Der Journalist Ulrich Sahm veröffentliche auf seiner Homepage einen
kurzen Abriss zur Begriffsgeschichte des Begriffs "Tätervolk". Sahms Einschätzung zu Ernst Nolte halte ich für falsch.
Nolte scheint der eigentliche Urheber oder wenigestens der einflussreichste Nutzer der Begriffe "
Tätervolk" und "
Opfervolk" zu sein.
Das besondere an Nolte war, dass er ein Stichwortgeber in mehreren Systemen und Diskursen - sowohl im Feuilleton der Leitmeiden, als auch in der Parallelwelt rechtsradikaler Kreise, die offensichtlich ihren eigenen Elfenbeinturm errichtet haben.
Der Schmittismus der Freund-Feind-Bestimmung ist zentral in Nolte Denken. Die (angebliche) Erklärung der Juden zum "
Tätervolk" durch die Nazis, nennt Nolte eine "
kollektivistische Schuldzuschreibung". Nolte spielt mit der Täter-Opfer-Umkehr ein geschicktes Spiel. Zwischen den Zeilen steht, dass bereits die Nazis, eine Kollektivschuldthese vertraten.
In Noltes Vortrag "
Historische Tabuisierungen in Deutschland" von 2000 setzt er auch eine klare Feindbestimmung. Der Feind sind bei Nolte die "
gut gesinnten" Menschen, die mit "Faschismuskeule" zuschlagen. Diese Leute, denen Nolte den Begriff "
Tätervolk" in den Mund legt, würden im Fahrwasser Hitlers fahren.
Nolte schrieb:
Ganz in der Spur Hitlers bewegt sich unter radikaler Umkehrung der Wertung die heute übliche Entgegensetzung von “Tätervolk” und “Opfervolk”, welche ebenfalls die eigentliche Initiativkraft, die revolutionäre und übernationale Partei, schlicht fortlässt.
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Ich wundere mich über die Juden, die überall nur bestrebt zu sein scheinen, sich den Status der wichtigsten Opfer zu erhalten und die anscheinend bis auf wenige Ausnahmen nicht wahrhaben wollen, dass es sehr wohl eine enge, leicht begreifliche, sowohl äußere wie innere Beziehung zwar nicht zwischen “den” Juden, wohl aber zwischen vielen Juden und dem Bolschewismus gab.
Diese revisionistische Argumentation beruht auf dem Rollentausch. Eigentlich sind in Noltes Welt die Revisionisten die eigentlichen Opfer, da sie ständig von Juden und anderen Gutmenschen mit der "Faschismuskeule" verprügelt werden.
Es ist ein Kampf um den Status der Opferrolle. Das brilliante an dieser Rhetorik ist, dass man sich um so mehr als Opfer fühlen darf, je mehr Tabus man bricht.