasiens seit undenklichen zeiten anbeteten. Tanit, die Hauptgöttin Karthagos, trägt Züge der phönikischen Anat und Astarte und hat ebenfalls nicht die geringste Verbindung zum ägyptischen Götterhimmel.

Dass man – wie in der Antike üblich – solche Götter mit griechischen oder römischen Gottheiten gleichsetzte, ändert an ihrer fremden Herkunft und Wesensart nicht das geringste. Der germanische Wotan wird kein römischer Gott, nur weil ihn die Römer zuweilen mit Jupiter gleichsetzten.
 
Kiprian schrieb:
Meine Vermutung (also ich bin nicht sicher): Die Römer betrachteten die karthagische Gesellschaft als Verkörperung, Gestalt der Böse selbst. Für die Römer war Karthago ein schrecklicher Platz wo grausame, widerliche, unnormale Dinge stattfanden. Und das Schlimmste war die bis zur Zerstörung der Stadt praktizierende Kinderopferung (ich habe darüber einen Film im Fernsehen /Discovery channel/ gesehen). Das könnten die Römer einfach nicht annehmen. Dieses Gefühl der tiefen unterbewussten Antipathie wirkte bei den Römern nicht nur auf politischer Ebene, es war etwas Persönliches. Nicht zu vergessen, dass die Römer gerade bei den Karthagern zum ersten Mal die Kreuzung als Straffe sahen.
Meiner Meinung nach, betrachteten die Römer Karthago um 150 vor Chr. nicht als eine militärische oder wirtschaftliche Gefahr sondern als eine geistliche Gefahr, was noch schlimmer von der Sicht der Römer war.
Wieviele Menschen opferte Rom nochmal in den Anfangsjahren des 2. punishcen Krieges um göttlichen Schutz vor Hannibal zu erbeten? Die Kinder tuen mir natürlich mehr leid, aber so fremd war der Gedanke des Menschenopfers prinzipiell nicht.
 
Gründe für die Zerstörung Karthagos

Dass im romanophilen Europa Geschichten von Kinderfressern gern geglaubt wurden, ist auch klar, aber selbst im Fernsehen wurde vor ein, zwei Jahren von einer Begräbnisstätte für Kleinkinder gesprochen, nicht von einer Opferstätte. Auch wenn es andere Grausamkeiten duchaus gegeben haben mag. (In Rom wurden bei grosser Gefahr angeblich je ein gallisches und ein griechisches Paar eingegraben. Lebendig. Unter anderem...) Man mag an das Beispiel der aztekischen Menschenopfer erinnert sein, die uns auch nur durch christliche Quellen überliefert werden. Es ist zu bezweifeln, dass sich unter solchen Umständen Hochkulturen entwickeln können - wie es auch die Karthagos war.


Für die Zerstörung Karthagos durch Rom hat man verschiedene Gründe diskutiert, die meisten tauchten hier schon auf.

Grundsätzlich ist zunächst aber festzuhalten, dass die Quellenlage hierzu problematisch ist. Der einzige Zeitzeugenbericht ist der des griechischen Historikers Polybios, der an der Belagerung als Freund und Berater des jüngeren Scipio teilnahm. Für diese Zeit gibt es in seinem Werk allerdings grosse Lücken, die z.T. mit Hilfe späterer Geschichtswerke ergänzt werden können.

Bis auf Diodor sind diese anderen Quellen (Livius, Appian etc.) Teil viel späterer Generationen oder sogar anderer Epochen. Entsprechend viel Material ist in der Zeit dazugekommen, welches den Blick auf die wahren Ereignisse verschleiert. Die Rechtfertigung Roms hat dabei immer eine Rolle gespielt, schliesslich konnten die verehrten Ahnen nichts falsches getan haben (um dies etwas lax auszudrücken). Dass die Römer an einem schlechten Image ihrer Feinde gearbeitet haben, ist banal, und im übrigen auch immer noch eine "moderne" Erscheinung in der heutigen Politik und anders wo. (zustimmender Gruss an Quintus).
Bei Livius kann man so von einer grossen Zahl karthagischer Verfehlungen lesen, auch wenn es dafür keine sachlichen Hinweise gibt.

