Sprache und Ethnizität der Histrier

StefanG

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Ich fahre Mitte März nach Istrien und recherchiere gerade. Ich fand zur Sprache und Ethnizität der Histrier leider nur widersprüchliches. Die antiken Autoren haben die Völker an der Adria pauschal als Illyrer bezeichnet, doch ob das auf die Histrier tatsächlich zutrifft, ist fraglich. Die Hauptstadt hieß Nesactium (das klingt mir nicht illyrisch). Titus Livius erwähnt außerdem die Städtenamen Mutilla und Faveria. Auch diese Ortsnamen empfinde ich eher als "italisch" klingend. Wenn das venetische Städtenamen wären, würde mich das nicht wundern. Illyrisch klingen sie nicht.

Das Herrschaftsgebiet der Histrier umfasste fast ganz Istrien (die Ostküste war zum Zeitpunkt der Ankunft der Römer von den Liburnern beherrscht, die zweifellos Illyrer waren) und reichte in das Hinterland des heutigen Triest hinein. Wahrscheinlich kontrollierten sie die letzte Etappe der Bernsteinstraße, inklusive der wichtigen Pässe. Dazu würde passen, dass sie das frisch gegründete Aquileja prompt angegriffen haben, um die Ansiedelung eines ambitionierten Rivalen im Keim zu ersticken. Aquileja wurde meines Wissens als Brückenkopf gegründet, und zwar gegen die einsickernden Kelten und nicht gegen die Histrier.

Nachdem die Römer in zwei Kampagnen die Histrier militärisch besiegt hatten, gab es erstmal eine Pause, denn Rom war an anderen Fronten beschäftigt, doch nach Gründung von Pula scheint die Romanisierung Istriens sehr rasch vonstatten gegangen zu sein. Dies lässt mich spekulieren, ob die Histrier sprachlich und kulturell bereits vor ihrer "Befriedung" ihren Eroberern recht ähnlich, wenn nicht sogar verwandt gewesen sein könnten.

Besonders zahlreich können die Histrier übrigens nicht gewesen sein, denn Istrien hat heute nur 350.000 Einwohner und damals höchstens ein Fünftel davon, schätze ich. Die Histrier hatten nicht ganz Istrien, also schätze ich, dass wir hier höchstens von einen Stamm mit 50.000 Menschen sprechen. Könnte es sein dass die Histrier ein italisches Volk waren?
 
Die antiken Autoren haben die Völker an der Adria pauschal als Illyrer bezeichnet

Darunter gab es ein Volk, welches von Plinius als die "eigentlichen Illyrier" (Illyrii proprie dicti) bezeichnet wird; dieser Name wurde auch auf eine große Anzahl von Völkern übertragen, die ethnisch sicher keine Illyrer waren. Von "illyrischer Ethnizität" kann man also nur in Bezug auf die eigentlichen Illyrer sprechen; eine "italische Ethnizität" hat in historischer Zeit nie existiert.



(die Ostküste war zum Zeitpunkt der Ankunft der Römer von den Liburnern beherrscht, die zweifellos Illyrer waren)
Insofern waren die Liburner ethnisch gesehen zweifellos keine Illyrer, und sprachlich gesehen waren sie vermutlich auch keine Illyrer. Da von den Sprachen im Ostadriaraum außer dem Venetischen fast nichts bekannt ist außer Orts- und Personennamen, ist es schwierig, hier definitive Aussagen zu treffen. Solide Informationen gibt es hier:


"Akribische onomastische Studien zwischen den 50er und 70er Jahren des 20. Jh., in der Hauptsache durch R. KATIČIĆ, haben gezeigt, daß im Ostadriaraum von Nordalbanien im Süden bis Istrien im Norden mindestens drei verschiedene Personennamensgebiete anzusetzen sind:
– istrisch-liburnisches Namensgebiet bis etwa zum Fluß Krka mit deutlichen Beziehungen zum venet. Namensraum*
– mitteldalmatisch-pannonisches Namensgebiet etwa zwischen den Flüssen Krka und Cetina
– südostdalmatisches Namensgebiet südlich des Flusses Cetina (Crna Gora, [Nord]albanien)"

"Die Anthroponomastik dieser 3 Gebiete unterscheidet sich einerseits durch jeweils eigene Namen und Namensstämme, durch jeweils verschiedene Suffixe bei der Namensbildung sowie im Namensformular.

(a) istrisch-liburnisch: typisch für dieses Gebiet sind Namen wie Aetor, Aplus, Raecus, Vescleves*, Volso, usw.; das Namensformular ist entweder zweigliedrig (Individualname + Gentilname), oder aber dreigliedrig (Individualname + Gentilname + Vatersname[Gen]); Frauennamen haben ein dreigliedriges System (Gentilname + Vatername[Gen] + Individualname).

b) mitteldalmatisch-pannonisch: typisch für dieses Gebiet sind Namen wie Andes, Aplis, Baezus, Pinsus, Vendes, usw.; typisch ist die Bildung von Frauennamen mit -o: (Gen. -ōnis) Aplo, Baezo, Vendo. Das Namensformular ist in diesem Raum nicht einheitlich, häufig begegnet Individualname + Vatersname[Gen].

c) südostdalmatisch = illyrisch: typisch für dieses Gebiet sind Namen wie Annaeus, Bardylis, Epicadus, Gentius, Pinnēs, Skerdilaidas, usw. An Frauennamen finden sich z.B. Etleva oder Teuta(na). Das Namensformular besteht neben dem einfachen Namen aus Individualname +
Vatersname[Gen]."

