Mit der Frage wollte ich Dich nicht aufs Glatteis führen. Das "bloß" ist Ausdruck meiner eigenen Zweifel gewesen, wie ich so eine Tat einschätzen soll.

So habe ich es auch nicht aufgefasst. Die Frage a)

War das, was er getan hat, bloß Terrorismus?

unterscheidet sich nur grundsätzlich von der Frage b) (ohne bloß)

War das, was er getan hat, Terrorismus?
.

In a) hat "bloß" die Bedeutung "nichts anderes, als". Wenn ich diese Frage bejahe, schließe ich andere Bedeutungen absolut aus, es war dann 100% Terrorismus. Eine andere oder auch zusätzliche Bedeutung ist nicht möglich. Zieht man auch andere, und seien es nur 5%, in Erwägung, muss man die Frage a) verneinen, was dann nichts anderes heißt als es war nicht nur Terrorismus.

Im Fall b) ist dieser Ausschluss anderer Bedeutungen nicht enthalten.
Sie läßt bei Bejahung eine Bandbreite von 1% bis 100% Terrorismus zu, der Rest bleibt für weitere Bedeutungen offen. Verneine ich sie, waren es 0%, also kein Terrorismus.

Einstein, die Haganah u. a. haben Frage b) mit Ja beantwortet.

Was die Einführung weiterer Merkmale angeht, kann ich ehrlich gesagt deren Sinn nicht erkennen. Sie stellen darüberhinaus die Definitionen der bpb wieder in Frage.

Es ist meines Erachtes auch nicht zielführend zu versuchen Terrorist und Revolutionär gegeneinander abzugrenzen, da es sich um zwei verschiedene, von einander unabhängige Kategorien handelt. Es läuft also auf den Versuch hinaus den Unterschied zwischen Autofahren und Frauen zu erklären oder die Frage "Wieviel Kilogramm hat ein Meter" zu beantworten, was dann zu der Erkenntnis führt "Beide Beine sind gleich lang, besonders das linke."
:winke:
 
Zur Verwässerung der Begriffe

Mich stört ein wenig die Verwässerung der Begriffe hier.

Der Begriff Terrorist ist auch nicht unproblematisch. Einerseits kann er wertneutral eine Sammlung von Techniken im politisch Kampf umschreiben, andererseits ist er auch politisch geladen.
Nein, der Begriff Terrorist kann schon im Wortsinn niemals wertneutral sein, da terror nicht wertneutral ist. Terror bedeutet 'Angst', 'Schrecken'. Terroristen verbreiten Angst und Schrecken. S.u.

Was dem einem sein Freiheitskaempfer, ist dem anderem ein Terrorist.
Das ist eine Frage der Deutungshoheiten. Auf diese sollten wir hier aber doch nicht hereinfallen. Natürlich kann man nicht immer genau unterscheiden, wo Widerstand/Freiheitskampf aufhört und Terrorismus anfängt, weil eben die Grenzen fließend sein können. Sie sind es aber nicht zwingend.
Natürlich neigen Terroristen dazu, sich als Widerstandskämpfer zu bezeichnen (Legitimation), wohingegen diejenigen, gegen die sich Widerstand richtet, diesen gerne als Terrorismus bezeichnen, teilweise bei aller Absurdität selbst dann, wenn dieser Widerstand gewaltfrei abläuft (Delegitimation).

Um den Faden von oben wieder aufzugreifen: jenseits von aller Legitimation des Terrors als Widerstandskampf und aller Delegitimation von Widerstands/Freiheitskampf als Terrorismus gibt es - trotz von Fall zu Fall fließender Grenzen - mehrere klare Unterscheidungsmerkmale:
- Terrorismus richtet sich i.d.R. gegen unbewaffnete Menschen
- bewaffneter Widerstandskampf richtet sich gegen Polizei/Militär, wo diese als Unterdrückungseinrichtungen einer Diktatur fungieren
- Terrorismus richtet sich unterschiedslos gegen alle, die zufälligerweise an einem Ort sind, es müssen nicht einmal Vertreter des Staates, den man bekämpft, anwesend sein, die Bevölkerung ist Geisel der Terroristen
- Widerstandskampf richtet sich v.a. gegen bewaffnete Vertreter einer unterdrückenden Macht, Zivilisten sind nicht das Ziel, auch nicht, die Bevölkerung als Geisel zu nehmen (was natürlich in der Konsequenz nicht heißt, dass es keine zivilen, im Sinne der Widerstandskämpfer unschuldigen Opfer geben kann).

Recht auf Widerstand
- Terroristen würden i.d.R. Alternativen haben, sie wählen aber trotz der Alternativen den Weg der Gewalt
- Widerstandskämpfer haben i.d.R. keine Alternative, weil schon Widerspruch, Flüsterwitze etc. zu Gefängnis, Folter oder Hinrichtung führen bzw. weil sie z.B. durch bewaffnete Banden von ihrem Land vertrieben werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist meines Erachtes auch nicht zielführend zu versuchen Terrorist und Revolutionär gegeneinander abzugrenzen, da es sich um zwei verschiedene, von einander unabhängige Kategorien handelt.

Das liegt insofern auf der rechtlichen und (rechts-)politischen Linie, die oben schon angesprochen worden ist.

Die Frage ist eben, ob diese "Deutungshoheit" für die RAF aus Sicht der deutschen politischen Ordnung und der Rechtsordnung akzeptiert wird, oder ob der Versuch unternommen wird, eigene Deutungen zu konstruieren.

Aus der Sicht der beschriebenen Ordnungen ist der Fall klar:

A) die RAF sind insofern als Revolutionäre anzusehen, als man damit die Zielsetzung beschreibt, die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen und abzulösen. Insofern würde hier insbesondere der Widerstandsartikel des Grundgesetzes "gegen die Revolution" greifen.

B) die RAF-Mitglieder sind weiterhin als Terroristen im Sinne einer strafrechtlichen tatbezogen Subsumtion anzusehen.

Eine andere Betrachtungsweise der RAF als diese aus Sicht der Rechtsordnung steht natürlich jedem frei, auch entsprechende Vergleiche mit anderen Terroristen oder Revolutionären. Dann werden die Definitionsansätze allerdings meiner Meinung nach "beliebig".
 
