b) den Begriff Revolution zunächst einmal auf beliebige bestehende Ordnungen beziehen.

Vorsicht!
Wenn derartig verallgemeinert wird ("beliebige bestehende Ordnungen"), dann könnte man von der Missidee geritten werden, dass die Weimarer Republik durch eine Revolution der Nazis beendet wurde... mon dieu, die Nazis als Revolutionäre hast du gewiß nicht intendiert!

...es mag nerven und penetrant erscheinen, aber ich insistiere darauf, die a priorisch positive Konnotation der Begriffe "Revolution, Revolutionär" nicht aus den Augen zu verlieren. Denn sie bleibt sprachlich bestehen, auch wenn man irgendwelche Klassifizierungssysteme einrichten will.

Bei weitem nicht jeder Umsturz, nicht jeder Putsch usw., also bei weitem nicht jedes Umkrempeln einer "beliebigen bestehenden Ordnung" ist eine Revolution im positiv konnotierten Sinn!!

Genau das wiederhole ich gerne noch einmal: der Terrorist möchte immer im Kostüm des Revolutionärs wahrgenommen werden. Und das ist den RAF Leuten partiell kulturhistorisch bzw. rezeptionshistorisch in dafür empfänglichen Rezipientenkreisen gelungen, man denke nur an das Tamtam, das um das bestenfalls zweitrangige Buch "die Reise" von Bernward Vesper veranstaltet worden ist... wäre der Autor nicht zeitweilig im Dunstkreis der RAFler gewesen, hätte sich das publizieren dieser höchst zweitrangigen Prosa deutlich schwieriger gestaltet... :):) ...es war durchaus ein gewisser Chique mit von der Partie, und sei es nur in Form von solchen sentimentalen Produktionen wie "die Reise" ("literarisch") oder "die bleierne Zeit" (cineastisch)
 
Vierstündiges Schlusswort des Terroristen:
Zum Abschluss des Berufungsprozesses nutzte Carlos das Schlusswort, um sämtliche Schuld von sich zu weisen. Ihm sei ein illegaler Prozess gemacht worden, denn die Beweise, die gegen ihn sprächen, seien von "Manipulatoren im Dienste der großen ausländischen Mächte gefälscht" worden, sagte er. Er betonte, dass er und seine Komplizen keine Terroristen seien, sondern "Kämpfer" – er selbst bezeichnete sich auch als "Berufsrevolutionär".

So spricht der einstige venezolanische Terrorist Illich Ramirez Sanchez alias "Carlos"

nachzulesen: Terrorismus: "Carlos" nach Revision erneut zu lebenslanger Haft verurteilt | Gesellschaft | ZEIT ONLINE

die Verbindung von "Carlos" zur RAF: Top-Terrorist Carlos unterhielt Netzwerk mit RAF und Revolutionären Zellen | Telepolis
 
Richtig und noch einen Schritt weiter gedacht! Es gibt ca. 1000 oder mehr Definitionen, was unter "Revolutionen" zu verstehen sei. Der Klassiker zu diesem Thema kommt m.E. jedoch von Griewank und stellt pauschal auf die Ablösung einer bestehenden Ordnung ab (vgl. im vorherigen Beitrag von Silesia "A)".
...
Ansonsten hat die bisherige Diskussion zu der Definition das Problem, der nicht ausreichenden historischen Kontextualisierung.

D'accord :winke:

Und noch einen Dank an @beetle angeschlossen, für die "Einbringung" des Falles Carlos.

Einige anschließende Gedanken zum Terrorismus-Begriff, die an @thanepower zum "Revolutionär" anknüpfen:

Der Niederländer Schmid hat bereits 1983 recherchiert, dass zwischen 1936 und 1981 doch immerhin 109 unterschiedliche Definitionen zum Terrorismus entwickelt worden sind. Die Zahl ist inzwischen weiter angestiegen. Einen Teil der Gedanken dazu findet man - vermutlich unabsichtlich - auch in den obigen Diskussionen inhaltlich wieder. Um die Lesezeiten hier nicht zu strapazieren, und auf Wiedergabe zu verzichten, möchte ich auf einen davon abweichenden, nicht ernstgemeinten Erklärungsansatz verweisen:

Wagner hat in einem völkerrechtlichen Aufsatz die Suche nach Definitionen daher mit der Suche nach dem heiligen Gral verglichen. Und er wandelte das Potter Stewart-Zitat vor dem amerikanischen Supreme Court 1964 um: [Terrorismus] kann man zwar nicht definieren, aber man kann ihn erkennen, wenn man ihn wahrnehme... (Case Jacobellis ./. Ohio State US184,197. Dabei ging es eigentlich um Obzönitäten und Hard-Core Pornographie: I know it when I see it). Dem angefügt das Zitat der IGH-Richterin Higgins von 1997, dass die Begriffsdefinition "keine ... Bedeutung habe" (-> sie meint damit den bereits ausreichenden juristischen Bezug auf Kriminalität terroristischer Handlungen)

Das mal vorausgeschickt, gibt es einige Staaten wie Kanada und Großbritannien mit Legaldefinitionen, oder andere Staaten ohne Definition, aber mit kriminalisierenden (terroristischen) Handlungen wie Deutschland und Frankreich.

