Nach der Schlacht im Teutoburger Wald/Kalkriese

Detlef schrieb:
Warum nur gehen immer alle von den zu schwachen Germanen aus, auch das ist doch nur ne Annahme, Tacitus berichtete das so ! aber stimmt es auch, Tatsache ist doch das Varus mit 3 Legionen gefallen ist und Germanicus hatte letztlich mehr als 8 Legionen zur Verfügung und nen bisserl später hat der vorher angeblich so gefürchtete Marbod vor Arminius die Flucht ergriffen....

Genau das ist auch mein Reden. Schon Caesar setzte gegen die Kelten germanische Söldner ein, die ihn in Gallien den Sieg brachten.
Die Germanen unter der Führung Arminius können gar nicht so schwach und hilflos gewesen sein, wie sie in einigen Büchern dargestellt wurden. Einzelne Stämme hatten Probleme mit den Römern, aber ein Bündnis zwischen mehreren germanischen Stämme war ein ernstzunehmender Gegner.
Die Germanen des Arminius müssen in der Lage gewesen sein 3-4Legionen
anzugreifen und zu besiegen. Daher auch die Zusammenhaltung der 8Legionen gegen die Cherusker.
Das beschreibt Tacitus auch nach der Befreiung des Segestes. Da schickte Germanicus Caecina mit 40 Kohorten und L.Stertinius aus, um die Kräfte des Feindes zu zersplittern damit nicht die ungeteilte Wucht über sie hereinbräche. Das bedeutet, daß selbst Germanicus mit 8Legionen deutlichen Respekt vor der germanischen Armee hatte. Somit wollte er erst die Marser,Brukterer und Chatten schwächen, bevor er gegen die Cherusker vorging.

Die Beschreibungen des Tacitus, daß es stundenlanges Morden unter den Germanen gab (siehe Idistaviso und Angrivarierwall), halte ich nur für eine Floskel, da es ansonsten keine germanischen Krieger mehr gegeben hätte.
Bei Idistaviso hat Arminius eine bestimmte Taktik verfolgt, die leider durch die Cherusker selbst zu nichte gemacht wurde. Daraufhin hat er den Rückzug befohlen und die germanischen Truppen haben sich abgesetzt. Den Römern blieben höchstwahrscheinlich versprengte Truppen und auch Verwundete übrig, die sie dann nicht verschonten (Sklaverei), sondern töteten.
Beim Angrviarierwall vermute ich ebenfalls einen Rückzug der Germanen nach stundenlangen Kämpfen. Es steht geschrieben, daß Germanicus mit seinen Prätorianern (!) den Wall erstürmte. Aber der Gegner wird nicht mehr erwähnt? Wieso geht Germanicus gleich zu den Kämpfen im Wald über? Das deutet alles auf einen Rückzug mit neuer Verteidungsstelle hin. Da Germanicus vorher die Vernichtung der Cherusker als Ziel ausgesetzt hat, wundert es jetzt, daß er nicht das Land verwüstet, sondern abzieht!:confused: Angeblich in die Winterlager......aber es kann noch nicht so spät im Jahre gewesen sein, da er sofort wieder die anderen einzelnen Stämme mit voller Wucht angreift (die er angeblich schon gründlich besiegt hat:grübel: ). Ich vermute, daß er seine Reiterei am Angrivarierwall eingebüßt hat und einen weiteren Kampf daher nicht einging.

Es kann bei den Germanen keine allzugroßen Verluste gegeben haben, da Arminius ein Jahr später, wie von Dir beschrieben, gegen Marbod kämpfte. Und dessen Armee ist in ihrer Stärke bekannt gewesen. Die Germanen waren innerhalb eines Bündnisses ein ernstzunehmender Gegner für die Römer. Und die unzureichende Bewaffnung halte ich für römische Propaganda. Es ist eigentlich für die Römer peinlich, daß feuergehärtete Speere diese für damalige Zeiten moderne Armee so zusetzten....:grübel:
 
Hallo Cato,

Cato schrieb:
...Die Funde sagen lediglich aus, dass in der Kalkriese-Niewedder-Senke eine militärische Auseinandersetzung zwischen Römern und Germanen in augusteischer Zeit stattgefunden hat....

Ja klar, egal welche augusteische Schlacht Du ausgräbst, dass ist immer die Antwort. Aber die Kernfrage meines letzten Beitrags war ja: Welchen Beweis für Kalkriese willst Du denn akzeptieren ? Benenne ihn !
Und genauso: Wo ist Dein Beweis für eine andere These ? Misst Du den mit den gleichen harten Massstäben ?
Da kommst Du nie zu einem Ergebniss, von wenigen glücklichen Einzelfällen abgesehen.

Nur ein Beispiel: Es gibt satt und genug Leute, die die Mondlandung der Amerikaner leugnen und behaupten, die hätte nur im Hollywoodstudio statt gefunden. Dazu führen sie im positiven Sinne etliche Belege an. Mit reinem Positivismus lässt sich aber nunmal alles oder nichts beweisen, da kommt man niemals weiter und dreht sich in unendlichen narkotisierenden Diskussionen. Es gefallen sich viele Amateure und leider auch gestandenen Historiker in der Rolle des advocatus diaboli, da kann man immer punkten, auch wenn es noch so eine mentale Diarrhoe ist.
Will man diese Endlosschleifen vermeiden, so muss man sich auf eine gemeinsame wissenschaftstheoretische Basis stellen, sonst hat das wenig Sinn.

Cato schrieb:
...Die Ausführungen über den Hergang der Varusschlacht sind jedoch reine Spekulation und dienen eher der Unterhaltung (ebenso die eingestreuten romanhaften Passagen). ...

Natürlich, wie alle anderen Vorschläge bisher auch. Solange nicht ein eindeutig identifizeirtes Sommerlager gefunden wird. Aber da geht dann die Endlosschleife wieder von vorne los: Die Selbstdarsteller und Teufelsadvocaten drehen dann lustig ihre Runde und wenn man das alles glaubt kommt man wieder keinen Schritt weiter.