Eine andere Betrachtungsweise der RAF als diese aus Sicht der Rechtsordnung steht natürlich jedem frei, auch entsprechende Vergleiche mit anderen Terroristen oder Revolutionären. Dann werden die Definitionsansätze allerdings meiner Meinung nach "beliebig".
verstehe ich dich richtig: jede andere Perspektive, z.B. die historische, die kulturhistor. usw., ist in diesem speziellen Fall beliebig??Dann sollte man dieses Thema besser aus einer geschichtlichen Diskussion streichen, da hier kein Juristen-Forum vorliegt.
(wobei ich davon überzeugt bin, dass weder Rechtsprechung noch Rechtswissenschaft verantwortlich für Konnotationen von Begriffen sind)
 
Mich stört ein wenig die Verwässerung der Begriffe hier.

Richtig und noch einen Schritt weiter gedacht! Es gibt ca. 1000 oder mehr Definitionen, was unter "Revolutionen" zu verstehen sei. Der Klassiker zu diesem Thema kommt m.E. jedoch von Griewank und stellt pauschal auf die Ablösung einer bestehenden Ordnung ab (vgl. im vorherigen Beitrag von Silesia "A)".

Der neuzeitliche Revolutionsbegriff: Entstehung und Geschichte - Karl Griewank - Google Books

Ansonsten hat die bisherige Diskussion zu der Definition das Problem, der nicht ausreichenden historischen Kontextualisierung.

Mit Hinweis auf die anarchistische Tradition in Russland im 19. Jahrhundert hatte der "Terrorist" einen andern politischen Hintergrund wie ein "RAF-Terrorist". Der Versuch einer Definition wird weder dem "modernen" Terroristen noch dem russischen "Terroristen" gerecht und verwischt eher die gravierenden Unterschiede zwischen ihren historischen "Rollen".

Zudem blendet die Diskussion die historisch stattgefundenen Revolutionen in Lateinamerika (Mexiko etc.) komplett aus und versucht sich dennoch an einem übergreifenden Definitionsversuch von Revolutionär und ist m.E. sehr westeuropäisch zentriert.

Letztlich ist es die politische Instrumentalisierung von Sprache, wie die einzelnen Akteure im Rahmen eines politischen Kampfes bezeichnet werden und genau das wurde ja auch bereits zu Recht von einigen Beiträgen herausgestellt.

So sind paramilitärische "Todesschwadronen", die nicht selten regierungsnah bzw. -konform agieren, aus der Sicht der Bevölkerung bzw. ihrer Gegner sicherlich auch "Terroristen".
 
Richtig und noch einen Schritt weiter gedacht! Es gibt ca. 1000 oder mehr Definitionen, was unter "Revolutionen" zu verstehen sei.
weder das noch die lateinamerikanischen historischen Ereignisse ändern etwas daran, dass die positive Konnotation des Revolutionärs (als einer Art edlem sozialrevolutionärem Nachfahren von Rinaldo Rinaldini wenn nicht gar Robin Hood) vorhanden ist und dass Terroristen sich gerne dieses positive Kostüm als Legitimation selber überstülpen bzw. so gesehen werdeen wollen. Das gilt auch für die RAF und deren Wirkung: nicht umsonst hab ich ein paar Beiträge zuvor einen gewissen Chic erwähnt.
 
dass die positive Konnotation des Revolutionärs

Richtig! Im positiven wie im negativen Sinne wird durch eine politische Brille geschaut und dann weltanschaulich die Bewertung von Revolutionen oder Terroristen festgelegt.

Nicht selten erfolgt dabei die politische Bewertung noch vor einer ernsthaften Beschäftigung mit den unterschiedlichen Revolutionen, ihren Ursachen, den Akteuren und ihren Ergebnissen.

Und in der Konsequenz werden dann alle Revolutionen und die damit zusammenhängenden Revolutionäre, Terroristen oder Guerillas über einen Kamm geschoren und dann pauschal bewundert oder verdammt.

Und sofern die "Geschichtswissenschaft" ernstgenommen werden will, hat sie m.E. immer diese Form der "Verurteilung" zu hinterfragen und durch eine kritische Beurteilung zu ersetzen.

Und konkret: Die RAF war m.E. nicht "chic" und auch nicht "hype". Und "Deutschland im Herbst" war eher nachdenklich und verunsichert über die politisch unsinnigen Aktionen der RAF und über die Reaktionen des Staates, zumindest gilt das m.E. für das links-liberale Milieu.

Und Sontheimer sieht im Ergebnis der Reaktion der bundesrepublikanischen Zivilgesellschaft auf die RAF die "Reifeprüfung" der westdeutschen politischen Kultur und auch ihre nachhaltige Stabilisierung.
 
Richtig und noch einen Schritt weiter gedacht! Es gibt ca. 1000 oder mehr Definitionen, was unter "Revolutionen" zu verstehen sei.
...
Ansonsten hat die bisherige Diskussion zu der Definition das Problem, der nicht ausreichenden historischen Kontextualisierung.
Aus meiner Sicht verursacht gerade diese von Moral abstrahierende Betrachtung im historischen Kontext das Problem, keine belastbaren Kriterien für die Unterscheidung Revolutionär-Terrorist finden zu können. Aus dem historischen Kontext heraus lässt sich relativ leicht erklären, warum "Revolution" an spezifischen Orten in spezifischer Weise abgelaufen ist. Dann ist die "Erfolgsfrage" aber im Grunde das einzige Kriterium, um zu definieren, ob man es mit Terror oder mit Revolution zu tun hat.

Beispiel: Für Russland und für (Nord-)Irland lässt sich aus dem historischen Kontext heraus schlüssig erklären, wie es zu dem jeweiligen Konflikt kam und warum er in eben dieser Weise geführt wurde. Die Tatsache, dass es in Russland einen "Umsturz" gab und in Nordirland nicht, ist damit dann der einzige Grund, warum wir von "russischer Revolution" und irischem Terrorismus reden.

Ich persönlich fände eine andere und nicht weniger historische Herangehensweise aufschlussreicher:

Wenn wir uns historische Konflikte ansehen, die wir "zweifelsfrei" als "Terrorismus" oder als "Revolution" einstufen können, dann müssten sich doch klare Kriterien finden lassen, warum das eine Revolution und das andere Terrorismus war.

Mir ist übrigens durchaus klar, dass das eine romantische Vorstellung ist, weil in vielen Fällen schon die Einstufung historischer Vorgänge nicht "zweifelsfrei" sein wird.