"Es ist natürlich nicht zwingend, daß verschiedene Namensgebiete mit auch verschiedenen Sprachen korreliert sein müssen, aber empfiehlt es sich, die drei Gebiete getrennt zu betrachten, wobei über das gegenseitige Verhältnis der vlt. verschiedenen Sprachen keine Klarheit vorliegt: "Es fehlt auch an Unters. darüber, welche und wie viele voneinander unterschiedene Sprachen aus den (anthrop)onomastischen Gegebenheiten abzuleiten sind und welchen Platz unter diesen das ‘eigentliche’ Illyr. einnimmt." (Zitat aus Rüdiger SCHMITT. ‘Illyrier’. In: Reallex. d. Germ. Altertumskunde² Bd. 15, 2000, S. 357).
Das südostdalmat. Namensgebiet mit seiner eigenen Namensgebung ist grosso modo jener Raum, der tatsächlich als illyrischer Raum angesehen werden kann. In diesem Raum werden die von antiken Autoren genannten Illyrii proprie dicti verortet (s. gleich). Es gibt auch archäolog. Hinweise, daß in diesem Gebiet eine zusammenhängende Kulturform (d.h. übereinstimmende eisenzeitliche Trachten und Schmuckformen) vorliegt.
 
Danke für die Zitate!

Es ist plausibel, dass mit zunehmendem Kontakt, aus der Nähe betrachtet, die althergebrachte Etikettierung sämtlicher Völker des Ostadriaraumes als "Illyrer" nicht länger aufrecht zu erhalten war. Zu Lebzeiten Plinius war Istrien bereits längst (seit dem Jahr 16 n. Chr.) ein Teil Italiens, und die romanisierten Histrier waren somit römische Bürger. Zu Italien gehörte jedoch nur der Teil der Halbinsel, der als ehemaliges Stammesgebiet der Histrier zu betrachten ist. Die Kvarner Bucht nordöstlich der Rasa (Arsia) d.h. das Siedlungsgebiet der Liburnier gehörte zur Provinz Dalmatien.

Plinius hat wahrscheinlich nicht mehr sehr viel autochtone histrische Kultur oder Sprache vorgefunden. Ich werde bei Titus Livius nachlesen, was er über die Histrier so schreibt und hier posten, wenn sich daraus irgendwelche neuen Erkenntnisse ergeben.
 
Bei Livius (Ab urbe condita, Buch 41) finden sich folgende Hinweise zu den Histriern:
  • Zwei mal werden sie als Barbaren bezeichnet
  • Einmal wird behauptet, sie seien ein reiches Angebot an Speisen nicht gewöhnt
  • Nach der Eroberung der drei größten Städte wird die Beute als "überraschend hoch" bezeichnet, angesichts des armen Landes
  • dennoch erhalten die Legionäre eine deutlich geringere Prämie als z.B. nach der Eroberung Sardiniens
  • Die römische Streitmacht bestand aus 22.400 Mann Infanterie und 900 Reitern
  • Der Name ihres Königs sei Epulo. Es ist möglich, dass das ein Spottname der Römer war, der soviel wie "ich speise" bedeutet hat (von epulare = speisen). Denn die Histrier hatten sich nach der Eroberung eines römischen Lagers am Quellteich des Timavo über die Essensvorräte her gemacht, anstatt über das in Verwirrung geflohene Heer der Römer, das völlig panisch, führungslos und unbewaffnet am Strand umherirrte, wo es eine leichte Beute gewesen wäre. Nachzulesen hier (eine skurrile Story) Livius 41 3
Bei Plinius (von wegen: "Illyrii proprie dicti") ist von Histriern in Istrien überhaupt keine Rede, denn er nennt als Völker zwischen Pula und Triest diese: Incolae Alpium multi populi, sed inlustres a Pola ad Tergestis regionem Fecusses, Subocrini*, Catali, Menoncaleni.

Freilich ohne uns mehr als diese Namen zu verraten, die ich auf die schnelle eigentlich nur bei Plinius finden konnte. Und überhaupt:
über welche "Alpen" in Istrien schreibt er denn da in seiner Naturalis historia? Zwischen Pula und Triest gibt es nichts, das die Bezeichnung "Gebirge" verdient. Die Ucka ist als höchster Berg der Halbinsel ist zwar immerhin ein 1400er, aber leider nicht bei Triest befindlich, sondern am anderen Eck, bei Rijeka. Und ausgerechnet dort lebten die Liburner zu Lebzeiten des Plinius, die er jedoch mit keinem Wort erwähnt.

*Subocrini: das könnten jene sein, die am Fuße des Okra Gebirges (heute: Nanos) wohnen. Nordöstlich von Triest im übrigen, und nicht zwischen Pula und Triest gelegen, sondern zwischen Triest und Emona.
 
Und ausgerechnet dort lebten die Liburner zu Lebzeiten des Plinius, die er jedoch mit keinem Wort erwähnt.

Die Liburner erwähnt Plinius zwar an dieser Stelle nicht, an anderen Stellen aber öfters.

Z. B.:

ab eo Graeciae ora, mox Sal<l>entini, P<o>educuli, Apuli, P<a>eligni, Frentani, Marrucini, Vestini, Sabini, Picentes, Galli, Vmbri, Tusci, Veneti, Carni, Iapudes, Histri, Liburni.
=
"von hier an die griechische Küste [gemeint ist Magna Graecia, also Süditalien], dann die Sal<l>entiner [usw.], Veneter, Carner, Japuden, Histrer, Liburner."