Die eingestreuten romanhaften Passagen von Clunn sind tatsächlich grottenschlecht. Sie dienen nur der Unterhaltung. Man sieht daraus recht deutlich, dass Clunn zwar eines hohes Verständnis des römischen Heerwesens hat, von der germanischen Seite scheint er aber nur den gängigen Klischees nachzuhängen.

Was den Heergang angeht, so liegt er da vermutlich (!) nicht so schlecht, Dafür spielt es auch keine Rolle ob das Sommerlager in Minden, Hameln oder Höxter lag, der Unterschied ist marginal. Das Hauptargument ist ja folgendermassen: Will man von der Weser irgendwo zwischen Minden und Höxter nach Castra Vetera, so ist der kürzeste und sicherste Weg der Richtung Lippe/Paderborn. Wird man davon irgendwie abgebracht, muss der Zug wieder gegen Norden gehen und man hat diese Schleife. Wenn das Sommerlager nicht in Minden lag, dann kriegt man diese Schleife sowieso. Lag es in Minden, dann hätte Varus natürlich entlang dem Hellweg Kalkriese in nur zwei Tagen erreichen können, was den Chronisten zu widersprechen scheint, und militärisch wären sie nicht so leicht verwundbar gewesen.

Hier gibt es mit Sicherheit Klärungs- und Forschungsbedarf, aber es stellt Kalkriese als vermutlichen Endpunkt der Schlacht überhaupt nicht in Frage.

Cato schrieb:
... es aber durchaus so aussieht, als haben große Teile des römischen Heeres die Engstelle passiert. ....und lenkte das Thema auf die Knochengruben. Er erwähnte, dass die Knochen zwischen zwei und zehn Jahren an der Oberfläche gelegen hätten und, "dass jeder, der der Grundschulmathematik mächtig sei, damit den Beweis hätte, dass die Gruben 9 n.Chr. angelegt wurden." Danach beendete er die öffentliche Diskussion. So einfach ist das in Kalkriese...

So einfach ist das nicht in der Uni Osnabrück, so einfach aber ist es in der öffentlichen Diskussion in Kalkriese: Da steckst Du immer in der Bredoille zwischen wissenschaftlicher Korrektheit und unzulässiger Verkürzung aufgrund der notwendigen medialen Aufbereitung von professioneller Forschung. Würden die Leute die an Kalkriese herumkriteln auch nur halbwegs die gleichen Ansprüche an ihre eigene Forschungen stellen, wir wären schon viel weiter.

Nun gut, was will ich eigentlich sagen:

- Du musst natürlich selbst für Dich entscheiden, was du glauben möchtest und was nicht.

- Du kannst immer nur mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten, wobei du immer das Gesamtbild betrachten musst, noch so schöne Einzelbeweise für was auch immer kann man relativ mühelos wegdiskuttieren.

- absolute Wahrheiten, unzweifelhafte Sicherheiten gibt es äusserst selten, speziell in den Altertumswissenschaften sind die dünn gesät.

- es ist notwendig wissenschaftliche Standards zu definieren und einzuhalten sonst kommt man nie zu Potte.

In diesem Sinne beste Grüsse, Trajan.
 
Trajan schrieb:
....
Hier gibt es mit Sicherheit Klärungs- und Forschungsbedarf, aber es stellt Kalkriese als vermutlichen Endpunkt der Schlacht überhaupt nicht in Frage....

Dazu habe ich bereits einen Beitrag hier veröffentlicht. Die Archäologen in Kalkriese sagen, daß es dort keine (!) Vernichtungsschlacht gegeben hat! Das ist Faktum. Hier im Forum hat MAXHERBERT das auch erwähnt. Die These, daß Kalkriese der Endpunkt der Varusschlacht war, wird auch von Frau Wilbers-Rost und Herrn Rost nicht bestätigt, sondern widerlegt. Ein amerikanischer (ich glaube daher kam er) Militärhistoriker soll anhand der Fundlage eindeutig festgestellt haben, daß dort keine Vernichtungsschlacht stattgefunden hat, sondern nur ein mehrstündiger Kampf. So hat mir das auch schon vor Jahren ein Archäologe aus Kalkriese gesagt.

Kalkriese ist bisher nichts weiter als ein Ort, an dem es eine Schlacht zwischen Römern und Germanen zur Zeit des Arminius gegeben hat. Dabei wurde ein Troß angegriffen (eindeutige Fundlage) und ein reißverschlußähnliches Aufteilen der römischen Armee außerhalb bzw. am Rande der Engstelle wurde festgestellt. Welcher Römer (Varus, Caecina oder irgendein Unbekannter?) dort gekämpft hat, ist nicht bewiesen, sondern unterliegt von beiden Seiten nur der Vermutung!
Fazit: man kann hier nur von einer Römerschlacht sprechen und nicht von der Varusschlacht! Und ich bin nicht aus der Lippergegend !:rofl:
 
Tja, die Festlegungen in zwei Lagern ist das Problem aber sicher ist auch das sich die Archäologen allein mit dem Ausschlussverfahren selbst beschneiden. Ich denke da mal ans Römerlager Kneblinghausen Jahre lang hieß es das dies nicht in die Zeit passt plötzlich finden sie noch irgendwo ein Clavicula Tor und Tup nun könnte es passen. Wieso könnte ? selbst laut Römischer Geschichtsschreibung gab es danach kein Lager mehr in Germanien, warum also erst 30 Jahre Zweifeln ? die Logik sagte das es genau dort hingehört, das gleiche stellen sie nun langsam bei den Eisenzeitlichen Fliehburgen fest, es gab nämlich gar keine sondern es waren einfach befetigte Sitze damaliger Clans auch sind sie sich nun langsam sicher das die Cherusker Ostwestfalen waren aber erst Jahrelang nach rechts der Weser legen. Warum immer alle Hobbyarchäologen für doof hin stellen, da keiner die Warheit kennt sollte man halt auch offen sein für andere Ideen, Tatsache ist das man weiter suchen sollte denn lange kann nicht mehr gesucht werden da die Spuren in unserer Zeit dramatisch vergehen!
 
