Die Römerlager an der Lippe

Das ist aber sehr spekulativ.

Auf jeden Fall! ;)

Andererseits habe ich auch keine Kenntnisse darüber, wie "normalerweise" Römer nach Schlachten ihre Gefallenen behandelt haben. Allerdings ist es ja bis in die jüngere Vergangenheit Usus gewesen, daß Gefallene in der Nähe des Schlachtfeldes beerdigt worden sind.

Und in Kalkriese sind ja auch Knochengruben gefunden worden, wodurch die schlachtnahe Bestattung zu favorisieren ist. Aber Kalkriese ist halt sehr weit von der Lippe entfernt, wenns denn die Varusschlacht sein soll.

In den Annalen des Tacitus I, 61 - 62 wird doch geschildert, wie die Römer im Verlaufe des Feldzuges das Schlachtfeld des Varus erreichen, die Knochen zusammensammeln, dann den Tumulus erbauen und anschließend dem Arminius weiter nachsetzen.

Ich glaube bei den Schilderungen des Jahres 15 springt Tacitus auch von einem Satz zum anderen geographisch von der Amisia an den Visurgis. Wer weiss wo er das noch überall implizit getan hat?

Die örtliche Nähe des Tumulus und Aliso fußt auf einer Erwähnung bei Tacitus, Annalen II, 7. Eine ungefähre Entfernung, schon gar eine unmittelbare kann man aber nicht aus dieser Stelle herauslesen.

In meiner Übersetzung steht etwas von "Belagerern", die den Tumulus zerstreuten. Das würde doch für die unmittelbare Umgebung sprechen, sonst wären es ja keine Belagerer mehr.
Ist das denn korrekt übersetzt? "obsessores" sind doch Bewohner ?
" neque Caesari copiam pugnae obsessores fecere, ad famam adventus eius dilapsi"

Übrigens wird an dieser Stelle auch erwähnt, daß der Tumulus von den Germanen zerstört worden ist. Für diese Zerstörung verwendet Tacitus den Ausdruck "disiecierant" (von disicere - auseinanderwerfen, zerstreuen). Da kann man sich bildhaft vorstellen, wie die Knochen herumflogen.

Das soll wahrscheinlich den Hass der Germanen auf alles Römische unterstreichen. Aber spricht doch auch dafür, einen Tumulus nicht unbewacht zu lassen?
Aber wie Du schon sagtest.
Es ist sehr spekulativ.


Gruss
jchatt
 
Es handelt sich um genau diese Gräber.

Meine Quelle istAßkamp.
Mal ein Zitat:

An mehreren Stellen haben die Ausgrabungen einen auffälligen Befund zutage gebracht: Es gibt Grabanlagen, die einander überschneiden, und solche, dieZeichen von Zerstörungen aufweisen.
R. Aßkamp: Römerlager in Westfalen Teil 5: Haltern

Lt. Aßkamp waren solche Gräber durch religiöse Vorschriften geschützt. Daher kann man schließen, daß die Gräber durch kriegerische Auseinandersetzungen beschädigt wurden. Wenn sie dann z.T. überbaut wurden, stellt sich wieder einmal die Frage nach der Dauer der römischen Besatzung in Haltern.

Ein weiterer Punkt, der für die Gleichsetzung Halterns mit Aliso spricht.


Und in Kalkriese sind ja auch Knochengruben gefunden worden, wodurch die schlachtnahe Bestattung zu favorisieren ist. Aber Kalkriese ist halt sehr weit von der Lippe entfernt, wenns denn die Varusschlacht sein soll.



Ich glaube bei den Schilderungen des Jahres 15 springt Tacitus auch von einem Satz zum anderen geographisch von der Amisia an den Visurgis. Wer weiss wo er das noch überall implizit getan hat?

Carolus schrieb:
Carolus
Die örtliche Nähe des Tumulus und Aliso fußt auf einer Erwähnung bei Tacitus, Annalen II, 7. Eine ungefähre Entfernung, schon gar eine unmittelbare kann man aber nicht aus dieser Stelle herauslesen.

Die örtliche Nähe des Tumulus und Aliso fußt auf einer Erwähnung bei Tacitus, Annalen II, 7. Eine ungefähre Entfernung, schon gar eine unmittelbare kann man aber nicht aus dieser Stelle herauslesen.