Den Stand der umfangreichen Diskussion zur "terroristischen Handlung" im Völkerrecht gibt Wagner dann wie folgt wieder.

1. Gewalt gegenüber Personen (direkt oder indirekt, auch über Gewalt "gegen Objekte" erreichbar, da gibt es aber noch keinen Konsens), mit dem

2. Ziel der Einschüchterung der gesamten oder eines Teils der Bevölkerung oder der Absicht, eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu bewegen

3. ideologischer (politischer, religiöser, weltanschaulicher etc.) Hintergrund des "Anschlags" (also nicht "schlichte" Bereicherung)

4. keine durch das humanitäre Völkerrecht abgedeckte Kriegshandlung

Ob sich der "Terrorist" in diesem Sinne als Revolutionär bezeichnet, ist unerheblich. Ein kleiner Anklang findet sich in dem ideologischen Bezug zu 3.

Man kann nun lange darüber philosophieren, ob man einer Definition nachstrebt, für was man die eigentlich benötigt, wer sich da alles begrifflich "engagieren" möchte und mit welchem fachbezogenen Zweck, oder ob man pragmatisch der tatbestandlichen Herangehensweise etwa im deutschen Recht folgt, worauf schon einmal verwiesen wurde.
 
Einen habe ich noch vergessen, bei der Diskussion um die Definition und Widerstandsrechte:

Bernd Hesse: Querulatorischer Terrorist oder Kämpfer um's Recht? - Heinrich v. Kleists „Michael Kohlhaas”, NJW 2003, 621
 
Gewalt - egal ob von Seiten der Revolutionäre oder der Regierung - kann kein Kriterium dafür sein, ob etwas das Prädikat Revolution verdient hat.
Ein Kriterium ist es nicht, häufig aber ein Merkmal. Ich beziehe mich auf die BPB-Definition, wonach Revolution ein grundlegender Wandel einer Gesellschaft ist, der schnell und "in der Regel gewaltsam" erfolgt. Ich persönlich habe auch Zweifel, ob man von einer "Revolution" sprechen kann, wenn sich ein Staat, eine Regierung, dem beabsichtigten Wandel gar nicht widersetzt sondern freiwillig fügt. War es eine "Revolution", dass im Mai 1949 ein Grundgesetz verabschiedet wurde, mit dem die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland völlig neu gestaltet wurden?

Ich bezog mich auch auf Deine Definition, dass eine Revolution nur dann legitim sein kann, wenn es keine anderen (im Rechtssystem vorgesehenen) Alternativen gibt. Also wendet sich Revolution per definitionem immer gegen ein bestehendes Rechtssystem - oder vollzieht sich zumindest unabhängig davon.

Entscheidend ist, dass das vorher bestehende System durch den Druck (von Teilen) der Bevölkerung durch ein neues ersetzt wird, bzw. diese Neuersetzung in Gang gebracht wird (kann ja auch wieder rückgängig gemacht werden, Konterrevolution, Restauration).
Das kann nicht das einzige Kriterium sein. Druck der Bevölkerung kann auch schlicht zu Reformen führen. Nicht jede Demonstration, die zu irgendwelchen politischen Änderungen führt, ist eine Revolution. Revolution ist der "worst case". Das letzte Mittel, zu dem Leute greifen, um Veränderungen zu erzwingen, wenn alle anderen Versuche, Reformen durchzusetzen, gescheitert oder von vornherein aussichtslos sind. Der Begriff "erzwingen" ist hier charakterisierend. Er besagt nämlich, dass es Widerstand des Staates, der Obrigkeit, der Machthaber gegen den Wunsch nach Veränderung geben muss. So definiere ich das jedenfalls.

Das Militär hat eine wichtige Rolle gespielt, das ist richtig, aber die Bevölkerung war aktiv beteiligt. Unter diesen Umständen müsste man auch den revolutionären Ereignissen von 1918 in Wilhelmshaven und Kiel, etc. der Bildung von Soldatenräten ihren Revolutionscharakter absprechen.
Wie eben geschildert: In Deutschland mussten die Soldatenräte den Widerstand des Staates brechen. Das ist eine andere Situation, als wenn es überhaupt keinen Widerstand gibt.

Sind denn "illegale Methoden" Kennzeichen einer Revolution? Handelt es sich nicht eher um in der Verfassung oder im Selbstverständnis der Herrschenden nicht vorgesehene Methoden der Machtübernahme und Strukturveränderung?
Ersetzen wir "illegal" durch "nicht legal". Tatsächlich werden revolutionäre Handlungen in aller Regel als "illegal" verurteilt, aber darauf will ich eigentlich nicht hinaus. Ich meine folgendes: Wenn eine Bevölkerung, die politische oder gesellschaftliche Veränderungen durchsetzen will, dieses Ziel mit Hilfe des Instrumentariums erreichen kann, welches in der Verfassung oder der Rechtsordnung vorgesehen ist, dann kann man grundsätzlich nicht von Revolution reden. Dann haben wir es mit Reformen zu tun. Genau das ist der Zweck einer demokratischen Ordnung: Veränderungen möglich machen, ohne dass dazu ein "Umsturz" notwendig ist.

