Gründe für die Zerstörung Karthagos
Dass im romanophilen Europa Geschichten von Kinderfressern gern geglaubt wurden, ist auch klar, aber selbst im Fernsehen wurde vor ein, zwei Jahren von einer Begräbnisstätte für Kleinkinder gesprochen, nicht von einer Opferstätte. Auch wenn es andere Grausamkeiten duchaus gegeben haben mag. (In Rom wurden bei grosser Gefahr angeblich je ein gallisches und ein griechisches Paar eingegraben. Lebendig. Unter anderem...) Man mag an das Beispiel der aztekischen Menschenopfer erinnert sein, die uns auch nur durch christliche Quellen überliefert werden. Es ist zu bezweifeln, dass sich unter solchen Umständen Hochkulturen entwickeln können - wie es auch die Karthagos war.
Für die Zerstörung Karthagos durch Rom hat man verschiedene Gründe diskutiert, die meisten tauchten hier schon auf.
Grundsätzlich ist zunächst aber festzuhalten, dass die Quellenlage hierzu problematisch ist. Der einzige Zeitzeugenbericht ist der des griechischen Historikers Polybios, der an der Belagerung als Freund und Berater des jüngeren Scipio teilnahm. Für diese Zeit gibt es in seinem Werk allerdings grosse Lücken, die z.T. mit Hilfe späterer Geschichtswerke ergänzt werden können.
Bis auf Diodor sind diese anderen Quellen (Livius, Appian etc.) Teil viel späterer Generationen oder sogar anderer Epochen. Entsprechend viel Material ist in der Zeit dazugekommen, welches den Blick auf die wahren Ereignisse verschleiert. Die Rechtfertigung Roms hat dabei immer eine Rolle gespielt, schliesslich konnten die verehrten Ahnen nichts falsches getan haben (um dies etwas lax auszudrücken). Dass die Römer an einem schlechten Image ihrer Feinde gearbeitet haben, ist banal, und im übrigen auch immer noch eine "moderne" Erscheinung in der heutigen Politik und anders wo. (zustimmender Gruss an Quintus).
Bei Livius kann man so von einer grossen Zahl karthagischer Verfehlungen lesen, auch wenn es dafür keine sachlichen Hinweise gibt.
Nochmal: Wir haben höchstwahrscheinlich EINE ursprüngliche Quelle, die spätere Historiographen abgeschrieben und ggf. "ergänzt" haben.
Und wir haben die Ausgrabungen.
Jetzt schnell zu den bekannten Gründen:
Das Furchtmotiv
(bellus punicus-die Angst vor den Puniern), dessen Protagonist der alte Cato gewesen sein soll, aber auch einer aus der Scipionenfamilie, ein Onkel des späteren Karthago-Zerstörers.
Der eine war für die Zerstörung (wenn auch der berühmte Satz "...esse delendam" erst in der europäischen Neuzeit entstand), der andere angeblich für dessen Erhaltung, damit die Römer stets wachsam und diszipliniert bleiben sollten. (Letzteres ist wahrscheinlich eine spätere Einfügung, aus der Zeit der gesellschaftlichen Unruhen in Rom) Verschiedene Andeutungen von der Erleichterung der Römer über Karthagos Zerstörung könnten stimmen, ABER auch deshalb, weil im Vorfeld entsprechend Propaganda (modern - oder?) gemacht wurde bzw. der Krieg sich unter grossen Verlusten so lange hingezogen hatte. Ein Wiederaufleben der Punierfurcht ist dann möglich - aber letztlich nicht entscheidend!
Wirtschaftliche Motive
Wegen der Fruchtbarkeit der karthagischen Böden etc., habe die römische Noblität sich diese Land aneignen wollen -die römischen Senatoren waren Grossgrundbesitzer. Nur behielt die römische Oberschicht hinterher nichts von dem gewonnenen Land, das sicher nach dem Krieg verwüstet war, und so ging der größte Teil der karthagischen Besitzungen an lokale Verbündete der Römer.
Die römische Besiedlung fand auch erst viel später statt, wie bereits gesagt wurde, das erste Mal etwa 20(!) Jahre nach der Zerstörung Karthagos, das nächste Mal erst unter Cäsar 44 v.Chr.
Karthago als Handelskonkurrent fällt auch aus, weil es mit Rom schon lange nicht mehr konkurrieren konnte wie aus verschiedenen Funden hervorgeht.
Rache
fällt in gewisser Weise mit dem Furchtmotiv zusammen, ist aber m.E. auch eine zu starke Emotion, um sie 50 Jahre lang zu konservieren. Eignet sich bestenfalls zur Aktivierung von Freiwilligenheeren, es sei denn, der alte Cato
Beute und Ruhm
sind eingehend u.a. von Richard Harris, Roman Imperialism besprochen worden. Die Freiwilligen, aus denen das römische erste Heer größtenteils bestand, werden in den Quellen als Plünderer beschrieben. Dass ein Kriegszug immer die Aussicht auf Beute und Ruhm hatte, und dies vor allem für die Heerführer, dürfte klar sein. Für die Bedeutung von Ruhm braucht man sich nur die Institution des "Triumphes" zu vergegenwärtigen; die Wahlen zu Konsulat usw. wurden eher von erfolgreichen Feldherren gewonnen.
Angst vor Erstarken des Numiderreichs
ist auch eine interessante These gewesen, die jedoch mit der Zerstörung Karthagos eher nicht zu verbinden ist. Der Numiderkönig Masinissa wurde wirklich steinalt, das bei bester Gesundheit: mit über Achtzig wurde er noch Vater und pflegte ein karges Leben, auch auf dem Rücken des Pferdes. Dennoch war sein Ende absehbar und die römer wußten schon, wie sie mit dem Reich umgehen würden: Scipio teilte es zu gleichen Teilen unter seinen Söhnen auf, so dass das Lebenswerk zerstückelt wurde. (Von einem Jughurta wußten die Römer ja noch nicht, und die Numider waren den Römern seit 202 unterwürfige Freunde gewesen.)
Wieder Angst,
diesmal davor, dass Karthago das oben beschriebene Numiderreich sich einverleiben oder mit diesem eine Allianz schliessen könnte gegen Rom.
Immerhin gab es numidische Überläufer bei den Karthagern, die sogar aus der Familie des Königs selbst kamen. Aber das hat eher wieder etwas mit der Angst vor Karthago zu tun.
Zerstörung Karthagos als einmaliges Beispiel
Harris zählt in seinem Buch (ähnliches erwähnt glaubich z.T. auch bei Zimmermann) eine unheimlich lange Liste von Aggressionen Roms auf, die bis in zum Vorabend des Dritten Punischen Krieges (und darüber hinaus) reichen. Dabei wird deutlich, dass Rom natürlich nicht allzu oft Großstädte vom Umfang Karthagos vernichten konnte (an Korinth wurde im gleichen Jahr 146 ein fast vergleichbares Exempel statuiert), dafür aber ohne weiteres Völker versklavte und Städte dem Erdboden gleichmachte, wenn sich diese widerspenstig verhalten hatten. Ebenfalls hier setzt auch eine Erklärung an, die in der Zerstörung Karthagos (und Korinths, später 133 Numantias) eine Politik der Exempelbildung (oder wie man das nennen soll) sehen will. In einer Zeit, in der vielerorts in der Mittelmeerwelt Unruhen gegen Rom ausbrachen (Spanien, Karthago, Griechenland), sollten diese Fanale für künftige Ruhe sorgen.
Uff, ich hoffe, ich habe Euch nicht zu oft wiederholt.
Was ich vergessen habe...
...bitte ich Euch, zu ergänzen!