So sind paramilitärische "Todesschwadronen", die nicht selten regierungsnah bzw. -konform agieren, aus der Sicht der Bevölkerung bzw. ihrer Gegner sicherlich auch "Terroristen".
Dass liegt jetzt daran, dass es für "Terror/-ismus" ungefähr genauso viele Definitionen gibt wie für "Revolution". :p Hier mal eine, die aus dem "linken Spektrum" stammt: Die Staatsgewalt übt Terror aus; die Gegenreaktion nennt man Terrorismus. Ist nicht meine Meinung sondern nur ein Zitat!

MfG
 
Maelonn, du begehst einen Fehler, wenn du Revolution und Terrorismus so in einen Topf wirfst. Revolution und Terrorismus schließen sich zwar in letzter Konsequenz nicht aus, sie bedingen sich aber auch nicht. Man spricht nicht von ungefähr von friedlichen Revolutionen. Und selbst die nicht friedlich verlaufende Revolution muss nicht immer gleich mit terroristischen Mitteln geführt werden.

Revolution ist die Umwälzung politischer Systeme (die Begriffe wie industrielle/technische Revolution lehnen sich zwar daran an, sind aber im eigentlichen Sinne keine Revolutionen, sie können aber - nicht nur nach dem DiaMat - Revolutionsverstärker sein).
Terrorismus ist die Verbreitung von Angst und Schrecken mittels Gewalt und Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit, wobei es für den Bedrohten kein Mittel gibt, diese Bedrohung - z.B. durch "richtiges" (unauffälliges, den Bedrohern konformes) Verhalten - abzuwenden.
 
Maelonn, du begehst einen Fehler, wenn du Revolution und Terrorismus so in einen Topf wirfst. Revolution und Terrorismus schließen sich zwar in letzter Konsequenz nicht aus, sie bedingen sich aber auch nicht. Man spricht nicht von ungefähr von friedlichen Revolutionen. Und selbst die nicht friedlich verlaufende Revolution muss nicht immer gleich mit terroristischen Mitteln geführt werden.

Revolution ist die Umwälzung politischer Systeme (die Begriffe wie industrielle/technische Revolution lehnen sich zwar daran an, sind aber im eigentlichen Sinne keine Revolutionen, sie können aber - nicht nur nach dem DiaMat - Revolutionsverstärker sein).
Terrorismus ist die Verbreitung von Angst und Schrecken mittels Gewalt und Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit, wobei es für den Bedrohten kein Mittel gibt, diese Bedrohung - z.B. durch "richtiges" (unauffälliges, den Bedrohern konformes) Verhalten - abzuwenden.
Ich fühle mich missverstanden. Ich werfe die Begriffe gar nicht in einen Topf. Im Gegenteil. Ich bin der Meinung, dass es klare Trennungen gibt. Klar genug, um zumindest im Nachhinein problemlos kategorisieren zu können. Mein Dilemma ist nur: Ich finde keine ebenso klar benennbaren Kriterien, nach denen man das beurteilen könnte. Vor allem: Kriterien, die man nicht durch historisch belegbare Gegenbeispiele entkräften kann.

Nur ein Beispiel: Ich hatte weiter oben einen schweizerischen Offizier namens Hans von Dach erwähnt. Der Mann hat ein Buch geschrieben, das den Titel "Der totale Widerstand" trägt. Er hat es in der Schriftenreihe des Schweizerischen Unteroffiziersverbands veröffentlicht. Dieses Buch sollte eine Handlungsanleitung sein, wie sich freiheitlich denkende Menschen widersetzen können, wenn die bösen Sowjettruppen ganz Europa besiegt und unterjocht hätten. Der sowjetische Angriff blieb aus. Das Buch wurde trotzdem als "Handlungsanleitung" verwendet. Von Terroristen. Das Werk war in Deutschland verboten.

Ich sage nicht, dass Terrorismus und Revolution identisch sind. Ich sage nur, dass sie sich der gleichen Mittel bedienen. Ich argumentiere gegen das Argument, dass nur "Taten zählen". Gegen das Argument, dass eine "böse" Tat ein unumstößlicher Beleg für eine "böse Absicht" ist. Denn: Alle Revolutionäre, die sich der Gewalt bedient haben, haben zweifelsfrei "böse" Taten begangen. Menschen umbringen zum Beispiel. Dass man die Zahl der "friedlichen" Revolutionen selbst als leidgeprüfter Sägewerksmitarbeiter an den Fingern einer Hand abzählen könnte, setze ich mal als Konsens voraus.

Hinter dieser ganzen Diskussion steckt die bisher unausgesprochene Prämisse, dass Terrorismus grundsätzlich verbrecherisch ist (dem stimme ich übrigens zu!) und dass Revolution zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit legitim sein kann (auch dem stimme ich zu!). Ich werfe lediglich folgende Frage auf: Wenn die Prämisse stimmt - wie kann es dann sein, dass die Taten von Terroristen und Revolutionären einander so oft so ähnlich sind? Ich ziehe daraus den Schluss, dass die Behauptung "nur Taten zählen", nicht hinreichend sein kann. Es muss noch andere und stichhaltigere Unterscheidungskriterien geben. Sie wollen mir bloß nicht einfallen. So ein Mist!

Nebenbei: Bevor ich das hier geschrieben habe, war ich in einem anderen Browser-Tab gerade dabei, auf einen früheren Beitrag von Dir zu antworten, in dem Du Unterscheidungskriterien vorgeschlagen hast. Im Grundsatz stimme ich Dir zu. Um das Definitionsdilemma zu verdeutlichen, werde ich aber jeweils Gegenargumente vortragen. Antwort kommt gleich...

MfG
 
Ich fühle mich missverstanden.

Verzeihung, war keine Absicht.

Ich sage nicht, dass Terrorismus und Revolution identisch sind. Ich sage nur, dass sie sich der gleichen Mittel bedienen. [...] Hinter dieser ganzen Diskussion steckt die bisher unausgesprochene Prämisse, dass Terrorismus grundsätzlich verbrecherisch ist (dem stimme ich übrigens zu!) und dass Revolution zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit legitim sein kann (auch dem stimme ich zu!). Ich werfe lediglich folgende Frage auf: Wenn die Prämisse stimmt - wie kann es dann sein, dass die Taten von Terroristen und Revolutionären einander so oft so ähnlich sind? Ich ziehe daraus den Schluss, dass die Behauptung "nur Taten zählen", nicht hinreichend sein kann. Es muss noch andere und stichhaltigere Unterscheidungskriterien geben. Sie wollen mir bloß nicht einfallen. So ein Mist!

