thesen als fazit
1. Die Strategie der kaiserlichen Marine ist im 1. WK bezüglich der Hochseeflotte aufgegangen.
2. Rußland wurde fast völlig blockiert, was mit Sicherheit maßgeblich zum "Kriegsaustritt" beigetragen hat.
3. Die neutralen Niederlande, Dänemark, Norwegen, Schweden konnten draußen gehalten werden.
4. Am Skagerrak wurde dies bestätigt. Den Briten, dass die Brechung der Ostsee-Blockade nicht möglich ist, den Deutschen dasselbe für die Blockade der Nordsee.
Eine Bewertung der Leistungsfähigkeit der Marine ist sicherlich nicht einfach. Am sinnvollsten ist es vermutlich, die einzelnen „Schauplätze“ einzelnd zu betrachten. Im Vordergrund steht dabei die Frage, was hätte die Marine eigentlich leisten müssen vor dem Hintergrund des Anspruchs von Deutschland, als Weltmacht agieren zu wollen. Betrachtet man die Situation im Jahr 1918, dann wird ersichtlich, wie unterschiedlich eigentlich die Protagonisten die Rolle der Marine - rückwirkend - interpretiert haben.
Bei Wilhelm 2 wird eine deutlich Abwendung von der "Hochseeflotte" berichtet und für ihn hat die "Hochseeflotte" im wesentlichen nur noch eine politische Bedeutung, deren Bedeutung über den Krieg hinausragt.
Die Marineleitung ist eher frustiert angesichts der geringen Rolle, die das Instrument "Hochseeflotte" gespielt hat und versucht historisch wenigstens ihre "Ehre" durch eine militärisch völlig unsinnige "Todesfahrt" zu rechtfertigen.
Das Heer sieht sich in seiner Einschätzung der "Hochseeflotte" bestärkt und jammert den potentiellen Armee-Korps hinterher, die man statt der Flotte hätte ausrüsten können. Vielleicht wäre dann ja der "rechte Flügel" stark genug gewesen 1914.
Im Urteil der - mir bekannten und gelesenen - Historiker ergibt sich fast einhellig der Tenor: Die Marine - und inbesondere die "Hochseeflotte" - hat die hohen Erwartungen nicht erfüllt, die man an sie gestellt hat. Die U-Bootwaffe hat einen Achtungserfolg erzielt.
Versucht man den Anspruch der Marine und seine Erfüllung zu untersuchen, dann ergeben sich eine Reihe von zentralen Aspekten. Aus den mir vorliegenden Einschätzungen durch kompetentere Historiker möchte ich ein Fazit ziehen. Ich bitte es zu entschuldigen, wenn ähnliche Meinungen im Forum bereits gepostet wurden.
1. Nordsee:
Verteidigung:
- Anspruch: Verteidigung der heimischen Gewässser bzw. Küste gegen Eindringen und Landungen
- Realisierung: hervorragend gelöst.
Handelsstörung:
- Anspruch: Beherrschung der „Deutschen Bucht“ und der nördlichen Norsee. Im besonderen die Unterbindung von Transporten von Norwegen zu den britischen Inseln. Überwasserkräfte nicht ausreichend, U-Boot-Waffe viel zu spät das Potential erkannt und dann in nicht ausreichender Menge bereit gestellt.
- Realisierung: Sporadisch. Es sind wenige Vorstöße mit schnellen Seestreiträften unternommen worden, um diese Verbindung systematisch zu stören.
Handelssicherung
- Anspruch: Diesen Bereich so absichern, dass es Blockadebrechern gelingt über die Nordroute ins Reich zurück zu kehren.
- Realisierung: Eher gering, da die Marine zu keiner Zeit die nördliche Nordsee kontrolliert hat. Erst im Bereich der Deutschen Bucht / Helgoland konnte von einer Beherrschung gesprochen werden.
Urteil: GB ist deutlich überlegen. MarineStrategie weitgehend fehlgeschlagen
2. Ostsee
Verteidigung:
- Anspruch: Verteidigung der heimischen Gewässser bzw. Küste gegen Eindringen und Landungen
- Realisierung: hervorragend gelöst. Allerdings mit dem Schönheitsfehler, dass die Vermienung des Kattegats durch die Dänen das Eindringen der Engländer zwar verhindert hat, aber die Optionen der Marine auch deutlich beschränkt hat.
Handelsstörung:
- Anspruch: 1. Unterbindung der Zulieferung von Material nach Russland. 2. Direkt Belieferung Englands durch schwedisches Erz.
- Realisierung: Beide Aspekte optimal gelöst
Handelssicherung
- Anspruch: Eigene Seewege in der Ostsee schützen.
- Realisierung: Erfolgreich gelöst
amphibische Aktionen:
- Anspruch: Durch amphibische Aktionen den Zusammenbruch der russischen Front beschleunigen.
- Realisierung: Die wenigen nennenswerten amphibischen Operationen wurden in der Ostsee durchgeführt (z.B. erfolgloser Landungsversuch bei Ösel) .
Urteil: Deutsches Reich ist beherrschende Seemacht in der Ostsee.