Ave Cherusker,


Cherusker schrieb:
....etwas von KEHNE, ..."...Auf dem Kalkriese-Symposion am 15. und 16.April 1999 sorgte dann die von Reinhard Wolters und vom Verfasser vorgebrachte fundamentale Kritik an Bergers wissenschaftlich unzureichender Münzdatierung und...."


Na klingt ja ganz lustig. Ich vermute mal das sich der Streit daran entzündete, dass man hier implizit dem weltweit anerkannten Münzexperten Berger Unwissenschaftlichkeit vorwarf, was schlicht in diesem Zusammenhang beleidigend ist. Das wäre schon ein starkes Stück, wer da was zu kritisieren hat muss sich schon seriöser ausdrücken.


Cherusker schrieb:
....durch die Varinte einer von der Kontermarke VAR überstempelten Kontermarke TIB (AV)G nicht nur ins Wanken geraten, sondern von einem wirklichen Numismatikexperten sogar gleich als Gegenstempel der frühtiberischen Zeit klassifiert worden ...."


Was daran verwundern soll ist mir schleierhaft. Tiberius war schliesslich schon vor Varus in der Gegend unterwegs, und wenn Varus Tiberiusmünzen überstempeln lies, dann ist daran nun wirklich nichts seltsames.


Cherusker schrieb:
....spräche die Fallrichtung der sog. Mauer, die angeblich noch während des Gefechtes teilweise Richtung Senke eingestürzt sein soll, ebenfalls für die hier unterbreitete These einer von Germanen angegriffenen und partiell erstürmten römischen Verteidigungsanlage. ...."

Ja da ist er wieder, der typische positivistische Beweis: Es gibt beliebig viele Thesen in der eine Mauer in Richtung Senke fällt (wohin denn auch sonst ?). Beweis interessant wäre nur eine damit einhergehende Falsifikation einer These, also hier z.B. die These Germanenwall, und diese Falsifikation ist nicht erkennbar.


Cherusker schrieb:
.... ist die Vorstellung von sich im Verlauf eines andauernden Marschgefechts wie dem des Varuszugs hinter einem Rasensodenwall verschanzenden Germanentrupps militärisch naiv. Kaum etwas hätte militärische Befehlshaber unter Varus mehr erfreuen können als ein sich lokal festsetzender germanischer Widerstand, bei dem sie den Gegner endlich einmal hätten fassen können....


Hier wird wenigstens einmal eine Falsifikation versucht, aber sie ist gar nicht einleuchtend.
Denn erstens ist „militärisch naiv“ lediglich eine unbewiesene Unterstellung und zweitens muss man die Frage stellen, was hätten die Germanen denn aus ihrer diachronen Sicht besser machen können ? Drittens: Letzten Satz halte ich für absolut widersinnig, denn der Wall sollte ja genau verhindern, dass man festgesetzt werden konnte: Der Wall ermöglichte empfindliche Angriffe auf das römische Heer bei jederzeitiger Rückzugsmöglichkeit. Hätten die Römer noch die Kraft besessen den Wall zu überwinden, so hätte man sich leicht in den dahinter liegenden Bergwald zurückziehen können.


Cherusker schrieb:
.... Hat WOLTERS also Recht, wenn er die Kalkriesebefunde mit dem Gefecht Caecinas bei den pontes longi in Verbindung ....


Das Herumpoltern auf den pontes longi ist mir sehr suspekt. Bei den 5000 Funden von Kalkriese ist kein einziger dabei der unmittelbar die pontes longi These stützen würde, obwohl eine teilweise Überlagerung der beiden Gefechtsfelder durchaus möglich ist und auch niemanden so richtig verwundern würde. Aus dem Nichtvorhandensein der pontes-longi-Belege nun auf die nicht Aussagekräftigkeit der clades-variana-These zu schliessen ist wirklich abenteuerlich.


Cherusker schrieb:
.... Und warum sollte man zu Tiberius Zeiten noch an Varus gedenken....


Tiberius war (42 vor bis 37 nach Chr., ganz schön alter Knochen geworden für die Antike) aber schon vor Varus in Germanien.


Cherusker schrieb:
.... Die Germanen unter der Führung Arminius können gar nicht so schwach und hilflos gewesen sein, wie sie in einigen Büchern dargestellt wurden...


Richtig, da hast Du recht, da liegt eine Wahrnehmungsverzerrung vor. Dies ist dem überwältigenden Übergewicht der römischen Quellen und Hinterlassenschaften gegenüber den Germanischen geschuldet. Die germanische Seite ist vergleichsweise wenig erforscht, deren Hinterlassenschaften sind halt archäologisch sehr dünn. Gründe dafür sind: Vorwiegende Holzbauweise statt Stein, verstreute Siedlungen, nomadenhaftes Verhalten, praktisch keine Schrift, Sitte der Feuerbestattung, u.v.m.


Cherusker schrieb:
.... Die Germanen des Arminius müssen in der Lage gewesen sein 3-4Legionen
Cherusker schrieb:
anzugreifen und zu besiegen. ..... Das bedeutet, daß selbst Germanicus mit 8Legionen deutlichen Respekt vor der germanischen Armee hatte....Die Beschreibungen des Tacitus, daß es stundenlanges Morden unter den Germanen gab (siehe Idistaviso und Angrivarierwall), halte ich nur für eine Floskel, da es ansonsten keine germanischen Krieger mehr gegeben hätte. .... Das deutet alles auf einen Rückzug mit neuer Verteidungsstelle hin. Da Germanicus vorher die Vernichtung der Cherusker als Ziel ausgesetzt hat, wundert es jetzt, daß er nicht das Land verwüstet, sondern abzieht!....Es kann bei den Germanen keine allzugroßen Verluste gegeben haben, da Arminius ein Jahr später, wie von Dir beschrieben, gegen Marbod kämpfte...... Die Germanen waren innerhalb eines Bündnisses ein ernstzunehmender Gegner für die Römer. Und die unzureichende Bewaffnung halte ich für römische Propaganda.....