In meiner Übersetzung steht etwas von "Belagerern", die den Tumulus zerstreuten. Das würde doch für die unmittelbare Umgebung sprechen, sonst wären es ja keine Belagerer mehr.
Ist das denn korrekt übersetzt? "obsessores" sind doch Bewohner ?
" neque Caesari copiam pugnae obsessores fecere, ad famam adventus eius dilapsi"



Das soll wahrscheinlich den Hass der Germanen auf alles Römische unterstreichen. Aber spricht doch auch dafür, einen Tumulus nicht unbewacht zu lassen?
Aber wie Du schon sagtest.
Es ist sehr spekulativ.


Gruss
jchatt

Was diese Visurgis-Amisia-Stelle betrifft, so hatten wir schon in einem anderen Varus-Threads die Vermutung gehabt, daß entweder dem Tacitus ein Fehler passierte oder bei der Überlieferung ein Blatt verlorenging oder die Blattanordnung verwechselt wurde. Wer weiß?:grübel:
Aber gleich auch anderen Stellen Fehler zu unterstellen, ist nicht ohne weiteres zulässig. Zumal ja auch die Textteile vorher und nachher nichts von einem Aufenthalt in Aliso berichten.


"Obsessores" sind die Belagerer, sie waren also gewissermaßen sehr obsessiv.:rofl:Trotzdem wissen wir nichts über die Entfernung zwischen Tumulus und Aliso. Eigentich wissen wir nur, daß die Belagerer Alisos auch den Tumulus zerstörten. Vielleicht hatten sie auf dem Weg nach Aliso den Tumulus "en passant" zerstört. Vielleicht war während der Belagerung eine Abordnung zur Zerstörung geschickt worden. Oder der Tumulus war sogar in unmittelbarer Nähe von Aliso. Oder oder....

Den Tumulus zu zerstören kann ja keine Aufgabe gewesen sein, die lange dauerte oder die große Manpower erforderte. In meinem Verständnis des Tacitus-Textes war der Tumulus ein großer Knochenhaufen, der mit Grassoden bedeckt war. Angesichts der Tatsache, daß man auf dem Feldzug war, hatte man wohl weder die Mittel noch die Zeit, eine monumentalere Anlage zu errichten.
 
"Obsessores" sind die Belagerer, sie waren also gewissermaßen sehr obsessiv.:rofl:

Danke! Bei dem Online Latein Wörterbuch stand "Bewohner":confused:

Trotzdem wissen wir nichts über die Entfernung zwischen Tumulus und Aliso. Eigentich wissen wir nur, daß die Belagerer Alisos auch den Tumulus zerstörten. Vielleicht hatten sie auf dem Weg nach Aliso den Tumulus "en passant" zerstört. Vielleicht war während der Belagerung eine Abordnung zur Zerstörung geschickt worden. Oder der Tumulus war sogar in unmittelbarer Nähe von Aliso. Oder oder....

Das sind ja alles schöne Gedankenspiele. Aber jetzt mal im Ernst.
Wenn ich beim LWL anrufe und sage "Ich habe in der Nähe von Haltern etwas gefunden", dann suchen die nicht in Kalkriese, oder ?

Warum wird dann aber dem Tacitus unterstellt er sei in dem Punkt unpräzise?

Germanicus schickt im Jahr 16 mal eben 6 Legionen kurzfristig nach Aliso(?). Das spricht, nach obigen Erkenntnissen über den Aufwand der Lippelogistik auch eher für Haltern als ein weiter aufwärts gelegenes Kastell. Dem gegenüber haben wir eine "gewaltige" Truppenkonzentration der Germanen. Wahrscheinlich ebenso gross, wie man sie zum Niederringen der Varuslegionen gebraucht hätte(!).
Über Aliso wissen wir, daß Varusschlachtüberlebende dort waren und daß der Tumulus in der Nähe war und hasserfüllt zerstört wurde. (zweiperiodige Gräber in Haltern). Diese Wut der Germanen ist umso erklärbarer wenn das Schlachtfeld durch das Kastell von Germanicus erneut "in Besitz" genommen wurde.
Da passen archäologische Erkenntnisse und schriftliche Überlieferung viel zu gut zusammen,so daß man den guten Tacitus da nicht grosszügig auslegen braucht, finde ich.