Nochmal: Wir haben höchstwahrscheinlich EINE ursprüngliche Quelle, die spätere Historiographen abgeschrieben und ggf. "ergänzt" haben.
Und wir haben die Ausgrabungen.

Jetzt schnell zu den bekannten Gründen:

Das Furchtmotiv
(bellus punicus-die Angst vor den Puniern), dessen Protagonist der alte Cato gewesen sein soll, aber auch einer aus der Scipionenfamilie, ein Onkel des späteren Karthago-Zerstörers.
Der eine war für die Zerstörung (wenn auch der berühmte Satz "...esse delendam" erst in der europäischen Neuzeit entstand), der andere angeblich für dessen Erhaltung, damit die Römer stets wachsam und diszipliniert bleiben sollten. (Letzteres ist wahrscheinlich eine spätere Einfügung, aus der Zeit der gesellschaftlichen Unruhen in Rom) Verschiedene Andeutungen von der Erleichterung der Römer über Karthagos Zerstörung könnten stimmen, ABER auch deshalb, weil im Vorfeld entsprechend Propaganda (modern - oder?) gemacht wurde bzw. der Krieg sich unter grossen Verlusten so lange hingezogen hatte. Ein Wiederaufleben der Punierfurcht ist dann möglich - aber letztlich nicht entscheidend!

Wirtschaftliche Motive
Wegen der Fruchtbarkeit der karthagischen Böden etc., habe die römische Noblität sich diese Land aneignen wollen -die römischen Senatoren waren Grossgrundbesitzer. Nur behielt die römische Oberschicht hinterher nichts von dem gewonnenen Land, das sicher nach dem Krieg verwüstet war, und so ging der größte Teil der karthagischen Besitzungen an lokale Verbündete der Römer.
Die römische Besiedlung fand auch erst viel später statt, wie bereits gesagt wurde, das erste Mal etwa 20(!) Jahre nach der Zerstörung Karthagos, das nächste Mal erst unter Cäsar 44 v.Chr.
Karthago als Handelskonkurrent fällt auch aus, weil es mit Rom schon lange nicht mehr konkurrieren konnte wie aus verschiedenen Funden hervorgeht.

Rache
fällt in gewisser Weise mit dem Furchtmotiv zusammen, ist aber m.E. auch eine zu starke Emotion, um sie 50 Jahre lang zu konservieren. Eignet sich bestenfalls zur Aktivierung von Freiwilligenheeren, es sei denn, der alte Cato

Beute und Ruhm
sind eingehend u.a. von Richard Harris, Roman Imperialism besprochen worden. Die Freiwilligen, aus denen das römische erste Heer größtenteils bestand, werden in den Quellen als Plünderer beschrieben. Dass ein Kriegszug immer die Aussicht auf Beute und Ruhm hatte, und dies vor allem für die Heerführer, dürfte klar sein. Für die Bedeutung von Ruhm braucht man sich nur die Institution des "Triumphes" zu vergegenwärtigen; die Wahlen zu Konsulat usw. wurden eher von erfolgreichen Feldherren gewonnen.

Angst vor Erstarken des Numiderreichs
ist auch eine interessante These gewesen, die jedoch mit der Zerstörung Karthagos eher nicht zu verbinden ist. Der Numiderkönig Masinissa wurde wirklich steinalt, das bei bester Gesundheit: mit über Achtzig wurde er noch Vater und pflegte ein karges Leben, auch auf dem Rücken des Pferdes. Dennoch war sein Ende absehbar und die römer wußten schon, wie sie mit dem Reich umgehen würden: Scipio teilte es zu gleichen Teilen unter seinen Söhnen auf, so dass das Lebenswerk zerstückelt wurde. (Von einem Jughurta wußten die Römer ja noch nicht, und die Numider waren den Römern seit 202 unterwürfige Freunde gewesen.)