Oder:

Arsiae gens Liburnorum iungitur usque ad flumen Titium. pars eius fuere Mentores, Himani, Encheleae, Bu<l>ini et quos Callimachus Peucetios appellat, nunc totum uno nomine Illyricum vocatur generatim. populorum pauca effatu digna aut facilia nomina.
=
"Von der Arsia schließt sich das Volk der Liburner an bis zum Fluss Titius. Ein Teil desselben waren die Mentoren, Himaner, Encheleer, Bu[l]iner und die, welche Kallimachos Peucetier nennt; jetzt wird das Ganze zusammenfassend mit dem einen Namen Illyricum bezeichnet. Von den Völkern sind wenige der Erwähnung wert oder von leichtem [leicht auszusprechendem oder zu schreibendem] Namen.


Kallimachos lebte gut 300 Jahre vor Plinius. Eine weitere Quelle für Plinius war Varro, der im 1. vorchristlichen Jahrhundert schrieb. Als aktuellere Quelle nutzte Plinius wohl ausgiebig die formulae provinciarum, welche die rechtlichen Zuständigkeiten innerhalb der Provinzen regelten. Bei so unterschiedlichem Quellenmaterial sind Unstimmigkeiten nicht verwunderlich.
Im Zusammenhang mit den Illyrii proprie dicti hat Radoslav Katičić Überlegungen zur Herkunft der Angaben bei Plinius angestellt:
 
Die Liburner erwähnt Plinius zwar an dieser Stelle nicht, an anderen Stellen aber öfters.
Damit hast du natürlich ganz recht, ich danke dir auch für das Heraussuchen der entsprechenden Belege dafür. Plinius zählt die Histrier und Liburner für die "westadriatische" Küste (die in der Kvarner Bucht dann sukzessive "ostadriatisch" wird) der Reihe nach auf, und benennt den Fluss Arsia (heute Rasa) korrekt als Grenze des Siedlungsgebietes. So weit, so gut.

Woher Plinius allerdings die Idee genommen hat, allerlei Stämme (Fecusses etc.) zwischen Pula und Triest zu lokaliseren, diese als "alpin" zu etikettieren, und dies ohne jeglichen Bezug zu den von ihm selbst an anderer Stelle als Bewohner derselben Region erwähnten Venetern, Japoden, Karniern, Histriern, Liburniern etc. herzustellen, oder gar deren "Illyirizität" zu beurteilen, die ihm an anderer Stelle ein wichtiges Anliegen zu sein scheint, das bleibt wohl sein Geheimnis. Ich gewinne den Eindruck, dass Plinius diverse ihm vorliegende Informationen unreflektiert und ohne Hinweis auf den Urheber und die Zeitstellung in sein Werk kopiert hat, wo sie dann gleichrangig mit amtlichen Daten (formulae provinciarum) präsentiert werden. Aus heutiger Sicht haarsträubend und ärgerlich. Denn das muss man erst einmal auseinander klauben können.
 
Ich gewinne den Eindruck, dass Plinius diverse ihm vorliegende Informationen unreflektiert und ohne Hinweis auf den Urheber und die Zeitstellung in sein Werk kopiert hat, wo sie dann gleichrangig mit amtlichen Daten (formulae provinciarum) präsentiert werden. Aus heutiger Sicht haarsträubend und ärgerlich. Denn das muss man erst einmal auseinander klauben können.
So ähnlich schreibt es ja auch Katičić: "Es ist charakteristisch für seine oberflächliche Arbeitsweise, daß er es gar nicht versucht die Beschreibung in den verschiedenen Quellen in Einklang zu bringen."
Fairerweise muss man in Rechnung stellen, dass Plinius auf keine topographischen Landkarten zurückgreifen konnte. Wir können uns rasch durch einen Blick in eine beliebige Landkarte einen Überblick über die Ausdehnung der Alpen verschaffen, diese Möglichkeit hatte Plinius nicht. Die Agrippa-Karte, die er oft zitiert, ist überhaupt nicht mit modernen Landkarten zu vergleichen, noch nicht einmal mit der respektgebietenden Pionierleistung des Ptolemaios, die zu Plinius' Zeit natürlich auch noch nicht verfügbar war. Es muss sich wohl um eine sehr stark schematisierte Karte gehandelt haben. Die Quellen, die Plinius verwendete, sind größtenteils nicht oder nur sehr fragmentarisch erhalten, und es ist gut möglich, dass auch diese schon in sich widersprüchlicher waren als das, was Plinius daraus exzerpiert hat.
 
Beim Namen Istriens erfahren wir nebenbei, was für haarsträubende Angaben in der Literatur herumspukten, die Plinius gesichtet hat:

"... Histriae. quam cognominatam a flumine Histro, in Hadriam effluente e Danuvio amne eodemque Histro exadversum Padi fauces, contrario eorum percussu mari interiecto dulcescente, plerique dixere falso, et Nepos etiam Padi accola; nullus enim ex Danuvio amnis in mare Hadriaticum effunditur."
=
"Dass Histrien nach dem Fluss Hister [eigentlich nur ein anderer Name für die Donau] benannt worden sein soll, der vom Strom Donau in die Adria fließen soll, gegenüber der Mündung des Po, und dass das von deren entgegengesetztem Zufluss das dazwischenliegende Meer süßer würde, behaupten mehrere - darunter Nepos, der am Po gelebt hat - fälschlicherweise: Denn von der Donau ergießt sich kein Strom in das Adriatische Meer."
 