Das denke ich auch, unbedingt lesen sollte man dazu: R. Jahn, Der röm.-germ. Krieg, Diss., Bonn 2001. Man muss auch immer bedenken dass wir als Quelle hier nur den Tacitus haben. Und das wir den Tacitus heute haben liegt nicht daran, dass der der überagende Historiker der damaligen Zeit gewesen wäre, sondern es ist der pure Zufall. Viel bessere Quellen sind vergammelt, verschimmelt, verbrannt, nur eine spätere Abschrift des Tacitus hat sich in Teilen in einem Klösterstübchen erhalten anstatt der Säuberung irgendeines christlichen Eiferers zum Opfer zu fallen.


Cherusker schrieb:
.... Kalkriese ist bisher nichts weiter als ein Ort, an dem es eine Schlacht zwischen Römern und Germanen zur Zeit des Arminius gegeben hat. Dabei wurde ein Troß angegriffen (eindeutige Fundlage) und ein reißverschlußähnliches Aufteilen der römischen Armee außerhalb bzw. am Rande der Engstelle wurde festgestellt. Welcher Römer dort gekämpft hat, ist nicht bewiesen, sondern unterliegt von beiden Seiten nur der Vermutung.....


Nicht anders drückt sich Prof. Schlüter aus, lese bitte dazu nochmal seine Zusammenfassung in Wiegels/Woesler 2003 Seite 452-454. Wie ich schon mehrfach sagte, Du kannst fast IMMER nur mit Wahrscheinlichkeiten wissenschaftlich korrekt argumentieren. Und die Wahrscheinlichkeit das Kalkriese der Ort der Varusschlacht war ist gegenüber allen Konkurrenzthesen extrem hoch.


Rätsel und Geheimnisse haben den stärksten Reiz solange sie im Unbekannten bleiben. Ist ein Rätsel gelöst, so verliert es rapide an Attraktivität. Wenn ich weis, wie der Hase im Zylinder verschwindet, dann schaue ich mir diesen Zauberer nicht mehr an, und so ähnlich ist es mit all diesen Konkurrenztheorien: Alles was das Geheimnis unberührt lässt ist interessanter als das entlarvte Rätsel, da sucht man sich gerne einen neuen Zauberer.:devil:


Wenngleich ich es auch für absolut richtig und wichtig halte Zweifeln an Kalkriese nachzugehen, solange aber da nichts wirklich relevantes vorliegt, sollte man Kalkriese als Endpunkt akzeptieren und seine Folgerungen daraus ziehen. Z.B. wo Aliso liegt und vieles mehr, man muss wirklich froh sein einen hochwahrscheinlichen Fixpunkt in dieser Geschichte gefunden zu haben. Statt ohne grosse Evidenz daran rumzumäkeln sollte man seine Kraft auf die Anschlussprobleme konzentrieren, da gibt es soviel interessanteres zu erforschen.:yes:


In diesem Sinne, Beste Grüsse ins „Nichtlippeland“, Trajan.:winke:
 
Hi Trajan.

Frage: Welche viel besseren Quellen als Tacitus sind denn verloren gegangen???
 
Trajan schrieb:
Wenngleich ich es auch für absolut richtig und wichtig halte Zweifeln an Kalkriese nachzugehen, solange aber da nichts wirklich relevantes vorliegt, sollte man Kalkriese als Endpunkt akzeptieren und seine Folgerungen daraus ziehen.

Gut....das ist Deine Meinung. Aber mit der Behauptung, daß Kalkriese der Endpunkt der Schlacht war, stehst Du ganz alleine da.:grübel:
Selbst die Kalkriese-Archäologen sehen das heute anders! Das hatte ich geschrieben. Somit sind ältere Meinungen dieser Wissenschaftler nicht mehr relevant, weil sie heute eine andere Sicht der Dinge haben.
Und warum man Kalkriese als Varusschlacht bezeichnet...dafür gibt es auch keinen eindeutigen Beweis.?.....und die Meinungen der Kalkrieser gehen auch merkwürdige Wege (das hat der Autodidakt Lippek auch glaubhaft nachgewiesen).:yes:
 
tela schrieb:
Hi Trajan.

Frage: Welche viel besseren Quellen als Tacitus sind denn verloren gegangen???

Hi Tela,

Zum Beispiel Plinius der Ältere, 23 bis 79, starb in Pompeji beim Vesuvausbruch, schrieb u.a. zwanzig Bände über die römischen Germanienkriege und eine römische Geschichte in 31 Büchern.
Von seinen vielen Werken ist aber nur sein Werk über Naturkunde erhalten.:weinen:
 
tela schrieb:
Hi Trajan.

Frage: Welche viel besseren Quellen als Tacitus sind denn verloren gegangen???