Wieder Angst,
diesmal davor, dass Karthago das oben beschriebene Numiderreich sich einverleiben oder mit diesem eine Allianz schliessen könnte gegen Rom.
Immerhin gab es numidische Überläufer bei den Karthagern, die sogar aus der Familie des Königs selbst kamen. Aber das hat eher wieder etwas mit der Angst vor Karthago zu tun.


Zerstörung Karthagos als einmaliges Beispiel
Harris zählt in seinem Buch (ähnliches erwähnt glaubich z.T. auch bei Zimmermann) eine unheimlich lange Liste von Aggressionen Roms auf, die bis in zum Vorabend des Dritten Punischen Krieges (und darüber hinaus) reichen. Dabei wird deutlich, dass Rom natürlich nicht allzu oft Großstädte vom Umfang Karthagos vernichten konnte (an Korinth wurde im gleichen Jahr 146 ein fast vergleichbares Exempel statuiert), dafür aber ohne weiteres Völker versklavte und Städte dem Erdboden gleichmachte, wenn sich diese widerspenstig verhalten hatten. Ebenfalls hier setzt auch eine Erklärung an, die in der Zerstörung Karthagos (und Korinths, später 133 Numantias) eine Politik der Exempelbildung (oder wie man das nennen soll) sehen will. In einer Zeit, in der vielerorts in der Mittelmeerwelt Unruhen gegen Rom ausbrachen (Spanien, Karthago, Griechenland), sollten diese Fanale für künftige Ruhe sorgen.


Uff, ich hoffe, ich habe Euch nicht zu oft wiederholt.

Was ich vergessen habe...
...bitte ich Euch, zu ergänzen!
 
Ich kann nur wiederholen: Menschenopfer für Baal sind bei semitischen Völkern längst erwiesen und unbestritten. Alle einschlägigen Publikationen berichten darüber und es gibt in der Forschung in diesem Punkt völligen Konsens. Schon die Bibel erzählt übrigens von Abraham, der Isaak opfern wollte. Es bleibt lediglich festzuhalten, dass solche Opferhandlungen seit der Epoche des Hellenismus abnahmen, wenn auch nicht ganz verschwanden. In Karthago wurde dies Ritual nicht mehr regelmäßig, sondern lediglich in extremen Notzeiten durchgeführt.

Gegen die Liste mit Gründen für Karthagos Zerstörung ist nichts einzuwenden. Sie wurden in vielen Postings bereits ausführlich erläütert.
 
Dieter schrieb:
Soeben wurden Ausgrabungen durchgeführt mit dem Ziel, das punische Karthago zu erforschen. Man fand im Tophet – wie erwartet – zahlreiche Skelette von Kindern, die unzweifelhaft geopfert und verbrannt wurden. Ähnliches ist auch aus den semitischen Städten Kanaans bzw. Phönziens überliefert. Im übrigen lässt sich das in allen serösen Publikationen über Karthago sowie historischen Lexika nachlesen.

Lieber Dieter, es gibt mittlerweile Untersuchungen, die nach den neueren Befunden nahe legen, dass es sich bei dem Tophet "nur" um einen Kinderfriedhof handelt, so wie es User immer so oben schon dargelegt hatte. Wenn man freilich nur Werner Huß glauben mag, dann haben Karthager ihren Göttern am liebsten Menschenopfer dargebracht, aber Werner Huß produziert da viel Phantasie mit Schneegestöber. Man hat im Tophet einfach das gesehen, was man sehen wollte, nämlich den Nachweis über die Berichte des Polybios. Dieses vorschnelle Urteil muß aber revidiert werden.
Eine deduktive Argumentation bezüglich eines Baals ist auch überhaupt nicht angebracht, denn Baal ist nicht gleich Baal, dass weiß auch die Forschung seit langem! Da nützt es nix die Bibel heranzuziehen, da vergleicht man Äpfel mit Birnen.
Ansonsten kann ich auch nur darauf hinweisen, dass Menschenopfer in der Antike insgesamt keine Besonderheit darstellen. Hinweise darauf haben andere User hier ja schon angeführt, die muß ich nicht wiederholen.

