Hallo, Lukrezia – Ihr anderen Liebhaber der Philosophie!
Gefällt mir echt gut, die Idee, auch moderne Philosophen hier ins Forum zu stellen.
Ich möchte Euch einen meiner Lieblinge vorstellen. Günther Anders
Ich will aber einen weniger komplizierten Weg als Ihr gehen. Damit meine ich – die geborene Faulheit – dass ich nur eine Kürzestbiographie von ihm vorstelle, einige Originalzitate von ihm ins Forum stelle und einen sehr ausführlichen Link für alle, die „ Feuer gefangen“ haben, hier einstelle. Damit beginne ich:
http://www.lexikon-definition.de/Guenther-Anders.html
G. Anders wurde 1902 in Breslau ( heut Wroclaw) geboren. Er studierte Philosophie und promovierte 1923 bei Husserl.. Wir können ihn als philosophischen Anthropologen bezeichnen. Das bedeutet, dass er sich in seinen Forschungen auf die Stellung des Menschen in der Gesamtwirklichkeit bezieht. Er ist Jude ( sein bürgerlicher Name ist G. Stern), emigriert daher 1933 zuerst nach Paris, dann in die USA.Obwohl Philosoph und Journalist muss er dort seinen Lebensunterhalt hart verdienen, u.a. auch als Fabrikdarbeiter. Die dort gewonnenen Erkenntnisse verarbeitet er dann später in seinem Hauptwerk. „Die Antiquiertheit des Menschen“ ( I-1956, II 1980 erschienen). . Die Themen reichen von Aussehen, Produkte, Sinn über Materialismus, Arbeit, Privatheit, Freiheit bis hin zu Raum und Zeit, Sterben und philosophische Anthropologie. Die Essays widmen sich jeweils der Untersuchung und Beweisführung, wieweit eine Antiquiertheit der überkommenen, bislang für gültig gehaltenen Begriffe und Vorstellungen zu diesen Pfeilern der Wirklichkeitskonstruktion vorliegt.
Er blieb immer ein scharfer Beobachter der politischen Realitäten und deshalb sehen wir ihn immer auf der Seite der „Warner“ .Ab 1945: Atomkriegsgegner. Der Bombenabwurf veranlasste ihn viel später in sein Hauptwerk das Kapitel: "Über die Ursachen unserer Apokalypseblindheit“ einzufügen. Er ist sogar Mitbegründer der internationalen Antiatombewegung .Er besucht Hiroshima, führt einen offenen Briefwechsel mit dem Hiroshimapiloten Claude Eatherly, engagiert sich in der Antivietnamkriegsbewegung.
Er ist auch Schriftsteller und erhält 1936 den Novellenpreis der Emigration, Amsterdam, und weitere Preise. Der bedeutendsten darunter dürften 1983 der Theodor Adorno Preis der Stadt Frankfurt zu sein. Der schon in seiner Jugend komponierte Roman "Die molussische Katakombe" kam erst 1992, dem Jahr an dessen Ende Günther Anders sein langes, produktives Leben in Wien beschloss, in die Buchläden und Bibliotheken. Es bietet eine der tiefschürfensten Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus, den psychologischen Wirkmechanismen die ihn Das Hauptthema aller seiner Werke war die Darstellung der Zerstörung der Humanität.
Ein Beispiel, wie Anders an Problematiken herangeht soll folgendes sein.
• Atombombe
3 Fragenkomplexe:
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o Was für ein Wesen – phänomenologisch betrachtet – ist das eigentlich, die Bombe: welche Maximen lassen sich aus ihr ableiten und was bedeutet das für die Weltpolitik?
o Was bedeutet die Existenz der Bombe und das damit verbundene Vernichtungspotenzial geschichtsphilosophisch für das Selbstverständnis des Menschen?
o Was hindert die Menschen eigentlich daran, die atomare Situation angemessen wahrnehmen zu können, welchen Verharmlosungsstrategien unterliegen sie mehr oder weniger bereitwillig und wie lässt sich dieser Blindheit begegnen?
• Bombe kann in keine Zweck-Mittel-Kategorien eingeordnet werden: als Mittel ist sie nur einsetzbar, wenn sie nicht eingesetzt wird – zur Abschreckung; nicht eingesetzt wird sie, wenn jederzeit mit ihrer Einsetzbarkeit gedroht werden kann bzw. gerechnet werden muss --> schon die bloße Existenz ist die Form des Einsatzes
• Allmacht der Bombe: entweder es werden alle erpresst oder keiner (immer Selbsterpressung der gesamten Menschheit)
--> menschlicher Traum erfüllt: Allmacht (aber negativ) wir besitzen die Macht, der Welt das Ende zu bereiten: Herren der Apokalypse
• Grundstruktur der Epoche: durch Möglichkeit der Auslöschung der Menschheit ist es definitiv die letzte Epoche (Ende der Zeiten)
• Differenz zwischen der Menschheit als potentiellem Opfer und jener Pluralität von Mächten, die als Täter in Frage kommen
• Prozess der massenhaften Vernichtung des Menschen gleicht sich immer mehr der industriellen Produktion an
• Mit Einsatz der Bombe: Vernichtung von Vergangenheit und Zukunft (Formel vom zweiten Tod)
• Apokalypsenblindheit: Unfähigkeit, diese Situation und ihre immanente Gefahr angemessen wahrzunehmen, dem Überschwelligen, Monströsen angemessen kognitiv und emotional zu begegnen --> keiner macht etwas Böses, jeder nur seine Arbeit (vgl. Briefwechsel mit Hiroshima-Piloten Claude Eartherly)
Verharmlosungsstrategien: Vernüchterung des Entsetzlichen: wissenschaftlicher Jargon
(ZITAT aus dem oben angegebenen Link)
„ Die Tatsache der täglich wachsenden A- synchronisiertheit des Menschen mit seiner Produktewelt, die Tatsache des von Tag zu Tag breiter werdenden Abstandes nennen wir das prometheische Gefälle( ...) das Gefälle zwischen Machen und Vostellen., das zwischen Tun und Fühlen; das zwischen Wissen und Gewissen; und schließlich und vor allem das zwischen dem produzierten Gerät und den ( nicht auf den „ Leib“ des Geräts zugeschnittenen ) Leib des Menschen. ( A I 16)
Die Geräte sind die Begabten von heute. (A I, 40)
Die Gängelung ist so total, das auch das Tun eine Variante der Passivität geworden ist und selbst dort,wo es tödlich anstrengt oder gar tödlich ist, die Form eines Tuns für nichts oder eines Nichtstuns angenommen hat. (A I 242)