Hier liegt ja auch einer der Gründe, warum wir übereinstimmend der Meinung sind, dass die RAF-Leute Terroristen waren: Sie haben einen Kampf begonne, obwohl unsere Rechtsordnung andere Optionen geboten hätte, Reformen zu erreichen.

Und warum handelt es sich dabei deiner Auffassung nach nicht um vollwertige Revolutionen?
Eben weil die Veränderungen durch die Nutzung der verfassungsmäßigen Möglichkeiten (Wahlrecht) erreicht wurden. Das Problem lag ja nicht darin, dass die Verfassungen der Länder keine Demokratie zuließen. Das Problem war vielmehr, dass dort Leute an der Macht waren, die es mit der Demokratie nicht so genau nahmen. Diese Leute mussten durch Druck überzeugt werden, die Demokratie ernst zu nehmen. So ganz gelungen ist das übrigens vielerorts bis heute nicht. Auf jeden Fall führten diese "Revolutionen" nicht zu "grundlegenden Änderungen" der jeweiligen Gesellschaftsordnung.

Übrigens will ich diesen Bewegungen auf keinen Fall ihre Bedeutuung absprechen. Was sich in jener Zeit im ehemaligen Ostblock abspielte, hatte für die ganze Welt immense Bedeutung. Ich meine nur, dass die Bezeichnung "Revolution" nicht passt.

Vorsicht!
Wenn derartig verallgemeinert wird ("beliebige bestehende Ordnungen"), dann könnte man von der Missidee geritten werden, dass die Weimarer Republik durch eine Revolution der Nazis beendet wurde... mon dieu, die Nazis als Revolutionäre hast du gewiß nicht intendiert!
Ja. Erschreckende Vorstellung. Noch erschreckender ist: Unsere bisherigen Definitionen lassen das zu. Wenn wir bei diesen wertneutralen Definitionen bleiben, müssen wir den Taliban, die Mädchenschulen mit den Mädchen drin abfackeln, "revolutionären Geist" bescheinigen. Ich würde auch gern die "edlen Ziele" zum qualifizierenden Merkmal der Revolution ernennen. Nur wird dann alles noch komplizierter. Gab es mal eine Revolution, die ganz oder überwiegend "edel" war?

Elendes Problem! :(

MfG
 
Dem angefügt das Zitat der IGH-Richterin Higgins von 1997, dass die Begriffsdefinition "keine ... Bedeutung habe" (-> sie meint damit den bereits ausreichenden juristischen Bezug auf Kriminalität terroristischer Handlungen)
Hast Du dafür einen Link? Ich finde nichts. Würde mich interessieren.

MfG
 
Gern geschehen.

Aufschlussreicher als die Higgins-Bemerkungen und die Übertragung des Potter Stewart-Zitates auf unsere Diskussion fand ich allerdings die rechtsgeschichtlich-ethischen Betrachtungen zum "Fall" Michael Kohlhaas. Das schlägt mit über wohl über 150 Jahren, obgleich natürlich anfangs der Terroristen-Begriff nicht benutzt und nur umschrieben wurde, die internationale Diskussion um Längen.;)
 
Muss bzw. kann es für alle "Techniken" eine wertneutrale Umschreibung geben? Mord wird immer Tötung aus niedrigen Beweggründen sein, ist also per juristischer Definition negativ (im Gegensatz dazu die Tötung ohne niedere Beweggründe: Unfall, Notwehr, auf Verlangen etc.). Terrorismus wird immer das Ziel haben, Angst und Schrecken zu verbreiten, ist also per se negativ.

Was für "Techniken" meinst du denn überhaupt? Ich spekuliere mal, du denkst an Anschläge.


Nehmen wir einen Bombenanschlag:
Der Bombenanschlag kann sich gegen ein Gebäude - etwa eine Zugstrecke - richten. Er kann sich aber auch gegen einen Personenzug richten oder einen Truppentransport.
.....
*Die Beispiele nur, um Emotionalisierung durch Personenbeschreibung zu konterkarieren, da Emotionalisierung auch immer ein Mittel der Propaganda ist.
Ich dachte das waere klar, na ja, ein paar hasst Du ja schon genannt. Insgesamt wuerde ich aber sagen, dass Terrorismus gefaehrlich Gewaltanwendung ist, um damit
a) Reaktionen seitens der Staatsgewalt herauszufordern oder zu erzwingen.
b) Oeffentlichkeitswirksam auf sich (und seine Ziele) aufmerksam zu machen.
c) Verunsicherung und Einschuechterung bei Gegnern, staatstragenden Gruppen und selbst im eigenen Lager zu erreichen.

Physisch deckt das so ziemlich alles von Sachbeschaedigungen, gezielter Koerperveletzung, politischen Morden, Bombenanschlaegen, Entfuehrungen usw. ab.