Gruss
jchatt
 
Germanicus schickt im Jahr 16 mal eben 6 Legionen kurzfristig nach Aliso(?). Das spricht, nach obigen Erkenntnissen über den Aufwand der Lippelogistik auch eher für Haltern als ein weiter aufwärts gelegenes Kastell. Dem gegenüber haben wir eine "gewaltige" Truppenkonzentration der Germanen. Wahrscheinlich ebenso gross, wie man sie zum Niederringen der Varuslegionen gebraucht hätte(!).
Über Aliso wissen wir, daß Varusschlachtüberlebende dort waren und daß der Tumulus in der Nähe war und hasserfüllt zerstört wurde. (zweiperiodige Gräber in Haltern). Diese Wut der Germanen ist umso erklärbarer wenn das Schlachtfeld durch das Kastell von Germanicus erneut "in Besitz" genommen wurde

Setzt Du jetzt die Gräber in Haltern mit dem von Tacitus erwähnten tumulus gleich? Das kann ich nicht glauben.

Zur Belagerung des Kastells im Jahre 16 n.Chr.:
Zunächst einmal steht es absolut nicht fest, ob das belagerte Kastell mit Aliso gleichzusetzen ist. Die Frage ist auch, ob es nicht unlogisch erscheint, daß die Germanen ein Kastell belagern, welches sich nicht weit vom Rhein also am Unterlauf der Lippe befunden hat. Da hat man es den Römern ziemlich leicht gemacht diese Belagerung aufzulösen, da diese schnell von den Rheinstandorten in größerer Zahl vor Ort gewesen wären.
 
Das sind ja alles schöne Gedankenspiele. Aber jetzt mal im Ernst.
Wenn ich beim LWL anrufe und sage "Ich habe in der Nähe von Haltern etwas gefunden", dann suchen die nicht in Kalkriese, oder?

Der LWL sowieso nicht, weil Kalkriese in Niedersachsen liegt ;)


Warum wird dann aber dem Tacitus unterstellt er sei in dem Punkt unpräzise?
Tacitus ist ständig unpräzise, wahrscheinlich sogar absichtsvoll (er vermeidet es z.B: häufig, militärische Ränge korrekt zu benennen).
Schauen wir uns die gerade diskutierte Stelle mal etwas genauer darauf an, was sie aussagt: Germanicus kam, um das Lager zu entsetzen, woraufhin die Germanen verschwanden. Zuvor hatten sie (Plusquamperfekt, Wechsel in die Vorvergangenheit) den bzw. einen erst kürzlich aufgerichteten tumulus etc. zerstört.
Wann ist diese Vorvergangenheit anzusetzen? Zwischen Nachricht der Ankunft des Germanicus und Abzug der Belagerer? Oder noch davor?[1]
Handelt es sich bei dem tumulus wirklich um den Grabtumulus auf dem Schlachtfeld oder um einen zweiten tumulus, der - ähnlich dem Kenotaph des Marcus Caelius - kein tatsächliches Grab anzeigte, sondern nur der Erinnerung diente? Wir haben nämlich das Problem, dass es keinen bestimmten Artikel gibt, wie im Deutschen. Es wird immer in Übersetzungen dieser Stelle der bestimmte Artikel verwendet, im Original steht er dummerweise nicht. Insofern werden wir durch die druchaus sinnvolle Interpretation der Übersetzer in unserer Urteilsfähigkeit dieser Stelle getrübt.[2]


Germanicus schickt im Jahr 16 mal eben 6 Legionen kurzfristig nach Aliso(?). Das spricht, nach obigen Erkenntnissen über den Aufwand der Lippelogistik auch eher für Haltern als ein weiter aufwärts gelegenes Kastell. Dem gegenüber haben wir eine "gewaltige" Truppenkonzentration der Germanen. Wahrscheinlich ebenso gross, wie man sie zum Niederringen der Varuslegionen gebraucht hätte(!).
Über Aliso wissen wir, daß Varusschlachtüberlebende dort waren und daß der Tumulus in der Nähe war und hasserfüllt zerstört wurde. (zweiperiodige Gräber in Haltern). Diese Wut der Germanen ist umso erklärbarer wenn das Schlachtfeld durch das Kastell von Germanicus erneut "in Besitz" genommen wurde.
Da passen archäologische Erkenntnisse und schriftliche Überlieferung viel zu gut zusammen,so daß man den guten Tacitus da nicht grosszügig auslegen braucht, finde ich.