Dieter schrieb:
Mit der ägyptischen Religion hat die karthagische freilich nicht das mindeste zu tun. Der Gott Baal, der vorrangig in Karthago verehrt wurde, ist eine uralte semitische Gottheit, die semitische Völker Vorderasiens seit undenklichen zeiten anbeteten. Tanit, die Hauptgöttin Karthagos, trägt Züge der phönikischen Anat und Astarte und hat ebenfalls nicht die geringste Verbindung zum ägyptischen Götterhimmel.

Dass man – wie in der Antike üblich – solche Götter mit griechischen oder römischen Gottheiten gleichsetzte, ändert an ihrer fremden Herkunft und Wesensart nicht das geringste. Der germanische Wotan wird kein römischer Gott, nur weil ihn die Römer zuweilen mit Jupiter gleichsetzten.

Darum geht es auch gar nicht. Das die Wurzeln einiger karthagischer Götter, wie eben Baal und Tanit, im phoinikischen Bereich zu finden sind, dass bezweifelt niemand. Nur ist die karthagische Religion nicht die spezifisch semitische Religion, als die du sie hier darstellen willst. Selbt Huß gibt zu, dass die ägyptische Religion einen relativ bedeutenden Einfluß auf die karthagische Religion hatte. Das belegt beispielsweise die Aufnahme ägyptischer Götter wie Bes und Isis in das Pantheon, aber auch die Übernahme der typisch spätägyptischen magischen Vorstellungen. Es äußert sich ebenso in der religiösen Symbolik, die in Karthago verwendet wurde. Ganz auffällig ist beispielsweise die Ähnlichkeit des Symbols der ach-so-phoinikischen Tanit mit dem ägyptischen Anch-Symbol.

Das größte Problem ist aber, dass in den sehr spärliche schriftlichen Quellen bedauerlicherweise so gut wie nichts über Theologie und Mythologie erhalten geblieben ist. Daher muß man sich auf die Deutung der Symboliken und Götterdarstellungen beschränken, was es wiederum fast unmöglich macht eine inhaltliche Aussage über die karthagische Religion zu tätigen, ohne in den Bereich der Spekulation (wie Huß) abzudriften!

Dann noch ein allgemeiner Hinweis. In den Tiefen des Forums liegt ein anderer Thread zu Karthago begraben. Dort stehen schon einige interessante Beiträge. Bevor man hier immer allgemeiner wird, könnte man die beiden Stränge vielleicht vereinigen?
 
Im Gegensatz zu deiner Meinung Marbod, waren Kinderopfer in der römisch-hellenistischen Welt durchaus etwas Besonderes, denn weder Römer noch Griechen praktizierten solche Art Opfer. Insofern war dieser Brauch ihnen fremd und es besteht keine Veranlassung, an entsprechenden antiken Quellen zu zweifeln.

Es geht daher an den Fakten vorbei, dies lediglich als Propagandagetöse der Römer abzutun. Noch realer wird das Ganze freilich, da erwiesen ist, dass Baal – der Name vieler syrisch-palästinensischer Götter – Menschenopfer dargebracht wurden. – Diesen Baal-Gottheiten galt schließlich der Kampf der Propheten des Alten Testaments, unter anderem auch, weil sie solche "gotteslästerlichen" Rituale durchführten.

Der Baal von Tyros, Mutterstadt Karthagos, war bekannt auch unter seinem anderen Namen Melkart, und er war identisch vor allem mit dem "Baal Hammon" Karthagos. Es spricht also alles dafür, dass die Karthager dieses in Syrien und Palästina erwiesene Ritual zusammen mit der Gottheit transferierten, was durch antike Quellen gestützt wird.
 
Vielleicht mal eine andere Überlegung, die wie ich klarstellen möchte reine Hypothese von mir selbst ist.