Vom Guerillakampf grenzt es sich dadurch ab, dass Guerillas
a) vorwiegend militaerischen Ziele verfolgen.
b) Sich trotz unkonventioneller Methoden in der Regel an Kriegsbrauch halten (Uniformen, militaerische Organisation, Waffen offen tragen usw).
 
Ich beziehe mich auf die BPB-Definition, wonach Revolution ein grundlegender Wandel einer Gesellschaft ist, der schnell und "in der Regel gewaltsam" erfolgt.

Das entspricht durchaus dem, was ich unter Revolution verstehe und als solches skizziert habe.

Ich persönlich habe auch Zweifel, ob man von einer "Revolution" sprechen kann, wenn sich ein Staat, eine Regierung, dem beabsichtigten Wandel gar nicht widersetzt sondern freiwillig fügt.

Zwischen sich widersetzen und sich freiwillig fügen steckt eine unheimliche Spanne an Möglichkeiten.

War es eine "Revolution", dass im Mai 1949 ein Grundgesetz verabschiedet wurde, mit dem die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland völlig neu gestaltet wurden?
Nein. Was daran lag, dass die alte Regierung nicht durch die neuen Verfassungsgeber und ihre Wähler gestürzt war, bzw. die neuen Verfassungsgeber ihre Macht von einer auswärtigen Macht erhielten, als Folge des von der alten Regierung begonnenen aber verlorenen Kriegs.
Damit es eine Revolution gewesen wäre, hätten die Verfassungsgeber zuvor das Regime überwältigen müssen.

Ich bezog mich auch auf Deine Definition, dass eine Revolution nur dann legitim sein kann, wenn es keine anderen (im Rechtssystem vorgesehenen) Alternativen gibt.
Wenn eine Veränderung der jeweiligen Verfassung mehrheitlich gewünscht und auf anderem Wege möglich ist, ja, dann ist die Reform der Revolution vorzuziehen.

Also wendet sich Revolution per definitionem immer gegen ein bestehendes Rechtssystem - oder vollzieht sich zumindest unabhängig davon.
Durchaus.

Druck der Bevölkerung kann auch schlicht zu Reformen führen. Nicht jede Demonstration, die zu irgendwelchen politischen Änderungen führt, ist eine Revolution. Revolution ist der "worst case". Das letzte Mittel, zu dem Leute greifen, um Veränderungen zu erzwingen, wenn alle anderen Versuche, Reformen durchzusetzen, gescheitert oder von vornherein aussichtslos sind. Der Begriff "erzwingen" ist hier charakterisierend. Er besagt nämlich, dass es Widerstand des Staates, der Obrigkeit, der Machthaber gegen den Wunsch nach Veränderung geben muss. So definiere ich das jedenfalls.
So geschildert besteht natürlich keine Dissonanz zwischen uns beiden. Ich schrieb aber: "Entscheidend ist, dass das vorher bestehende System durch den Druck (von Teilen) der Bevölkerung durch ein neues ersetzt wird..."
Eine Reform ist keine Abschaffung des bestehenden Systems sondern eine Anpassung an veränderte Bedürfnisse oder ein Korrektur kleinerer Systemfehler.
Es ist also eine Kombination aus zwei Elementen, von einem "einzigen Kriterium" kann also nicht die Rede sein:
1.) es ist nicht die politische Klasse, welche die Veränderung in Angriff nimmt (Druck der Straße)
2.) das System wird ersetzt bzw. es wird zu ersetzen versucht.

Wie eben geschildert: In Deutschland mussten die Soldatenräte den Widerstand des Staates brechen. Das ist eine andere Situation, als wenn es überhaupt keinen Widerstand gibt.

Natürlich gab es auch in der Nelkenrevolution noch Widerstand. Auch hier wurden einige Demonstranten von Seiten der Geheimpolizei erschossen, die Kerker der Geheimpolizei mussten gewaltsam geöffnet werden. Und die alten Betonköpfe sind ebensowenig freiwillig aus dem Amt geschieden. Es sind ihnen einfach nur die Leute davongelaufen, die eigentlich dazu vorgesehen waren, die Demonstranten zusammenzuschießen, weil sie selber keinen Bock mehr hatten, in einem unsinnigen Kampf in einer nichts einbringenden Kolonie Kanonenfutter zu sein. Gerade weil die Revolution aus der Mitte des Militärs kam, ging sie so unblutig aus.


Wenn eine Bevölkerung, die politische oder gesellschaftliche Veränderungen durchsetzen will, dieses Ziel mit Hilfe des Instrumentariums erreichen kann, welches in der Verfassung oder der Rechtsordnung vorgesehen ist, dann kann man grundsätzlich nicht von Revolution reden. Dann haben wir es mit Reformen zu tun.
Reformen sind es nur, wenn das bestehende System in seiner Substanz erhalten wird. Wenn das bestehende System aufgehoben wird handelt es sich entweder um einen Staatsstreich oder um eine Revolution.
Das hängt dann davon ab, wer und mit welchem Ziel das bestehende System aufhebt.