Zusätzlich zu dem von Trajan schon erwähnten Werken des Plinius gab es wahrscheinlich auch ein "größeres Geschichtswerk" des Velleius Paterculus, das den "römisch-germanischen Krieg" beinhaltete. Jedenfalls deutet er ein solches in seiner Historia Romana an, in der die Thematik von ihm nur andeutend gestreift wird. (So jedenfalls nach Paterculus eigener Aussage)
 
Hallo Trajan,
zu den Kontermarken folgendes. Tiberius war nachweislich einige Male in Germanien, auch vor Varus, aber den Gegenstempel TIB AVG wird es mit Sicherheit erst nach 14 n.Chr. gegeben haben. Wenn dieser durch VAR überprägt wurde, so ergibt sich in der Tat ein Problem.
Ferner: In Kalkriese hat eine Schlacht zwischen Römern und Germanen in augusteischer/frühtiberischer Zeit stattgefunden. Mehr sagen die Funde nicht aus und wer mehr behauptet, der spekuliert. Die Militariafunde von Kalkriese sprechen sowohl für die Varusschlacht, als auch für die pontis longi, einzig und allein auf die Münzfunde stützt man sich. Dass diese positivistische Art der Beweisführung schwierig ist, hat R.Wolters ausführlich belegt.
Dass man in Kalkriese einen Freizeitpark für Ausflugsgruppen eingerichtet hat, der quasi nebenbei auf eine frühe Periode deutscher Geschichte aufmerksam machen will, ist eine zu begrüßende Entscheidung. Wenn man aber auf der Annahme der Varusschlacht-Kalkriese-Theorie weitere archäologische Forschungen aufbauen will (Aliso, Sommerlager etc.), so besteht die ernsthafte Gefahr eines Zirkelschlusses. (Weil Varus in Kalkriese gekämpft hat, war Aliso in Haltern und das Sommerlager in Minden, usw.).
Was ich von Kalkriese erwarte: Dass man endlich einen eindeutigen epigraphischen Beweis erbringt, der belegen kann, welche Legionen an diesem Ort gekämpft haben. Gerade bei den Ritzinschriften sollte man genauer analysieren (auch von externen Fachleuten !). Es soll laut Frau Dr. Wilbers-Rost neben jenen auf der Kettenpanzerschließe noch weitere Inschriften existieren, die leider noch nicht in einem Fundbericht veröffentlicht werden konnten. Die Frage lautet also: L(EG) XVII., XVIII, XIX oder I., V, XX., XXI. ! Erst dann würden wir Gewissheit darüber haben, welcher Römer sich bei Kalkriese eine blutige Nase geholt hat.
Gruß Cato
 
Ich habe hier eine Zusammenfassung von JAHN, RALF G., Der Römisch-Germanische Krieg. Das Original der Inaugural-Dissertation liegt mir z.Zt. nicht vor. In dieser Zusammenfassung wird das Thema "Die Varusschlacht bei Kalkriese" behandelt.
Wenn die Zusammenfassung richtig wieder gegeben wurde, dann stellt R.G. Jahn die These auf, daß der Schlachtort der Varusschlacht und der der pontes longi sich überlappt haben können.:grübel:
Allerdings stellt sich mir hier die Frage: wäre es nicht von den Römern erwähnt worden, wenn beide Schlachten am gleichen Ort stattgefunden hätten?:grübel:
Dann hätte es doch den Namen pontes longi in dem Zusammenhang einer Schlacht nicht gegeben ....oder die Varusschlacht wäre als pontes longi bezeichnet worden, weil Dometitius Ahenobarbus sie um die Zeitenwende schon angelegt hat. Der Ort wäre somit bekannt gewesen.....
 
@ Cato: Augustus adopierte Tiberius um 4 n. Chr., und dieser hatte bereits einige kaiserliche Rechte wie die "tribunicia potestas" bekommen. Das "Tib Aug" könnte sich auch darauf beziehen, dass dieser den Beinamen von Augustus bereits damals übernahm. Dann stünde das zeitlich auch gut in Konkordanz mit dem "Var"-Gegenstempel.

P.S.:
Was ich von Kalkriese erwarte: Dass man endlich einen eindeutigen epigraphischen Beweis erbringt, der belegen kann, welche Legionen an diesem Ort gekämpft haben. Gerade bei den Ritzinschriften sollte man genauer analysieren (auch von externen Fachleuten !).
Das Problem: so wie ich das sehe, hat man leider aus der augusteischen Zeit nicht so viele Gegenstände, auf denen die drei varischen Legionen gekennzeichnet sind. Z.B. von der XIX. Legion:
- ein Bronzeblech aus Dangstetten
- drei Schleuderbleie vom Döttenbichl bei Oberammergau
- eine Terra Sigillata-Schale und ein Bleibarren aus Haltern

Und für die beiden anderen Legionen gibt es meines Wissens so gut wie keine solcher Stücke. Mir fällt sonst nur noch der Caelius-Stein aus Vetera ein (18. Legion), der nun wenig weiter hilft.

Interessant finde ich noch, dass in Haltern ein ähnliches Münzproblem besteht wie in Kalkriese und keine völlige Gewissheit darüber herrscht, ob das Lager um 9 oder um 16 n. Chr. aufgegeben wurde - auch wenn man eher dem ersten Datum zuneigt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Cato,

Cato schrieb:
.... Tiberius war nachweislich einige Male in Germanien, auch vor Varus, aber den Gegenstempel TIB AVG wird es mit Sicherheit erst nach 14 n.Chr. gegeben haben. Wenn dieser durch VAR überprägt wurde, so ergibt sich in der Tat ein Problem....
Ein Problem schon, aber nicht für Kalkriese. Unbestritten kann Varus nicht im Jahre 14 irgendetwas überstempelt haben. Also ist an der Interpretation TIB (AV)G=Tiberius Augustus oder/und an der Interpretation VAR=Varus irgendetwas falsch.
Und damit besagt es schon nichts mehr gegen die Varusschlachtthese aus.
Der Augustus kann auch schon vorher angenommen worden sein, wie Ashigaru gerade anmerkte. Oder das spätere VAR hiess nicht Varus, oder TIB (AV)G(VSTVS) war eben der TIB(ERIUS) G(ERMANICUS) von vor 9 oder was sonst noch an passenden Interpretationen möglich ist. Jedenfalls kann es sich unstrittigerweise nicht um eine Überstempelung durch Varus im Jahre 9 handeln.