Angenommen in Rom setzte um 150 v. Chr. eine allgemeine Radikalisierung ein, so dass man versuchte die Herrschaft mit allen Mitteln deutlich zu zeigen und ein jedweden Widerstand gegen das Reich im Keim zu ersticken. Diese Radikalisierung führte zur Zerstörung zweier großer Städte: Karthago und Korinth. Beide Städte wurden im gleichen Jahr zerstört. Eine Stadt befand sich in Richtung der Reichsausdehnung nach Westen, die andere in Reichsausdehnung nach Osten. Wollte man so in alle Richtungen klar machen, wer das sagen hatte???

Ihr habt bereits gesagt, dass selbst in der Antike schon, die Tat der Römer als barbarisch angesehen wurde. Ist das nicht Zeichen dafür, dass die Römer später selbst von ihrem eigenem Verhalten geschockt waren??? Schließlich sucht man später die komplette Auslöschung von Städten vergebens. Kapierten die Römer etwa das diese Politik zu weit ging???

Wie gesagt reine Hypothese, aber mal eine Überlegung wert, wie ich denke...

Eure Meinungen sind erwünscht...

s.d.caes.
 
Dieter schrieb:
Im Gegensatz zu deiner Meinung Marbod, waren Kinderopfer in der römisch-hellenistischen Welt durchaus etwas Besonderes, denn weder Römer noch Griechen praktizierten solche Art Opfer. Insofern war dieser Brauch ihnen fremd und es besteht keine Veranlassung, an entsprechenden antiken Quellen zu zweifeln.

Lieber Dieter, wir redeten hier nicht explizit von Kinderopfern, sondern von Menschenopfern und diese waren den Römer nicht fremd, die Hinweise gaben schon immer so und Themistokles, du kannst das aber auch gerne selbst in den Quellen nachlesen. Weiterhin haben die Griechen hierbei nichts verloren, denn einen zusammengehörenden griechisch-römischen Kulturraum gab es zu diesem Zeitpunkt nicht. Im übrigen waren auch den Griechen Menschenopfer keineswegs fremd, die griechischen Mythen sind voll davon!

Es gibt sogar wesentlich mehr antike Quellenbelege für Menschenopfer in Rom als in Karthago. Ich (und du wohl auch) würde(n) aber im Traum nicht daran denken daraus zu schließen, dass die Römer mehr Menschen opferten als die Karthager.

Zu deinen Kinderopfern. Der Tofet, aber auch andere punische Friedhöfe, werden in der Forschung nicht als Beleg für Kinderopfer, sondern als Beleg für eine hohe Kindersterblichkeit interpretiert.


Dieter schrieb:
Es geht daher an den Fakten vorbei, dies lediglich als Propagandagetöse der Römer abzutun. Noch realer wird das Ganze freilich, da erwiesen ist, dass Baal – der Name vieler syrisch-palästinensischer Götter – Menschenopfer dargebracht wurden. – Diesen Baal-Gottheiten galt schließlich der Kampf der Propheten des Alten Testaments, unter anderem auch, weil sie solche "gotteslästerlichen" Rituale durchführten.

Der Baal von Tyros, Mutterstadt Karthagos, war bekannt auch unter seinem anderen Namen Melkart, und er war identisch vor allem mit dem "Baal Hammon" Karthagos. Es spricht also alles dafür, dass die Karthager dieses in Syrien und Palästina erwiesene Ritual zusammen mit der Gottheit transferierten, was durch antike Quellen gestützt wird.

Hier vertust du dich, denn Melqart (mlqrt) ist keineswegs identisch mit Baal Hammon (bl hmn). Melqart, richtigerweise Stadtgott von Tyros, hat nach aller Wahrscheinlichkeit in Karthagos Pantheon eher eine sehr untergeordnete Rolle gespielt, was als Indiz dafür gelten kann, wie wenig Karthago noch mit der ehemaligen Mutterstadt zu tun hatte. Weiterhin gilt dies als Bestandteil der Indizienkette, wie weit sich Karthago insgesamt vom levantinischen Kult gelöst hatte.