El Quijote schrieb:
Und warum handelt es sich dabei deiner Auffassung nach nicht um vollwertige Revolutionen? [Anmerkung: gemeint sind u.a. die serbische Bulldozerrevolution, die orangene Revolution und die Rosenrevolution
Eben weil die Veränderungen durch die Nutzung der verfassungsmäßigen Möglichkeiten (Wahlrecht) erreicht wurden. Das Problem lag ja nicht darin, dass die Verfassungen der Länder keine Demokratie zuließen. Das Problem war vielmehr, dass dort Leute an der Macht waren, die es mit der Demokratie nicht so genau nahmen.

Siehst du: Die Verfassungen dieser Länder waren durch die Machthaber de facto außer Kraft gesetzt auch wenn sie de jure noch galten. Das System auf dem Papier war vielleicht eine Demorkatie, tatsächlich handelte es sich aber um Autokratien.
Zu de facto und de jure: Als die Auch die Nazis haben die Weimarer Republik nie de jure aufgehoben. Trotzdem sprechen wir, wenn wir von der Weimarer Republik sprechen von der Zeit zwischen 1919 und 1933 und nicht von der Zeit 1919 - 1945/49.
 
Lieber @El Quijote, mir war von vornherein klar, dass wir bezüglich des Kerns der Sache einer Meinung sind. Unsere Debatte dreht sich nur um Definitionsfragen, die Du - wie immer - trefflich, geschickt und wortgewandt zu diskutieren weißt. Als Diskussionspartner bist Du unübertroffen. Und das meine ich nicht irgendwie ironisch.

Lass mich nur noch drei Anmerkungen machen:

Zwischen sich widersetzen und sich freiwillig fügen steckt eine unheimliche Spanne an Möglichkeiten.
Stimmt. Und die Betrachtung der Geschichte liefert zahlreiche Beispiele dafür. Sie liefert sogar zahlreiche Beispiele dafür, dass innerhalb eines Konflikts die Konfliktparteien diese ganze Spanne der Möglichkeiten durchlaufen haben. Es gibt zahlreiche Beispiele, dass am Ende solcher Konflikte ein Konsens über Lösungen hergestellt wurde. Durch Gespräche. Durch Vereinbarungen. Vielleicht zähneknirschend. Aber eben im Konsens. Solche Entwicklungen bewundere ich. Eben weil sie durch Gespräche, durch Konsens, durch die Bereitschaft zu gegenseitigem Ausgleich zustandekommen, und nicht durch Machtausübung in Form roher Gewalt. Ich nenne sie aber nicht Revolution. Revolution ist etwas, das nur passieren kann und darf, wenn überhaupt gar keine Aussicht auf Konsens besteht. Das macht Revolution zu Krieg vergleichbar. Das letzte Mittel. Wenn gar nichts anderes mehr geht. Ob Krieg dann mit Gewalt geführt werden muss, ist eine nachgeordnete Frage. Es gibt theoretische Konzepte, wie Kriegführung ohne Gewalt denkbar ist. Soziale Verteidigung. Ghandi hat mit seinem Wirken solche Überlegungen angestoßen. Über Theorieansätze ist der Gedanke aber nicht wirklich hinausgewachsen. Und die Erfahrung zeigt, dass solche Konflikte in den meisten Fällen eben nicht friedlich ablaufen. Für Revolution gilt das gleiche.

Wenn eine Veränderung der jeweiligen Verfassung mehrheitlich gewünscht und auf anderem Wege möglich ist, ja, dann ist die Reform der Revolution vorzuziehen.
Ja, dann ist sie vorzuziehen. Vor allem ist sie dann aber eine Reform und keine Revolution.

Ich schrieb aber: "Entscheidend ist, dass das vorher bestehende System durch den Druck (von Teilen) der Bevölkerung durch ein neues ersetzt wird..."
Dem stimme ich auch uneingeschränkt zu. Bezüglich der ganzen "Farbrevolutionen" im ehemaligen Ostblock gilt aber: Da sind überhaupt nicht alte Systeme abgeschafft und durch neue ersetzt worden. Vielmehr wurden da neue Systeme eingeführt, anschließend ignoriert und dann durch den "Druck der Straße" durchgesetzt. Mehr schlecht als recht, wie wie heute wissen.

Nochmal: Man kann die Bedeutung dieser "Revolutionen" gar nicht hoch genug einschätzen, weil sie den Frieden in der Welt gesichert haben. Sie haben einen "latenten" Kriegszustand beendet, der irgendwann zwangsläufig akut geworden wäre. Es waren trotzdem keine "Revolutionen", weil der friedenssichernde Zustand von der jeweiligen Staatsgewalt "freiwillig" geschaffen wurde. Auf dem Papier. Nicht in der Realität. Die "Revolutionäre" mussten deshalb lediglich die Staatsgewalt zwingen, diesen Zustand auch zu respektieren! Wie Herr Putin belegt, ist das bis heute nicht wirklich gelungen. Aber auch Deutschland wurde nicht von heute auf morgen demokratisch. Obwohl... doch! Deutschland wurde von heute auf morgen demokratisch. Das war bloß eine Rosskur, die man keinem Land zumuten "wollen darf" (bei der Formulierung rollen sich mir selbst die Fußnägel hoch, aber ich bin machtlos meinem eigenen Mitteilungszwang ausgeliefert...).