Dass Histrien nach dem Fluss Hister [eigentlich nur ein anderer Name für die Donau] benannt worden sein soll
Hier zeigt sich Plinius wieder von seiner verständigen Seite, und klärt uns Leser auf, dass diese Namensherkunft geografisch ein Unsinn sein muss. Was ihm in diesem Kontext jedoch nicht präsent zu sein schien, ist die mythologische Verknüpfung der Region mit der Argonautensage:

Jason sei auf der Flucht vor den Kolchern über die Donau in die Adria gelangt. Medeas Bruder Absyrtes von Jason und Medea in einen Hinterhalt gelockt und ermordet, nach ihm seien die Apsyrtiden benannt (Inselgruppe in der Kvarner Bucht). Die überlebenden Kolcher hätten Pula gegründet und sich dort niedergelassen, aus Furcht vor der Bestrafung, die ihnen drohte, wenn sie ohne Vlies, ohne Medea heimkehrten. Das ist die Version von Apollonios von Rhodos (3. Jhdt. v. Chr.).

Jason habe Emona gegründet, fand ich bei Zosimos (5. Jdht), der immerhin physikalisch korrekt schildert, dass die Argo dafür vom Schwarzen Meer aus gegen die Strömung der Donau gerudert werden musste, und dass die Donau nicht in die Adria mündet. Dass man vor der Gründung Emonas die Abzweigung in die Save nicht verpassen sollte, erwähnt er nicht. Zosimos schildert dann, dass sie nach Überwinterung in Emona mit eigens dafür konstruierter Mechanik die Argo 400 Stadien (74 km) über Land karren mussten, um das Meer zu erreichen. Ich habe grob nachgemessen: das kommt ganz gut hin, wenn man ab Vrhnika (Nauportus) über die Hrusica (Ad Pirum) in den Golf von Triest will. Strabo (7.5) bestätigt die Weglänge im Wesentlichen, und nennt Nauportus als Hafen, von dem man via Save in die Donau gelangt, was auch korrekt ist.

Die Donau münde in die Adria bei Strabo: schon Theopompos, Eratosthenes und Polybios hätten das angeblich behauptet. Strabo selbst widerspricht dieser Behauptung gut 50-60 Jahre vor Plinius. Plinius ahmt wohl einfach nur den Strabo nach, und schiebt den Irrtum einem Gelehrten unter, den Strabo vergessen hatte zu erwähnen.

Doch zurück zu den Histriern: enttäuscht von Plinius fragte ich mich, wann die Namen Histrier und Histria eigentlich erstmals auftauchen. Ich fand bisher nichts was älter ist als 1. Jhdt. v. Chr und frage mich, ob nicht nur der König "Epulo" ein Schimpfwort der Römer gewesen sein könnte, sondern auch "Histri" (etwa: Gaukler)
 
Hier zeigt sich Plinius wieder von seiner verständigen Seite, und klärt uns Leser auf, dass diese Namensherkunft geografisch ein Unsinn sein muss. Was ihm in diesem Kontext jedoch nicht präsent zu sein schien, ist die mythologische Verknüpfung der Region mit der Argonautensage:
Doch, die erwähnt er gleich im nächsten Satz:

quam cognominatam a flumine Histro, in Hadriam effluente e Danuvio amne eodemque Histro exadversum Padi fauces, contrario eorum percussu mari interiecto dulcescente, plerique dixere falso, et Nepos etiam Padi accola; nullus enim ex Danuvio amnis in mare Hadriaticum effunditur. deceptos credo, quoniam Argo navis flumine in mare Hadriaticum descendit non procul Tergeste, nec iam constat quo flumine. umeris travectam Alpis diligentiores tradunt, subisse autem Histro, dein Savo, dein Nauporto, cui nomen ex ea causa est inter Emonam Alpisque exorienti.
ienti.

Plinius ahmt wohl einfach nur den Strabo nach, und schiebt den Irrtum einem Gelehrten unter, den Strabo vergessen hatte zu erwähnen.
Er schiebt den Irrtum nicht einem Gelehrten unter, sondern erwähnt ausdrücklich, dass das mehrere behaupten. Dass er den Nepos namentlich erwähnt ("et Nepos etiam Padi accola") dürfte wohl die Verwunderung des Plinius zum Ausdruck bringen: "sogar Nepos, der doch am Po gelebt hat".

Doch zurück zu den Histriern: enttäuscht von Plinius fragte ich mich, wann die Namen Histrier und Histria eigentlich erstmals auftauchen. Ich fand bisher nichts was älter ist als 1. Jhdt. v. Chr und frage mich, ob nicht nur der König "Epulo" ein Schimpfwort der Römer gewesen sein könnte, sondern auch "Histri" (etwa: Gaukler)

Die Istroi wurden schon von Hekatios von Milet (ca. 560 bis 480 v. Chr.) erwähnt. Eine Ableitung des Namens aus dem Lateinischen ist damit ausgeschlossen. Ich halte Epulo auch nicht für einen Fakenamen, der von einem Schimpfwort abgeleitet ist. Eher könnte der Name lateinische Schriftsteller dazu verleitet haben, die Szene mit dem Fressgelage entsprechend auszumalen.
 