Dann erklär ich dir nochmal: Baal ist nicht gleich Baal! Weil einem Baal ein Mensch geopfert wurde, lässt sich daraus nicht folgern, dass allen anderen Baalim ebenfalls Menschen geopfert wurden, diese Argumentationsweise ist unzulässig und an den Haaren herbeigezogen.
 
Wir haben nun alle Argumente – teilweise mehrfach – ausgetauscht und keine Eingung erzielt. Angesichts der Themenstellung dieses Threads sollten wir daher zum 3. Punischen Krieg zurückkehren. Vielleicht bist du mit der Formulierung einverstanden, dass die karthagischen Kinderopfer in der Forschung umstritten sind.
 
@ Tiberius Caesar

Es ist ganz schwer zu sagen, welche Motive bei der völligen Vernichtung Karthagos überwogen. Wirtschaftliche und militärische können es wohl kaum noch gewesen sein, denn die Stadt war um 150 v. Chr. nur noch ein Schatten ihrer einstigen Größe. Sie musste abrüsten und hatte zwar einen bescheidenen Wohlstand zurückgewonnen, der aber wohl kaum ausschlaggebend gewesen sein dürfte.

Ich denke daher, dass zum einen immer noch die Furcht vor einem erneuten Aufstieg Karthagos virulent war. Zum anderen mögen lang gehegte Rachegedanken eine Rolle gespielt haben, die dann schließlich den Ausschlag gaben. Es hat ja möglicherweise im Senat auch eine Friedensfraktion gegeben, die sich aber nicht durchsetzte, sodass schließlich die Falken die Oberhand behielten.
 
Dieter schrieb:
Wir haben nun alle Argumente – teilweise mehrfach – ausgetauscht und keine Eingung erzielt. Angesichts der Themenstellung dieses Threads sollten wir daher zum 3. Punischen Krieg zurückkehren. Vielleicht bist du mit der Formulierung einverstanden, dass die karthagischen Kinderopfer in der Forschung umstritten sind.


Einverstanden!:friends:
 
Mal ein kleiner ketzerischer Nebenausflug.

Baal bedeutet doch Herr!?

Ob die bekannte Story von einem kanaanitischem Stammesfürsten ´bzw Beduinenscheich im kanaanitisch/Phönzischem Einflussgebiet von der vom Herrn gewollte Opferung des eigenen Sohnes als Treuebeweis eine Erinnerung an diese Religion enthält?
 
Ok, ist mir recht …

Dieter schrieb:
@ Mummius Picius

Kannst du mir sagen, in welchem Zusammenhang und wo sich die Karthager den Römern als "Schutzbefohlene" andienten? Ich höre das zum ersten mal.

Steht bei Cassius Dio, Dieter. Eine Delegation bat darum, als Schutzbefohlene des römischen Volkes aufgenommen zu werden, damit sie zumindest indirekt einen Schutz vor den Übergriffen Massinissas haben. Wurde abgelehnt.
Bitte frag' mich jetzt nicht nach Buch und Seite, ich hatte den Dio aus der Stadtbücherei, und natürlich längst zurückgegeben.

Nb. Wie wäre es mit einer Menschenopfer-Diskussion in "Sonstiges im Altertum", wo ja das Schicksal und die Forumgliederung Themen wie Karthago hin verbannt haben? Ich geh' mal nachsehen, ob nicht vielleicht einer schon da ist, ansonsten mache ich ein Faß auf.
 
Mummius Picius schrieb:
Nb. Wie wäre es mit einer Menschenopfer-Diskussion in "Sonstiges im Altertum", wo ja das Schicksal und die Forumgliederung Themen wie Karthago hin verbannt haben? Ich geh' mal nachsehen, ob nicht vielleicht einer schon da ist, ansonsten mache ich ein Faß auf.