Jedenfalls haben die "Farbrevolutionen" samt und sonders keine bestehenden Gesellschaftsordnungen abgeschafft und durch grundlegend neue ersetzt. Sie haben bestehenden, aber noch nicht "wirklich verwirklichten" (mein Gott, was bin ich heute sprachlich kreativ!) Gesellschaftsordnungen zur Geltung verholfen. Allein deshalb sind es - meiner Definition nach! - keine Revolutionen.

MfG

P.S.: @Silesias Hinweis auf das humanitäre Völkerrecht bietet vielleicht einen Ausweg aus dem Dilemma.
 
Zuletzt bearbeitet:
...dass Terrorismus gefaehrlich Gewaltanwendung ist, um damit
a) Reaktionen seitens der Staatsgewalt herauszufordern oder zu erzwingen.
b) Oeffentlichkeitswirksam auf sich (und seine Ziele) aufmerksam zu machen.
c) Verunsicherung und Einschuechterung bei Gegnern, staatstragenden Gruppen und selbst im eigenen Lager zu erreichen.
Alle drei Punkte passen genauso auf Revolution. JEDE, wirklich JEDE Revolution, die erfolgreich war, hat sich dieser Methoden bedient. Sogar Ghandi hat das so gemacht.

Vom Guerillakampf grenzt es sich dadurch ab, dass Guerillas
a) vorwiegend militaerischen Ziele verfolgen.
b) Sich trotz unkonventioneller Methoden in der Regel an Kriegsbrauch halten (Uniformen, militaerische Organisation, Waffen offen tragen usw).
Zu a): Das mit den "militärischen Zielen" sollten alle nochmal überdenken. Der RAF "verdanken" wir das Wissen um die Existenz des "militärisch-wirtschaftlichen Komplexes". In Revolutionen waren IMMER auch unbewaffnete Wirtschaftsvertreter und Politiker "legitime" Ziele.

Zu b): In welchem Konflikt haben "Partisanen" je Uniform getragen oder sich durch offenes Waffentragen als "Kombattanten" zu erkennen gegeben? Es ist ein Wesensmerkmal des "kleinen Kriegs", genau das NICHT zu tun!

Offenes Auftreten als "Soldat" passiert immer erst in einer sehr späten Phase asymmetrischer Konflikte.

MfG
 
...es mag nerven und penetrant erscheinen, aber ich insistiere darauf, die a priorisch positive Konnotation der Begriffe "Revolution, Revolutionär" nicht aus den Augen zu verlieren. Denn sie bleibt sprachlich bestehen, auch wenn man irgendwelche Klassifizierungssysteme einrichten will.

Historisch betrachtet waren die Begriffe Revolution und Revolutionär eher negativ assoziiert, kein Wunder, hatte eine Umwälzung für die betroffene Bevölkerung durchweg negative Auswirkungen. Der Beginn einer positivieren Betrachtungsweise läßt sich in die Zeit zu Ende des ersten Weltkrieges verorten:
Intellektuellendiskurse in der Weimarer Republik

Man könnte auch sagen, es ist eine Marketing-Kampagne der politischen Linken um das Image zu verbessern. Verständlich, wenn man sich selber als Revolutioär ansieht, will man nicht mit allen möglichen bluttriefenden Gestalten in einen Topf geworfen werden.

Für eine halbwegs objektive Geschichtsbetrachtung wäre es aber eher unzweckmäßig Revolution grundsätzlich mit positivem Vorzeichen zu versehen:

1. bestände sofortiger weiterer Definitionsbedarf, was denn eine "positive" Umwälzung ist, ab welchem Zeitpunkt das bestimmt werden kann, usw.

2. Es würde natürlich auch ein Begriff für die nicht so "positiven" Umwälzungen benötigt.

3. Wie lautete der gemeinsame Oberbegriff?

Das eigentliche Definitionsproblem wäre damit lediglich verschoben und nichts gelöst. Dazu käme eine Verharmlosung der Gewalt, die nun leider häufig mit diesen Umwälzungen verbunden war.

Vorsicht!
Wenn derartig verallgemeinert wird ("beliebige bestehende Ordnungen"), dann könnte man von der Missidee geritten werden, dass die Weimarer Republik durch eine Revolution der Nazis beendet wurde... mon dieu, die Nazis als Revolutionäre hast du gewiß nicht intendiert!

Wenn man etwas aus der Geschichte für die Gegenwart und Zukunft lernen will, muss man schon versuchen, die Dinge so zu sehen, wie sie waren: Die Jahre von 1933 bis 1945 weisen geradezu ein Übermaß an radikalen Umwälzungen auf fast allen Gebieten und jedem Erdteil auf. So gut wie jede halbswegs zivilisatorische Norm wurde pervertiert - vieles davon mit harmlos klingenden Gesetzen mit dem Mäntelchen der Legalität bekleidet. Millionen von Menschen fielen einer menschenverachtenden Ideologie und diesen "Herrenmenschen" zum Opfer.