Danke Sepiola für die diversen Richtigstellungen! Ich bin kein Geschichtswissenschaftler, neige leider zu etwas vorschnellen Urteilen und bin offensichtlich nicht gründlich genug.

Da mich das Thema aus bekanntem Anlass interessiert, habe ich weiter recherchiert. Bei Strabo findet sich für Nauportus eine viel einfachere plausiblere Namensherkunft. Nicht etwa vom Tragen eines Bootes (in sagenhafter Vorzeit, denn die Argonautensage scheint ein vorhomerischer Stoff zu sein) sondern von der Funktion des Ortes als Bootshafen. Laut Strabo wurden Waren zwischen Adria und der Donau über die Hrusica gekarrt oder getragen und ab Nauportus verschifft. Man gelangt via Ljubljanica und Save in die Donau.

Bei Strabo wird Triest als karnisches Dorf bezeichnet und Nauportus sei tauriskisch gewesen. Wenn er das richtig beschreibt, ergibt sich ein regelrechter Flickenteppich von Völkern auf recht engem Raum, denn Histrier, Liburnen, Japoden, Veneter, Karnier, Taurisker, diverse Kelten, Nachfahren der Etrusker, Griechen (syrakusanisches Emporion Adria) und die neu angekommenen Römer gibt es auch noch.

Was ich in Bezug auf die Histrier noch bemerkenswert und evt. besprechenswert finde: nach deren Unterwerfung vergehen >100 Jahre bis Rom Istrien kolonisiert. Um die 50 v. Chr. wird Pula zum x-ten male gegründet, als römische Pflanzstadt mit allem Drum und dran, und erst ab diesem Zeitpunkt wird Land (1/3 Istriens) von Rom verstaatlicht und den zivilen Kolonisten zugeteilt. Und nur ca. 50 Jahre später ein Amphitheater für 23.000 Besucher gebaut, das sechstgrößte des Reiches. Und schon 16 n.Chr. ist Istrien formal ein Teil Italiens und seine Bewohner römische Bürger.

Hat eine rekordverdächtig rasante Romanisierung der histrischen Bevölkerung stattgefunden, oder war diese so weit verdrängt und dezimiert worden, dass wir ohnehin von einer eingewanderten römischen Bevölkerungsmehrheit ausgehen sollten? Ich meine, dass eine so starke Migration nach Istrien nicht unerwähnt geblieben wäre. Livius erwähnt für 177 v.Chr. (o.k. das ist etwas früher aber mir aus dem Kontext Eroberung Istriens noch präsent), dass 4.000 Familien innerhalb Italiens von A nach B umgezogen sind, aus "steuerlichen Gründen" wenn ich das richtig verstanden habe.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dass zwischen Unterwerfung und formaler Kolonisierung viele Jahrzehnte, auch mal 100 Jahre vergehen, ist an sich nicht ungewöhnlich.
Die Gründung (oder Umwandlung einer Siedlung zu) einer Colonia muss auch keineswegs mit einem massenhaften Zuzug stadtrömischer oder italischer Bevölkerungsteile einhergegangen sein. Man müsste sich im Fall Pula mal das Inschriftenmaterial ansehen, leider habe ich keine Ahnung, ob es da eine Untersuchung oder Übersicht gibt. Es würde mich aber nicht wundern, wenn ein größerer Teil der Namen einheimischen Charakters wäre.
Mit dem argumentum ex silentio wäre ich vorsichtig, von den Quellen ist nur ein Bruchteil erhalten. Welcher Schriftsteller hat denn eine so ausführliche Geschichte Istriens hinterlassen, dass er jede größere Umsiedlung/Migration hätte unbedingt erwähnen müssen?
 
Man müsste sich im Fall Pula mal das Inschriftenmaterial ansehen
Habe dazu etwas gefunden. Die Arbeit analysiert die Migration von römischen Bürgern nach Istrien anhand von Inschriften auf Sarkophagen. Der Autor weist darauf hin, dass sich nur die reicheren Leute Sarkophage leisten konnten.
Link zum Artikel

Die Kolonisten kamen vor allem aus Norditalien, gefolgt vom östlichen Mittelmeerraum. Die meisten der fast 2.000 untersuchten Inschriften wurden in Pula und Umgebung gefunden. Interessant ein "Plakat" (in Form einer Steintafel) auf halbem Weg zwischen Tergeste (Triest) und Pula verbindet), das verkündet, dass die Benutzung der Thermen von Quaeri (heutiges Istarske Toplice) für colonia, incolae, peregrini frei ist. Also praktisch für jeden, wenn ich das richtig verstehe. Mit incolae ist wohl die autochtone Bevölkerung gemeint, mit colonia die römischen Kolonisten aus Pula und Tergeste und peregrini sind wohl Reisende, evt sogar Touristen im heutigen Sinn. Anlass für dieses "Plakat" muss ein Disput darüber gewesen, wer in Quaeri baden darf, und wer nicht.

Exotisches Detail: Auf der Insel Uljanik im Hafen von Pula liegt ein König der Roxolanen mit Family begraben.

Diese Website widmet sich den Histri bzw. einer Ausstellung:
Histri u Istri -

Histrische Personennamen in römischen Inschriften seien vor allem im Zentrum und Norden Istriens gerfunden worden. "Einige davon sind zum Beispiel Voltimesis, Polla, Opla, Balbica, Petale, Pletor, Hostila, Melosocus und Megaplinus. Zu den histrischen Stammesnamen gehören Cornuinus, Flaemica, Lauricius, Mariarius, Tocerinus, und zu diesen persönlichen Namen können wir auch Bito, Cofius, Menda, Omuncio, Orfo, Querqui, Suefia, Tommus, Turrus, Velsonis und Voltiomna hinzufügen."