Vielleicht ist aber auch deine Prämisse falsch, dass sich Terroristen und Revolutionäre oft ähnlich seien... Aber wie gesagt, Revolution schließt terroristische Aktionen ja nicht aus. Nur eben auch nicht zwingend mit ein.

...dass Revolution zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit legitim sein kann...
Kann etwas, was die geltende Gesetzgebung nicht über den Weg der Gesetzgebung außer Kraft setzten will legitim sein?
Sorry, nur ein kleiner Nerdwitz.
 
Mich stört ein wenig die Verwässerung der Begriffe hier.
Ich hab die nicht gepanscht! Die waren schon so als sie reinkamen! :D

Ich verstehe Deine Intention und stimme ihr zu. Trotzdem spiele ich mal den Advocatus Diaboli und versuche Widersprüche zu finden:

Nein, der Begriff Terrorist kann schon im Wortsinn niemals wertneutral sein, da terror nicht wertneutral ist. Terror bedeutet 'Angst', 'Schrecken'. Terroristen verbreiten Angst und Schrecken. S.u.
Auch "Revolution" ist kein wertneutraler Begriff. Vielmehr ist er verbunden mit der Bedeutung "eher legitim". Die Konnotate, die mit den Begriffen verbunden sind, sind aber sehr zweifelhaft. Beispiel: Was die Taliban gerade in Afghanistan versuchen, ist der BPB-Definition nach eine Revolution. Allerdings eine, die wir westlich geprägten Menschen so wenig legitim finden, dass wir Soldaten in das Land geschickt haben.

- Terrorismus richtet sich i.d.R. gegen unbewaffnete Menschen
Was ist mit den Anschlägen gegen amerikanische Kriegsschiffe durch al-Qaida? Kein Terror?

- bewaffneter Widerstandskampf richtet sich gegen Polizei/Militär, wo diese als Unterdrückungseinrichtungen einer Diktatur fungieren
Was ist mit Anschlägen gegen wirtschaftliche oder politische Organisationen des "Feindes"? In jedem Fall Terror? Wirtschaftliche und politische Machtstrukturen sind so oft Ziele von revolutionären Angriffen, dass Beispiele sich erübrigen.

- Terrorismus richtet sich unterschiedslos gegen alle, die zufälligerweise an einem Ort sind, es müssen nicht einmal Vertreter des Staates, den man bekämpft, anwesend sein, die Bevölkerung ist Geisel der Terroristen
Wie sieht das aus, wenn die Revolutionäre vor Beginn des eigentlichen Kampfes gegen den Feind erstmal die Bevölkerung "aufrütteln" wollen oder müssen? Beispiel: Kuba. Die rechtlose Landbevölkerung war so in Lethargie versunken, dass die ersten Gewaltaktionen Castros nur dazu dienten, die Leute aufzurütteln. Spätere Aktionen dienten dazu, sie "vor die Wahl zu stellen": für oder gegen die Unterdrücker? Wir reden über Krieg. Darauf lassen Menschen sich in der Regel nicht freiwillig ein. Ist Revolution, ist Bürgerkrieg ohne aufgerüttelte Massen denkbar?

- Widerstandskampf richtet sich v.a. gegen bewaffnete Vertreter einer unterdrückenden Macht, Zivilisten sind nicht das Ziel, auch nicht, die Bevölkerung als Geisel zu nehmen (was natürlich in der Konsequenz nicht heißt, dass es keine zivilen, im Sinne der Widerstandskämpfer unschuldigen Opfer geben kann).
Den Punkt hatte ich schon angerissen. Was ist mit den zivilen Vertretern des Unterdrückungsapparats? Politiker. Wirtschafts-Bosse. Was ist mit "Kollaborateuren" des Feindes? Was ist mit Fabrikarbeitern, die Granaten für den Feind herstellen? Beispiel: Nordirland. Es wurden Attentate auf Zivilisten verübt, die nahe der irisch-irischen Grenze wohnten. Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass es sich häufig um ehemalige RUC-Angehörige handelte, die Wohnsitze direkt neben Aufmarschwegen den IRA genommen hatten. Terrorismus?


Recht auf Widerstand
- Terroristen würden i.d.R. Alternativen haben, sie wählen aber trotz der Alternativen den Weg der Gewalt
Da fällt mir beim bösesten Willen kein Widerspruch ein. Volle Zustimmung.

- Widerstandskämpfer haben i.d.R. keine Alternative, weil schon Widerspruch, Flüsterwitze etc. zu Gefängnis, Folter oder Hinrichtung führen bzw. weil sie z.B. durch bewaffnete Banden von ihrem Land vertrieben werden.
Naja, eine Alternative gibt es: Arschkriechertum. Schweigen und gehorchen. Aber das ist keine Empfehlung. Also auch hier volle Zustimmung.

Zwei gute Unterscheidungskriterien haben wir also schon mal.

MfG
 
Verzeihung, war keine Absicht.
Absolvo te.

Vielleicht ist aber auch deine Prämisse falsch, dass sich Terroristen und Revolutionäre oft ähnlich seien.
Wo soll ich gesagt haben, dass sie sich ähnlich sind? Ich habe nur gesagt, dass sie sich ähnlicher Mittel bedienen und dass die Wahl der Mittel deshalb nicht als Unterscheidungskriterium taugt.

.. Aber wie gesagt, Revolution schließt terroristische Aktionen ja nicht aus. Nur eben auch nicht zwingend mit ein.
Stimmt. Lass uns mal nach Revolutionen suchen, die ohne nach Terrorismus riechenden Aktionen auskamen. Sägewerk, Veteran, Finger an einer Hand...

Kann etwas, was die geltende Gesetzgebung nicht über den Weg der Gesetzgebung außer Kraft setzten will legitim sein?
Sorry, nur ein kleiner Nerdwitz.
Dem halte ich einen Sponti-Witz entgegen: legal, illegal, scheißegal.

Diese Art der Gesetzesrevision kann sicher nicht legal sein, aber Du wirst Dich bestimmt nicht wundern, wie viele Aktionen, die nicht legal sind, selbst in unserer Gesellschaft für völlig legitim gehalten werden. Ich sage nur: Steuererklärung.

Verdammt! Steuererklärung! Ich wusste doch, dass ich was vergessen habe... Sorry, ich muss mich ausklinken. Tschüss.