Hatte ich schon erwähnt, auf Seite 4 findest du dort den Karthago-Thread.
Aber ich hab ihn mittlerweile hochgeschoben, war schon ziemlich angestaubt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke, der Thread drehte sich aber so schön um karth. Festungsarchitektur ... und ich wollte gerne beim Mythos "Moloch" bleiben ...
:)
 
Mummius Picius schrieb:
Danke, der Thread drehte sich aber so schön um karth. Festungsarchitektur ... und ich wollte gerne beim Mythos "Moloch" bleiben ...
:)


Der Thread drehte sich schon um alles mögliche, insofern kannst du dich da gerne breit machen und den Mythos "Moloch" betrachten.
 
Mummius Picius Menschenopfer in der Antike

Im wundervollen Ausstellungskatalog zu "Macht und Reichtum Karthagos" (Karlsruhe, letztes Jahr) beschreibt Sergio Ribichini den Tophet als eine Nekropole für Totgeburten und früh verstorbene Kinder, die durch das Feueropfer dem Gott Baal Hammon als Lebensspender zurückgegeben werden; M'hammed Hassine Fantar hebt im selben Ausstellungskatalog hervor, dass im Tophet Weihinschriften, Bitten, Gelübde etc. gefunden wurden, aber trotz der Anwesenheit von vielen (in Karthago 20.000) Urnen kein Hinweis auf den Tod oder das Opfer zu finden ist. Nebenbei: es sind auch immer wieder in je nach Zeitraum und Ort wechselnden Anteilen Urnen mit Knochen von kleinen Lämmern gefunden worden, im Tophet von Mozia (Motye, Sizilien) wurden offenbar fast ausschließlich Lämmer geopfert.

In dem Film, den ich gesehen habe, wurden englischen und amerikanischen Archäologen gezeigt, die an den Ausgrabungen im Tophet teilgenommen haben. Ihre kategorische und eindeutige Meinung war - Das ist Grabstätte von Kindern, die in Karthago geopfert wurden!
Ich versteh wirklich nicht die Logik von Mummius Picius. Das dass im Tophet auch Urnen mit Knochen von kleinen Lämmern gefunden wurden, war für die Englischsprechenden Archäologen ein zusätzlicher Beweis, dass es gerade um eine Grabstätte von Kinderopfern geht. Der Platz wurde als Grabstätte für Gottesopfer benutzt – Kinder (mehr als 20 000) und Lämmer!
Die Möglichkeit, dass es “eine Nekropole für Totgeburten und früh verstorbene Kinder, die durch das Feueropfer dem Gott Baal Hammon als Lebensspender zurückgegeben werden” wurde von den Wissenschaftlern als eher unwahrscheinlich betrachtet. Dort wurden sterbliche Überreste auch von 12, 13 und 14 jährigen Kindern gefunden. Also nicht nur Babys und Kleinkinder.
Mummius Picius Menschenopfer in der Antike
Die Ausgrabungen stellten den Tophet zumindest mit Sicherheit als einen Ort fest, der nicht eine Massentötungsmaschine von von Dioschen Ausmaßen bergen konnte - und erst recht nicht Massentötungspraktiken. Vielmehr scheinen die Opferungen sehr individuell und unter Ausschluß der Öffentlichkeit vorgenommen worden zu sein (auch dadurch evident, dass eine Öffentlichkeit gar nicht in den kleinen und abgelegenen Tophet gepasst hätte).

Seltsam. Niemand behauptete, dass Opferrituelle am Ort namens Tophet stattfanden. Das war eine Grabstätte für die Opfer. Diese Tatsache selbst aber hat mit der Behauptung, dass “die Opferungen sehr individuell und unter Ausschluß der Öffentlichkeit vorgenommen wurden” überhaupt nichts zu tun.
Eher das Gegenteil war der Fall.

Mummius Picius Menschenopfer in der Antike

Dass die Geschichten von Massenopfern und staatlichen Quoten jedoch Propaganda sind, steht auch ausser Zweifel: dafür war Religion bei den Karthagern zu sehr Privatsache, mit der der Staat nichts zu tun hatte.