Lokale vorrömische Gottheiten wurden bis zur Christianisierung im 3. Jhdt. weiterhin in ganz Istrien verehrt, d.h. auch in Pula. Insbesondere eine Vielzahl weiblicher Gottheiten, oft mit dem Zusatz "Augusta". Beispiele Ika , Eia, Boria, Nebres, Sentona, Trita. Meloscus der Name der einzigen männlichen Gottheit, die aus Inschriften bekannt ist.
 
Habe dazu etwas gefunden. Die Arbeit analysiert die Migration von römischen Bürgern nach Istrien anhand von Inschriften auf Sarkophagen. Der Autor weist darauf hin, dass sich nur die reicheren Leute Sarkophage leisten konnten.
Link zum Artikel

Die Kolonisten kamen vor allem aus Norditalien, gefolgt vom östlichen Mittelmeerraum.

Soweit ich das verstanden habe, geht es in dem Artikel nicht um die Kolonisten (coloni).

Es wird unterschieden zwischen
- coloni (Leute mit Bürgerrecht in der jeweiligen colonia)
- incolae (Leute mit auswärtigem römischen oder italischen Bürgerrecht)
- perigrini (Leute ohne römisches oder italisches Bürgerrecht)

Wobei in der Inschrift von Buje ausnahmsweise auch einheimische istrische peregrini zu den incolae gerechnet wurden.
 
Soweit ich das verstanden habe, geht es in dem Artikel nicht um die Kolonisten (coloni).
Kolonisten ist leider der völlig falsche Begriff, den ich ungeschickterweise verwendet hatte, um zu illustrieren, dass sie eingewandert sind.

Leider schlägt der Artikel keine Datierung der Inschrift von Buje vor, die uns einen Hinweis darauf geben könnte, Bürger welcher Colonia denn hier überhaupt an erster Stelle als Badeberechtigte gemeint sein könnten. Als Anhaltspunkte lege ich hier folgende Daten vor:
  • Die Via Flavia wurde als Verbindungsstraße Tergeste-Pola um 78 n.Chr. gebaut
  • Aquileja wurde erst in der Regierungszeit des Augustus (d.h. etwa "um Christi Geburt") eine Colonia
  • Tergeste erst später, in der ersten Hälfte des 1. Jdht.
  • Pula als Colonia Pietas Iulia Pola mit römischem Bürgerrecht bereits unter der Caesar* um ca. 46 v.Chr.
  • Porec als Colonia Iulia Parentium ebenfalls unter Caesar
  • Zenturiation = Vermessung, Parzellierung und Verstaatlichung des besten Landes ebenfalls unter Caesar
  • Regio X Venetia et Histria: seit dem Jahr 16 n. Chr. hat auch die autochtone Bevölkerung römisches Bürgerrecht, d.h. auch diese sind dann incolae
*Caesar hat (laut Katalogtexten des arch. Museums von Pula) in Istrien seine treuen Veteranen angesiedelt (einige tausend). Im auf Caesars Ermordung folgenden Bürgerkrieg stellen sich diese auf die Seite des Cassius, weshalb der siegreiche Octavianus die Stadt zerstören lässt, um sie wenige Jahre später als Kaiser Augustus auf Wunsch seiner Tochter Julia als Pietas Iulia Pola Pollentia Herculanea neu zu bauen, und das gleich im ganz großen Stil.

Mangels einer durchgängig für Wägen geeigneten Straße dürften Menschen und Waren auf der Wasserstraße gereist sein. Einen römischen Tourismus zu den Thermen von Istarske Toplice würde ich eher erst nach Fertigstellung der Via Flavia annehmen. Buje übrigens liegt an der Via Flavia. Das "Hinweisschild" hätte vor allem für Reisende einen Sinn, die aus Aquileja und Tergeste kommen. Denn bei Ponte Porton muss man nämlich abzweigen. Wer aus Pula oder Porec kommt, muss nicht durch Buje, um ins Mirna Tal zu gelangen.

Karte: Die ungefähre Lage von Istarske Toplice ist der grüne Punkt. Man sieht, dass zu den vielen Villae rusticae der Westküste keine Straßen führen. Ager Polensis, Parentinus, Tergestinus die Verwaltungsbezirke der drei Kolonien. Die rote gestrichelte Grenze die durch Istrien verlaufende Grenze zwischen Italien und Dalmatien. Die fette grüne Linie markiert das fruchtbare und für den Anbau von Wein und Oliven geeignete Land, das den "römischen Kolonisten" zugeteilt wurde, schon unter Caesar.

Roman Histria.jpg


Warum wird aus dem Kolonisten kein Einwohner? Mit einer Registrierung des neuen Wohnsitzes beim Census z.B. in Pola würde der Kolonist formal zum Einwohner und wäre der Gruppe der incolae zu zu rechen. Ein Meldewesen existierte ja durchaus, denn der Staat will Steuern eintreiben, Soldaten rekrutieren und generell Kontrolle über seine Bürger und Untertanen haben. Kann es sein, dass diese vielen Villae Rusticae gar nicht Wohnsitze ihrer Eigentümer waren, sondern teils Wirtschaftsbetriebe teils Feriendomizile, an denen man gar keien "Meldeadresse" hatte? Oder hat "Tourismus" im Istrien der frühen Kaiserzeit eine Rolle gespielt?
 