MfG
 
Wo soll ich gesagt haben, dass sie sich ähnlich sind? Ich habe nur gesagt, dass sie sich ähnlicher Mittel bedienen und dass die Wahl der Mittel deshalb nicht als Unterscheidungskriterium taugt.

Sorry, da war ich unpräzise (ich hoffe die Ausrede Uhrzeit geht durch ;) ) Du hast natürlich nicht geschrieben, dass die Personen sich ähnlich seien sondern ihre Taten.

Stimmt. Lass uns mal nach Revolutionen suchen, die ohne nach Terrorismus riechenden Aktionen auskamen. Sägewerk, Veteran, Finger an einer Hand...

- Polnische Revolution 1980 - 1989
- Montagsdemos-Mauerfall-Wende
- Samtene Revolution
- Singende Revolution (jawohl, hier gab es Tote, aber nicht auf Seiten der Staatsmacht).
- Kifaya/Mīdān at-Taḥrīr
- Nelkenrevolution (und wo ich schon bei Portugal bin)
- Septemberrevolution 1836
- Asternrevolution
- Maurice Bishop und das New Jewel Movement
- Unabhängigkeit Indiens
- die georgische Rosenrevolution
- die orangene Revolution in der Ukraine
- argentinische Mairevolution 1810
- serbische Bulldozerrevolution (Absetzung von Slobodan Milošević)
- Thailändische Bauernrevolution 1970 - 1973. Resultat: 1973 floh die Militärjunta, weil sie die blutige Niederschlagung der Proteste durch die eigenen Truppen für einen Putsch hielt (wäre es nicht so traurig, könnte man fats darüber lachen). Der König beorderte dann einen Jura-Professor zum Ministerpräsidenten, der allerdings 1976 wieder weggeputscht wurde.

Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dein Leidgeprüfter Sägewerksveteran hat einen jungen Lehrling bekommen.
 
Mich stört ein wenig die Verwässerung der Begriffe hier.

Nein, der Begriff Terrorist kann schon im Wortsinn niemals wertneutral sein, da terror nicht wertneutral ist. Terror bedeutet 'Angst', 'Schrecken'. Terroristen verbreiten Angst und Schrecken. S.u.
....

Dann wuerde mich doch gleich mal interessieren, was denn, wenn nicht Terrorismus, die wertneutrale Umschreibung fuer die ansonsten so benannten Techniken ist.
 
Dein Leidgeprüfter Sägewerksveteran hat einen jungen Lehrling bekommen.
Das ist gut. Es gibt noch Hoffnung für unsere Wirtschaft.

Aber...! Deinem Definitionsvorschlag folgend, kommen Revolutionen (also der Einsatz formal illegaler Methoden) nur in Betracht, wenn es keine Alternativen gibt. Sprich: Wenn der Wandel und die Herstellung eines neuen gesellschaftlichen Konsenses nicht mit zivilgesellschaftlichen Mitteln erreicht werden kann sondern erzwungen werden muss. Unter dem Aspekt muss man sich ansehen, ob all das, was in Deiner Liste "Revolution" genannt wird, auch wirklich "Revolution" ist.

- Polnische Revolution 1980 - 1989
Gehört zu den Ereignissen, die durch das "Machtvakuum" infolge innerer Reformen in der SU ausgelöst wurde. Nach Ausrufung des Kriegszustand und Verbot der Solidarnosc stellte diese ihre Tätigkeit weitgehend ein. Erst mit dem Zusammenbruch des "Ostblocks", als "freiwillig" ein Demokratisierungsprozess in Gang kam, kehrte sie zurück und gewann die Wahlen. Wenn überhaupt, dann nur ein halber Finger.

- Montagsdemos-Mauerfall-Wende
Stimmt. Das ist ein Finger.

- Samtene Revolution
Ähnlich wie bezüglich Polen. Folge des Zusammenbruchs der SU. Der Wandel wurde durch den Druck der Straße erreicht, aber mit zivilgesellschaftlichen Mitteln (weitgehend demokratische Wahlen) vollzogen.

- Singende Revolution (jawohl, hier gab es Tote, aber nicht auf Seiten der Staatsmacht).
Gehört auch in die Phase des Zusammenbruchs der SU. War eine Folge von Perestroika. Die SU versuchte nicht, den Wandel mit Gewalt aufzuhalten - wie ehedem in der DDR und CSSR.

- Kifaya/Mīdān at-Taḥrīr
Auch hier gab es eine politische Lösung. Ausgeprägt gewalttätig wurde der Konflikt nur deshalb nicht, weil das Militär neutral blieb und sich zwischen die Konfliktparteien stellte.

- Nelkenrevolution (und wo ich schon bei Portugal bin)
Da musste nicht das Volk gegen die Staatsgewalt antreten. Vielmehr trat die Staatsgewalt (das Militär) gegen die Regierung an. Also eher ein Putsch als eine Revolution.

- Septemberrevolution 1836
Ein Konflikt zwischen zwei Flügeln der "liberalen" Bewegung, die zuvor den Miguelistenkrieg gewinnen musste. Eher Nachwehen der (gewalttätigen) eigentlichen Revolution. Zudem wurde die "Septemberrevolution" durch das putschende Militär entschieden.

- Asternrevolution
Gehört zu den Umwälzungen nach dem WK1. Nennenswerten Widerstand mussten die "Revolutionäre" nicht brechen, da Österreich mehr als genug mit sich selbst zu tun hatte. Geringer Druck reichte aus, um Wien zu einer Kabinettsumbildung zu veranlassen, die eine friedlichen Wandel ermöglichte.


- Maurice Bishop und das New Jewel Movement
Bishop beschritt erstmal den zivilgesellschaftlichen Weg und gründete eine Partei und Gewerkschaften. Die Machtübernahme erfolgte dann nicht gegen die Staatsmacht sondern durch die Hilfe ihrer Organe: Militärputsch.

- Unabhängigkeit Indiens
Keine Frage: Das ist ein Finger.

- die georgische Rosenrevolution
Perestroika-Folge. Letztlich mit demokratischen Mitteln vollzogen, Einsatz illegaler Methoden nicht erforderlich. Widerstand (Demonstrationen) war nur erforderlich, um die Machthaber zu überzeugen, dass die sich nicht bloß demokratisch nennen sondern auch so handeln mussten.

- die orangene Revolution in der Ukraine
Sehr ähnlich wie Georgien.