Und hier liegt genau das Problem: Haltern passt zwar wunderbar zu Aliso, aber überhaupt nicht zum Ort der Varusschlacht "zwischen Wäldern und Sümpfen", es sei denn, man wolle Florus ernst nehmen.
Man könnte ja den taciteischen Bericht und den des Florus mit der Lagerschlachttheorie verknüpfen, nur dann ergibt sich ein dickes Problem: die Wälle in der taciteischen Schlachtfeldbeschreibung sind eingefallen und zerstört bzw. deuten daraufhin, dass die Legionen, die sie errichteten längst dezimiert gewesen seien (Tac. ann. I, 61, 2). Das widerspricht aber der Beschreibung des Lagers Aliso durch Velleius Paterculus und Frontinus, wonach es nach der Varusschlacht noch intakt war (Vellius Pat. Hist. rom. II 120,4 u. Frontinus, Strat. II, 9,4; III, 15,4 u. IV, 7,8). Wenn wir Cassius Dio hinzu nehmen - ich selbst zweifele ja an seiner Glaubwürdigkeit - dann müssen wir außerdem annehmen, dass die Römer von der Weser in ihnen unbekanntes bzw. kaum bekanntes Gebiet lockten (56, 18, 5 ff.), also sicherlich nicht Richtung der Lipperoute mit Haltern/Aliso als mutmaßlichem Hauptlager, wo dann die Schlacht stattfand. Aber auch Tacitus berichtet ja von den Beschwernissen, das Varusschlachtfeld erstmal zu erreichen (Tac. ann. I, 61, 1). Das widerspräche auch der taciteischen Zuschreibung des Arminius in der Lagerschlacht nach dem zweiten Schlachttag bei den pontes longi. Als Caecina und seine Truppen tagsüber im Sumpf feststecken, legt Tacitus dem Arminius die Worte in den Mund: Seht, Varus mit seinen Legionen, laufen uns genauso in die Falle, wie schon beim letzte Mal. (Tac. ann. I, 65, 4), als aber die Germanen das Römerlager angreifen wollen, rät Arminius - Tacitus zufolge - davon ab (Tac. ann. I, 68, 1). Bei dem morgendlichen Überfall der Germanen auf das Römerlager zieht Tacitus dann noch einen weiteren Vergleich heran: Die Römer rufen den Germanen zu: Non hic silvas nec paludes - hier sind keine Wälder und Sümpfe, ihr habt euren Vorteil aufgegeben (Tac. ann. I, 68, 3).

All das bietet keinen Anlass zu glauben, dass das Varusschlachtfeld in der Nähe des römischen Hauptlagers in Innergermanien - alos Haltern - gelegen haben könnte. Es gibt eine Reihe an Indizien, dass Aliso mit Haltern gleichzusetzen ist - andere Indizien sprechen leider wieder dagegen. Es bleibt unmöglich zu beantworten. Eine Weihinschrift für die gefallenen der Varusschlacht in Kalkriese oder eine Inschrift die das castellum Aliso nennen würde, das wären mal Zeugnisse, welche die Widersprüche der literarischen Quellen aufzuheben vermöchten.


[1] Ich gebe zu, kontextuell betrachtet, ist es am sinnigsten die Stelle so zu verstehen, dass die Germanen zwischen der Benachrichtung von der drohenden Ankunft des Germanicus und der Ankunft des Germanicus den tumulus zerstörten. Zwingend ist diese Aufassung jedoch nicht.
[2] Ich glaube auch nicht wirklich, dass es sich hier um einen zweiten tumulus handelt, ich würde jedenfalls in Beziehung zur Bestattung auf dem Schlachtfeld die Stelle von der Zerstörung auch mit der tumulus und nicht mit ein tumulus übersetzen. Das Problem bleibt aber grundsätzlich bestehen.
 
Hallo!



Da hier in der Diskussion um die Gräberstraße in Haltern die Knochen nur so durch die Gegend fliegen, wollt ich mal darauf verweisen das in den tumuli an der Gräberstraße in Haltern laut dem was ich las kein Knochen lag.
In den Artikeln ist von Leichenbrand die Rede.
Interessant wäre vielleicht auch die Geschlechterbestimmung der Toten im Zusammenhang mit einer möglichen Schlacht.

Vielleicht kann ja salvus mit seinem Heft über Haltern Licht ins Dunkel bringen!


MfG, Lucio Cinico!
 