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Warum wird aus dem Kolonisten kein Einwohner? Mit einer Registrierung des neuen Wohnsitzes beim Census z.B. in Pola würde der Kolonist formal zum Einwohner und wäre der Gruppe der incolae zu zu rechen. Ein Meldewesen existierte ja durchaus, denn der Staat will Steuern eintreiben, Soldaten rekrutieren und generell Kontrolle über seine Bürger und Untertanen haben. Kann es sein, dass diese vielen Villae Rusticae gar nicht Wohnsitze ihrer Eigentümer waren, sondern teils Wirtschaftsbetriebe teils Feriendomizile, an denen man gar keien "Meldeadresse" hatte? Oder hat "Tourismus" im Istrien der frühen Kaiserzeit eine Rolle gespielt?

Natürlich sind coloni auch Einwohner im heutigen Sinne. Sie setzen sich zusammen aus der alteingesessenen Oberschicht und ausgedienten Veteranen, die ein Stück Land zugeteilt bekamen, wo sie ihren Alterswohnsitz nahmen. Die Zusammensetzung war von Colonia zu Colonia unterschiedlich. Zur Colonia Aventicum habe ich mal gelesen, dass hier die Oberschicht weitestgehend helvetischer Herkunft war und sich Veteranen so gut wie gar nicht nachweisen lassen.
 
Natürlich sind coloni auch Einwohner im heutigen Sinne.
Mir ist leider immer noch nicht klar, welche Personen im damaligen Sinne gemeint waren und an erster Stelle des Dekretes ausdrücklich genannt wurden. Denn "freie Personen, die ihren Wohnsitz wechselten, wurden als incolae bezeichnet" - so definiert es der Autor im ersten Satz des Kapitels über die Inschrift von Buje. Nach meinem Verständnis würden die coloni ab dem Zeitpunkt ihrer Meldung des Wohnsitzes beim Census zu incolae. Was kann der Grund für die gesonderte Nennung der coloni sein? Der legale Status des Kolonisten endet mit der Meldung des Wohnsitzes und kann daher nach meinem Verständnis nur ein vorübergehender Status gewesen sein.

  • Bezieht sich das auf unmittelbare Neuankömmlinge, die ihren Wohnsitzwechsel noch nicht gemeldet hatten?
  • Neuankömmlinge, denen Land bereits zugeteilt war, aber der Wohnsitz war baulich noch nicht errichtet?
  • Gab es zum Zeitpunkt des Dekretes noch keine Meldebehörde in Tergeste?
  • Geht es um eine Unterscheidung nach Steuerpflicht? Die Veteranen, die mit Land belohnt wurden, waren ja steuerlich privilegiert.
  • Gab es zum Zeitpunkt des Dekretes gerade besonders viele coloni, so dass deren extra Erwähnung erforderlich erschien?
  • Könnte es in der städtischen Verfassung von Tergeste irgendwelche exotischen Regelungen betreffend den legalen Status der Bewohner gegeben haben, von denen wir nichts wissen?
  • Tergeste erlangte bekanntlich als letzte der drei histrischen Verwaltungszentren den Status einer Colonia, prächtige Villen der römischen Elite sind jedoch schon vor dieser Zeit belegt.
  • Anmerkung: Die Bäder befanden sich im Verwaltungsbezirk von Tergeste

Ich kann mir eher nicht vorstellen, dass im Disput, der diesem Dekret vorangegangen sein muss, ausgerechnet das Baderecht der privilegierten coloni infrage gestellt wurde. Eher kann ich mir vorstellen, dass hier das Baderecht ausdrücklich auch auf die peregrini ausgeweitet wurde. Warum jedoch ungewöhnlicherweise die coloni als extra Kategorie erwähnt werden, ist mir ein Rätsel.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir ist leider immer noch nicht klar, welche Personen im damaligen Sinne gemeint waren und an erster Stelle des Dekretes ausdrücklich genannt wurden. Denn "freie Personen, die ihren Wohnsitz wechselten, wurden als incolae bezeichnet" - so definiert es der Autor im ersten Satz des Kapitels über die Inschrift von Buje. Nach meinem Verständnis würden die coloni ab dem Zeitpunkt ihrer Meldung des Wohnsitzes beim Census zu incolae.
Das ist doch wohl ausgeschlossen. Die coloni waren gegenüber den incolae die privilegiertere Klasse.
 
Die coloni waren gegenüber den incolae die privilegiertere Klasse.
Ich verstehe, dass coloni einen höheren Status hatten, und u.a. durch Steuerbefreiungen privilegiert waren.

Welche coloni die Inschrift von Buje meint, ist mir jedoch nicht klar. Wenn ich davon ausgehen darf, dass das steinerne Hinweisschild an der Via Flavia aufgestellt wurde, die 78 n. Chr. fertiggestellt wurde, dann können allenfalls coloni aus Tergeste gemeint gewesen sein, denn die Veteranen und sonstigen Begünstigten, die unter Caesar (45 v.Chr) und Augustus (23 v. Chr) in den Verwaltungsbezirken von Pola, Parentium (45 v. Chr), Aquileja (Jahr Null) Land zugeteilt erhielten, können zu diesem Zeitpunkt nicht mehr am Leben gewesen sein.