Cato schrieb:
.... Die Militariafunde von Kalkriese sprechen sowohl für die Varusschlacht, als auch für die pontis longi, einzig und allein auf die Münzfunde stützt man sich. Dass diese positivistische Art der Beweisführung schwierig ist, hat R.Wolters ausführlich belegt...
Richtig, ich bin der letzte der eine positivistische Beweisführung als sacrosankt erklären würde. Aber das wird von Wolters unterschlagen, die Wahrscheinlichkeit für die Varusschlacht ist eben grösser als wie für die pontes longi, denn es fehlen die nach 9 geprägten Münzen. Und die könnten sehr wohl da sein, wenn es die pontes longi gewesen wären. Man muss eine zusätzliche Hilfskonstruktion hier hinzufügen um zu den pontes longi zu kommen, nämlich die Behauptung, die nach 9 geprägten Münzen hätten viel zu lange gebraucht um in den Besitz der Legionäre caecinas zu kommen.
Die pontes longi fallen damit Occams Razor zum Opfer, abgesehen davon dass sich meines Wissens diese Hilfsbehauptung auch nicht wirklich belegen lässt.

Cato schrieb:
.... Wenn man aber auf der Annahme der Varusschlacht-Kalkriese-Theorie weitere archäologische Forschungen aufbauen will (Aliso, Sommerlager etc.), so besteht die ernsthafte Gefahr eines Zirkelschlusses...
Klar, aber dass ist bei einer Annahme der pontes longi noch viel schlimmer, da ich eine eindeutig unwahrscheinlichere These für (dann andere) Zirkelschlüsse verwende. Aus dem Dilemma kommst Du nicht heraus, es sei denn wir bleiben beim philosophischen cogito ergo sum, und dass ist alles was wir wirklich wissen.

Cato schrieb:
....Was ich von Kalkriese erwarte: Dass man endlich einen eindeutigen epigraphischen Beweis erbringt, der belegen kann, welche Legionen an diesem Ort gekämpft haben. Gerade bei den Ritzinschriften sollte man genauer analysieren......Erst dann würden wir Gewissheit darüber haben, welcher Römer sich bei Kalkriese eine blutige Nase geholt hat.
yep, dass wäre doch was. Aber ich verrate Dir bestimmt kein Geheimnis wenn ich behaupte dass diese dann auch wieder angezweifelt würden. Jedenfalls wenn eine solche epigraphische Widerlegung in wissenschaftliche seriöser Art vorläge, so könnte ich dass im Popperschen Sinne schon akzeptieren.

Viele Grüsse, Trajan.
 
Aber das wird von Wolters unterschlagen, die Wahrscheinlichkeit für die Varusschlacht ist eben grösser als wie für die pontes longi, denn es fehlen die nach 9 geprägten Münzen. Und die könnten sehr wohl da sein, wenn es die pontes longi gewesen wären.

Ich denke, das ist eines der gewichtigsten Argumente. Es wäre schon sehr merkwürdig, wenn von einem Geschehnis sechs - sieben Jahre später nicht eine einzige frühtiberische Münze vorhanden sein sollte. Dazu noch bei einer derart gewaltigen Münzmenge. Es gab ja nach der Varusschlacht nur noch wenige rechtsrheinische Stützpunkte, aber selbst von einem so schlecht belegten Platz wie dem frühtiberischen Kastell Friedberg/Hessen gab es eine Münze, die frühestens 10 n. Chr. geprägt wurde.
 
Cherusker schrieb:
....Wenn die Zusammenfassung richtig wieder gegeben wurde, dann stellt R.G. Jahn die These auf, daß der Schlachtort der Varusschlacht und der der pontes longi sich überlappt haben können.
Allerdings stellt sich mir hier die Frage: wäre es nicht von den Römern erwähnt worden, wenn beide Schlachten am gleichen Ort stattgefunden hätten?
Dann hätte es doch den Namen pontes longi in dem Zusammenhang einer Schlacht nicht gegeben ....oder die Varusschlacht wäre als pontes longi bezeichnet worden, weil Dometitius Ahenobarbus sie um die Zeitenwende schon angelegt hat. Der Ort wäre somit bekannt gewesen.....

Hallo Cherusker,

ich zähle zu den Glücklichen die den kompletten Jahn besitzen, seine Dissertation ist hier an der Uni Bonn leicht verfügbar. Du kannst ihn aber bestimmt auch per Fernleihe beziehen.

Ja nach Jahn ist eine Überlappung durchaus im Bereich des Möglichen. Es gibt zum Beispiel am Zugang zum Engpass von Kalkriese zwei Heerwege, einer etwas nördlicher, und den könnte Caecina genutzt haben. Bohlenwege wurden auch in dieser Gegend nachgewiesen. Die Schlachtfelder lägen dann recht nahe beieinander.
Was die Ortsangaben angeht: Die sind bei allen römischen Schriftsteller sehr ungenau. Es wurde noch nie ein Schlachtfeld durch diese Angaben allein gefunden. Das ist auch klar, erstens war oft der Schriftsteller selbst am Ort des Geschehens nie gewesen, zweitens gab es damals kein wirklich gutes Kartenmaterial oder sonstige zuverlässige Beschreibungen ferner Gegenden, und drittens zählte mehr die dramaturgische Darstellung als die geographische Genauigkeit, letztere war für Schreiber und Rezipient ziemlich nebensächlich.
Trotzdem wird Tacitus i.a. versucht gewesen sein, die geographischen Verhältnisse korrekt zu beschreiben soweit ihm das möglich war, aber sein Herzblut hat er darüber sicherlich nicht vergossen. Seine Darstellung der Schlacht von Idistaviso und am Angrivarierwall kann man als zerfahren und chaotisch sehen.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Trajan schrieb:
....Trotzdem wird Tacitus i.a. versucht gewesen sein, die geographischen Verhältnisse korrekt zu beschreiben soweit ihm das möglich war, aber sein Herzblut hat er darüber sicherlich nicht vergossen. Seine Darstellung der Schlacht von Idistaviso und am Angrivarierwall kann man als zerfahren und chaotisch sehen.

Beste Grüsse, Trajan.

Tacitus hat die Orte der Schlachtfelder deutlich beschrieben. Bloß kann man aus heutiger Sicht diese nicht mehr zweifelslos lokalisieren.