Das waren wohl nicht nur eine, sondern gleich ein ganzes Paket an Revolutionen - ein Segen für die Menschen waren sie Gott weiß nicht.
 
Ich dachte das waere klar, na ja, ein paar hasst Du ja schon genannt. Insgesamt wuerde ich aber sagen, dass Terrorismus gefaehrlich Gewaltanwendung ist, um damit
a) Reaktionen seitens der Staatsgewalt herauszufordern oder zu erzwingen.
b) Oeffentlichkeitswirksam auf sich (und seine Ziele) aufmerksam zu machen.
c) Verunsicherung und Einschuechterung bei Gegnern, staatstragenden Gruppen und selbst im eigenen Lager zu erreichen.
Alle drei Punkte passen genauso auf Revolution. JEDE, wirklich JEDE Revolution, die erfolgreich war, hat sich dieser Methoden bedient. Sogar Ghandi hat das so gemacht.

Das würde sich so nicht unterschreiben wollen. Vor allem den dritten Punkt würde ich als dem Terrorismus eigen sehen.


Zu b): In welchem Konflikt haben "Partisanen" je Uniform getragen oder sich durch offenes Waffentragen als "Kombattanten" zu erkennen gegeben? Es ist ein Wesensmerkmal des "kleinen Kriegs", genau das NICHT zu tun!

Offenes Auftreten als "Soldat" passiert immer erst in einer sehr späten Phase asymmetrischer Konflikte.

Das ist eigentlich schon ein Kennzeichen vieler Guerilla-Gruppen, dass sie Uniformteile oder Abzeichen tragen. Das kann auch eine Armbinde, eine Konkarde oder ein Aufnäher sein.
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Aber natürlich ist das keineswegs ein Merkmal, was alle Partisanen oder Guerilleros vereint und viele Gruppierungen werden zwar ein gemeinsames Symbol kennen, dieses aber aus taktischen Gründen nicht als Uniformierung nutzen.

Historisch betrachtet waren die Begriffe Revolution und Revolutionär eher negativ assoziiert, kein Wunder, hatte eine Umwälzung für die betroffene Bevölkerung durchweg negative Auswirkungen.

Ich bin auch deiner Auffassung, dass der Begriff Revolution nicht durchweg positiv gemeint ist. Dass sie aber für die Bevölkerung "durchweg negative Auswirkungen" hatte, kann man so nicht stehen lassen. Richtig, manche Revolutionen haben Saturn nachgeeifert, aber eben nicht alle. Und schließlich brauchen Revolutionen immer einen Träger. Dieser Träger muss zwar nicht die Bevölkerungsmehrheit sein, aber doch ein immerhin so großer Teil der Bevölkerung, dass die Revolution Erfolg hat.
Wer die Revolution positiv oder negativ bewertet, das kommt ganz auf den jeweiligen Standpunkt und die Art der Revolution an.
 
Historisch betrachtet waren die Begriffe Revolution und Revolutionär eher negativ assoziiert,
Bist du da kultur- und rezeptionsgeschichtlich ganz sicher? Galten teilweise steckbrieflich gesuchte Revolutionäre wie Bakunin, Semper, Wagner (um nur drei sehr prominente der 48er Revolution zu nennen) überall und jedem von 1848 bis ca 1917/18 als Verbrecher?
 
1. Historisch betrachtet waren die Begriffe Revolution und Revolutionär eher negativ assoziiert, kein Wunder, hatte eine Umwälzung für die betroffene Bevölkerung durchweg negative Auswirkungen.

Zu 1. Historisch bezieht sich diese Beurteilung aufgrund des Kontext auf die Periode vor dem WW1. Dekumatland verweist bereits auf die Problematik bzw. die Belastbarkeit der Aussage hin. Differenziert nach Ländern, wie beispielsweise das dt. Kaiserreich, Frankreich oder Russland gilt diese Aussage so pauschal sicherlich nicht, bzw. sie gilt insofern, als die Bewertung extrem polarisiert durch die politischen Akteure vorgenommen wird.

Zu ergänzen, zu den anderen Beispielen von Revolutionen, wäre übrigens noch das wichtige Beispiel der Pariser Commune.

Pariser Kommune ? Wikipedia

Das liberale-sozialistische Bürgertum in Kombination mit der Arbeiterschaft bewertete vermutlich im zweiten Teil des 19. Jahrhundert die "Revolution" - was immer genau darunter zu verstehen sei - als Fortsetzung des auf Emanzipation ausgerichteten Gedankens der Aufklärung tendenziell positiv, während der konservativ monarchistische Flügel der Geselslchaft diese Idee eher ablehnt, wie bei Eley beschrieben.

Forging Democracy : The History of the Left in Europe, 1850-2000: The ... - Geoff Eley Professor of History University of Michigan - Google Books

Ähnlich die Arbeiten zur Konsistenz der Entwicklung des Gedankens der Aufklärung bei Jonathan Israel.