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Leichenbrand besteht aus Asche und Knochenfragmenten. Geschlechtsbestimmung gestaltet sich an diesen (es sei denn mit der molekularbiologischen Methode ("arschteuer" salopp gesagt)) schwer. Wenn die Beifunde auf eine Schlacht deuten lassen, wird die Geschlechtsbestimmung vermutlich nicht oder ohnehin nur stichprobenartig erfolgen. Aber was erwartest du herauszufinden? Das nur Frauen bestattet wurden und die Schlacht nicht stattgefunden hat? Nach der marianischen Reform waren Frauen (mangels Tross) in römischen Armeen relativ selten aber nicht unmöglich.
 
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Vielen Dank für die weiterführenden Infos durch die Experten!


Leichenbrand besteht aus Asche und Knochenfragmenten. Geschlechtsbestimmung gestaltet sich an diesen (es sei denn mit der molekularbiologischen Methode ("arschteuer" salopp gesagt)) schwer.
Zitat aus Feindliche Nachbarn: Rom und die Germanen S. 143 schrieb:
Überraschend war jedoch, dass unter den Leichenbränden, die bisher anthropologisch untersucht werden konnten, auch Frauen und Kinder nachgewiesen werden konnten.
Gut, wenn dir an Leichenbrand der Knochenanteil hoch genug erscheint um den tumulus der Varusschlacht in Haltern nicht auszuschließen. . .
-------------------------
Hallo ElQ, wie würdest du die Spitzen in den Pollendiagrammen für Getreide
in der Nähe von Haltern und Holsterhausen für die Zeit um Christi Geburt erklären?
http://www.erdkunde.uni-bonn.de/download_unprotected/2005_59/EK-2005_59-3-07.pdf
Seite 311(Karte) und dann ab Seite 312. . .




Mit freundlichen Grüßen, Lucio Cinico!
 
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Sry entweder bin ich stärker erblindet als gedacht aber ich sehe das Pollendiagramm nicht. Nur was für Rückschlüsse versprichst du dir im Bezug auf eine mögliche Schlacht durch Pollendiagramme? Besiedlungsspuren? Verwendetes Getreide? Brandrodungsnachweis durch Ascheanteil?

Zu den Geschlechtsbestimmungen.
Je nach Verbrennungstemperatur bei der Leichenverbrennung können Knochen unterschiedlich "fragmentieren" und somit die Knochenfragmente auch stark unterschiedliche Größen aufweisen. Die Verbrennungstemperaturen kann man anhand der Verfärbungen und der Fragmentgröße nachvollziehen. Allerdings kann die Verfärbung durch die Lagerung verändert werden und eine Geschlechtsbestimmung anhand von Knochenfragmenten kann, durch die Größenveränderung sehr ungenau sein.

Außerdem kann es sich ja durchaus um Menschen der Stufe Juvenil II auf Seiten der Germanen gehandelt haben oder? Was wir gemeinhin noch als Kinder bezeichnen würden. Und Frauen wie gesagt, Tross-Rudimente bei der RA oder auf germanischen Seiten? Oder "Nachbestattungen" am Ort der Tumuli? Ich habe mich mit dem Thema natürlich nicht so eingehend beschäftigt wie du, das hier sind alles "spontane Eingebungen".
 
Zuletzt bearbeitet:
Sry entweder bin ich stärker erblindet als gedacht aber ich sehe das Pollendiagramm nicht. Nur was für Rückschlüsse versprichst du dir im Bezug auf eine mögliche Schlacht durch Pollendiagramme? Besiedlungsspuren? Verwendetes Getreide? Brandrodungsnachweis durch Ascheanteil?

In diesem Thread geht es eigentlich um die Römerlager an der Lippe und nicht um eine mögliche Schlacht.
Ich schrieb an ElQ von Spitzen in Pollendiagrammen nicht daß auf diesen Seiten Pollendiagramme zu finden wären. . .
Wenn dir die im Text enthaltenen Informationen nicht ausreichen kannst du dich ja weiterführend mit den im Text zitierten Büchern und Autoren beschäftigen. Vielleicht findest du dort ein Pollendiagramm. . .
 