War der Status eines colonus samt Privilegien denn vererbbar oder an den Landbesitz gekoppelt?
 
Versuch einer Zusammenfassung

Ethnizität:

  • die Histrier werden als Volk erstmals im 6. Jhdt. v. Chr. erwähnt
  • Antike Autoren bezeichnen sie als Illyrer
  • Diese Etikettierung trifft jedoch pauschal auf die Völker der östlichen Adria zu und wird schon im 1. Jhdt infrage gestellt
Sprache:
  • Die Histrier hatten weder ein eigenes Alphabet noch schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen
  • Heutige Experten für das Illyrische sehen eine Ähnlichkeit mit den benachbarten Liburnern
  • Aus römerzeitlichen Inschriften sind Personennamen und Namen von Göttern überliefert
  • Die indigenen Personennamen verschwinden schon mit Ende des 1. Jhdt.
  • Die Götternamen erst mit der Christianisierung ab Ende des 3. Jhdt.
Siedlungsraum:
  • westlicher Teil Istriens bis an die Rasa (entlang der späteren Grenze zur Provinz Dalmatien)
  • im Nordwesten inklusive Triest und an den Timavo
  • im Norden bis an das Ocra Gebirge (Nanos)
  • ab ca. 45 v.Chr. aufgrund der Kolonisierung ins Zentrum und den Norden der Halbinsel abgedrängt
Unterwerfung und Romanisierung
  • 177 v. Chr. Zerstörung der histrischen Hauptstadt Nesactium und zweier anderer Städte
  • die histrischen Stämme unterwerfen sich, stellen Geisel, >5.000 in die Sklaverei verkauft
  • Anführer werden geköpft, Schiffe und Waffen vernichtet
  • Dann geschieht mal 130 Jahre lang "fast nichts" (man hat keinerlei Reste oder Zeugnisse von römischen Garnisonen gefunden)
  • 46 v.Chr. unter Caesar werden die Kolonien Pola und Parentium gegründet
  • Das beste Ackerland wird verstaatlicht, vermessen, parzelliert, und Kolonisten zugeteilt (Schätzung 3.000 bis 5.000)
  • Die Vorbesitzer dieser Immobilien werden enteignet und ins Hinterland abgedrängt
  • um ca. 30. v.Chr.: Octavian lässt Pola zerstören, weil dessen Bewohner für die Caesar Mörder Partei ergriffen und (evt auch gekämpft) hatten
  • 23. v. Chr. Neugründung von Pola im großen Stil, erneute Kolonisierungskampagne
  • 16 n.Chr. Istrien wird Teil Italiens (Regio X) und somit die Histrier römische Bürger
  • Ab Ende des 1. Jhdt. keine histrischen Eigennamen mehr in den Inschriften
  • Dies trifft auch auf die rein indigenen Siedlungen im Zentrum zu
  • Ende des 1. Jhdt. hat Pula 30.000 Einwohner (diese Einwohnerzahl sollte es erst im 19.Jhdt. wieder erreichen)
  • Man geht von einer rapiden Romanisierung aus
Dilettantische Schätzung des histrischen Bevölkerungsanteiles
  • Das römische Heer, das zur Eroberung aufgestellt wurde, war 23.000 Mann stark
  • Ich schätze die Bevölkerung Istriens vor der Eroberung auf etwa 70.000 Menschen
  • Plausi-Check: Italien hatte laut Hochrechnungen aus den Volkszählungen unter Augustus etwa 10 Mio EW, d.h. ein Fünftel von heute
  • Istrien hat heute etwa 350k EW, d.h. die 70k wären ebenfalls ein Fünftel
  • Von diesen könnte etwa die Hälfte den Befriedungsprozess überlebt haben
  • In den 130 Jahren vor der tatsächlichen Kolonisierung sollte sich der Bevölkerungsstand wieder erholt haben
  • Ich nehme an, dass ein Teil des Plebs in den Städten und der "Landarbeiter" in den landwirtschaftlichen Betrieben (Wein und Oliven) sich auch nach der Kolonisierung aus Einheimischen rekrutierte, denn es wäre unwirtschaftlich z.B. für die Weinernte tausende Saisonarbeiter aus entfernten anderen Provinzen herbei zu holen, die man nur für ein paar Wochen braucht, oder diese gar ganzjährig zu beschäftigen, denn Wein und Oliven verursachen "Bedarfsspitzen" an Arbeitskraft.
  • Ich nehme außerdem an, dass auch das Hinterland der Westküste, das Zentrum und der Norden der Halbinsel, also die Gebiete in denen es keine Villae rusticae gab, unter der römischen Verwaltung florierte und "römische Kultur" angenommen hatten
  • Diese ruralen Gebiete waren praktisch zu 100% von romanisierten Histriern bewohnt
  • In den Städten der Westküste und in Pula kann es einen Anteil von 10% bis 15% gegeben haben.
  • Eine ähnliche Zweiteilung war auch viel später noch vorhanden, denn es gab (etwa) vom 13. bis ins 17. Jhdt. die venezianisch geprägten Städte der Westküste und ein kroatisch-rurales Hinterland.
  • Unterm Strich schätze ich, dass grob die Hälfte der Gesamtbevölkerung der Halbinsel am Ende des weströmischen Reiches Nachkommen der Histrier war.
  • (Allerspätestens) ab diesem Punkt wird es dann völlig aussichtslos und unlustig, über den Bevölkerungsanteil von Histriern bzw. deren Nachkommen zu spekulieren.
 
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