2. Für eine halbwegs objektive Geschichtsbetrachtung wäre es aber eher unzweckmäßig Revolution grundsätzlich mit positivem Vorzeichen zu versehen:

3. Das waren wohl nicht nur eine, sondern gleich ein ganzes Paket an Revolutionen - ein Segen für die Menschen waren sie Gott weiß nicht.


Zu 2. Na, da stimme ich doch gerne zu! So ist es! Die Konstrukte für die historische Analyse sollten nicht politisch künstlich aufgeladen werden.

Zu 3. Allerdings verstehe ich nicht, warum Du sie grundsätzlich nicht positiv aufgeladen sehen möchtest und für eine objektive Geschichtsbetrachtung Dich aussprichst, um sie dann selber negativ im nächsten Satz aufzuladen. Dient das einer "objektiven" Geschichtsschreibung?
 
Zuletzt bearbeitet:
Bist du da kultur- und rezeptionsgeschichtlich ganz sicher? Galten teilweise steckbrieflich gesuchte Revolutionäre wie Bakunin, Semper, Wagner (um nur drei sehr prominente der 48er Revolution zu nennen) überall und jedem von 1848 bis ca 1917/18 als Verbrecher?

Rechtsgeschichtlich lässt sich (für Deutschland, um beim RAF-Thema zu bleiben) die negative Konnotation jedenfalls in der Beratung des Parlamentarischen Rates, als Antwort auf den "legalen" faktischen Umsturz der Weimarer Verfassung und im Rahmen der intensiven Diskussion über die Schranken der verfassungsändernden Gesetzgebung in der Staatsrechtslehre nachweisen:

"Der Entwurf des Herrenchiemseer Konvents erklärte Anträge auf Änderungen des Grundgesetzes, „durch die die freiheitlich demokratische Grundordnung beseitigt würde“, für unzulässig (Art. 108). Im Parlamentarischen Rat war die Nachwirkung der Zerstörung der Weimarer Verfassungsordnung von innen wirksamer als der Vorschlag, revolutionäres Geschehen gar nicht zum Thema der Verfassung zu machen. So setzte sich im Parlamentarischen Rat der Wille durch, „einer Revolution die Maske der Legalität zu nehmen“ und Umsturzversuchen die Möglichkeit zu entziehen, „unter dem Schutz einer Scheinlegalität effektiv Revolution zu machen, ohne sich dazu bekennen zu müssen.“

Das führte zur Unabänderlichkeitsgarantie zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Maunz/Dürig, TZ 66 zu Art. 79 GG, oder auch TZ 8:

"Der Legalitätsbonus der verfassungsändernden Gewalt kraft geltenden Rechts reicht nur so weit, als sich diese formell und materiell-rechtlich in den Bahnen der von der verfassungsgebenden Gewalt gezogenen Ordnung bewegt. Bricht die verfassungsändernde Gewalt aus diesen Bahnen aus, gerät sie auf das Gleis des revolutionären Verfassungsbruches und der (teilweisen oder totalen) Verfassungsneuschöpfung. Sie bedarf dann wiederum der sozialen Anerkennung als nunmehr geltende neue Ordnung. Eine Änderung oder Ablösung der Verfassung, welche den vom Grundgesetz gespannten Rahmen verlässt, ist nur als revolutionärer Akt denkbar.




Die Erfahrungen von Weimar sehen hier eine andere Deutung als etwa diese in Bezug auf "Selbstverteidigung":
"In einem Beitrag über die französische Revolution bekräftigt Fichte 1793 abstrakt das Recht zur Selbstverteidigung gegen unterlassene staatliche Hilfe und bestätigt dieses Recht 1798 in seiner „Sittenlehre” für den Fall, dass der allgemeine Wille [*] gegen den der Obrigkeit steht."
Hesse: Querulatorischer Terrorist oder Kämpfer um's Recht? - Heinrich v. Kleists „Michael Kohlhaas”, S. 622.

[*]wie das Grundgesetz zu gegen die freiheitlich-demokratische Verfassung stehende Mehrheiten steht, war oben beim "Widerstandsartikel" ausgeführt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Rechtsgeschichtlich lässt sich (...)
Ändert das irgendetwas an der Kultur- und Rezeptionshistorie der Zeit von 1848 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs? :fs: macht das jetzt den Kartätschenprinzen und den sächsischen König zu rechtsstaatlichen Moralhelden, und den bösen revoluzzerlnden Semper und Wagner zum Terroristen?

das ist kein Einwand gegen die positive Konnotation.
 
Das legt den Gedanken nahe, Rezeptionsgeschichte nach Phasen und nach Betrachtungsstandpunkten bzw. Bereichen zu unterscheiden.

Für einen Bereich und eine Phase, nämlich die juristische und nach 1949 (noch dazu auf die BRD bezogen) habe ich einen Hinweis gegeben.

Im Ergebnis dieser Betrachtung könnte man die Überschrift deuten, und eine Antwort versuchen:

RAF - angestrebter Verfassungsbruch einer Gruppierung (resp. "scheinlegale Umsturzversuche")

oder aber ("nur") kriminelle Gruppierung (deren Taten sich unter eine Reihe von Straftatbeständen subsumieren lassen)?
 
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