Ich verstehe nicht, warum so viele Menschen es für unwahrscheinlich halten, dass es noch "Überbleibsel" zu Jesu Lebzeiten bzw. zu ihm selbst gibt. Die Gründe und Theorien mögen für uns vielleicht nicht nachvollziehbar sein, aber wir haben auch eine ganz andere Ansicht als die Menschen vor 2000 Jahren in Israel oder sonst wo auf der Welt. Da kann man nicht immer logisch rangehen.
Hab ja schon gesagt, ich finde das Tuch sieht nicht aus, als wenn es gewollt Jesus zeigen will, auf den anderen Grabtüchern z.B. sieht man klar und deutlich das Abbild eines Mannes, es ist einfach viel zu gewollt als dass es echt sein könnte. Aber dieses Tuch ist zu einfach, eigentlich schon unspektakulär bei bloßem Betrachten ohne Negativ.
Ach mir ist noch was eingefallen....man hat ja angeblich Farbpigmente auf dem Tuch gefunden...wurden die Grabtücher nicht sowieso immer gefärbt ? Je kräftiger, desto teuerer wurde es doch. Ich meine das habe ich mal gelesen.
Es geht nicht darum, ob etwas aus der fraglichen Zeit überliefert sein kann. es sind genug Dinge aus dieser Zeit überliefert. Aber wir sind nun mal Historiker und als solche müssen wir auch die Überlieferungsgeschichte hinterfragen. Abgesehen von den praktischen Dingen - wieso kann man den Mann auf dem Tuch so genau erkennen (Gesicht), eigentlich sollten - wenn man schon von der Möglichkeit eines Abdrucks durch Blut/Schweiß/Körperfett etc. ausgeht, nur die hervorgehobenen Partien zu sehen sein (dann allerdings würde man nichts erkennen!) - ist hier das überlieferungsgeschichtliche Problem. Es ist ja nicht so, dass wir ein paar Jahre der Überlieferungslücke hätten, nein, es sind gleich über 1000.
Und ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass für Historiker die Lebensgeschichte Jesu mit seiner Kreuzigung und seinem Kreuzigungstod endet, was da nach noch in den Evangelien und der Apostelgeschichte über Jesus überliefert wird, kann man - aus historischer Sicht - auf narrative Absichten o.ä. untersuchen. Der Versuch, den Bericht von der Auferstehung von den Toten mit der erfahrbaren Wirklichkeit zu harmonisieren - der sicher aus psychologischer Sicht verständlich ist - krankt schon daran, dass man aus lauter Tradition ein überliefertes Ereignis glaubt, wobei man den Glauben daran doch eigentlich überwunden zu haben glaubt. Sprich: Diejenigen, die versuchen die Auferstehungsgeschichte mit der historisch erfahrbaren Wirklichkeit zu harmonisieren, glauben ja eigentlich gar nicht an die Auferstehung, nehmen aber trotzdem den Text an dieser Stelle ernst. Warum?
Aus fachwissenschaftlicher Sicht ist an diesem Harmonisierungsversuch zu kritisieren, dass es keine Quellenkritik gibt (mal abgesehen davon, dass ich den Eindruck habe, dass die Quellen eh nur ungenügend gelesen werden).
Würde Quellenkritik betrieben, dann würde man nämlich als erstes die Gattung der Texte feststellen: Evan gelion = Frohe Botschaft.
Es ist ein sinnloses Unterfangen einen Wunderbericht aus einer solchen, schon für religiöse Zwecke geschriebenen Quelle irgendwie mit der Wirklichkeit überein zu bringen. Genauso gut könnte man glauben, dass die Zuwendung Konstantins oder Chlodwigs zum Christentum/Katholizismus ihnen ihre Siege gebracht habe. Und das würde hier doch keiner tun, oder?
Und wenn man sich nun mal komparativ die Berichte von der Auffindung des Grabes anschaut, dann sind diese - von der narrativen Absicht her betrachtet - äußerst interessant.
Bei Markus laufen die Frauen zum Grab und finden es offen und leer (mal abgesehn von dieser absurden Legionärsphantasie, irgendwo findet sich der Hinweis, dass der Stein nicht einfach von einem Mann wegbewegt werden konnte).
Bei Matthäus, einige Jahre später, finden wir dann einen neuen Hinweis. Diser Hinweis gibt uns aber keinen Aufschluss über die Ereignisse um 30 n. Chr. sondern darum, dass es offenbar gegenüber der Version des Markus Anfeindungen von Seiten der Juden, insbesondere wohl des Sanhedrin gegeben hat.
Matthäus behauptete nämlich jetzt, dass der Sanhedrin Wächter aufgestellt habe, um zu prüfen, dass die Anhänger Jesu den Leichnam nicht stählen. Als dann mit lautem Knall das Grab aufsprang (müssen wir jetzt annehmen Jesu Jünger waren Terroristen, die Sprengstoff mitbrachten? Also wenn wir den Wunderbericht mit der erfahrbaren Wirklichkeit harmonisieren wollen, Knall, Felsblock weg, dann muss es Sprengstoff gewesen sein) seien diese Wächter wie tot zu Boden gefallen (wie tot, nicht tot). Matthäus bedient sich jetzt also eines Tricks gegen die Juden bzw. den Sanhedrin, in dem er den Sanhedrin selbst zum Zeugen für die Auferstehung Jesu und damit die Wahrheit der christlichen Lehre macht.
Was hat das noch mit dem Thema Grabtuch zu tun? Sehr viel, denn die Ergänzung Matthäus' gegenüber dem Markusevangelium zeigt, wie variabel man die Geschichte nach dem Tod um weitere Narrative ergänzen konnte, wenn man dies für nötig hielt (dabei bin ich überzeugt davon, dass Matthäus den Kern der Geschichte glaubte). Sprich: Wir müssen erkennen, dass es sich um Narrative, nicht um historische Wirklichkeit handelt.