Oha, Titel verfehlt.. Asche auf mein Haupt ;) Irgendwie dachte ich ich sei in nem anderen Thread. Trotzdem bleibt meine Frage nach dem Pollendiagramm. Ich lache mich derweil über mich selbst kaputt^^. Den Text habe ich zu meinem Leidwesen (noch) nicht gelesen, das Pollendiagramm zu sehen wäre denke ich Aufschlussreicher, wobei Spitzen (so wie ich die Aussage von Spitzen) mal interpretiere eine höhere Konzentration bedeuten. Ich melde mich aber zurück wenn ich den Text gelesen habe
 
Zuletzt bearbeitet:
Oha, Titel verfehlt.. Asche auf mein Haupt ;) Irgendwie dachte ich ich sei in nem anderen Thread. Trotzdem bleibt meine Frage nach dem Pollendiagramm. Ich lache mich derweil über mich selbst kaputt^^. Den Text habe ich zu meinem Leidwesen (noch) nicht gelesen, das Pollendiagramm zu sehen wäre denke ich Aufschlussreicher, wobei Spitzen (so wie ich die Aussage von Spitzen) mal interpretiere eine höhere Konzentration bedeuten. Ich melde mich aber zurück wenn ich den Text gelesen habe
Ich war trotzdem bemüht, hier im Lippethread beide Sachen durch eine gestrichelte Linie zu trennen.

Natürlich bin ich ganz deiner Meinung daß sich um Standlager (egal wo)
etwas entwickelt, ob durch Zivilisten (auch Frauen und Kinder) oder Veteranen und Legionäre beim Anbau auf den "prata legionis".

Also, der Teil unter der gestrichelten Linie hat nichts mit der darüber geführten Diskussion zu tun sondern es geht um die Mögliche Entwicklung in den Lippelagern.


MfG, Lucio Cinico!
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Neben den Römerlagern gab es hin und wieder auch germanische Siedlungen, eine gegenseitige Beeinflussung ist nachweisbar. Die Pollenspitzen weisen auf eine Zeit der intensiven Bewirtschaftung des Umlandes aus, die genaue Datierung (die allerdings so nur in einer Überschrift vorgenommen wird) würde ich für an den literarischen Quellen orientiert halten, ich glaube nicht, dass es möglich ist, die Bodenablagerungen zeitlich so genau zu bestimmen.

Letztlich bestätigen die Pollenanalysen aber durchaus ein Bild, welches auch aus der Archäologie zu gewinnen ist:
Die Germanen in Anreppen bezogen zwar in erheblichem Umfang römische Güter, wirtschafteten aber auf ihre traditionelle Art und Weise. Die Grubenhäuser waren keine Wohngebäude, sondern werden mit handwerklichen Tätigkeiten, besonders der Textilherstellung in Verbindung gebracht. Dies unterstreichen die vielen dort gefundenen Spinnwirtel. Schlackenfunde weisen auf Eisenverarbeitung hin. So handelte es sich bei den germanischen Bewohnern also keinesfalls um Hilfstruppen der Römer, die von diesen versorgt wurden. Es ist vielmehr von einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit, einem Güteraustausch zwischen zwei selbständigen Gruppen auszugehen. Dafür sprechen als archäologische Anhaltspunkte auch die vereinzelt in Abfallgruben des Militärlagers entsorgten einheimischen Gefäße, die als Behältnisse für Warenlieferungen, z.B. Honig oder Milchprodukte, interpretiert werden können.
Vergleichbare Beobachtungen wie in Anreppen sind auch aus den anderen römischen Militärlagern an der Lippe bekannt: In Haltern wurden ebenfalls germanische Gefäße in Abfallgruben gefunden und in Bergkamen-Oberaden belegen Pflanzenreste, dass die Römer einen gewissen Anteil ihrer Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten aus der näheren Umgebung bezogen haben. Diese archäologischen Ergebnisse beleuchten schlaglichtartig das ambivalente Verhältnis zwischen den römischen Besatzungstruppen und den germanischen Stämmen in den rund drei Jahrzehnten von 12 vor bis 16 nach Christus.
Eggenstein: Die römische Kaiserzeit in Westfalen. In: Archäologie in Ostwestfalen Bd. 9/2005. Onlinezugriff http://www.gefao.de/images/literatur/AIO9-PDF/Eggenstein.pdf (der Direktlink könnte nicht funktionieren: dann hilft der Umweg über eine Suchmaschine).
 
Setzt Du jetzt die Gräber in Haltern mit dem von Tacitus erwähnten tumulus gleich? Das kann ich nicht glauben.

Ich denke die Ähnlichkeiten zwischen archäologischer und schriftlicher Überlieferung sind es wert, das zumindest in Betracht zu ziehen.