- argentinische Mairevolution 1810
Im Grunde nur eine Unabhängigkeitserklärung, die dank der Gunst der Stunde fast ohne Gegenreaktion blieb. Spanien widersetzte sich nicht. Wie auch? Spanien war ja nichtmal Herr seiner selbst, sondern steckte in einem fünf Jahre dauernden Unabhängigkeitskrieg gegen Napoleon.

- serbische Bulldozerrevolution (Absetzung von Slobodan Milošević)
Gehört in die gleiche Reihe wie Georgien, Ukraine, Baltikum

- Thailändische Bauernrevolution 1970 - 1973. Resultat: 1973 floh die Militärjunta, weil sie die blutige Niederschlagung der Proteste durch die eigenen Truppen für einen Putsch hielt (wäre es nicht so traurig, könnte man fats darüber lachen). Der König beorderte dann einen Jura-Professor zum Ministerpräsidenten, der allerdings 1976 wieder weggeputscht wurde.
Vielleicht habe ich das falsch in Erinnerung, aber gab es da nicht tagelange heftige Gefechte? Schwelte der Konflikt nicht noch ewig lange weiter? War es nicht der König, also das Staatsoberhaupt, der die Militärs zum Abdanken zwang und ins Exil schickte? Mit Thailand kenne ich mich nicht aus. Halte ich aber auch nicht für eine Revolution.
So, meiner Zählung nach sind das zweieinhalb Finger. Der Sägewerker hat vielleicht schon einen Lehrling, aber noch braucht er ihn nicht. ;)

MfG
 
Dann wuerde mich doch gleich mal interessieren, was denn, wenn nicht Terrorismus, die wertneutrale Umschreibung fuer die ansonsten so benannten Techniken ist.

Muss bzw. kann es für alle "Techniken" eine wertneutrale Umschreibung geben? Mord wird immer Tötung aus niedrigen Beweggründen sein, ist also per juristischer Definition negativ (im Gegensatz dazu die Tötung ohne niedere Beweggründe: Unfall, Notwehr, auf Verlangen etc.). Terrorismus wird immer das Ziel haben, Angst und Schrecken zu verbreiten, ist also per se negativ.

Was für "Techniken" meinst du denn überhaupt? Ich spekuliere mal, du denkst an Anschläge.

Nehmen wir einen Bombenanschlag:
Der Bombenanschlag kann sich gegen ein Gebäude - etwa eine Zugstrecke - richten. Er kann sich aber auch gegen einen Personenzug richten oder einen Truppentransport.
Ob es sich um Terrorismus, Guerillakampf oder schwere Sachbeschädigung handelt, ist eine Frage, wie das ausgeführt wird und welches das Motiv und das Ziel ist. Beim Motiv kommt noch die Rechtfertigung hinzu.

Beispiel 1: Die ETA will eine Bahnlinie zwischen Madrid und Bilbao in die Luft jagen. Sie ruft vorher bei diversen Zeitungen und Sendern an, dass sie irgendwo an der Bahnlinie ein größeres Paket Sprengstoff deponiert hat, dass um 12:00 des kommenden Tages per Fernzünder oder Zeitzünder aktiviert wird.
Die Zeitungen und Sender haben Zeit genug, die Polizei zu informieren, die Polizei wiederum ist in der Lage die Bahngesellschaften zu informieren und die Züge an der Bahnlinie auszusetzen. Die Bombe geht hoch, Personenschäden gibt es nicht. Dafür ist die Strecke über Wochen oder Monate nicht nutzbar.
Von der Ausführung her hat ETA symbolisch eine Verbindung zwischen Madrid und Bilbao gekappt, ohne Menschen zu schaden, ETA hat sogar aktiv daran mitgewirkt, dass keine Menschen zu Schaden kämen. (Obwohl der Fall fiktiv ist, im Übrigen nicht untypisch für ETA. Ohne den Verein zu verharmlosen, er hat bzw. einige seiner Flügel haben knapp 900 Morde seit späten Franco-Zeit begangen, der letzte 2009: Während Politiker und Polizisten etc. teilweise gezielt, teilweise per Sprengstoffanschlag ermordet wurden, waren Anschläge auf Zivilbevölkerung und Urlauber immer so ausgeführt, dass die Behörden rechtzeitig gewarnt wurden und evakuieren konnten, es ging also darum, Zivilisten und Urlauber nicht zu töten, sondern ihnen das Leben unangenehm zu machen und v.a. die Wirtschaft des spanischen Staates zu schwächen. Aber auch das zählt zu Recht unter Terrorismus).
Praktisch hat ETA - wieder zurück in unserem Beispiel - die spanische Wirtschaft geschwächt und sich der schweren Sachbeschädigung schuldig gemacht. Sie haben gezeigt: Wir sind da und wir können den Staat in Unruhe bringen. Ihr Motiv kann nun sein, Aufmerksamkeit zu erlangen. Aber nehmen wir zu Gunsten von ETA tatsächlich an, dass das Motiv tatsächlich die Loslösung der baskischen Provinzen vom spanischen Zentralstaat ist, so ist die Frage der Berechtigung gegeben. Nach der Doktrin vom Selbstbestimmungsrecht der Völker her, müsste es den Basken eigentlich gestattet sein, ihr eigenes Staatswesen zu errichten (Problem: Würden das überhaupt alle Basken wollen!?), der Nutzen davon liegt in der Unterdrückung der Basken durch den spanischen Zentralstaat. Nur ist diese Unterdrückung tatsächlich eine Chimäre! Die baskischen Autonomien sind die Autonomien mit den am weitesten gehenden Rechten gegenüber dem spanischen Zentralstaat. Insofern kann Unterdückung durch den spanischen Nationalstaat, wie im 19. Jhdt. als die mittelalterlichen fueros und Zollgrenzen durch die liberale Verfassung aufgehoben wurden, was den wirtschaftlichen Interessen der Bevölkerung er baskischen Provinzen widersprach und sie in die Arme der Absolutisten (Carlistas) trieb, die ihnen die Wiedereinsetzung der fueros versprachen, oder unter den protofaschistischen und faschistischen bzw. postfaschistischen Diktaturen von Primo de Rivera und Franco im 20. Jahrhundert seit der Verfassung von 1978 nicht mehr gegeben. Sprich: Es gibt keinen objektiven Grund für einen bewaffneten Widerstands- oder Freiheitskampf mehr, seitdem die Verfassung von 1978 durchgesetzt ist. Insofern sind die Aktionen der ETA vom Motiv her als Terrorismus zu bezeichnen, der in unterschiedlichem Ausmaß auf Zivilpersonen, Personen des öffentlichen Lebens (in erster Linie Politiker und Manager) und Polizei und Streitkräfte wirkt.