3. Atlantik:
Verteidigung / Seemachtsdarstellung:
- Anspruch: Nach erfolgreicher „Vernichtungsschlacht“ mit den verbleibenden Teilen der Marine in den Atlantik vorstoßen als Teil der Handelssicherung und –störung-Strategie.
- Realisierung: Über die Planung hinaus kam es zu keinen nennenswerten Aktionen.
Handelsstörung:
- Anspruch: Mit Überseestreitkräften und später in zunehmendem Maße mit U-Bootstreikräften den Handel der Alliierten stören.
- Realisierung: Der Erfolg kann vermutlich in drei Phasen dargestellt werden. 1. Phase: geringer Erfolg aufgrund einer nur geringen Aussatttung der Marine mit U-Booten. 2. Phase: Bedrohliches Anwachsen des Erfolgs bei der versenkten Tonnage 3. Phase: Deutliche Verringerung der versenkten Tonnage aufgrund der Stagnation der U-Bootwaffe und aufgrund der Versorgungsprobleme.
Handelssicherung
- Anspruch: Sicherung der Handelswege für Blockadebrecher.
- Realisierung:Nicht vorhanden
Urteil: Übergewicht der Alliierten, obwohl der Erfolg der U-Bootwaffe alle kriegsführenden Nationen überrascht hat. Versagen der Überwasserstreitkräfte im Atlantik,
4. Kanal
Verteidigung / Seemachtsdarstellung:
- Anspruch: Nach erfolgreicher „Vernichtungsschlacht“ mit den verbleibenden Teilen der Marine den Kanal kontrollieren als Teil der Handelssicherung und –störung-Strategie.
- Realisierung: Von einzelen Aktionen der Bombardierung der englischen Südküste, die keine wirkliche militärische Bedeutung hatten, abgesehen, gab es für den Kanal keine eigenständige maritime Strategie. Einer der folgenschwersten Fehler, wie ich persönlich finde.
Handelsstörung:
- Anspruch: Unterbindung des direkten lebenswichtigen Nachschubs für die englischen und französischen Streitkräfte
- Realisierung: Es kam zu keiner systematischen Behinderung des kanalverkehrs, auch nicht durch U-Boote oder durch Minen.
Handelssicherung
- Anspruch: Die Sicherung der Durchfahrt von Blockadebrechern.
- Realisierung: Konnte nicht geleistet werden
amphibische Aktionen:
- Anspruch: Unterstützung der Umfassung des linken Flügels der französischen Armee durch Anlandungen bzw. logistische Unterstützung der deutschen 1. Armee.
- Realisierung: Fehlanzeige. Keine Planungen vorhanden. Marine hat sich nicht um die Strategie des Heeres gekümmert.
Urteil: Übergewicht der Alliierten, keine Strategie der Marineführung vorhanden und auch keine entsprechenden Marineeinheiten verfügbar für den „kleinen“ Marinekrieg.
5. Mittelmeer /Schwarzes Meer
Verteidigung / Seemachtsdarstellung:
Durch das Überlassen großer „Einheiten“ an das Osmanische Reich konnte der Bosporus gesichert werden und so die südliche Verbindung zwischen den Alliierten und Russalnd unterbunden werden.
Handelsstörung:
- Anspruch: Mangels Stützpunkten kein wesentliches Potential vorhanden.
- Realisierung: ???? keine Ahnung
Urteil: Sicherlich hätte ein Engagement der Marine im Mittelmeer das Potential des DR überfordert. Dennoch wäre ein U-Bootkrieg sicherlich auch in diesem Teil sehr effektiv gewesen. Insgesamt ein deutliches Übergewicht der Alliierten.
6. Indischer Ozean / Pazifik
Verteidigung / Seemachtsdarstellung:
- Anspruch: Die Geltung der Seemacht Deutschlands unter Beweis stellen.
- Realisierung: Das Auftauchen des Kreuzergeschwaders führte dazu, dass von der Homefleet, 3 Schlachtkreuzer abgezogen werden mußten. Ein besser ausgebautes System von Flottenstützlunkten und von Marinestreitkräften hatte England gezwungen, seine Streitkräfte wesentlich stärker zu zersplittern als das DR.
Handelsstörung: s.o.
Handelssicherung
- Anspruch: Die Handelswege sichern
- Realisierung: Nicht umgesetzt
Urteil: Ein deutliches Übergewicht der Alliierten
Aus der Vielzahl der Schauplätze, die durch eine Flottenpräsenz erobert und gesichert werden sollten, wird die Komplexität der Aufgaben, die an die Marine im Deutschen Reich gestellt wurden, deutlich. Es wird aber auch deutlich wie sich die Hybris der „Weltpolitik“ jenseits der erreichbaren Möglichkeiten des Deutschen Reichs bewegt haben.
Insgesamt sollte viel gewollt werden, ohne dass man sich im klaren war über die Begrenzungen des Deutschen Reichs in wirtschaftlicher, politischer und militärischer Hinsicht. Ein Vorgang, der sich auf fatale Weise im WW2 wiederholte.
Diese Überforderung wird umso deutlicher, wenn man sich die Situation im Jahr 1914 auf dem Kontinent vergegenwärtigt und die Gefahr sieht, dass das DR durch die intensiven Rüstungsanstrengungen von Russland und von Frankreich bereits relativ an militärischer Macht im Jahr 1914 verloren hatte.