Zur Belagerung des Kastells im Jahre 16 n.Chr.:
Zunächst einmal steht es absolut nicht fest, ob das belagerte Kastell mit Aliso gleichzusetzen ist. Die Frage ist auch, ob es nicht unlogisch erscheint, daß die Germanen ein Kastell belagern, welches sich nicht weit vom Rhein also am Unterlauf der Lippe befunden hat. Da hat man es den Römern ziemlich leicht gemacht diese Belagerung aufzulösen, da diese schnell von den Rheinstandorten in größerer Zahl vor Ort gewesen wären.

Ich vermute mal, wenn Haltern wirklich das administrative Zentrum der geplanten Provinz Germania war, wie Kühlborn meint, dann war es aus Sicht der Germanen "DAS" Ziel, das es bei ihren Freiheitsbestrebungen zu vernichten galt. Egal ob es an der Weser, am Rhein oder sonstwo lag.

Gruss
jchatt
 
Der LWL sowieso nicht, weil Kalkriese in Niedersachsen liegt ;)

Punkt für Dich!:rofl:

Tacitus ist ständig unpräzise, wahrscheinlich sogar absichtsvoll (er vermeidet es z.B: häufig, militärische Ränge korrekt zu benennen).
Schauen wir uns die gerade diskutierte Stelle mal etwas genauer darauf an, was sie aussagt: Germanicus kam, um das Lager zu entsetzen, woraufhin die Germanen verschwanden. Zuvor hatten sie (Plusquamperfekt, Wechsel in die Vorvergangenheit) den bzw. einen erst kürzlich aufgerichteten tumulus etc. zerstört.
Wann ist diese Vorvergangenheit anzusetzen? Zwischen Nachricht der Ankunft des Germanicus und Abzug der Belagerer? Oder noch davor?[1]
Handelt es sich bei dem tumulus wirklich um den Grabtumulus auf dem Schlachtfeld oder um einen zweiten tumulus, der - ähnlich dem Kenotaph des Marcus Caelius - kein tatsächliches Grab anzeigte, sondern nur der Erinnerung diente? Wir haben nämlich das Problem, dass es keinen bestimmten Artikel gibt, wie im Deutschen. Es wird immer in Übersetzungen dieser Stelle der bestimmte Artikel verwendet, im Original steht er dummerweise nicht. Insofern werden wir durch die druchaus sinnvolle Interpretation der Übersetzer in unserer Urteilsfähigkeit dieser Stelle getrübt.[2]

[2] Ich glaube auch nicht wirklich, dass es sich hier um einen zweiten tumulus handelt, ich würde jedenfalls in Beziehung zur Bestattung auf dem Schlachtfeld die Stelle von der Zerstörung auch mit der tumulus und nicht mit ein tumulus übersetzen. Das Problem bleibt aber grundsätzlich bestehen.

Der Lateinlegastheniker dankt!
Bei der Anzahl möglicher Tumuli, muss man bedenken, daß nicht nur die Varuslegionen sondern eine ganze Provinz verloren ging.
Also auch die rechtsrheinischen Winterlager der Legionen und andere denkbaren Kastelle der Hilfstruppen. Theoretisch könnte sich also neben jedem dieser zerstörten Lager ein Tumulus befunden haben, soweit Germanicus bereits vorbeigekommen war.
Im Falle eines möglichen Winterlagers könnte es sogar ein Tumulus der untergegangenen Varuslegionen gewesen sein, da es möglicherweise von einer zurückgelassenen Legionskohorte bewacht wurde, unabhängig davon, wo jetzt das Schlachtfeld lag.

Ich nehme deshalb den Bericht über den Tumulus in der Nähe des Lippekastells als weiteres Indiz dafür, daß in der Nähe von Haltern ein weiteres Kastell gelegen haben könnte.
Sofern der Statthalter wirklich sein Haupt in Haltern ins Kopfkissen legte, wie Kühlborn mutmaßt, dann wird er sich nicht darauf verlassen haben, dass evtl. am Rhein stationierte Legionen im Ernstfall rechtzeitig seinen nur max. acht Kohorten zur Hilfe kamen.


Als Caecina und seine Truppen tagsüber im Sumpf feststecken, legt Tacitus dem Arminius die Worte in den Mund: Seht, Varus mit seinen Legionen, laufen uns genauso in die Falle, wie schon beim letzte Mal. (Tac. ann. I, 65, 4)

Ich verstehe die Textstelle so, daß sich die Römer beim Varusvergleich schon im Lager befanden. Also doch eher Lagertheorie?