Was ist das? Ihre Meinung, oder Phantasieversuch? Irgendwelche Fakten? In diesem Zusammenhang erlaube ich mir Marbod zu zitieren:

Das größte Problem ist aber, dass in den sehr spärliche schriftlichen Quellen bedauerlicherweise so gut wie nichts über Theologie und Mythologie erhalten geblieben ist………. Daher muß man sich auf die Deutung der Symboliken und Götterdarstellungen beschränken, was es wiederum fast unmöglich macht eine inhaltliche Aussage über die karthagische Religion zu tätigen,………..
 
Zuletzt bearbeitet:
Kiprian schrieb:
In dem Film, den ich gesehen habe, wurden englischen und amerikanischen Archäologen gezeigt, die an den Ausgrabungen im Tophet teilgenommen haben. Ihre kategorische und eindeutige Meinung war - Das ist Grabstätte von Kindern, die in Karthago geopfert wurden!
Ich versteh wirklich nicht die Logik von Mummius Picius. Das dass im Tophet auch Urnen mit Knochen von kleinen Lämmern gefunden wurden, war für die Englischsprechenden Archäologen ein zusätzlicher Beweis, dass es gerade um eine Grabstätte von Kinderopfern geht. Der Platz wurde als Grabstätte für Gottesopfer benutzt – Kinder (mehr als 20 000) und Lämmer!
Die Möglichkeit, dass es “eine Nekropole für Totgeburten und früh verstorbene Kinder, die durch das Feueropfer dem Gott Baal Hammon als Lebensspender zurückgegeben werden” wurde von den Wissenschaftlern als eher unwahrscheinlich betrachtet. Dort wurden sterbliche Überreste auch von 12, 13 und 14 jährigen Kindern gefunden. Also nicht nur Babys und Kleinkinder.


Seltsam. Niemand behauptete, dass Opferrituelle am Ort namens Tophet stattfanden. Das war eine Grabstätte für die Opfer. Diese Tatsache selbst aber hat mit der Behauptung, dass “die Opferungen sehr individuell und unter Ausschluß der Öffentlichkeit vorgenommen wurden” überhaupt nichts zu tun.
Eher das Gegenteil war der Fall.



Was ist das? Ihre Meinung, oder Phantasieversuch? Irgendwelche Fakten? In diesem Zusammenhang erlaube ich mich Marbod zu zitieren:


Hallo Kiprian, warum lässt du das Thema nicht da wo es ist und ziehst es wieder hier her? Im 3. punischen Krieg hat das wenig verloren! Daher antworte ich dir im anderen Thread und bitte auch nachfolgende Schreiberlinge dies zu tun.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das dass im Tophet auch Urnen mit Knochen von kleinen Lämmern gefunden wurden, war für die Englischsprechenden Archäologen ein zusätzlicher Beweis, dass es gerade um eine Grabstätte von Kinderopfern geht.

Interessant ist aber bei den Funden dort, daß man sowohl von Knaben wie auch von Mädchen Überreste gefunden hat. Die Überlieferung aber besagt, daß nur männliche Kinder geopfert wurden.

Das ist ein Wiederspruch zwischen Fundgut und Überlieferung, der durchaus problematisch zu sehen ist.

Die Funde sind daher meiner Meinung nach kein eindeutiger Beweis für Menschenopfer.
 
Wulfnoth schrieb:
Wieso diese Kursänderung? Das ist eine Frage die man sich meines Erachtens nach an mehreren Punkten der römischen Geschichte stellen kann. Die römische Expansion verlief ja nie zielstrebig, sondern war immer Schwankungen unterworfen.

Die römische Expansion konzentrierte sich speziell auf die Zeiten nachdem das Reich selbst bedroht wurde:
1. Nach der Eroberung Roms durch die Gallier 387 v. Chr. begann die römische Machtausdehnung auf der italienischen Halbinsel.

2. Nach dem zweiten punischen Krieg wurde Rom durch verstärkte Expansion von der einzig verbliebenen Großmacht zur Supermacht im Mittelmeergebiet.

s.d.caes.
 
Zurück
Oben