1.) Tacitus benennt die pontes longi. Jeder Römer, der in Germanien stationiert war, muß diesen Bohlenweg/Knüppeldamm des Domitius Ahenobarbus gekannt haben, da er von den Römern auch genutzt wurde.

2.) Idistaviso: der Name allein steht höchstwahrscheinlich für einen bestimmten Ort oder Landschaft in Germanien. Außerdem beschrieb er deutlich, daß es sich in der Nähe des Hercules Hain abspielte. Daraufhin haben die Wissenschaftler über Jahrzehnte diesen gesucht. Es wurde der Hohenstein (Felswand in der Nähe von Hess. Oldendorf) oder die Porta Westfalica (da Gibraltar in der Antike auch mit den Namen Säulen des Hercules betitelt wurde) als dieser Hercules Hain vermutet.

3.) Angrivarierwall: auch dieser ältere Grenzwall zwischen den Angrivariern und den Cheruskern war einem Römer bekannt. Immerhin haben sich die Römer über 20Jahre im Land befunden und auch die Truppen verteilt (Drusus, Varus).

Fazit:
Ein Römer in Germanien kannte diese von Tacitus benannten Orte. Es wird daher keine Schwierigkeiten gegeben haben, diese Orte auch aufzusuchen.
Tacitus konnte allerdings nicht ahnen, daß das Römische Imperium ein paar Jahrhunderte untergeht und diese Orte in Vergessenheit gelangten.:grübel:
Hätte der Ort der Varusschlacht auf einem bekannten Weg gelegen, so wäre dieser mit Sicherheit von den Römern genannt worden. Aber aus den Schilderungen des Tacitus läßt sich erkennen, daß Germanicus erst den Caecina vorweg schicken mußte, damit er einen Weg dorthin anlegte und sicherte. Das kann meiner Ansicht nach unmöglich bei Kalkriese gewesen sein, da hier Hudewälder und eine germanische Kulturlandschaft zu dem Zeitpunkt existierten.

P.S.
Ich bin kein Numismatiker, aber BERKE (besitzt einen Lehrauftrag an der Uni Münster für provinzialrömische Archäologie) schreibt, daß in der Zeit zwischen 2 und 14 n.Chr. kaum Münzen geprägt wurden, die sich exakt einordnen lassen. Diese zeitliche Unschärfe erlaube daher keine genaue Datierung.
Soviel ich weiß, gibt es in Kalkriese auch keine Münzen aus dem Jahr 6 oder 7 oder 8 n.Chr.....(da müßte ich jetzt nachsehen)
 
Hallo Trajan, ashigaru und Cherusker,
das größte Problem, dem sich die Varusschlachtforschung gegenübersieht, ist jenes, dass es keinen weiteren Schlachtfeldfund dieser Zeit gibt, der zum Vergleich herangezogen werden könnte. Mit anderen Worten: es fehlt der Germanicus-Horizont, der die Thesen der Numismatiker bestätigen oder widerlegen könnte. Also stehen Aussagen gegen Aussagen und Mutmaßungen gegen Wahrscheinlichkeiten.
Einen wichtigen Punkt hat Cherusker eben angesprochen. Der tatsächliche Ort der Varusschlacht befand sich offensichtlich im unwegsamen Gelände, weitab besonderer Merkzeichen oder gar Heerwege. Die Auseinandesetzung wurde aus diesem Grunde nicht wie üblich durch eine Ortsbezeichnung festgehalten (wie pontis longi, Idistaviso, Angrivarierwall etc.), sondern „bello variano“ bzw. „clades variana“, also nach dem Feldherren benannt. Die einzige überlieferte Ortsangabe ist äußerst vage, indem sie umschreibt „ultimi bructeri“ und „haud procul teutoburgiensi saltu“, also bei den „äußersten Brukterern, nicht weit entfernt vom Teutoburger Wald“ (was auch immer damit gemeint war). Hätte die Schlacht auf dem Hellweg vor dem Sandforde an einem Engpass stattgefunden (und der war den Römern seit Jahren bekannt), so hätte Tacitus nicht auf solch eine umständliche, ungenaue Umschreibung des Ortes zurückgreifen müssen. Übrigens zieht nur Tacitus den „teutoburgiensi saltu“ heran, alle weiteren Chronisten waren überhaupt nicht in der Lage, eine Lokalisierung zu formulieren. Der tatsächliche Ort der Varusschlacht kann sich folglich nur im schwer zugänglichen „Niemandsland“ (eventuell in einem dünn besiedelten Grenzgebiet verschiedener Stämme) befunden haben, weitab entfernt von jeglichen Merkzeichen, Orten, Kultstätten oder Engstellen von Heerwegen (letzteres ist jedoch in Kalkriese der Fall).

Und zum Schluss der Gipfel der Volksverdummung in Kalkriese:
Im archäologischen Park Kalkriese wurden, zwecks „Nachzeichnung des Römerwegs“, Stahlplatten verlegt, die Textpassagen rund um die Varusschlacht zitieren. Auf Stahlplatte Nr.29 findet sich folgender Wortlaut:
Vorahnungen
Die Nacht war aus ganz verschiedenen Gründen unruhig, da die Barbaren bei festlichem Mahl mit fröhlichem Gesang oder wildem Lärm die Talniederung und die widerhallenden Waldhöhen erfüllten, während bei den Römern nur matte Lagerfeuer zu sehen, abgerissene Laute zu hören waren und sie selbst verstreut am Lagerwall herumlagen, schlaflos mehr als hellwach...(Cornelius Tacitus. Römischer Geschichtsschreiber. Geboren um 55 n. Chr.)