Nehme wir nun die Anschläge von Atocha 2004 als weiteres Beispiel: Hier fuhren mehrere Züge mit Nagelbomben in den morgendlichen Berufsverkehr in einen der Hauptverkehrsknotenpunkte des ÖPNV von Madrid und wurden zur Explosion gebracht. Ziel war es, möglichst viele Menschen zu töten, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft, die sprichwörtliche Mutter Theresa, genauso wie die Finanzheuschrecke, das unschuldige Kind genauso, wie den Altfaschisten (sofern der sich als Pensionär den allmorgendlichen Berufsverkehr denn unbedingt antun muss)*.
Was war das Motiv? Der 'Iraqkrieg zum einen, 72 Jungfrauen zum anderen, vermutlich auch Ablehnungserfahrungen als Araber in der europäischen/westlichen Gesellschaft. Nur muss man dazu wissen, dass die PP-Regierung (Wahlen standen kurz bevor), die an der Macht war, als sie den USA bei ihrem Einmarsch in den 'Iraq ihre Unterstützung zusicherte, das gegen den ausgesprochenen Willen der Mehrheit der Spanier machte. Als die PSOE dann die Wahlen gewann, waren sich viele Kommentatoren sicher, dass der Anschlag (bzw. auch die Behauptung der PP, dass es ETA gewesen sei, obwohl alles nach al-Qa'ida roch) der PSOE zum Wahlsieg verholfen hatte.
Die Anschläge, die mit dem Einmarsch auch spanischer Truppen in den 'Iraq gerechtfertigt wurden, richteten sich also gegen Menschen, die in ihrer Mehrheit gegen diesen Einmarsch waren. (Nicht dass ich im Fortfolgenden missverstanden werde: ich will hier um Gottes Willen keine Anschläge auf Militärs rechtfertigen). Die Menschen wurden also als Geiseln missbraucht, um die spanische Regierung dazu zu drängen, ihre Truppen aus dem 'Iraq abzuziehen - was Zapatero dann auch tat, aber er hatte den Abzug im Falle seiner Machtübernahme schon im Wahlkampf angekündigt. Die Anschläge richteten sich also gegen Leute, die im Sinne der Anklage der Terroristen unschuldig waren und dann nicht einmal gegen bewaffnete Kräfte, denen man vorher den Krieg erklärt hatte. Von Widerstand und Freiheitskampf kann hier also keine Rede sein.

Drittes Beispiel: Das Volk, eine bestimmt Schicht des Volkes oder eine zum Staatsvolk gehörende Einzelethnie werden vom Staat unterdrückt. Es kommt zu Aufständen, die blutig niedergeschlagen werden, es bilden sich daraufhin Wehren und es entbrennt ein regionaler Bürgerkrieg. Nun sprengt die Widerstandsbewegung ein Gleisbett oder eine Eisenbahnbrücke so in die Luft, dass ein Militärtransportzug mit Truppen (also mit Menschenleben) entgleist oder gar in eine Schlucht fällt, sprich, der Anschlag erfordert einen hohen bis totalen Blutzoll. Ist das nun Terror? Anders als in den beiden vorherigen Beispielen muss die Antwort hier "Nein!" lauten. Es ist zwar nicht die feine Art, ist aber im Prinzip eine Strategie in einem Kriegszustand: Menschen und Material begegnet man nicht mehr auf dem Schlachtfeld. Gerade wenn das Motiv in der Notwehr begründet ist. Und, ohne zynisch wirken zu wollen: Menschen, die in einem Land, welches seine eigenen Bürger mit Waffengewalt unterdrückt Soldaten werden, müssen sich ihres Berufsrisikos bewusst sein.



*Die Beispiele nur, um Emotionalisierung durch Personenbeschreibung zu konterkarieren, da Emotionalisierung auch immer ein Mittel der Propaganda ist.
 
Revolution ist die Umwälzung politischer Systeme (die Begriffe wie industrielle/technische Revolution lehnen sich zwar daran an, sind aber im eigentlichen Sinne keine Revolutionen, sie können aber - nicht nur nach dem DiaMat - Revolutionsverstärker sein).
Terrorismus ist die Verbreitung von Angst und Schrecken mittels Gewalt und Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit, wobei es für den Bedrohten kein Mittel gibt, diese Bedrohung - z.B. durch "richtiges" (unauffälliges, den Bedrohern konformes) Verhalten - abzuwenden.

Zunächst einmal vielen Dank an El Quijote dafür, dass er wieder Struktur in die Diskussion bringt. In Anlehnung an seine Definition und en.wikipedia
A revolution (from the Latin revolutio, "a turn around") is a fundamental change in power or organizational structures that takes place in a relatively short period of time. Aristotle described two types of political revolution:
  1. Complete change from one constitution to another
  2. Modification of an existing constitution.
schlage ich vor, bei der Revolution
a) grundsätzlich die Zeitdauer mit einzubeziehen (Revolution = zeitlich verdichtiete Evolution), und
b) den Begriff Revolution zunächst einmal auf beliebige bestehende Ordnungen beziehen. Die politisch/gesellschaftliche Revolution wäre dann eine Ausprägung , ein Spezialfall von Revolution, wie auch technische oder naturwissenschaftliche oder natürliche Revolutionen.

Das könnte dann so aussehen:

Revolution = Die Umwälzung oder grundlegende Erweiterung einer bestehenden Ordnung in verhältnismäßig kurzer Zeit.

Politische Revolution = Der Versuch oder die Umwälzung einer bestehenden gesellschaftlichen Ordnung in verhältnismäßig kurzer Zeit in Verfolgung einer gesellschaftspolitischen Idee; verkürzt auch nur als Revolution bezeichnet.

Neben dem Substantiv "Revolution" benutzen wir häufig das Adjektiv "revolutionär" in nicht-politischem Kontext, eine revolutionäre Idee betrifft nicht zwangsläufig das politische oder gesellschaftliche Umfeld, genausogut kann es sich um eine technische oder wissenschaftliche Neuerung handeln. Niemand sagt in einem solchen Fall: "Dass ist aber eine "technisch-revolutionäre" Idee".

Der "Revolutionär" ergäbe sich als Urheber oder Träger der revolutionären Idee, dies würde dann sowohl politische als auch nicht-politische revolutionäre Ideen abdecken, also sowohl Karl Marx oder Lenin als auch Galileo, Newton oder Gandhi.