Die Römer rufen den Germanen zu: Non hic silvas nec paludes - hier sind keine Wälder und Sümpfe, ihr habt euren Vorteil aufgegeben (Tac. ann. I, 68, 3).

Den Tag zuvor haben die Römer zwischen dem Sumpf und dem Wald schlecht ausgesehen. Das Lager stand aber wahrscheinlich auf dem jenseitigen freien Feld.
Also ist diese Textstelle nicht unbedingt als Varusvergleich zu sehen, abgesehen davon, daß es eh topisch ist.

Es bleibt unmöglich zu beantworten. Eine Weihinschrift für die gefallenen der Varusschlacht in Kalkriese oder eine Inschrift die das castellum Aliso nennen würde, das wären mal Zeugnisse, welche die Widersprüche der literarischen Quellen aufzuheben vermöchten.

Wie wahr! :weinen:


Gruss
jchatt
 
Neben den Römerlagern gab es hin und wieder auch germanische Siedlungen, eine gegenseitige Beeinflussung ist nachweisbar. Die Pollenspitzen weisen auf eine Zeit der intensiven Bewirtschaftung des Umlandes aus, die genaue Datierung (die allerdings so nur in einer Überschrift vorgenommen wird) würde ich für an den literarischen Quellen orientiert halten, ich glaube nicht, dass es möglich ist, die Bodenablagerungen zeitlich so genau zu bestimmen.

Letztlich bestätigen die Pollenanalysen aber durchaus ein Bild, welches auch aus der Archäologie zu gewinnen ist:
Eggenstein: Die römische Kaiserzeit in Westfalen. In: Archäologie in Ostwestfalen Bd. 9/2005. Onlinezugriff http://www.gefao.de/images/literatur/AIO9-PDF/Eggenstein.pdf (der Direktlink könnte nicht funktionieren: dann hilft der Umweg über eine Suchmaschine).

In dem Bericht is von "short time cultivation peaks" die Rede.
Wenn ich das richtig übersetzt habe, dann wird diese Kultivierungsphase an dem kurzfristigen Überhang von Getreidepollen gegenüber Pollen von Pflanzen aus naturbelassen Lebensräumen festgemacht.
Die Nähe dieser Peaks zu den Lippelagern, läßt meiner Meinung nach auch den Schluss zu, dass sich die Legionen dort selbst versorgten. Ein rein germanischer Getreideanbau hätte wahrscheinlich keinen "Peak" erzeugt.

Gruss
jchatt
 
Ich verstehe die Textstelle so, daß sich die Römer beim Varusvergleich schon im Lager befanden. Also doch eher Lagertheorie?
Nein, sicher nicht: "[...] Arminius [...] scindit agmen [...]" heißt es: er durchbricht die Marschsäule/Kolonne, und zwar nicht dort, wo die Legionen auf freiem Feld stehen, sondern dort, wo sie mitten im Sumpf sind. In dieser Situation zieht Tacitus durch den Mund des Arminius den Varusvergleich: Seht, es ist genauso (einfach) wie bei Varus. Das zweite Mal, als Tacitus den Varusvergleich zieht, ist es, als die Germanen die Römer im Lager überfallen: Hier sind die Römer als Kollektiv die Sprechenden, die den Germanen als Kollektiv zurufen: Diesmal stecken wir nicht im Sumpf fest und diesmal sind wir auf die Schlacht vorbereitet, diesmal werdet ihr mit uns nicht so einfach fertig, wie mit Varus.


Also ist diese Textstelle nicht unbedingt als Varusvergleich zu sehen,

Natürlich ist die Stelle topisch. Und doch, sie ist von Tacitus als Spiegelbild der Varusschlacht konzipiert, weil immer wieder explizit verglichen wird, wie sah es bei Varus aus (und wie handelte dieser) und wie sieht es bei Caecina aus (und wie handelt dieser). In der Beschreibung der Schlacht bei den pontes longi wird Varus zweimal explizit und einmal implizit erwähnt.


Die Nähe dieser Peaks zu den Lippelagern, läßt meiner Meinung nach auch den Schluss zu, dass sich die Legionen dort selbst versorgten. Ein rein germanischer Getreideanbau hätte wahrscheinlich keinen "Peak" erzeugt.

Sicher nicht. Im einzelnen zu überprüfen wäre das, wenn man die Getreidesorten jeweils als althergebracht germanisch oder als römisch eingeführt bestimmen kann. Der Artikel (von den Bonner Geographen) nennt die Sorten ja im Einzelnen.
 
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