Diese Textpassage des Tacitus beschreibt jedoch nicht eine Phase der Varusschlacht, sondern den Vorabend der Schlacht an den pontis longi. Da er aber so gut passt, wurde er einfach mit eingefügt, ´s merkt ja niemand (Konzeption und Inhalt des Parks wurden übrigens unter Mitwirkung und Aufsicht der dortigen Archäologen verfasst). Soviel zur wissenschaftlichen Arbeitsweise in Kalkriese.

http://www.kalkriese-varusschlacht.de/deutsch.html
button: Museum und Park
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gruß, Cato
 
das größte Problem, dem sich die Varusschlachtforschung gegenübersieht, ist jenes, dass es keinen weiteren Schlachtfeldfund dieser Zeit gibt, der zum Vergleich herangezogen werden könnte.

@ Cato: sehe ich nicht ganz so. Zu nennen wären Döttenbichl/Oberammergau sowie Dünsberg, Tor 4, die ebenfalls in augusteische Zeit gehören (wobei man sich bei beiden Orten noch nicht ganz einig ist über die Interpretation). Allerdings bringen beide Orte bei weitem nicht die Fundmenge von Kalkriese; abgesehen davon halte ich es für schwierig, Schlachtorte miteinander zu vergleichen, da hier wirklich enorm viele Faktoren mit reinspielen.

Einen wichtigen Punkt hat Cherusker eben angesprochen. Der tatsächliche Ort der Varusschlacht befand sich offensichtlich im unwegsamen Gelände, weitab besonderer Merkzeichen oder gar Heerwege. Die Auseinandesetzung wurde aus diesem Grunde nicht wie üblich durch eine Ortsbezeichnung festgehalten (wie pontis longi, Idistaviso, Angrivarierwall etc.), sondern „bello variano“ bzw. „clades variana“, also nach dem Feldherren benannt.

Also ich würde nicht versuchen, so viele Rückschlüsse aus den antiken Berichten auf die tatsächlichen Geländemerkmale zu ziehen und z.B. auszuschließen, dass sich die Schlacht um einen Weg herum ereignete. Wie Trajan bereits anmerkte, waren die geografischen Fähigkeiten der Römer noch nicht sehr weit entwickelt. Dazu hat Dieter Timpe auch einen interessanten Aufsatz geschrieben. Dass die Historiografen einen Schlachtort nicht mit Namen benennen, hat nicht unbedingt zu sagen, ob er nun bekannt war oder nicht. Die genaue Lokalisierung lag nicht in ihrer Absicht, außerdem ist es nicht ersichtlich, ob sie selbst die örtlichen Gegebenheiten ausreichend kannten, die sie beschrieben.
Die Varus-Schlacht ist dabei kein Einzelfall. So beschreibt Cassius Dio ja die Invasion Britanniens im Jahr 43; obwohl sich die Schlachten in Südengland abspielten, einem den Römern vertrautes Feld, verzichtet er völlig auf Ortsnamen und gibt überhaupt nur die nötigsten Geländeinformationen (bei einer Schlacht wurde über einen Fluss gesetzt etc.). Und die Schlachten haben sich weder in einem besonders abgelegenen, noch in einem dünn besiedelten, noch in einem später unbekannten Gebiet abgespielt.
Zustimmen möchte ich Cherusker insofern, als dass es natürlich interessant ist, wenn Tacitus bestimmte Ortsnamen wie Idistaviso oder den Saltus Teutoburgiensis nennt und dies besondere Aufmerksamkeit verdient (auch wenn sich mit beiden Namen leider nicht so viel anfangen lässt). Ob er mit den "pontes longi" aber wirklich eine ganz bestimmte, bekannte Örtlichkeit meint oder eben wirklich nur lange Brücken im Wortsinn, ist für mich offen.
 
Ashigaru schrieb:
.... meint oder eben wirklich nur lange Brücken im Wortsinn, ist für mich offen.

Das steht aber 100%ig fest.
Bei Tacitus I, (63) steht:
"Caecina, der eine eigene Heeresabteilung führte, erhielt die Weisung, obgleich die Wege , auf denen er den Rückmarsch antreten wollte, bekannt waren, so rasch wie möglich die "Langen Brücken" hinter sich zu bringen. Dies ist ein schmaler Fußpfad durch ausgedehntes Sumpfgelände, der einst von L. Domitius als Damm aufgeführt worden war. Das übrige Gelände ist morastig, man bleibt dort im schweren Lehmboden hängen, oder Bachläufe machen es nur schwer begehbar. Ringsum stieg das Waldgelände langsam an...."

Somit hat Caecina deutlich von Germanicus den Befehl bekommen, mit seinem Troß diese Engstelle "pontes longi" zu passieren.
 
Hallo liebe Geschichtsfreunde

Ich möchte anmerken, dass Kalkriese als Ort der Varusschlacht zu keiner der uns bekannten antiken Überlieferungen passt.

Velleius Paterculus schrieb, dass Numerus Vala mit seiner Reitertruppe den Rhein zu erreichen suchte, und nicht zu einem Lager an der Lippe flüchten wollte. Jedoch wäre der am naheliegenste Fluchtweg von Kalkriese aus, zu den Standlagern an der Lippe.

Tacitus erwähnt unter anderem, dass Germanicus bei seinem Aufsuchen der Orte der Trauer, zuerst das klar als Dreilegionenlager erkennbare Lager des Varus erreichte, und dann erst die verstreut liegenden Gebeine der erschlagenen Legionäre in der Landschaft erkannte. Auch das passt nicht zu einem Varusschlachtort Kalkriese, denn dann hätte Germanicus zuerst die Gebeine der Legionäre sehen müssen, und erst später das Dreilegionenlager des Varus.

Cassius Dio erzählt uns in seinem Bericht über das Schlachtgeschehen, von einem schluchtenreichen Gebirge. Auch dieses gibt es in oder bei Kalkriese nicht:

Für mich wirkt eine vermutete Varusschlacht in Kalkriese zu sehr konstruiert und zurechtgebogen.

Übrigens stimmt die Lokalisierung der Pontes Longi, durch Tacitus, genau so wenig nicht mit dem Ort Kalkriese überein.

Gruß Maelo
 
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