Zum Terror:

Terrorismus = Verbreitung von Angst und Schrecken mittels physischer oder psychischer Gewalt gegen Dritte zur Durchsetzung eigener Absichten.

Etwas profaner ausgedrückt: Der Terrorist schlägt den Sack und meint den Esel.

Damit wären m. E. alle denkbaren Terrorakte abgedeckt, vom Aufmarsch brauner Bataillone über die Bombe im Vorortzug bis zum 11. September.

Zum Abschluss noch ein Hinweis auf die lesenswerten Beiträge aus der Anfangszeit dieses Threads, insbesondere Ashigarus':
http://www.geschichtsforum.de/224724-post4.html
http://www.geschichtsforum.de/228975-post42.html
 
Zuletzt bearbeitet:
- Singende Revolution (jawohl, hier gab es Tote, aber nicht auf Seiten der Staatsmacht).
Gehört auch in die Phase des Zusammenbruchs der SU. War eine Folge von Perestroika. Die SU versuchte nicht, den Wandel mit Gewalt aufzuhalten - wie ehedem in der DDR und CSSR.

- Kifaya/Mīdān at-Taḥrīr
Auch hier gab es eine politische Lösung. Ausgeprägt gewalttätig wurde der Konflikt nur deshalb nicht, weil das Militär neutral blieb und sich zwischen die Konfliktparteien stellte

Gewalt - egal ob von Seiten der Revolutionäre oder der Regierung - kann kein Kriterium dafür sein, ob etwas das Prädikat Revolution verdient hat.
Entscheidend ist, dass das vorher bestehende System durch den Druck (von Teilen) der Bevölkerung durch ein neues ersetzt wird, bzw. diese Neuersetzung in Gang gebracht wird (kann ja auch wieder rückgängig gemacht werden, Konterrevolution, Restauration).


- Nelkenrevolution (und wo ich schon bei Portugal bin)
Da musste nicht das Volk gegen die Staatsgewalt antreten. Vielmehr trat die Staatsgewalt (das Militär) gegen die Regierung an. Also eher ein Putsch als eine Revolution.

Das Militär hat eine wichtige Rolle gespielt, das ist richtig, aber die Bevölkerung war aktiv beteiligt. Unter diesen Umständen müsste man auch den revolutionären Ereignissen von 1918 in Wilhelmshaven und Kiel, etc. der Bildung von Soldatenräten ihren Revolutionscharakter absprechen.

- Septemberrevolution 1836
Ein Konflikt zwischen zwei Flügeln der "liberalen" Bewegung, die zuvor den Miguelistenkrieg gewinnen musste. Eher Nachwehen der (gewalttätigen) eigentlichen Revolution. Zudem wurde die "Septemberrevolution" durch das putschende Militär entschieden.

Eher durch das befehlsverweigernde als durch das putschende.

- Asternrevolution
Gehört zu den Umwälzungen nach dem WK1. Nennenswerten Widerstand mussten die "Revolutionäre" nicht brechen, da Österreich mehr als genug mit sich selbst zu tun hatte. Geringer Druck reichte aus, um Wien zu einer Kabinettsumbildung zu veranlassen, die eine friedlichen Wandel ermöglichte.
Geringer Druck hin oder her. Das ändert nichts daran, dass es sich im Vergleich vorher - nacher um eine Revolution handelte.

- Maurice Bishop und das New Jewel Movement
Bishop beschritt erstmal den zivilgesellschaftlichen Weg und gründete eine Partei und Gewerkschaften. Die Machtübernahme erfolgte dann nicht gegen die Staatsmacht sondern durch die Hilfe ihrer Organe: Militärputsch.
Eigentlich nicht: Das New Jewel Movement übernahm die Kasernen, es war nicht das Militär, das putschte. Das putsche einige Jahre später zu Ungunsten Bishops.

- die georgische Rosenrevolution
Perestroika-Folge. Letztlich mit demokratischen Mitteln vollzogen, Einsatz illegaler Methoden nicht erforderlich. Widerstand (Demonstrationen) war nur erforderlich, um die Machthaber zu überzeugen, dass die sich nicht bloß demokratisch nennen sondern auch so handeln mussten.
Sind denn "illegale Methoden" Kennzeichen einer Revolution? Handelt es sich nicht eher um in der Verfassung oder im Selbstverständnis der Herrschenden nicht vorgesehene Methoden der Machtübernahme und Strukturveränderung?

- argentinische Mairevolution 1810
Im Grunde nur eine Unabhängigkeitserklärung, die dank der Gunst der Stunde fast ohne Gegenreaktion blieb. Spanien widersetzte sich nicht. Wie auch? Spanien war ja nichtmal Herr seiner selbst, sondern steckte in einem fünf Jahre dauernden Unabhängigkeitskrieg gegen Napoleon.
Das war anderswo in Lateinamerika nicht anders und trotzdem gab es teilweise Jahrzehnte dauernde blutige Kämpfe.

- serbische Bulldozerrevolution (Absetzung von Slobodan Milošević)
Gehört in die gleiche Reihe wie Georgien, Ukraine, Baltikum
Und warum handelt es sich dabei deiner Auffassung nach nicht um vollwertige Revolutionen? Wo nebenbei doch ein Riesenunterschied darin besteht, dass die Singende Revolution eine Unabhängigkeitsbewegung von Moskau ist (also meinetwegen eine Folge der Perestroika, aber niemals von Gorbatschow intendiert und deshalb nicht weniger revolutionär), während die Bulldozerrevolution, die orangene Revolution und die Rosenrevolution in mittlerweile moskauunabhängigen Staaten vollzogen wurden. Bei der Bulldozerrevolution kommt noch der Sonderstatus hinzu, dass Jugoslawien nicht nur nie zur UdSSR/GUS gehörte, wie Georgien und die Ukraine, sondern sich sogar schon frühzeitig vom Warschauer Pakt losgesagt hatte. Die Bulldozerrevolution ist viel mehr eine Folge der blutigen pseudoethnischen Konflikte und Kriege im Zuge der jugoslawischen Auflösung.

Was ist für dich denn eine Revolution, wenn nicht eine Volkserhebung (egal ob durch das Militär gestützt oder nicht), die zu einem Sturz der Regierung und zumindest zum Versuch einer Umgestaltung des politischen Systems führt?
 
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