Diese Zeitleiste wird schon korrekt sein. Was aber sagt sie aus? Sie dokumentiert, daß katholische und protestantische Reichsstände gleichermaßen eine judenfeindliche Politik betrieben.*
Nur wo ist die Schnittmenge zu Luther (?), es gab vor der Wirkungszeit von Luther einen Verfolgungsdruck gegen die Juden (z.B. III. Laterankonzil Canon 26 oder wie Du w.o. eindrücklich schriebst in Spanien), während der Wirkungszeit Luthers und danach.
Im Einzelfall wäre zu prüfen, ob eher theologische oder fiskalische Gründe ausschlaggebend waren.
Luther reiht sich aus meiner Sicht mühelos in das judenfeindliche Argumentarium des christlichen Europas ein. D'accord.
Nun wäre zu prüfen, verläßt Luther das traditionelle theologsche Argumentationsmuster gegen die Juden? Also findet sich in seiner unappetitlichen Schrift etwas, daß ihn gleichsam zu einem "Protoantisemiten" werden läßt, indem er Gedankengänge des modernen Antisemitismus vorweg nimmt. Ich finde da nichts, muß ja nichts heißen.
Lassen wir einmal die Wortwahl der Tirade beiseite, theologisch geht er nicht über III. LK, C. 26 hinaus.
________________________________________________________________
Zur historischen Kategoriebildung, ein Thema, das hier ja mitschwingt.
Kategoriebildung bedeutet immer auch geschichtsphilosophische Abstraktion. Verneint man eine solche Abstraktionsmöglichkeit, was durchaus o.k. ist, bekommt man ein erkenntnistheoretisches Problem. Überspitzt, transponiert man Kategorien des späten 19. Jh. in das 16. Jh., entstehen Tradierungslinien die offensichtlich ahistorisch sind, in unserem Fall "Luther ein Antisemit":
Luther => Chamberlain => Lueger => Hitler
Alexander III. => Luther => Chamberlain => Lueger => Hitler
Aber da gibt es keine Kausalität, oder mir fehlt schlicht und ergreifend die historische Phantasie.
M.
* Das sind auch einige Staaten aufgeführt die keine Reichsstände waren und da fehlen auch Staaten.